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Nikolai Ottowitsch von Essen

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Nikolai Ottowitsch von Essen (russ. Николай Оттович фон Эссен) (* 11. (23.) Dezember 1860 in Sankt Petersburg, † 7. (20.) Mai 1915 in Tallinn) war Admiral der kaiserlich-russischen Marine, Marinereformer und Oberbefehlshaber der Baltischen Flotte im Ersten Weltkrieg. Er wird weithin als der fähigste russische Admiral des Ersten Weltkriegs angesehen.

Von Essen stammte aus einer balten-deutschen Seefahrerfamilie. Seine Vorfahren hatten seit mehr als zwei Jahrhunderten in der Marine gedient, und sieben von ihnen waren mit dem St. Georgskreuz, der höchsten militärischen Auszeichnung des Zarenreiches, geehrt worden. Nach Absolvierung der russischen Marineschule (1880) und der Nikolajewski Marineakademie (1886) diente von Essen zunächst im Schwarzen Meer und Mittelmeer und danach im Fernen Osten. Sein erstes Kommando war das Minenräumboot No. 120, das er 1897-98 befehligte. Darauf folgten das Kanonenboot Grozyachiy (1898-1900) und der Dampfer Slavianka (1901-1902).

Russisch-Japanischer Krieg

Im Russisch-Japanischen Krieg 1904-1905 befehligte Kapitän von Essen zunächst den Kreuzer Novik, den er 1902 übernommen hatte und der in Wladiwostok stationiert war. Dabei empfahl er sich als fähiger, energischer und wagemutiger Kommandant. Im April 1904 führte er sein Schiff und eine Torpedobootseskorte nach Wonsan, wo er zwei japanische Küstenwachschiffe und den voll beladenen Truppentransporter Kinshu-Maru versenkte.

Am 14. August 1904, vier Tage nach der Seeschlacht im Gelben Meer, befehligte Kapitän von Essen auf dem Panzerkreuzer Rossiya das russische Panzerkreuzergeschwader im Seegefecht bei Ulsan, das auch als Seeschlacht im Japanischen Meer bekannt ist. Zwar unterlag er dabei gegen einen deutlich überlegenen Gegner und verlor eines seiner drei Schiffe, die Rurik, erwarb sich jedoch durch seine langen und aufopfernden Bemühungen, die Rurik zu retten, den Respekt seiner Gegner und seiner eigenen Leute.

Danach befehligte er das Linienschiff Sewastopol, das mit dem Rest der russischen Flotte in Port Arthur eingeschlossen war. Unter Missachtung seiner Befehle unternahm er, um dem vorhersehbaren ruhmlosen Ende der russischen Pazifikflotte während der Belagerung von Port Arthur zu entgehen, mit der Sewastopol und dem Kreuzer Novik einen Ausbruchsversuch und kehrte erst wieder zurück, nachdem er mit dem weit überlegenen Gegner ins Gefecht gekommen war und zurückgeworfen wurde. Vier der fünf russischen Linienschiffe in Port Arthur wurden im Verlauf der japanischen Belagerung von schweren Landbatterien versenkt oder kampfunfähig geschossen. Die Sewastopol erhielt fünf schwere Treffer, konnte sich aber schließlich aus dem Feuerbereich der japanischen Batterien retten. Daraufhin sandte Admiral Togo in den folgenden drei Wochen sechs Wellen von Zerstörerangriffen gegen das letzte verbliebene russische Schlachtschiff. Insgesamt 124 Torpedos wurden auf die Sewastopol abgeschossen, die zwar schwer beschädigt wurde, aber weiterhin teilweise kampfbereit blieb. Ihrer Gegenwehr erlagen zwei Zerstörer, die versenkt wurden, und sechs weitere wurden beschädigt. Als Port Arthur am 2. Januar 1905 schließlich kapitulierte, ließ von Essen sein schwer angeschlagenes Schiff in etwa 55 m Wassertiefe von der eigenen Besatzung versenken. Er kam, wie der Rest der Verteider von Port Arthur, in japanische Gefangenschaft.

Zwischenkriegszeit

Nach Beendigung des Krieges und seiner Repatriierung erhielt von Essen den Befehl über den neuen Panzerkreuzer Rurik II (russ. Рюрик), der 1906 bei Vickers in England für die Kaiserlich-Russische Marine gebaut worden war. Die Rurik war, was Anzahl und Kaliber der Hauptartillerie betraf, der am schwersten bewaffnete Panzerkreuzer, der jemals gebaut wurde. Allerdings war sie mit nur 21,4 Knoten recht langsam. Im Ersten Weltkrieg war die Rurik Flaggschiff der Baltischen Flotte.

1908 wurde von Essen zum Konteradmiral befördert, und im folgenden Jahre erhielt er den neugeschaffenen Posten des Befehlshabers der Baltischen Flotte. Die Beförderung zum Admiral erfolgte 1913.

Von Essen hatte, wie viele jüngere russische Seeoffiziere, aus dem katastrophal verlorenen Seekrieg gegen Japan und der Meuterei der Schwarzmeerflotte gelernt und drängte auf weitreichende Reformen. Da das 1907 verabschiedete Flottenbauprogram trotz seiner Bemühungen nur sehr zögerlich ausgeführt wurde, setzte er sich mit einer Handvoll Gleichgesinnter für ein neues Bau- und Modernisierungsprogram 1912-1916 ein, das schliesslich von der Duma verabschiedet wurde. Er unterstützte und förderte Offiziere, die wie er moderne Strukturen, Kampfmethoden und Kommunikationsmittel einzuführen suchten, und er erkannte frühzeitig die Bedeutung von U-Booten und Flugzeugen. Zur Verbesserung der Ausbildung junger Seeoffiziere gründete er die Seekadettenschule in Kronstadt. Auch betonte er, insbesondere nachdem er mit den Einzelheiten der Meuterei auf der Pamiat Azova vertraut geworden war, dass neben der technischen und taktischen Ausbildung auch auf bessere Menschenführung und Truppenmoral geachtet wurde. Auf Grund seiner Erfahrungen aus dem Russisch-Japanischen Krieg liess von Essen die taktischen Anleitungen modernisieren und auf offensive Kampfführung ausrichten; ihm lag daran, die Flotte nicht im Finnischen Meerbusen einschliessen zu lassen und ihr taktisch-operative Freiheit zu sichern.

