Gregorianischer Choral

Unter dem Gregorianischen Choral versteht man den einstimmigen, unbegleiteten, liturgischen Gesang der abendländischen (westlichen) Kirche in der lateinischen Originalsprache.
Das Kernrepertoire des Gregorianischen Chorals
Das Kernrepertoire des Gregorianischen Gesangs besteht aus Proprium und Ordinarium der Heiligen Messe im Choralbuch (auch Graduale) und des Stundengebets im Antiphonar.
Anfänge

Der Gregorianische Choral ist benannt nach Papst Gregor I., genannt der Große († 604 n.Chr.). Die angebliche Beziehung Papst Gregors zu den nach ihm benannten Gesängen taucht erstmals im Prolog des Cantatoriums von Monza im 9. Jahrhundert auf. Dort heißt es: "Gregorius praesul composuit..." (Papst Gregor komponierte...). Nach übereinstimmender Meinung von Historikern und Musikwissenschaftlern kann Papst Gregor aber nicht als der Komponist dieser Gesänge betrachtet werden. Die führende Rolle bei der Schaffung der Gregorianischen Messgesänge hatte aber offenbar die päpstliche Schola cantorum.
Sicher ist, dass die gregorianische Form des Liturgiegesangs im wesentlichen aus Rom stammt, wo sie zwischen dem 4. und dem frühen 8. Jahrhundert nach und nach geschaffen wurde. Die Vorgeschichte des Gregorianischen Chorals ist jedoch weitgehend unbekannt. Mit gemeinsamen Wurzeln in der frühchristlichen Musik weist der Gregorianische Choral jedoch eine Reihe von Parallelen und Ähnlichkeiten zu den entsprechenden Formen und der Praxis der frühen byzantinischen Musik auf.
Im Zuge der karolingischen Liturgiereform (um 760) unter Pippin und seinem Sohn Karl der Große wurden diese römischen Gesänge in das Frankenreich importiert, wobei Bischof Chrodegang eine zentrale Rolle gespielt hat. Ein Zentrum der Reform war anscheinend Metz. Dass dabei die römischen Gesänge eine substantielle Überarbeitung erfahren haben, machen neuere Untersuchungen unwahrscheinlich.
Die Traditionen des Gallikanischen und Mozarabischen Gesangs wurden in der Folgezeit vom Gregorianischen Choral verdrängt. Allein der Ambrosianische Gesang konnte sich bis heute erhalten.
Form
Der gregorianische Gesang ist ein einstimmiger Solo- oder Chorgesang mit rhythmischer und dynamischer Differenzierung und mit formaler Gliederung in Phrasen und Perioden gemäß der Struktur des jeweiligen Textes. Metrum und absolute Tonhöhe sind nicht vorgegeben.
Die Melodien der Gesänge wurden seit dem 9. Jahrhundert mit der Hilfe von sogenannten Neumen festgehalten und vorher mündlich tradiert. Aus der Zeit vor Einführung der Neumen sind allerdings Textbücher des gregorianischen Repertoires überliefert, gewissermaßen also Gesangbücher ohne Noten. Erst im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts wurden die Choralmelodien zunehmend in der Quadratnotation aufgeschrieben.
Grundlage aller Gregorianik sind die Psalmodie beziehungsweise das liturgische Rezitativ. Die wichtigsten Formen sind Antiphon und Responsorium. Die Texte der gregorianischen Gesänge sind fast ausschließlich der Bibel teilweise aber auch den Apokryphen entnommen und bestehen zu einem großen Teil aus Psalmtexten.
Modalität
Die neuzeitliche Musik ist normalerweise mehrstimmig und bezieht ihre Wirkung außer durch die Melodie vor allem aus der Abfolge von Harmonien, Dissonanzen und Konsonanzen. Der einstimmige Gregorianische Choral hat ein vergleichbares Mittel zur Verfügung: die Modalität. Jedes gregorianische Stück kann in einen von acht diatonischen Modi eingeordnet werden, die sich unter anderem durch die Lage der Halbtonschritte unterscheiden und am besten als Melodiefamilien charakterisieren lassen. In jedem Modus gibt es ausgezeichnete Tonstufen, die als herausragend gehört werden und die bei der Melodiebildung wichtige Rollen spielen. Dies sind vor allem der Schlusston (Finalis) eines Stückes und der Rezitationston des zugehörigen Psalmtons (Tenor). Man unterscheidet authentische Modi, bei denen die Melodien selten und nicht weit unter den Schlusston fallen, und plagale Modi, bei denen der Schlusston im Melodieverlauf meist um mehrere Tonstufen unterschritten wird. Darüberhinaus gibt es Psalmtonformeln, die nicht in dieses Schema passen, wie zum Beispiel den Tonus peregrinus.
