Zum Inhalt springen

Kettenbruch

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 20. November 2007 um 10:19 Uhr durch Askanius (Diskussion | Beiträge) (Entwicklung). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Ein Kettenbruch ist ein Ausdruck der Form

Ein Kettenbruch heißt einfach oder regulär, wenn , andernfalls allgemein. Bei Untersuchungen von Kettenbrüchen wird oft weggelassen, da es sich hierbei nur um einen ganzzahligen Summanden handelt.

Historie

Bekannt ist, daß Kettenbrüche seit alther dazu dienen um Zahlen durch sie anzunähern. Dies geschieht etwa bei

  • Annäherung von Verhältnisgrößen in Form von Brüchen in großer Genauigkeit
  • Beweis der Irrationalität spezieller Zahlen
  • Ermittlung von Schaltjahren durch Kettenbruchnäherungen
  • Erstellung von Zeitrechnungstafeln und Kalendern in verschiedenen Kulturen
  • Annährung natürlicher Konstanten wie und

Aus dem Bedürfnis heraus, diese großen Brüche und natürlichen Konstanten zu approximieren, beschäftigte sich zunächst Christiaan Huygens und unabhängig davon auch Leonard Euler und Johann Heinrich Lambert mit Kettenbrüchen[1]. Beispielsweise berechnete Christiaan Huygens damit aus den Umlaufzeiten der Planeten das Übersetzungsverhältnis der Zahnräder für sein Zahnradmodell des Sonnensystems. Huygens musste für die Bewegung des Saturns das Verhältnis

berechnen. Mit nur drei Kettengliedern beträgt der relative Fehler hierbei ungefähr :

In Eulers Korrespondenz[2] treten Kettenbrüche hingegen zuerst in einem ganz und gar anderen Zusammenhang auf, nämlich in Verbindung mit der Riccatischen Differentialgleichung. Bald jedoch interessierte sich Euler für die Kettenbrüche um ihrer selbst Willen, da er nebenbei bemerkte, daß rationale Zahlen Kettenbrüche haben (man kann sie durch ein Verfahren, identisch dem euklidischem Algorithmus bestimmen), daß periodische Kettenbrüche quadratische Irrationalitäten darstellen, und daß die Entwicklung irgendeiner reellen Zahl in einen Kettenbruch die besten rationalen Approximationen für diese Zahl liefert. Einiges davon war Huygens bereits bekannt, aber Euler war Huygens Arbeit gänzlich unbekannt[3].

Neben Euler lieferte ein Algorithmus von Lord William Brouncker eine rationale Approximation, zu dem Euler um 1759 zeigte, daß die beiden Algorithmen identisch sind. Lambert hingegen benutzte Kettenbrüche in seiner Arbeit von 1766 dazu, um die irrationalität von zu zeigen.

Definition

Begriff des Kettenbruchs

Ein fortgesetzter Bruch der Form

oder

heißt ein Kettenbruch[4] Die Brüche und werden Teilbrüche genannt, heißt der Teilzähler und Teilnenner. In älterer Literatur werden und oft vertauscht, so dass in der zweiten Form die Teilnenner heißen.

Da die beiden Formen von Kettenbrüchen ineinander überführt werden können, genügt es die zweiter Art von Kettenbrüchen zu betrachten, bei denen alle Teilnenner positiv und ganzzahlig sind. Abgekürzt lässt sich der Kettenbruch dann schreiben als

.

Sequenz von Funktionen

Kettenbrüche[5] sind ein geordnetes Paar mit , als Folgen komplexer Zahlen, wobei für alle . Und ist eine Folge in der erweiterten komplexen Ebene mit

Die sind Möbiustransformationen

Somit ist

heißt der -te Teilzähler und der -te Teilnenner sowie die -te Annäherung des Kettenbruchs.

In Anlehnung an und wird oft geschrieben

und

für endliche Kettenbrüche.

Typen von Kettenbrüchen

Endliche Kettenbrüche

Ein Kettenbruch heißt endlich, wenn er nach einer festen Zahl abbricht. Ein einfaches Beispiel für einen endlichen Kettenbruch ist

wobei die Entwicklung nach dem euklidischem Algorithmus geschieht.

