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Ton Steine Scherben

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Ton Steine Scherben
Allgemeine Informationen
Herkunft
Genre(s) Folkrock, Blues, Politrock (Agitrock),
teilweise Psychedelic Rock
Aktive Jahre
Gründung 1970
Auflösung 1985
Website http://www.tonsteinescherben.de
http://www.scherbenfamily.de
Gründungsmitglieder
Rio Reiser (1970–1985)
Gitarre
R. P. S. Lanrue (1970–1985)
Kai Sichtermann (1970–1985,
außer 1974–1975)
Wolfgang Seidel (1970–1971)
Ehemalige Mitglieder
Management, Gesang
Nikel Pallat (1970–1978)
Jörg Schlotterer (1971–1978)
Schlagzeug
Sven Jordan (1971)
Schlagzeug
Olaf Lietzau (1972)
Angie Olbrich (1972–1981,
außer 1976–1977)
Schlagzeug, Gitarre
Captain Hynding (1972)
Schlagzeug
Helmut Stöger (1973)
Schlagzeug
Funky K. Götzner (1974–1985)
Bass
Werner „Gino“ Götz (1974–1975)
Perkussion, Schlagzeug
Britta Neander (1974–1982)
Chor, Catering
Elfie-Esther Steitz (1979–1982)
Keyboard
Martin Paul (1981–1985)
Management
Elser Maxwell (1981–1982)
Gitarre, Chor
Marius del Mestre (1981–1982)
Management, Bühnen
und Lichtdesign
Misha Schöneberg (1981–1985)
Management
Claudia Roth (1982–1985)
Gitarre
Dirk Schlömer (1983–1985)

Ton Steine Scherben (oft auch kurz „Die Scherben“ genannt) war eine der ersten und einflussreichsten deutschen Rockgruppen der 1970er- und frühen 1980er-Jahre, die vor allem sozialkritische deutschsprachige Texte in der Rockmusik verwendeten. Mit den ausdrucksvollen emotional-politisch motivierten Liedern ihres Sängers und Frontmanns Rio Reiser wurde diese Gruppe zu einem musikalischen Sprachrohr des linksalternativen Spektrums, beispielsweise der Hausbesetzerbewegung, und zu einer auch nach ihrer Auflösung (1985) bis in die Gegenwart wirkenden Kultband der entsprechenden Szene ihrer Zeit in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin.

Bandgeschichte

Gründung und erste Bekanntheit

Ton Steine Scherben wurde 1970 in West-Berlin von R. P. S. Lanrue (bürgerlich Ralph Peter Steitz), Rio Reiser (bürgerlich Ralph Moebius), Kai Sichtermann und Wolfgang Seidel gegründet, die damals alle etwa 20 Jahre alt waren. Diese hatten vorher in Degalaxis, einer Coverband, und dem Theaterprojekt Hoffmanns Comic Teater [sic!] gespielt.[1] Der Name leitete sich laut einer Version, die auf Rio Reiser zurück geht, aus einem Zitat des Troja-Entdeckers Heinrich Schliemann ab: „Was ich fand, waren Ton, Steine, Scherben“. Im Buch „Keine Macht für Niemand“ führt der Bassist Kai Sichtermann dagegen aus, dass sich der Name bei einem Brainstorming aus dem Namen „VEB Ton Steine Scherben“ entwickelt habe, was als die wahrscheinlichere Version des Namensursprungs der Gruppe gilt. Assoziativ sei der Name an der westdeutschen Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden angelehnt.

Die ersten zwei Lieder, Macht kaputt, was euch kaputt macht und Wir streiken nahm die Band in einem kleinen Studio in Kreuzberg auf. Verkauft wurden die Aufnahmen über Raubkopierer. Den ersten Auftritt hatte die Band beim Love-and-Peace-Festival am 6. September 1970 auf Fehmarn, wo sie unter dem Namen Rote Steine' auftrat. Da die Veranstalter mit den Eintrittsgeldern das Gelände verließen, ohne die Musiker zu bezahlen, soll Reiser das Publikum dazu aufgefordert haben, den Veranstalter „ungespitzt in den Boden zu hauen“.[2] Nach dem dritten Lied, Macht kaputt, was euch kaputt macht, zündeten Besucher das Organisationsbüro der Veranstaltung an.[3] Nach dem fünften Song brannte die Bühne ab.[1] Nach Aussage Reisers sei die Brandstiftung zum Teil der Band zugeschrieben worden.[4] Als Folge dieses Vorfalls stieg die Bekanntheit der Band stark an.