authentisch | plagal | Finalis | Tenor | |
---|---|---|---|---|
Protus | I. Modus | D | a | |
II. Modus | D | F | ||
Deuterus | III. Modus | E | h | |
IV. Modus | E | a | ||
Tritus | V. Modus | F | c | |
VI. Modus | F | a | ||
Tetrardus | VII. Modus | G | d | |
VIII. Modus | G | c |
Im ersten Modus beispielsweise sind die vorherrschenden Tonstufen der Grundton D (auch Finalis oder untere Hauptstrukturstufe genannt) und der Psalmtenor a (auch Dominante oder obere Hauptstrukturstufe). Daneben spielen im ersten Modus gelegentlich noch das G, das F, das hohe c und das tiefe C die Rolle von starken Stufen. E und h bzw. b sind im ersten Modus eher schwache Durchgangsstufen.
Indem die Melodie nun den Text Wort für Wort, Abschnitt für Abschnitt durchschreitet, werden nach und nach verschiedene Tonstufen wirksam. Sie beherrschen dann ein gewisses, manchmal nur kurzes Stück der Melodie, um wieder von einer neuen Strukturstufe abgelöst zu werden. So entsteht ähnlich wie in der mehrstimmigen Musik eine Folge von Übergängen zwischen starken und schwachen Stufen, Spannungen und Entspannungen, die schließlich zur finalen Kadenz führen. Dem Klangcharakter der mehrstimmigen Akkorde entspricht dabei in der Modalität die Intervallbeziehung einer Tonstufe zu ihren Nachbartönen.
Die wichtigsten mittelalterlichen Ergänzungen zum Gregorianischen Choral
Weitere Entwicklung
In karolingischer Zeit entstanden zu den offiziell sanktionierten Gesängen verschiedene Arten von Ergänzungen und Modifikationen, die als Tropus bezeichnet werden. Dabei handelt es sich sowohl um Textierungen bestehender Melismen als auch um den Einschub oder das Anhängen neuer Melismen oder textierter Melodieabschnitte.
Mit dem gregorianischen Gesang entwickelte sich im 10. Jahrhundert das Prinzip unserer Notenschrift mit teilweise mehrfarbigen Notenzeilen, Notenschlüsseln und Notenköpfen. Guido von Arezzo erfand 1025 das 4-Linien-System und die zwei Notenschlüssel (F- und C-Schlüssel).
Schließlich sind bis ins späte Mittelalter, in Einzelfällen auch bis ins 17. Jahrhundert, Neukompositionen zu den Stücken des Messordinariums (z.B. Credo III, Grad.Tr. S. 774) überliefert, die auch Eingang in die offiziellen Liturgiebücher gefunden haben.
Sequenzen
Mit der Textierung des Alleluja-Schlussmelismas (Jubilus) beginnt gegen 850 die Geschichte der Sequenz. Bis zum 12. Jahrhundert bildet sich die vom Alleluja unabhängige Reimsequenz heraus mit gereimten und rhythmisch angeglichenen Versen. Sie führt zu den groß angelegten Strophensequenzen. Strophensequenzen haben die Struktur mehrstrophiger, metrisch geordneter und gereimter Hymnen. Sie wurden im späten Mittelalter sehr beliebt, es sind etwa 5000 Strophensequenzen bekannt.
Neben einer Reglementierung der Figuralmusik gab das Konzil von Trient (1545–1563) auch Vorgaben für den gregorianischen Choral. So wurden von den Sequenzen des späten Mittelalters nur noch vier in der offiziellen römischen Messliturgie zugelassen. 1727 wurde eine fünfte Sequenz eingeführt.
