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Analogielehre

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Analogielehre bezeichnet eine in den Grundzügen von Thomas von Aquin entwickelte Lehre über das Sprechen von Gott, von dem man sich bekanntlich nach dem 2. Gebot keine Bilder machen soll - auch keine Begriffs-Bilder, weil diese auf Gott nur ungut passend angewendet werden können.

Problemhorizont

Theologie bezeichnet das kritisch-rationale Mühen, die letzte aller Wirklichkeiten (Gott) so begrifflich zu erfassen, dass dabei deutlich wird, in welchem Verhältnis diese letzte aller Wirklichkeiten zu allen anderen Wirklichkeiten steht. Insofern wäre Theologie eine vernünftige Lehre über Gott.

Weil Gott aber kein empirisches Objekt ist, das immer aus mehreren Teilen besteht, sondern allenfalls eine mystische Erfahrung einer (nicht-mehrteiligen) einen Wirklichkeit ist, könnte man meinen, dass man Gott zwar erfahren könne aber über Gott überhaupt nicht klar und wohl-unterschieden reden könne, denn klar und bestimmt reden könne man nur über Wirklichkeiten, die aus mehreren Teilen bestehen und die sich somit über diese unterschiedlichen Teile von anderen Wirklichkeiten klar unterschieden aussagen lassen. Dass man zwar Gott erfahren aber über ihn nicht sprechen können, meint in einer bekannt-berühmten Sentenz der Sprachphilosoph Ludwig Wittgenstein: '„6.522 Es gibt allerdings Unaussprechliches. Dies zeigt sich, es ist das Mystische. 7 Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“' (Wittgenstein, Tractatus, 85) Und auch der neutestamentliche Erste Timotheusbrief vertritt die Lehre, dass Gott unter keinen Begriff fällt: nicht deutlich genug begrifflich aussagbar ist, wenn er schreibt: '"Gott, der in unzugänglichem Licht wohnt, den kein Mensch gesehen hat."' (1 Tim 6,16) Über den unanschaulichen „Gegenstand“ Gott lässt sich deshalb nur in Metaphern/Analogien reden, weil Gott nichts Weltliches ist und Begriffe Weltlichem entstammen, die auf Gott übertragen werden. »Metapher«  (griech. metaphora "Übertragung") bezeichnet ein Wort, das bildlich über einen Sachverhalt redet (Bildwort), um einen nur schwer vorstellbaren oder unbekannten Sachverhalt durch einen Vergleich mit einem Bekannten eine Eigenschaft oder ein Prädikat zuzuordnen. Eine Metapher nennt man auch Analogie (von grch. ana „gemäß" und logos „Sinn, Vernunft", also „gemäß dem Sinn“: sinngemäß, entsprechend). Reden über Gott in Metaphern ist nun aber problematisch, weil man sich beim Verstehen dieser Bild-Vorstellungen von Gott mehr Falsches als Richtiges unter Gott vorstellen kann, da man dabei eine bekannte Bedeutung (einen bekannten Sachverhalt) auf etwas zu Erklärendes (relativ Unbekanntes, hier: Gott) überträgt, wobei das Bekannte gar nicht in allen Begriffsmerkmalen dem zu Erklärenden wirklich zukommt. Deshalb sind die Begriffe Gottes Liebe, Gottes Beziehung zur Welt, Stimme Gottes, Gottes Handeln, Selbstmitteilung Gottes, Menschwerdung Gottes, Sohn Gottes .... Metaphern, die man anthropomorph (menschengestaltig) missverstehen kann.

Das Reden in Metaphern über Gott beinhaltet nun noch eine spezifisch theologische Schwierigkeit, die sonstigem metaphorischen Reden nicht anhaftet: Gott ist der unanschaulichste aller Begriffe, weil Gott nichts Weltliches ist. Wenn irgendetwas verdient, unerkennbar oder unaussprechlich genannt zu werden, dann ist das Gott als höchste Wirklichkeit, weil sie ganz anders ist als alle sonstigen Wirklichkeiten. Dieser Sachverhalt bedeutet nun aber, dass im Ist-sagen von Gott (Gott ist gut, vernünftig, frei ...) die radikale Verschiedenheit von Gott und Welt aufgehoben wird, weil durch das Ist-Sagen weltlich-anthropologische Sachverhalte auch von Gott ausgesagt werden. Hier steht man vor einem theologischen Problem: Wie soll man die Unerkennbarkeit Gottes mit dem Reden über Gott vereinbaren? Die sogenannte Analogie-Lehre, in den Grundzügen von Thomas von Aquin (1224-1274) entwickelt, will dieses Problem lösen. Die Analogie-Lehre besteht in einer dreifachen Aussagweise über Gott: bejahende, verneinende und überbietende Aussageweise. Das sei erläutert.