1971 gründeten sie das erste deutsche Independent-Label,[3] die David Volksmund Produktion. Grund dafür war zum einen der Wunsch, mit den eigenen Veröffentlichungen unabhängig von der Plattenindustrie zu sein und zum anderen die Tatsache, dass es aufgrund des radikalen Images unmöglich war, einen Vertrag bei einem großen Label zu erhalten. Eine Folge davon war ein nur geringer Profit aus den Plattenverkäufen, sodass die Band permanent finanzielle Probleme hatte.[1]

Das erste Album, Warum geht es mir so dreckig? erscheint im September. Neben Macht kaputt, was euch kaputt macht befinden sich auch die später populären Lieder Ich will nicht werden, was mein Alter ist und Der Kampf geht weiter.

Am 8. Dezember 1971 besetzen Band und Publikum nach einem Auftritt an der Technischen Universität Berlin einen unbenutzten Gebäudeteil des Kreuzberger Bethanien-Krankenhauses. Da vier Tage vorher der Terrorist Georg von Rauch von Polizisten erschossen worden war, benannten die Besetzer das Wohnheim in Georg-von-Rauch-Haus um. Das Haus wurde erst am 19. April 1972 von der Polizei geräumt. Aus diesem Anlass schrieb Reiser den Rauch-Haus-Song.[1]

Als in einigen Städten Deutschlands wegen Fahrpreiserhöhungen im Rahmen der Aktion Roter Punkt öffentliche Verkehrsmittel zum Teil boykottiert wurden und massive Proteste gegen die Verteuerung stattfanden, veröffentlichte die Band auf einer Single die Lieder Mensch Meier und Nulltarif, in denen sie zum Schwarzfahren aufrief.

1972 trennte sich Wolfgang Seidel von der Band. Er wandte sich der elektronischen Musik zu und arbeitete unter anderem mit Conrad Schnitzler uns Klaus Freudigmann zusammen, half aber auf Wunsch der Band gelegentlich als Schlagzeuger aus. In den folgenden Jahren fanden zahlreiche weitere Mitgliederwechsel statt. Die Musiker wechselten teilweise mehrfach in einem Jahr, als Kern der Band blieben Reiser, Lanrue und Sichtermann.

Gesellschaftlicher Rückzug

1975 verließen die Scherben Berlin und ließen sich auf einem Bauernhof in Fresenhagen (Nordfriesland) nieder und wandte sich Ende der 70er-Jahre auch den Belangen der Schwulen-Bewegung zu. Der Umzug war eine Flucht vor dem Druck, bei jeder „Szene“-Aktion in Berlin die Protagonistenrolle übernehmen zu müssen. Von dieser Zeit an betätigte sich die Band weniger stark politisch.[3] Mit der Doppel-LP Wenn die Nacht am Tiefsten … (1975) erfolgte eine Hinwendung zu melancholischeren Texten und ausgefeilteren musikalischen Arrangements, die Jazz- und Folk-Elemente aufgriffen.

Das Album „IV“ von 1981 lässt sich musikalisch im Bereich eines unkonventionellen New-Wave-Stils einordnen. Reiser verwendete Wortspiele, in denen ein politischer Bezug nur indirekt erkennbar ist, etwa „Der Turm stürzt ein“ und „Jenseits von Eden“. Auf dieser Platte betätigten sich auch die anderen Bandmitglieder und Freunde der Band als Texter und Komponisten. Durch die Scherben-Biografie „Keine Macht für Niemand“ wurde bekannt, dass die Lieder auf der Grundlage des Tarot entstanden sind. Die Platte war im Original auf sehr schlechtem Vinyl gepresst und daher klanglich unbefriedigend und bediente inhaltlich kaum die Erwartungen der Fans, so dass sie finanziell ein Flop wurde.[3]

Trotz allem beeindruckt „Die Schwarze“, wie sie auch genannt wird, durch die Verarbeitung von Rock, Jazz, Klassik und Sound-Experimenten, sowie von ungeraden Rhythmen und einer erweiterten Harmonik und kann als einer der Meilensteine der deutschen Rockgeschichte bezeichnet werden.