Hymnen
Unter Hymnen im Sinne der Gregorianik versteht man metrische Gedichte. Sie weisen eine unbestimmte Anzahl gleichgebauter metrischer Strophen auf, die auf dieselbe Melodie gesungen werden. Die Texte sind frei gedichtet, also außerbiblisch. Die Hymnen haben ihren liturgischen Platz im Offizium.
Während die Sequenzen eine Erfindung des 9. Jahrhundert sind, gibt es Hymnen im Sinne der Gregorianik schon seit dem 3. und 4. Jahrhundert. Einer der berühmtesten älteren Hymnendichter war Ambrosius von Mailand, dem häufig gemeinsam mit Augustinus von Hippo auch die Dichtung und Komposition des Te Deum zugeschrieben wurde, was historisch allerdings nicht belegt ist. Der Mönchsvater Benedikt von Nursia kennt schon für jede Hore einen besonderen Hymnus.
Siehe auch: Kategorie:Hymnus
Regionale Varianten („Dialekte“)
Etwa ab dem Jahr 1000 lassen sich in den Handschriften Melodieveränderungen nachweisen, die zu der Entwicklung mehr oder weniger stark ausgeprägter regionaler „Dialekte“ führte. Ein Beispiel hierfür ist der sogenannte „germanische Choraldialekt“ (auch: „Mainzer Choraldialekt“), der in zahlreichen lothringischen (Metzer) und deutschen Handschriften auftaucht, im Gegensatz zum „romanischen Dialekt“, der vor allem in Handschriften südlich der Alpen begegnet. Er wird nachweislich seit 1333 bis zum heutigen Tag von den Kiedricher Chorbuben in Kiedrich im Rheingau gesungen. [1]
Der Gregorianische Choral in der Neuzeit
Restitution des Gregorianischen Chorals
Nach dem 9. Jahrhundert, in dem viele der im Abendland verbreiteten Quellen in erstaunlicher Übereinstimmung stehen, wurde der Gregorianische Choral durch neue musikalische Gattungen erweitert und immer wieder dem jeweils vorherrschenden Geschmack angepasst. Mit der Verbreitung der Mehrstimmigkeit, die sich unter anderem aus dem Organum entwickelt hat, nahmen die Kenntnisse über den Gregorianischen Choral immer weiter ab.
Die ursprünglichen Melodien konnten nicht in allen Fällen einem Modus zugeordnet werden, einige Melodien wechseln sogar den Modus. Im späteren Mittelalter wurden solche Melodien als irregulär betrachtet und umgearbeitet. Die Zisterzienser haben dies aufgegriffen und zwischen 1134 und 1348 das Repertoire systematisch umgearbeitet. Auch der Dominikaner Hubert de Romans hat 1256 einen großen Teil dieser überarbeiteten Stücke übernommen. Darüberhinaus entwickelten auch die Kartäuser und Prämonstratenser ein eigenes Brauchtum.
Seit dieser Zeit wurde auch der Begriff Cantus planus (lateinisch für ebener Gesang) für den Gregorianischen Choral verwendet, da die musikalischen Differenzierungen zunehmend eingeebnet wurden.
Das Konzil von Trient gab im 16. Jahrhundert den Anstoß, die überlieferten Choralmelodien völlig zu überarbeiten, was 1614/15 schließlich zum Druck der Editio Medicaea führte, die in der Quadratnotation ausgeführt war, und im wesentlichen von den italienischen Komponisten Felice Anerio und Francesco Soriano, nicht jedoch wie häufig erwähnt Giovanni Pierluigi da Palestrina, erarbeitet wurde. Diese Ausgabe wird wegen der unzähligen Verfremdungen und Verfälschungen heutigen Ansprüchen jedoch in keiner Weise gerecht.

Erst durch das Studium der alten Handschriften seit dem 19. Jahrhundert ausgehend von der Abbaye Saint-Pierre de Solesmes können die Gesänge heute relativ zuverlässig rekonstruiert werden. Das Studium der alten Handschriften bildet auch die Grundlage der Gregorianischen Semiologie. Sie geht bis auf die ursprünglichen Quellen zurück, wie zum Beispiel das vollständig erhaltene Cantatorium aus dem Codex Sangallensis 359 aus der Mitte des 10. Jahrhunderts. Die ersten Ergebnisse dieser Restitution wurden Anfang des 20. Jahrhunderts ermächtigt durch das Motu Proprio Tra le sollecitudini von Papst Pius X. in Form der Editio Vaticana veröffentlicht.