Der dreifache Weg (via triplex) der Analogielehre

Positive Aussageweise (via affirmationis)

Alle Begriffe, die man auf Gott anwendet, sind ihm gegenüber viel mehr unähnlich (falsch: eher nicht zutreffend) als gleich (richtig: zutreffend) [Vergleiche hierzu die Aussage des IV. Laterankonzils (1215): "Von Schöpfer und Geschöpf kann keine Ähnlichkeit ausgesagt werden, ohne dass sie eine größere Unähnlichkeit zwischen beiden einschlösse." (NR 280 / DS 806)] – sie sind also geradezu verzerrend, falls man ihren präzisen theologischen Sinn nicht kennt und sie anthropomorph versteht. Sagt man z. B. von Gott aus, dass er liebt, vernünftig, gut, unendlich ... ist (positive Aussageweise, via affirmationis), dann droht das Missverständnis, dass man sich Gottes Liebe, Vernunft, Gutsein, Unendlichkeit so ähnlich wie die menschliche Liebe, menschliche Vernunft, menschliches Gutsein und menschliche Vorstellungen von Unendlichkeit vorstellt. Man denkt sich z. B., dass die Liebe Gottes in einigen Teilen der menschlichen Liebe nicht gleicht – in geistiger Hinsicht etwa, aber in anderen Teilen gleicht – in körperlicher Hinsicht etwa. Gleichheit bedeutet hier Ähnlichkeit in einem Teil und Anderssein in allen anderen Teilen. Außerdem bedeutet es, dass Gleichheit ungleich der Ähnlichkeit ist.

Negative Aussageweise (via negativa)

Aber wenn man ernst macht mit der Nicht-Weltlichkeit Gottes, muss man so sprechen: Gott liebt nicht und ist nicht vernünftig und gut zu nennen noch unendlich (negative Aussageweise, via negativa), weil Gott nicht so ähnlich liebt, vernünftig ist und gut und unendlich ist, wie Menschen sich das vorstellen, sondern er ist dies in „je immer größerer Unähnlichkeit“. Selbst die Aussage, dass Gott ist (existiert), ist Gott gegenüber viel mehr falsch (eher nicht zutreffend) als richtig (zutreffend), weil man Existenz nur raum-zeitlich denken kann. Gott aber ist weder zeitlich noch räumlich, unsere Zeit-Begriffe und geometrischen Begriffe passen viel mehr nicht auf Gott als dass sie auf ihn passten.

Übersteigende Aussageweise (via eminentiae)

Aber in der negativen Aussageweise will man ja nicht sagen, dass Gott bar jeder Vernunft sei, bar jeder Liebe, bar jeder Freiheit, wie man das von einem Stück Mondgestein oder eine Mücke aussagen würde, die keine Vernunft, keine Liebe und keine Freiheit besitzen. Ein Stück Stein ist nicht vernünftig aber Gott kann man so nicht nennen. Um also den Unterschied zwischen dem Mondgestein und dem Wesen Gottes auszusagen, muss man von Gott mehr aussagen als vom Mondgestein. So muss man formulieren: Gott ist nicht unvernünftig, sondern er ist über-vernünftig, über-unendlich, über-gut ... (übersteigende Aussageweise, via eminentiae). Mit dem jeweils vorangestellten über- soll ausgedrückt werden, dass Gott nicht vernünftig, gut und frei sein kann im Sinne eines grenzenlos gesteigerten menschlichen Gutseins, Freiseins und Vernünftigseins, sondern um eine unbegreifbare Vollkommenheit jenseits aller vorstellbaren Vollkommenheit.

Schlussfolgerungen

Somit können wir uns in allem Reden über Gott dann dabei nichts richtig vorstellen, weil Ähnlichkeiten in je größerer Unähnlichkeit von Gott ausgesagt werden. '„Eine Grenze auszuziehen, ist bei einer solchen [...] Konzeption der Analogie unmöglich: d.h., wir können nicht sagen, in dieser Hinsicht entspricht der Begriff der Sache, in jener nicht, wenn wir das >Dieser< und >Jener< streng fassen.“' (Rupert Lay, Wissenschaftstheorie II, 570)

