Bauhütte
Bauhütte bezeichnet heute zumeist das Bauhüttenwesen des gotischen Kathedralenbaus. Organisierte Bau-Kooperationen existierten aber schon viel früher. Geprägt wurde das Wort „Bauhütte“ 1816 durch Johann Wolfgang von Goethe in seinem Aufsatz Kunst und Alterthum am Rhein und Mayn (1. Heft; 1816; etwa auf der 5. letzten Seite), zuvor war der allgemeine Begriff der Hütte verschriftlicht. Der Begriff der Dombauhütte stammt von Carl von Heideloff (1844).[1]

Holzschnitt von Jost Amman von 1536
Bauhütten des Altertums
Vom Wesen der antiken Bauhütten gibt es wenig bis gar keine Dokumente und Belege. Es ist anzunehmen, dass in den Zeiten der ägyptischen Pyramiden und Griechischen Tempeln das Wissen um die Kunst des Bauens in den Händen von Priesterkasten lag (wie noch bis in die Zeit der Romanik). Von der Art, wie sich die ausführenden Handwerker organisierten, von ihren Verhältnissen nach innen und außen ist nichts überliefert.
Allein von den römischen Baucollegia gibt es Berichte. Ihre Mitglieder nannten sich gegenseitig collegae und waren besonders in der römischen Kaiserzeit von manchen bürgerlichen Lasten befreit. Ihre inneren Verhältnisse wurden durch eigene Gesetze und Gerichtsbarkeit geleitet. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Handwerkern, die bei den Römern keine besondere Achtung erfuhren, bekamen diese „collegia“, im Laufe der Zeit teilweise beachtliche Macht und Einfluss, ähnlich den mittelalterlichen Zünften. Dies war wohl auch der Grund, warum sie immer wieder angegriffen und verboten wurden. Mit der Ausdehnung des Römischen Reiches und seiner Kolonien bildeten sich auch Ableger dieser Collegia in Gallien und Britannien.
Eine Verbindung der Collegia mit den Bauhütten des Mittelalters ist nicht nachzuweisen.
Bauhütten der Romanik

Die Geschichte der Steinmetzkunst in Germanien beginnt mit der Besetzung durch römische Soldaten, die nicht nur das Christentum verbreiteten, sondern auch einen Transfer von Steinbautechnik leisteten[2]. Verbunden mit der voranschreitenden Christianisierung erfolgte der Bau von Klöstern, wobei insbesondere irische und angelsächsische Mönche wie z. B. Bonifatius, die die Steinbautechnik aus ihren Heimatländern kannten, einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Steinbaukunst leisteten.
In der Zeit von Karl dem Großen (768 - 814) erfolgte für die Entwicklung der Steinbaukunst in Deutschland die entscheidende Cäsur, sodass wir beim Bau der Königshalle von Lorsch von einem der ersten deutschen Steinbauten sprechen können, der in einem geregelten Baubetrieb entstand. Gottfried Kiesow hält Einhard für den Organisator des Klosterbaus von Lorsch, der erstmals eine feste Gruppe von qualifizierten Steinmetzen beim Bauen einsetzte [3].
Insbesondere die Orden der Benediktiner und der Zisterzienser förderten den romanischen Kirchenbau. Der Abt Wilhelm von Hirsau beschäftigte nicht nur Mönche, sondern ab 1070 n. Chr. die sog. Conversi. Das waren Laienbrüder, die kein Mönchsgelübde abgelegt hatten, in den Klöstern lebten und als Steinmetzen ausgebildet wurden und arbeiteten. Wurde ein Kirchen- oder Klosterbau neu begonnen, zogen Gruppen von Mönchen und Conversi, gut ausgerüstet und bewaffnet zur nächsten Klosterbaustelle. Die auf dem Wege liegenden Klöster und Stifte waren verpflichtet, sie zu beherbergen und zu verpflegen. Als sich die Bendektiner und die Zisterzienser in vorromanischer Zeit aus dem Klosterbau zurückzogen, füllten diese Lücke zunächst die sog. Comancinis, die die romanische Bauzier mit gedrehten Säulen und aufwendigen Kapitellen bereicherten. Die Comancini waren Steinmetzen aus der Gegend von Como, die Karl dem Großen folgten, nachdem dieser das Langobardenreich erobert hatte.
Die Mönche hatten als sie sich aus dem Bauwesen zurückzogen, weil sie die Christianisierung durchgesetzt hatten, ca. 2.000 Klöster erbaut, eine gewaltige Leistung. Dass Mönche planvoll, gezielt und auf hohem Niveau Klöster gebaut wurden, belegt der in jüngster Zeit gefundene St. Galler Klosterplan.
Die gotischen Bauhütten und die Steinmetzbruderschaft