Zunächst gab es Schwierigkeiten den Gregorianischen Choral rhythmisch zu deuten, da die Quellen noch nicht umfassend genug erforscht waren. Anfangs gab es die sogenannten Mensuralisten, die den Neumen proportionale Tondauern zuordneten, und die sogenannten Äqualisten, die von einem zeitlichen Gleichmaß der einzelnen Töne ausgingen. Inzwischen hat sich gezeigt, dass die rhythmische und artikulatorische Differenzierung der Neumen recht vielfältig ist, was letztlich nur durch das Studium der alten Handschriften erschlossen werden kann und zum Beispiel bei der Reperkussion von verschieden langen Tönen auf einer Textsilbe mit gleicher Tonhöhe zum Tragen kommt. Daher sind im Graduel Neumé und später im Graduale Triplex neben den Neumen in der Quadratnotation auch die vorhandenen Handschriften aus den Kodices aus Laon, sowie Einsiedeln oder Sankt Gallen aufgeführt. Um die Feinheiten auch im Notenlinienbild besser darstellen zu können, werden seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts die Neumen zunehmend auch in der sogenannten Neographie herausgegeben.
In der folgenden Tabelle ist der zeitliche Ablauf der Restitution dargestellt:
Jahr | Ereignis | Personen und Orte |
---|---|---|
1833 | Wiederbesiedlung der Abtei St. Pierre | Dom Prosper Guéranger - Solesmes |
1870 | Päpstliche Druckerlaubnis für die Neuausgabe der Medicaea von 1614 | Verlag Friedrich Pustet in Regensburg |
1883 | Liber Gradualis | Dom Joseph Pothier |
1889 | Paléographie Musicale mit dem Codex Sangallensis 359 | Dom André Mocquereau |
1896 | Liber Usualis | Dom André Mocquereau |
1903 | Motu Proprio Tra le sollecitudini | Papst Pius X. |
1904 | Päpstliche Kommission zur Vorbereitung einer Editio Vaticana | Dom Joseph Pothier |
1905 | Editio Vaticana: Kyriale | Vatikan |
1908 | Editio Vaticana: Graduale | Vatikan |
1910 | Pontificio Istituto di Musica Sacra | Papst Pius X. |
1912 | Editio Vaticana: Antiphonale | Vatikan |
1934 | Antiphonale Monasticum | Abtei St. Pierre |
1954 | Études Gregoriennes | Abtei St. Pierre |
1957 | Le Graduel Romain - Band I | Abtei St. Pierre |
1960 | Le Graduel Romain - Band II | Abtei St. Pierre |
1962 | Le Graduel Romain - Band III | Abtei St. Pierre |
1963 | Zweites Vatikanisches Konzil | Vatikan |
1966 | Graduel Neumé | Eugène Cardine |
1968 | Semiologia Gregoriana | Eugène Cardine |
1974 | Graduale Romanum | Abtei St. Pierre |
1975 | Associazione Internazionale Studi di Canti Gregoriano (AISCGre) | Rom / Cremona |
1979 | Graduale Triplex | Abtei St. Pierre |
1985 | Beiträge zur Gregorianik / Studi Gregoriani | Regensburg / Cremona |
Gregorianischer Choral in anderen Sprachen
Der Gregorianische Choral hat auch die Entstehung und Entwicklung der Kirchenmusik in anderen Sprachen beeinflusst. Seit dem Hochmittelalter gibt es zum Beispiel in Deutschland einzelne Gesänge, die vom Lateinischen ins Deutsche übertragen wurden und sich zum Teil noch heute in den kirchlichen Gesangbüchern (evangelisch und katholisch) befinden. Zugleich entstanden Neukompositionen an sogenannten Leisen und Kirchenliedern, die sich melodisch eng an ältere gregorianische Gesänge anschließen (zum Beispiel das bekannte „Christ ist erstanden“). In der Reformationszeit bemühten sich dann mehrere Reformatoren, unter anderen Thomas Müntzer in seinem „Deutschen Kirchen-Amt“ (1524) und Martin Luther in seiner „Deutschen Evangelischen Messe“ (1526) um teilweise freie, zum Teil aber auch sehr eng an den lateinischen Vorlagen bleibende Übertragungen.