1982 kam die spätere Grünen-Politikerin Claudia Roth zur Co-Organisation der Scherben nach Fresenhagen. Mit ihrer letzten Platte „Scherben“ von 1983 wandten sich die Scherben wieder deutlicheren Aussagen zu, um aktuelle Probleme aufzugreifen, wie mit dem Lied „Mole Hill Rockers“ die Arbeitslosigkeit.

Auflösung und Neugründung

Nach einer Tour, von der später drei Live-Mitschnitte und eine DVD erschienen, löste sich Ton Steine Scherben 1985 infolge kreativer Krisen und hoher Schulden auf. Als Solokünstler veröffentlichte Frontmann Rio Reiser sechs Soloalben, von denen die Songs Junimond und König von Deutschland im deutschsprachigen Raum bekannt und kommerziell erfolgreich waren. Außerdem arbeitete er mit Marianne Rosenberg und Wolfgang Michels. 1996 starb er im Alter von 46 Jahren.

Lanrue beteiligte sich an den Aufnahmen der ersten zwei Alben von Reiser, zog aber später nach Portugal. Sichtermann nahm 1998 mit anderen Scherben-Mitgliedern eine CD ("Die Nachtfalter") auf und fungierte als Coautor zu einer Bandbiografie mit dem Titel Keine Macht für Niemand.

Ton Steine Scherben Family live (2005)

Im Sommer 2004, 19 Jahre nach Auflösung der ursprünglichen Gruppe vereinigten sich die meisten ehemaligen Mitglieder zur Ton Steine Scherben Family. Abgesehen vom Gitarristen R. P. S. Lanrue, der sich nach Portugal zurückgezogen hatte, und den beiden verstorbenen Mitgliedern Rio Reiser (1950–1996) und Britta Neander (1956–2004) sind nahezu alle bedeutenden Musiker Mitglied dieses Projektes. Zu den aktuellen Mitgliedern gehören die beiden "Oldies" Jörg Schlotterer (Flöte/Percussion) und Nikel Pallat (Gesang/Saxofon), das Gründungsmitglied Kai Sichtermann (Bass), der Drummer Funky K. Götzner, Angie Olbrich (Gesang/Percussion) und ihre Tochter Lisa Jane Olbrich (Gesang), das einzige echte "Scherbenkind"; der Keyboarder Martin Paul, Marius del Mestre (Gesang/Gitarre) sowie als zweiter Gitarrist Marco Schmedtje von der "Schwarz-Roten-Heilsarmee" aus Hamburg. Gemanagt wird die Gruppe von Elser Maxwell und Thomas Malz. Neben Klassikern der Scherben aus den 1970er- und 80er-Jahren werden auch Titel aus der Solozeit von Rio Reiser und einige bisher unveröffentlichte Lieder dieser Periode gespielt.

Musikalischer Stil und Wandel

Die Bandgeschichte ist nicht nur von kommuneartigem Lebensstil, politischen Vereinnahmungen (die von der Band stets abgelehnt wurden) und privaten Auseinandersetzungen gekennzeichnet, sondern auch von stetem Wandel. Gekennzeichnet waren die Produktionen jedoch immer von einer gewissen „Geradlinigkeit und Offenheit“, die im Wesentlichen auf den Texten und dem charismatischen Gesang Reisers beruhten.