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, hatte Admiral von Essen die Baltische Flotte in einen für die damaligen russischen Verhältnisse bemerkenswert kriegsbereiten Zustand versetzt, der auch offensive Kampfhandlungen zuliess. Die Flotte, mit Hauptquartier im damaligen Helsingfors, bestand aus vier Linienschiffen, fünf Panzerkreuzern, vier Kleinen Kreuzern, 62 Torpedobooten, 12 U-Booten und zahlreichen kleineren und Spezialeinheiten. Seine Vorgesetzten (er war operativ der 6. Armee unter General K.P. van der Flit unterstellt, die Petrograd verteidigen sollte) bevorzugten jedoch Vorsicht und eine defensive Haltung in der Ostsee. Von Essen war daher gezwungen, seine Hauptmacht im Finnischen Meerbusen zu konzentrieren, die älteren Einheiten im Rigaischen Meerbusen zu stationieren, und sich aus Libau zurückzuziehen. Für die von ihm bevorzugte offensive Kriegführung blieben ihm damit vor allem seine U-Boote und Torpedoboote, wobei letztere insbesondere im Minenkrieg eingesetzt wurden.

Dennoch versuchte von Essen in den ersten Kriegswochen, auch mit stärkeren Kräften die Initiative zu ergreifen. Am 9. August 1914 führte er einen Teil seiner Flotte nach Westen, um schwedische Einheiten in der Gegend von Gotland anzugreifen. Bevor es jedoch zu Kampfhandlungen kam (die Schweden vermutlich zum Kriegseintritt gezwungen hätten), wurde er zurückbefohlen, da man in Petrograd eine deutsche Grossoffensive in der Ostsee befürchtete und die Flotte in Verteidigungsstellung halten wollte.

Am 27. August 1914 führte von Essen die beiden Panzerkreuzer Rurik und Pallada in die Ostsee, um dort Handelskrieg zu führen. Obwohl das Unternehmen erfolglos blieb, war dieser Vorstoss doch für die Moral der russischen Marine wichtig, da er den Besatzungen signalisierte, dass sie nicht nur untätig in ihren Häfen zu verbleiben hatten.

Nikolai von Essen starb unerwartet plötzlich am 20. Mai 1915 an einer Lungenentzündung. Er ist auf dem Novodevitschy Friedhof in Sankt Petersburg beigesetzt.

Familie

Nikolai von Essens Frau Maria von Essen setzte sich als Vorsitzende der Damengesellschaft der Marine für die materielle und moralische Unterstützung der Matrosen der Baltischen Flotte ein. Sein Sohn Anton war Kommandant des U-Boots „AG-14“ und fiel am 24. Oktober 1917. Die Töchter der beiden waren mit Marineoffizieren verheiratet.

Nachbemerkung

Im Russischen Bürgerkrieg besass die Weisse Armee 1919 einen Panzerzug namens „Admiral Essen“, der im Raum Narva-St. Petersburg eingesetzt war. (Quelle: David Bullock und Alexander Deryabin, Armored Units of the Russian Civil War – White and Allied, Osprey Publishing, 2003 ISBN 1841765449)

Quellen und Literatur

  • Brook, Peter: Armoured Cruiser versus Armoured Cruiser, Ulsan, 14 August 1904, in Warship 2000-2001, Conway's Maritime Press , ISBN 0-85177-791-0
  • Corbett, Sir Julian: Maritime Operations in the Russo-Japanese War 1904-1905, 2 Bd., 1994 ISBN 1-5575-0129-7
  • Gibbons, Tony: The Complete Encyclopedia of Battleships and Battlecruisers, 1983
  • Greger, René: The Russian Fleet, 1914-1917. University of Michigan/Ian Allen Publishing, 1972 (Übersetzung von Die russische Flotte im Ersten Weltkrieg, 1914-1917)
  • Halpern, Paul G.: A Naval History of World War I, UCL Press, London, 1994 ISBN 1-85728-295-7
  • Kowner, Rotem: Historical Dictionary of the Russo-Japanese War. Scarecrow 2006 ISBN 0-8108-4927-5
  • Мельников, Р. М.: «Рюрик» был первым. — Л.: Судостроение, 1989. (R. M. Melnikov: Die Rurik war die Erste, Leningrad, Sudostroenie Publishing Company, 1989)
  • Repington, Charles A.: The War in the Far East, 1904-1905. London, 1905
  • Sedwick, F. R.: The Russo-Japanese War. Macmillan Company, 1909
  • Shalagin, Boris A.: Sobiratel Balflota, Morskoi sbornik, No. 12, 1990
  • Shalagin, Boris A.: Vziat more v svoi ruki, Nizhnii Novgorod, 1996
  • Tucker, Spencer C.: Who’s Who in Twentieth Century Warfare, Routledge, London & New York 2001 (pg. 92) ISBN 0415234972
  • Warner, Denis und Peggy: The Tide at Sunrise: A History of the Russo-Japanese War, 1904-1905. New York, 1974/2002