Als unproblematisch und vertretbar werden solche Versuche, Gregorianische Gesänge in anderen Sprachen zu singen, heute allgemein lediglich für die Rezitation der Lesungen und Gebete, für die Hymnen und eventuell auch die Psalmodie betrachtet. Die Übertragung der kunstvolleren Gesänge wie der Antiphonen, Responsorien oder Messgesänge wird heute dagegen von der Mehrzahl der Fachleute kritisch betrachtet. Deutschsprachige Gregorianik wird heute sowohl in der katholischen als auch der evangelischen Kirche gepflegt, zum Teil sogar von speziellen Vereinigungen wie der Michaelsbruderschaft oder der Kirchlichen Arbeit Alpirsbach. Deutsche Psalmen, Hymnen und ganze Stundengebete sind auch in den offiziellen Gesangbüchern abgedruckt.
Gegenwärtige kirchliche Praxis
Das Zweite Vatikanische Konzil empfahl den Gregorianischen Choral zwar sehr deutlich, doch wurde er im Zuge der Liturgiereform mehr und mehr durch volkssprachliche Gemeindegesänge ersetzt. Der Gregorianische Choral erklingt nur noch in wenigen Kirchen und auch dort meist vereinzelt in der Liturgie. Dennoch gründen sich beflügelt durch die neueren Forschungsergebnisse der Gregorianischen Semiologie in den letzten Jahrzehnten immer wieder neue Choralscholen, die diesen Gesang pflegen. Der Erforschung und Verbreitung des Gregorianischen Chorals widmet sich die Internationale Gesellschaft für Studien des Gregorianischen Chorals (AISCGre). Die in der heutigen römischen Liturgie gültigen Gesänge finden sich in verschiedenen Choralbüchern wie dem Graduale Romanum (auch im Graduale Simplex und im Graduale Triplex) oder dem Liber Hymnarius. Ältere Sammlungen wie der Liber Usualis bieten – auch wenn sie nicht mehr den aktuellen Stand der Liturgie und nicht immer authentische Melodien aufweisen - dennoch eine Quelle für gregorianische Gesänge.
Zitate
- Eine Kirchenkomposition ist um so mehr kirchlich und liturgisch, je mehr sie sich in ihrer Anlage, ihrem Geist und ihrer Stimmung dem Gregorianischen Gesang nähert; umgekehrt ist sie umso weniger des Gotteshauses würdig, als sie sich von diesem Vorbilde entfernt. Der altüberlieferte Gregorianische Choral soll daher in reichem Ausmaß bei den gottesdienstlichen Funktionen wieder verwendet werden. Alle mögen davon überzeugt sein, daß der Gottesdienst nichts an Glanz verliert, auch wenn er nur von dieser Musikart begleitet ist. Namentlich sorge man dafür, daß der Gregorianische Gesang beim Volke wieder eingeführt werde, damit die Gläubigen an der Feier des Gotteslobes und der heiligen Geheimnisse wieder lebendigeren Anteil nehmen, so wie es früher der Fall war. - Motu proprio Tra le sollecitudini über die Kirchenmusik - Anweisung über die Kirchenmusik - Kapitel II: Die Arten der Kirchenmusik - Artikel 3 - 1903
- Die Kirche betrachtet den Gregorianischen Choral als den der römischen Liturgie eigenen Gesang; demgemäß soll er in ihren liturgischen Handlungen, wenn im übrigen die gleichen Voraussetzungen gegeben sind, den ersten Platz einnehmen. - Konstitution über die heilige Liturgie - Sacrosanctum Concilium - Kapitel VI: Die Kirchenmusik - Artikel 116 - 1963
- Außerdem achte man darauf, dass in den Ausgaben für das Volk wenigstens einige lateinische Texte erhalten bleiben, besonders aus dem unvergleichlichen Schatz des Gregorianischen Chorals, den die Kirche als den der römischen Liturgie eigenen Gesang betrachtet und der darum, gleiche Bedingungen vorausgesetzt, in den liturgischen Handlungen den ersten Platz einnehmen soll. Denn dieser Gesang trägt in höchstem Maße dazu bei, den menschlichen Geist zum Übernatürlichen zu erheben. - Fünfte Instruktion zur ordnungsgemäßen Ausführung der Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die heilige Liturgie - Artikel 28 - 2001