Unendliche Kettenbrüche

Setzt sich die Teilbrüche eines Kettenbruchs unbegrenzt fort, so heißt der Kettenbruch unendlich. Bilden die Nenner der Teilbrüche Perioden und sind die für alle , so ist ein unendlicher Kettenbruch periodisch. Unendliche Kettenbrüche stellen stets irrationale Zahlen dar.

Irrationalität

Sei und mithin der Wert des Kettenbruchs kleiner eins. Wir betrachten hier die Irrationalität von einfachen Kettenbrüchen. Im Abschnitt Äquivalente Kettenbrüche, wird gezeigt, wie Kettenbrüche ineinander transformiert werden können. Also aus einem allgemeinen ein einfacher Kettenbruch gemacht werden kann, ohne daß sich sein Wert verändert. Weiterhin sei

usf. Damit ist

also

weswegen wiederum . Da die Teilbrüche folgt jetzt die Beziehung . Wäre nun ein Kettenbruch von einem bestimmten Teilbruch ab genommen rational, d.h. endlich rationale Zahlen, so müßten die sich der Grenze Null nähern. Somit wäre der Kettenbruch aber kein endlicher mehr, bzw. ein unendlicher Kettenbruch kann von einem bestimmten Teilbruch an nicht als rationaler Bruch dargestellt werden, und damit ist dies für den Kettenbruch selbst nicht möglich. Jeder unendliche Kettenbruch ist also irrational.

Periodische Kettenbrüche

Periodische unendliche Kettenbrüche beschreiben irrationale algebraische Zahlen, die Lösungen von ganzzahligen quadratischen Gleichungen sind. Somit lassen sich alle irrationalen Lösungen einer quadratischen Gleichung mit ganzzahligen Koeffizienten als periodische unendliche Kettenbrüche darstellen und deren Werte durch diese approximieren.

Sei . Da wird untersuchet . Dann ist

woraus nach Auflösung also folgt.

Analog kann gezeigt werden, dass ist. Sei der zu entwickelnde Kettenbruch. Da zerlegen wir . Nun bilden wir das Reziproke des Reziproken von und erhalten

nach drittem Binomischen Satz. Da schreiben wir bzw. . Also ist der Kettenbruch von und wir brauchen nun nur noch mit 1 zu addieren.

Eine besondere Form periodischer unendlicher Kettenbrüche beschreibt die noblen Zahlen.

Unperiodische Kettenbrüche

Es handelt sich bei unendlichen Kettenbrüchen stets um irrationale Zahlen. Die nichtperiodischen Kettenbrüche approximieren dabei die transzendenten Zahlen, welche sich nicht als Lösungen rationaler Polynome ergeben. Ein Beispiele, stellt der unendliche Kettenbruch für die Eulersche Zahl

wobei sich das hier erkennbare Muster bis ins Unendliche fortsetzt, jedoch keine Periode aufweist. Ebenfalls nichtperiodisch ist beispielsweise der Kettenbruch für die dritte Wurzel von 2:

Der Kettenbruch zur Kreiszahl [6] hat eine besonder Funktion zum Beweis der Irrationalität von und zur bestmöglichen Approximation der Kreiszahl[7]. In regulärer Schreibweise ist kein besonderes Muster zu erkennen

und ein Bildungsgesetz für die regelmäßige Kettenbruchform von ist unbekannt. Die angegebenen und weitere Werte erhält man algorithmisch aus der Dezimalbruchentwicklung von .

Lambert fand für die Tangensfunktion den unendlichen Kettenbruch

und folgerte daraus die Irrationalität von für alle rationalen Argumente . Es sei bemerkt, daß er insbesondere aus und einem Hilfssatz von Adrien Marie Legendre von 1806[8] die Irrationalität von erhielt. Eine allgemeine Kettenbruch darstellung von

fand 1656 Lord William Brouncker[9] durch Umwandlung des Wallisschen Produktes. Der Brounckersche Kettenbruch konvergiert jedoch sehr schlecht, anders als regelmäßige Kettenbrüche, welche sehr gut konvergieren. Mehr zur Konvergenzgeschwindigkeit im entsprechenden Abschnitt.