Die Musik der Scherben war stilbildend für die deutsche Rockmusik, den deutschsprachigen Punk und Teile der Neuen Deutschen Welle. Bei ihrem rockigen Stil hatte die Gruppe den Anspruch, ein neues Verständnis von Volksmusik zu kreieren - im Sinn einer eingängigen, verständlichen Musik für das im Widerspruch zu den „Herrschenden“ stehende „Volk“, indem sozial relevante Themen des „einfachen“ Volkes, im engeren Sinn der aufbegehrenden damaligen Jugend, in einem Musikstil aufgegriffen wurden, der dieser Zeit angemessen schien. In diesem Zusammenhang hatten sie für die textlich-inhaltlich anspruchsvolle Rockmusik in Deutschland eine ähnlich prägende Bedeutung, wie dies - etwa sieben Jahre vor Gründung der „Scherben“ - in den USA für Bob Dylan und seinen nachfolgenden Einfluss auf die dortige gesellschaftskritische Folk- und Rockmusik der Fall war.

Einige Titel und Textpassagen von Ton Steine Scherben sind bis in die Gegenwart bekannte Slogans der außerparlamentarischen Linken und der linksradikalen Szene, so zum Beispiel „Keine Macht für Niemand“, „Macht kaputt, was euch kaputt macht“.

Die neue Band traf mit ihren hemmungslosen, rebellischen und radikalen Texten (zum Beispiel mit ihrer ersten Single „Macht kaputt, was euch kaputt macht“) den Nerv einer Zeit, die im Zeichen der so genannten 68er-Bewegung und des gesellschaftlichen Aufbruchs stand. Ton Steine Scherben war nach der Gruppe Ihre Kinder und noch vor Udo Lindenberg eine der ersten Rockmusikbands, die ausschließlich und von Anfang an deutsche Originaltexte sangen.

Anfang der 1970er Jahre waren die Scherben mit ihren revolutionären Texten, die versuchten, die proletarische Jugend anzusprechen, Identifikationsfigur für anarchistische und linksradikale Kreise („Der Kampf geht weiter“, „Die letzte Schlacht gewinnen wir“, „Menschenjäger“). Auch gewaltverherrlichende Elemente fanden sich in ihren Texten wieder (Paul Panzers Blues). Mit ihrer Musik lieferten sie den Soundtrack zu Hausbesetzungen und Demonstrationen. Musikalisch bevorzugte die Band einen harten und sparsam instrumentierten Rhythm and Blues.

Verhältnis zu den Medien

In deutschsprachigen Radiosendern werden die Lieder der Band wegen ihres radikalen Rufes bis heute praktisch nicht gespielt, auch nicht die politisch eher unverfänglichen Stücke. Ausnahmen sind nur Sender wie DT64 und Radio Eins, wo ihre Titel regelmäßig zu hören waren/sind und von Hörern auch nach 30 Jahren noch in die oberen Plätze der Wunschlisten gewählt werden. Einzige Ausnahme war das 1988er-Konzert von Rio Reiser in der Werner-Seelenbinder-Halle in Ost-Berlin, das vom DDR-Fernsehen leicht gekürzt, aber einschließlich der politisch radikaleren Scherben-Titel gesendet wurde. Nicht gesendet wurde hingegen das Lied „Der Traum ist aus“, da bei der Zeile mit der Frage „Gibt es ein Land auf der Erde, wo der Traum Wirklichkeit ist?“ und der Antwort „Ich weiß nur eins, und da bin ich sicher: dieses Land ist es nicht!“ das Publikum mehr mitbrüllte als mitsang, auffallend laut applaudierte und vielfach den Ausruf „dieses Land ist es nicht!“ sozusagen als einstimmig wahrzunehmenden Chor übernahm, wodurch die in dieser Situation implizite Kritik am SED-Staat, gerade auch von der Masse der zuhörenden DDR-Bürger in der Halle nicht zu überhören war.