Obgleich man sich beim Reden über Gott nichts richtig vorstellen kann, ist dennoch das Reden über Gott dann kein Unsinn, wenn man bei positiven Aussagen über Gott weiß, dass sie Gott aus dem menschlichen Erfahrungsbereich etwas zusprechen, das Gott gegenüber viel mehr nicht entsprechend ist als entspricht, das jedoch Gott gegenüber nicht völlig unähnlich ist, so dass es auf Gott gar nicht zuträfe. '„Wenn im Herbst die Mönchsgrasmücken (Vogelart – d. Verf.) sich auf den Weg nach Süden begeben, so orientieren sie sich nach den Bildern der Sterne, die, noch ehe sie aus dem Ei schlüpfen, in ihren kleinen Köpfen eingeschrieben sind. Wohlgemerkt, es gibt »objektiv« so etwas wie »Sternbilder« gar nicht; es gibt nur Fixsternsonnen, die um Millionen von Lichtjahren voneinander getrennt, sich vor dem Wirbeltierauge in bestimmten Mustern anordnen; und dennoch haben gerade diese Bilder sich bis in das Erbgut der Tiere eingegraben, um, wenn die Zeit gekommen ist, den Vögeln über Wälder und Weiten, über Gebirge und Meere den Weg nach Süden, zurück in ihre wärmere Heimat, zu zeigen. Ganz ähnlich wird man die Bilder betrachten dürfen, die den Visionären und Propheten zuteil werden: es handelt sich um Formen und Inhalte der Anschauung, die der Seele eines jeden Menschen angeboren sind, sie sind nicht subjektiv ersonnen, aber sie sind deshalb auch nicht schon eine außerpsychische Wirklichkeit an sich; ja im Grunde vermitteln sie ein Bild von der Wirklichkeit, das allenfalls in analogem Sinn als zutreffend gelten darf. Und dennoch weisen sie einem jeden, der sich ihnen anvertraut, den Weg zurück in seiner ewige Heimat.“' (Drewermann: Tiefenpsychologie und Exegese II, 320)

Wenn man sich über die Grenzen des Redens über Gott belehrt hat, mündet der Glaube und das Reden über Gott ein in ein vertrauensvolles Schweigen über und vor Gott. Der Katechismus der Deutschen Bischofskonferenz drückt das so aus: '„Alle unsere Begriffe und Bilder, die wir für Gott bemühen, sind nur wie ein Richtungspfeil. In keinem von ihnen „haben“ wir Gott. Alle schicken uns vielmehr auf den Weg zu Gott. Sie sind Einweisung in ein Geheimnis, dem man nur in der Haltung der Anbetung gerecht wird.“' (Deutsche Bischofskonferenz, Katechismus I, 36) Buddha hätte sich über den letzten Satz sehr gefreut, weil er jede Theologie ablehnte. Wer ins rechte Verhältnis zu Gott kommen wolle, müsse vertrauensvoll alle Worte über Gott sein lassen und meditieren: regelmäßig schweigen und stillsitzen, bis man die erlösende Wirklichkeit Gottes erfahre. Deshalb wollte Buddha keine neue Gottesvorstellung lehren, sondern er wollte den Weg zur Erfahrung des Göttlichen weisen.

In Abwandlung berühmter Sätze aus Wittgensteins Buch „Tractatus logico-philosophicus“ kann man den letzten Satz des Katechismus-Zitats auch so lesen: „Theologische Sätze erläutern dadurch, dass sie der, welcher sie versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie – auf ihnen – über sie hinausgestiegen ist. (Er muss sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist.) Er muss diese Sätze überwinden, dann kann er vor Gott richtig sehen.“ (:„6.54 Meine Sätze erläutern dadurch, dass sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie – auf ihnen – über sie hinausgestiegen ist. (Er muss sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist.) Er muss diese Sätze überwinden, dann sieht er die Welt richtig.“ (Wittgenstein, Tractatus, 84) Unsinnig sind jedoch die Worte nicht, die nichts Exaktes bedeuten (wie Wittgenstein selbst in seinem zweiten großen Werk „Philosophische Untersuchungen“ dann korrigierend feststellt) nur halt eben treffen sie nicht einmal nicht ganz genau, sondern viel mehr nicht als dass sie treffen im Sinne des IV. Laterankonzils. Und doch orientieren die Bilder/Analogien von Gott treffend wie die Sternbilder in den Köpfen der Mönchsgrasmücken: unfehlbar ins Ziel bringend. Und mehr ist auch nicht nötig – es sei denn, man will Gott so klar begrifflich erfassen können wie Bäume, Bänke und Blumen. Aber wenn etwas Unsinn ist, dann doch, dass Gott im Erkennen und Reden so sein soll wie ein Baum, eine Bank oder eine Blume.

Siehe auch