Entwicklung

Man erhält die Kettenbruchentwicklung[10] einer reellen Zahl, indem man den euklidischen Algorithmus auf beliebige reelle Zahlen ausweitet. Sei die größte ganze Zahl, die kleiner oder gleich ist und der gebrochene Anteil zu . Wir setzen und definieren für

bis . Man nennt dies den Kettenbruchalgorithmus und erhält daraus

Offensichtlich gilt immer für . Der Algorithmus bricht genau dann irgendwann ab, wenn rational ist. Aus dem Algorithmus erhält man zusätzlich, daß die Kettenbruchentwicklung von für durch

gegeben ist. Man nennt den -ten vollständigen Quotienten[11] des Kettenbruchs.

Pseudocode

Implementierung

Bei dieser Implementierung in Python sei vermerkt, Python oft Fehler in der Darstellung von Gleitpunktzahlen aufgrund der Rechnerarchitektur macht.

from math import floor
def kettenbruch(x):
    a = []
    while (x - floor(x) != 0):
        a.append(floor(x))
        x = 1. / (x - floor(x))
    a.append(x)
    return a

Auswertung

Bei der Auswertung eines unendlichen Kettenbruchs, kann die -te Näherung auf zwei verschiedene Möglichkeiten berechnet werden - für einen endlichen Kettenbruch ist es möglich, den exakten Wert zu berechnen.

Aufsteigende Methode

Der Kettenbruch wird von unten her aufgelöst.

für .

Absteigende Methode

Beginnend mit dem ersten Teilbruch wird der Kettenbruch von Anfang an ausgewertet. Für einen endlichen Kettenbruch bilden die Näherungen eine Intervallschachtelung.

mit . Dann ist die -te Annäherung an den Kettenbruch.

Konvergenz

Ein Kettenbruch heißt konvergent, wenn

existiert. In diesem Fall ist der Wert des Kettenbruchs. Ist hingegen derart, dass für alle ein existiert, so dass für alle , so heißt der Kettenbruch uneigentlich konvergent.

Äquivalente Kettenbrüche

Zwei Kettenbrüche und heißen äquivalent, wenn alle ihre Näherungen identisch sind.

für alle

Sei . Da es sich hier um Teilbrüche, also keine echen Brüche handelt, darf insbesondere in einzelnen Teilbrüchen nicht gekürzt werden. Dann gelten folgende Äquivalenzbeziehungen

ist äquivalent zu

Daraus folgt unmittelbar

ist äquivalent zu

wenn für alle und

ist äquivalent zu

mit für

Konvergenzkriterien

Aus der absteigenden Auswertungsmethode folgt

für . Damit ergibt sich für die Differenz zweier Kettenbrüche

daß die Näherungswerte eines Kettenbruchs abwechslungsweise kleiner und größer als der wirkliche Wert desselben sind[12]. Hieraus folgt, das der -te Näherungswert des Kettenbruchs gleich der -ten Partialsumme der Folge

ist. konvergiert also genau dann, wenn diese Folge konvergiert.

Konvergenzsatz für reguläre Kettenbrüche

Sei für alle . Dann konvergiert der Kettenbruch genau dann, wenn die Folge divergiert.

Anwendungen

Kettenbrüche werden zur Bestimmung von rationalen Näherungen von vorgegebenen reellen Zahlen verwendet. Man kann zeigen, dass die teilweise Auswertung der Kettenbruchdarstellung einer reellen Zahl einen Bruch liefert, der in dem Sinne die genaueste mögliche rationale Annäherung an die reelle Zahl ist, als man die Annäherung nur genauer machen kann, wenn man den Nenner des Bruchs größer macht. Der Fehler ist von der Größenordnung des reziproken Quadrats des Nenners

Beispielsweise liefert die oben angeführte Kettenbruchdarstellung für

nacheinander mit zunehmendem Nenner und zunehmender Genauigkeit für die Näherungswerte , , , , , usw. Diese sind abwechselnd ein bisschen zu klein und ein bisschen zu groß, wobei der absolute Fehler immer kleiner wird.