Interpretationen durch andere Bands und Musiker

Neben den Revival-Gruppen Neues Glas aus alten Scherben, Neues Glas/akustisch und der 2004 gegründeten Ton Steine Scherben Family, die sich als Nachfolgeband von Ton Steine Scherben sieht, und in der außer Reiser/Lanrue die meisten Musiker der ursprünglichen Gruppe weiter spielen, wurden Cover-Versionen von „Scherben“-Titeln bereits von zahlreichen weiteren Bands oder Einzelinterpreten erstellt, darunter Freygang, Totenmond, Cochise, Klaus Lage, Marianne Rosenberg, Misha Schöneberg, Rocko Schamoni, Echt, Slime, Knochenfabrik, Alan Woerner, Freundeskreis, Xavier Naidoo, shin-en, Wir sind Helden, Britta, ZSK, Die Sterne, Terrorgruppe, Die Ärzte, WIZO, Die Prinzen, Joachim Witt , den Dödelhaien und Dritte Wahl. Sogar rechtsextremistische Gruppen wie Nahkampf mit dem Titel Der Kampf geht weiter oder Landser coverte mit dem Stück Allein machen sie dich ein einen Titel von Ton Steine Scherben, dessen Text sie allerdings mit einer kleinen Änderung in einem die Scherben inhaltlich verfälschenden Sinn antisemitisch ausrichteten.

Viele Coverversionen sind auf dem Rio-Reiser- „Familienalbum - Eine Hommage“ zu finden, das 2003 erschien, dem Sampler „Viva L'Anarchia“ (1997) oder „Keine Macht für Niemand - Die Erben der Scherben“ (2001), auf dem unter anderem Nina Hagen zu hören ist. Im Oktober 2005 wurde das „Familienalbum, Band 2“ veröffentlicht.

Musikalische sowie politische Kontinuitäten zwischen Ton Steine Scherben einerseits und sich als links bzw. gesellschaftskritisch verstehenden Musikern aus der aktuellen Independent-, Deutschrock- und Hip-Hop-Szene andererseits, thematisiert der Dokumentarfilm „Der Traum ist aus oder die Erben der Scherben“ aus dem Jahr 2001. Inhalt des Films ist weniger die „Musik an sich“, sondern vielmehr die Frage, was aus dem Protest und dem Lebensgefühl der Siebziger und Achtziger Jahre geworden ist, bzw. inwiefern dieses in der Gegenwart eine neue Entsprechung gefunden habe. Zu Wort kommen u. a. Musiker und Bands wie Tocotronic, Lassie Singers, Die Sterne, Tilman Rossmy. In diesen Traditionszusammenhang gestellt werden darüber hinaus auch Fink, Element of Crime sowie die beiden Liedermacher Funny van Dannen und Hans Söllner.

Das alte Anwesen der Scherben in Fresenhagen wird heute als Rio-Reiser-Haus von Peter Möbius, dem Bruder von Rio Reiser, und dem Rio-Reiser-Verein betrieben. Es soll neben dem Gedenken an den 1996 verstorbenen Rio Reiser und seine Werke auch jungen Musikern als Quartier dienen.

Differenzen um das ideelle Erbe

Kritiker werfen der Möbius-Familie vor, mit ihren Plänen einen „obskuren Totenkult“ um Rio Reiser zu betreiben, bei dem dieser, herausgelöst aus dem Scherben-Kollektiv, zum „romantischen Einzelkämpfer“ für die linke Bewegung stilisiert und in einem „durchweg weißen Licht als heldenhafter Barrikadensänger“ dargestellt werde. Dass die anderen Mitglieder von Ton Steine Scherben ihren Anteil an der entsprechenden Popularität der ganzen Gruppe beigetragen hatten, würde genauso verschwiegen, wie die Schattenseiten, die das Zusammenleben mit Rio Reiser mit sich gebracht habe. Reiser wird in diesem Zusammenhang nachgesagt, dass er durchaus jähzornig und gehässig habe werden können, vor allem, wenn er unter Alkoholeinfluss gestanden habe.

Nach Rio Reisers Tod kam es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen der Möbius-Familie und R. P. S. Lanrue um Nachlass-Regelungen. Erst im Jahr 2003 gelangen Einigungen (z. B. Neugründung der David Volksmund Produktion durch Gert Möbius und R. P. S. Lanrue).

Eine 2006 bei Bertelsmann erschienene Biografie von Hollow Skai wurde gegen den Willen einiger Interview-Partner, die ihre Aussagen verfälscht sahen (Hannes Eyber, Lutz Kerschowski, Gert und Peter Möbius), veröffentlicht.

Diskografie

Bis auf wenige Ausnahmen erscheinen alle Platten auf dem bandeigenen Label David Volksmund Produktion (DVP).