- Der Gregorianische Gesang ist darum bis heute ein Element der Einheit in der römischen Liturgie. - Chirograph von Papst Johannes Paul II. zum 100. Jahrestag der Veröffentlichung des Motu Proprio »Tra le sollecitudini« über die Kirchenmusik - Artikel 7 - 2003
- Schließlich möchte ich, obwohl ich die verschiedenen Orientierungen und die sehr lobenswerten unterschiedlichen Traditionen berücksichtige, daß entsprechend der Bitte der Synodenväter der gregorianische Choral angemessen zur Geltung gebracht wird, da dies der eigentliche Gesang der römischen Liturgie ist. - Papst Benedikt XVI. - Nachsynodales Apostolisches Schreiben Sacramentum Caritatis - Zweiter Teil: Eucharistie, ein Geheimnis, das man feiert - Ars celebrandi - Der liturgische Gesang - Artikel 42 - 2007
- Ganz allgemein bitte ich darum, daß die zukünftigen Priester von der Seminarzeit an darauf vorbereitet werden, die heilige Messe in Latein zu verstehen und zu zelebrieren sowie lateinische Texte zu nutzen und den gregorianischen Choral zu verwenden. Man sollte nicht die Möglichkeit außer Acht lassen, daß auch die Gläubigen angeleitet werden, die allgemeinsten Gebete in Latein zu kennen und gewisse Teile der Liturgie im gregorianischen Stil zu singen. - Papst Benedikt XVI. - Nachsynodales Apostolisches Schreiben Sacramentum Caritatis - Zweiter Teil: Eucharistie, ein Geheimnis, das man feiert - Actuosa participatio - Die lateinische Sprache - Artikel 62 - 2007
- „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen“ - Dietrich Bonhoeffer
Quellen
Siehe auch
- Portal Gregorianik
- Geschichte des geistlichen Liedes auf dem europäischen Kontinent
- Kirchenmusik: Der Gregorianische Choral
Literatur
- Luigi Agustoni: Gregorianischer Choral. In: Hans Musch (Hrsg.): Musik im Gottesdienst. Band 1. 5. Auflage. ConBrio, Regensburg 1994, S. 199–356, ISBN 3-930079-21-6
- Luigi Agustoni, Johannes Berchmans Göschl: Einführung in die Interpretation des Gregorianischen Chorals. Bosse, Regensburg, 1987 (Band 1), 1992 (Band 2 in zwei Teilbänden), ISBN 3-7649-2343-1 (Band 1), ISBN 3-7649-2430-6 (Band 2/I), ISBN 3-7649-2431-4 (Band 2/II).
- Eugène Cardine: Gregorianische Semiologie. Les Éditions de Solesmes, Solesmes, 2003, ISBN 2-85274-049-4.
- Bernhard Gröbler: Einführung in den Gregorianischen Choral. 2. Auflage. IKS Garamond, Jena 2006, ISBN 3-938203-09-9
- David Hiley: Western Plainchant. Clarendon, Oxford 1997, ISBN 0-19-816572-2
- James W. McKinnon: The Advent project: The later-seventh-century creation of the Roman Mass proper. University of California Press, Berkely u.a. 2000, ISBN 0-520-22198-2
- Andreas Pfisterer: Cantilena Romana. Untersuchung zur Überlieferung des gregorianischen Chorals. Schöningh, Paderborn 2002, ISBN 3-506-70631-4
Weblinks
- AISCGre (weiterführende Artikel in Italienisch und Deutsch)
- Abbaye de Solesmes (franz./engl./span.)
- Der Gregorianischer Choral von Abteien zum provence im France (franz. mit Übersetzer)
- Choral.de Historie u. Neumen-Notenkunde
- Gregorianiknoten im pdf-Format
- Gregorianiknoten im pdf-Format
- Freie Aufnahmen Gregorianischer Choräle mit dazugehörigen Neumen (GIF)
- Brief Guidos von Arezzo an den Mönch Michael über einen unbekannten Gesang
- Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, siehe Punkt 116