Am Wachstum der Folge an kann man ablesen, wie gut die Zahl α=[a0;a1, ...] durch rationale Zahlen approximierbar ist, was sich etwa zur Unterscheidung von algebraische Zahlen und transzendenten Zahlen verwenden lässt: falls die Folge an schnell genug wächst, ist α eine Liouvillesche Zahl und daher transzendent.

Kettenbrüche eignen sich kaum zur praktischen Rechnung, da keine schnellen Algorithmen zur Berechnung der Summe, Differenz, Produkt oder Quotient zweier Zahlen in Kettenbruchdarstellung bekannt sind, und es für die Berechnung transzendenter und algebraischer Zahlen effektivere und schneller konvergierende Verfahren gibt.

Die Kettenbruchmethode, ein Faktorisierungsverfahren für ganze Zahlen , die keine Quadratzahl sind, basiert auf der Kettenbruchzerlegung von .

1834 gab Vincent[13] eine Methode an, mittels Kettenbruchentwicklungen die reellen Nullstellen eines ganzzahligen quadratfreien Polynoms zu trennen, d.h. für jede Nullstelle ein Intervall mit rationalen Endpunkten zu finden, welches keine weitere Nullstelle enthält und auf welchem das Newton-Verfahren gegen diese Nullstelle konvergiert. Eine Variante dieses Verfahrens ist der Uspensky-Algorithmus, jedoch eine moderne Umsetzung erst das Verfahren nach Collins/Akritas.

Literatur

  • Peter Henrici: Applied and Computational Complex Analysis Volume 2. John Wiley & Sons Inc, 1991, ISBN 0-471-54289-X
  • http://mathworld.wolfram.com/ContinuedFraction.html
  • Oskar Perron: Die Lehre von den Kettenbrüchen. Leipzig, Berlin 1913
  • Oskar Perron: Die Lehre von den Kettenbrüchen. Teubner, 3. verb. u. erw. Aufl., Stuttgart, Band 1: Elementare Kettenbrüche (1954), Band 2: Analytisch-funktionstheoretische Kettenbrüche (1957)
  • Peter Bundschuh: Einführung in die Zahlentheorie. 5. Auflage. Springer, Berlin Heidelberg 2002, ISBN 3-540-43579-4
  • A. Khintchine: Kettenbrüche. Teubner, Leipzig 1956
  • Benedikt Sporer: Niedere Analysis. 2 verb. Auflage. Göschensche Verlagshandlung, Berlin und Leipzig 1917
  • Ebbinghaus et al.: Zahlen. 3. Auflage. Springer, Berlin Heidelberg 1992, Kapitel Irrationalität von , Kettenbruchentwicklung derselben. ISBN 3-540-55654-0

Quellen

  1. Andre Weil: Number Theory. Birkhäuser Verlag, Boston Inc., Cambridge 1984
  2. L. Euler und Chr. Goldbach, Briefwechsel
  3. vgl. Weil, Number Theory
  4. Sporer, erster Abschnitt.
  5. vgl. Henrici, Band 2
  6. vgl. Ebbinghaus, Seite 121ff Irrationalität von und Kettenbruchentwicklung
  7. Johann Heinrich Lambert: Vorläufige Kenntnisse für die, so die Quadratur und Rectification des Circuls suchen. (1766), Werke I., Seiten 194-212
  8. Adrien Marie Legendre: Éléments de Géometrie. 1806
  9. vgl. Ebbinghaus, Seite 123
  10. Gisbert Wüstholz: Algebra. Fried. Vieweg & Sohn Verlag, Wiesbaden 2004
  11. vgl. Wüstholz, Seite 92
  12. vgl. Sporer, Seite 8f Näherungswerte
  13. Vincent, Mémoire sur la résolution des équations numériques. Mém. Soc. R. des Sc. de Lille (1834), pp. 1-34.