LPs und CDs

Album Cover von Keine Macht für Niemand
Album Cover von IV (Die Schwarze)
  • 1971: LP Warum geht es mir so dreckig (DVP)
  • 1972: Doppel-LP Keine Macht für Niemand (DVP)
  • 1973: LP Herr Freßsack und die Bremer Stadtmusikanten (Hörspiel) – TSS & Hoffmanns Comic-Theater (Rotbuch-Verlag)
  • 1975: Doppel-LP Wenn die Nacht am tiefsten... (DVP)
  • 1976: LP Teufel hast du Wind (Hörspiel) – TSS & Dietmar Roberg (Rotbuch-Verlag)
  • 1976: LP Paranoia – TSS & Kollektiv Rote Rübe, Theatermusik
  • 1977: LP Mannstoll – TSS & Brühwarm (DVP)
  • 1979: LP Entartet – TSS & Brühwarm (DVP)
  • 1981: Doppel-LP IV (Die Schwarze) (DVP)
  • 1981: LP Auswahl I (Strand / Teldec - von der Band autorisierter Sampler mit Höhepunkten aus den Jahren 1970 bis 1981)
  • 1982: LP Bootleg Live Hamburg 1982
  • 1983: LP Scherben (DVP)
  • 1985: LP Live in Berlin (Live I) (15. + 16. Juni 1984 in der UFA-Fabrik) (DVP)
  • 1996: CD Live II (15. + 16. Juni 1984 in der UFA-Fabrik) (DVP)
  • 2005: CD "18" - 18 Songs aus 15 Jahren (Best-of-Sampler) (DVP)
  • 2006: CD Live III - Konzertausschnitte von 1982, in Hamburg und 1983/84, in Berlin (DVP)

Singles und Maxis

  • 1970: 7" Single Macht kaputt, was euch kaputt macht / Wir streiken (Label: Ton Steine Scherben)
  • 1971: 7" Single Allein machen sie dich ein / Frauen gemeinsam sind stark (Flexi-Folien-Single, Siegfried Volkskrieg Produktion)
  • 1971: 7" Single Mensch Meier / Nulltarif (Flexi-Folien-Single, Schwarzfahrerproduktion)
  • 1979: 7" Single Das is unser Land / Kommen Sie schnell (DVP)
  • 1981: 7" Single Jenseits von Eden / Der Turm stürzt ein (Decca - letzte deutschsprachige Veröffentlichung auf dem Label der Rolling Stones)
  • 1981: 12" Maxi Jenseits von Eden (Remix) / Morgenlicht (Remix) (Decca)
  • 1983: 7" Single Laß uns ein Wunder sein / Hau ab (Teldec / David Volksmund)
  • 1983: 12" Maxi Laß uns 'n Wunder sein (Radio edit) / Hau ab (Remix) / Bist Du's (extra lang) (Teldec / David Volksmund)

Andere Aufnahmen und Veröffentlichungen

  • 1969: Demoband Freitagabend / Baby-Baby
  • 1979: Kassette Liebe Tod Hysterie – TSS & Kollektiv Rote Rübe, Theatermusik (Stechapfel)
  • 1981: Demoband Märzstürme
  • 1996: Bootleg Der Traum ist aus (Livemitschnitte von 1982 bis 1985 aus Berlin, Hamburg, München und Kassel sowie ein Duett Rio Reiser / Marianne Rosenberg aus Frankfurt/M. von 1992)
  • 2001: CD Auswahl I (new release der LP von 1981, digital überarbeitet, plus 3 Bonustracks) (eastwest)
  • 2002: DVD Land in Sicht - Scherben-Konzert vom 30. Mai 1983 in Offenbach, Bonustracks Hamburg und Essen, Fresenhagen, Interview mit Rio Reiser, Biografie, Fotogalerie, 149 Minuten, digital remastert - es gab eine limitierte Erstauflage mit Bonus-CD und 16 Seiten Booklet mit allen Texten aller Songs auf der DVD (eye tune productions)
  • 2006: 13 CDs Gesamtwerk (Die Box): Alle 10 Original CDs: remastert + teilweise neu gemischt / 3 Neue CDs, darunter: „Singles, Demos, Raritäten“ mit 6 unveröffentlichten Songs / Viele Extras: 72-seitiges Booklet + alle Cover neu (den alten LP-Cover nachempfunden) + alle originale Plakate + neue Plakate + Scherben-Star-Schnitt (DVP)
  • 2007: DVD Für immer und dich - Gesprochene Erinnerungen über Rio Reiser (und Ton Steine Scherben) von Freunden und Wegbegleitern, 80 Minuten (Salzgeber & Co. Medien GmbH)

Filme

  • Allein machen sie dich ein. Deutschland 1983. TV-Film über die Heut Nacht oder nie-Tournee der Scherben und Schroeder Roadshow, 285 Minuten, Regie: Christian Wagner
  • Der Traum ist aus oder die Erben der Scherben. 2001, Kinofilm, Dokumentation mit Musik, 92 Min. Regie: Christoph Schuch, Verleih: Salzgeber & Co Medien
  • Rio Reiser - König von Deutschland. Deutschland 2005, Regie: Stefan Paul (Musikrevue/Theateradaption von Heiner Kondschak (Landestheater Tübingen - LTT) nach biografischen Daten zu Rio Reiser (Darsteller: Sören Wunderlich) - mit zahlreichen musikalischen Interpretationen (Coverversionen) von Ton Steine Scherben-Titeln.
  • Für immer und Dich - Geschichten aus Winnetous Garagen I, Kinofilm, Interviews u. Lesungsungen mit Kai Sichtermann, Bernhard Käßner, Nikel Pallat, Jörg Schlotterer, Funky K. Götzner, Marius del Mestre, Angie Olbrich, Martin Paul und Hollow Skai, Deutschland 2006, 84 Min., Regie: Elser Maxwell, Thomas Malz, Produktion: Ton Steine Scherben Family, Verleih: Edition Salzgeber

Literatur

  • Dirk Nishen (Hrsg.): Ton Steine Scherben. Geschichten, Noten, Texte und Fotos aus 15 Jahren. Berlin 1985, Neuauflage David Volksmund Produktion, 1997, ISBN 978-3-00-021702-9
  • Rio Reiser u. Hannes Eyber (Bearb.): König von Deutschland. Erinnerungen an Ton Steine Scherben und mehr. Erzählt von ihm selbst und Hannes Eyber. Kiepenheuer und Witsch, Köln 1995. Wiederveröffentlichung: Möbius Rekords, Berlin 2001. ISBN 3-00-007733-2)
  • Hartmut El Kurdi: Schwarzrote Pop-Perlen. Wehrhahn Verlag, Hannover 2001, ISBN 3-932324-82-X
  • Hartmut El Kurdi: Unter Geiern in Mein Leben als Teilzeit-Flaneur. Edition Tiamat, Berlin 2001, ISBN 3-89320-047-9
  • Kai Sichtermann, Jens Johler, Christian Stahl: Keine Macht für Niemand. Die Geschichte der Ton Steine Scherben. Erw. u. aktualis. N.-Auflage, Schwarzkopf + Schwarzkopf, Berlin 2003 (Erstausgabe 2000), ISBN 3-89602-468-X
  • Wolfgang Seidel (Hrsg.): Scherben. Musik, Politik und Wirkung der Ton Steine Scherben. Ventil Verlag, Mainz 2005, ISBN 3-931555-94-1.
  • Hollow Skai: Das alles und noch viel mehr. Rio Reiser - Die inoffizielle Biografie des Königs von Deutschland. Heyne-Verlag, München 2006, ISBN 3-453-12038-8
  • Wolfgang Philippi: Keine Macht für Niemand - Ein Comic frei nach dem Album von Ton Steine Scherben David Volksmund Produktion, Berlin 2006, ISBN 3-00-019506-8

Quellen

  1. a b c d http://www.laut.de/wortlaut/artists/t/ton_steine_scherben/biographie/index.htm
  2. http://tonsteinescherben.de/main.php?to=news&do=detail&id=41
  3. a b c d http://www.tagesspiegel.de/kultur/;art772,2146047
  4. Interview mit Rio Reiser, am 6. September 2005 in WDR 5 wiederholt