Nach neuem Kenntnisstand muss in Bauhütte und in Steinmetzbruderschaft unterschieden werden:
- Die Bauhütte der Gotik war eine Organisation, deren Arbeitsfeld im Klerikal-Großbbau vor Ort lag. Zur Hütte gehörten der Werkmeister und die verschiedenen Handwerker, u.a. Steinmetz, Zimmermann, Mauer, Schmied und Glaser, soweit sie längerfirstig auf der Baustelle erforderlich waren, (...) neben einem Kaplan (...) waren es nicht nur Küster, Meßner, Organist und Kirchendiener (...), sondern auch Bäcker, Koch, und Gesinde für den Haushalt der Küche[4]. „Die Bauhütte stand unter der obersten Leitung und Aufsicht eines oder mehrerer „Baumeister“ (und) hoher Verwaltungs- und Finanzbeamter“[5]. Die Bauhütte war ein Unternehmen.
- Die gotische Bauhütte hatte eine ´Bruderschaft´ genannten ideellen Überbau, die Steinmetzbruderschaft, die alle Groß-Baustellen als Gesamtorganisation gliederte und in Haupt- und Nebenhütten zusammenfasste. In der Bruderschaft war nur Steinmetzmeister und Steinmetzgesellen organisiert und keine anderen Gewerke. Die Steinmetzbruderschaft hatten eine eigene Ordnung, eine eigene Rechtsprechung und einen, in seinen Grundzügen demokratischen Aufbau.
An fast allen gotischen Kathedralen gibt es Dokumente, die die Existenz einer Bauhütte, von Beginn der Bautätigkeit an, belegen. Diese Belege liegen in Form von Verwaltungs- und Wirtschaftsbelegen vor. Hinweise auf eine überregionale Struktur und ideelle Ordnung finden sich in schriftlicher Form im mittelenglischen Regius-Manuskript aus dem 14. Jahrhundert. Dass es vor dem Regius-Manuskript keine urkundliche Erwähnung des Hüttenwesens gibt, hängt vermutlich damit zusammen, dass die Gebräuche der Bauhütte der Geheimhaltung unterlagen und durften nur von Steinmetz zu Steinmetz mündlich weitergegeben werden. So könnte das Regius-Manuskript, das in Versen gedichtet worden sein, um ein Auswendiglernen zu erleichtern. Erst mit dem drohenden Zerfall und nachdem das Handwerk „under ettlichen Meistern schedelich gelitten“, entschloss man sich, die Statuten der Bauhütte schriftlich zu verfassen.
In der Straßburger Steinmetzordnung von 1495 finden sich Hinweise, dass diese nur die Reformation einer weit älteren, schon lange bestehenden Ordnung sein könnte. Beispielsweise finden wir in der Einleitung derselben: „(….)umb nutz und Nothdurfft willen aller Meister und Gesellen des ganzen Hantwercks des Steynwercks und Steinmetzen in dütschen Landen, und besonder zu versehen zwüschent denselben des Hantwercks künftige Zweytrachten, Mysshelle, Kumber, Costen und Schaden, die den ettlicher unordentlicher Handelunge halb under ettlichen Meistern schedelich gelitten und schwerlich gewesen sind wider soliche gutte Gewohnheit und alt herkommen, so ihr altfordern und liebhaber des Hantwercks vor alte zitten in guter meynunge gehenthabt und herbrocht habent,(….)“ Und dann etwas weiter:(….) im namen und anstatt unser und aller ander Meister und Gesellen unsers gantzen gemeinen Hantwercks obgemeldet, Solich alt Harkumen ernüwert und geluttert, und Uns dieser Ordnung und Brüderschaft gietlich und freyntlich vereynt; (….) Desgleichen finden wir in der Rochlitzer Ordnung von 1462 und in der Erneuerung des Bruderbuchs von 1563.
Verschiedentlich wird die These von Gegensätzen von Bauhütte und Zunft vertreten. Diese These ist nicht belegt: „Das Verhältnis zwischen Hütte und Zunft war allgemein gesprochen harmonisch und kooperativ, zumal die Hütte auf das städtische Handwerk angewiesen war, das für einzelne Arbeiten herangezogen wurde. In einigen Städten hatten die Zünfte Mitspracherecht in der Kirchenhütte. Verschiedentlich wurde der Werkmeister der Hütte als Sachverständiger bei stätdtischen Bauaufgaben herangezogen“[6].
Die verschriftlichen Statuten der Steinmetzbruderschaften des gotischen Kathedralbaus entstanden zu einem Zeitpunkt, als der gotische Baustil seinen Zenit schon längst überschritten hatte. Verschiedentlich wird vermutet, dass die Organisation der gotischen Bauhütte zusammen mit dem gotischen Baustil entstand.
Die Steinmetzen der gotischen Bauhütten


Der Baustil der Gotik fußt auf geometrischen Grundlagen, der Quadratur und der Triangulatur, dem Dreipass, Vierpass und zum Teil auf dem goldenen Schnitt. Die Baumeister waren in der Lage die geometrischen Konstruktionen auf den gegliederten gotischen Bau zu übertragen und die Hüttensteinmetzen wandten die Konstruktion im Detail an. Die oben genannten geometrischen Prinzipen kann man bei den gotischen Kathedralen nachmessen und zahlreiche in Stein geritzte Konstruktionslinien belegen die präzise Beherrschung der Geometrie zur Steinkonstruktion und -fertigung. Die Steinbaukunst der Gotik stellte hohe Anforderungen an die Ausbildung von Steinmetzen und die Ausbildungsregeln befinden sich in den Statuten der Bauhütte:
Der Hüttendiener (Lehrling)
Er musste mindestens 14 Jahre alt sein, getauft und seine Eltern mussten miteinander verheiratet gewesen sein. Bei seiner Aufnahme war eine Bürgschaft von 20 Gulden zu hinterlegen. Bei Abschluss der sechsjährigen Ausbildung wurde das Geld zurückgezahlt und zudem eine Vergütung von weiteren 10 Gulden. Wurde die Lehre abgebrochen, verfiel das Geld an die Hütte. „Erst auf der Speyerer Tagung von 1464 wurde die Lehrzeit auf fünf Jahre verkürzt und die der Maurer auf drei Jahre“[7]. Hatte ein „Diener“ bereits bei der Maurerzunft eine Lehre abgeschlossen, wurde seine Lehrzeit auf drei Jahre verkürzt.
Der Geselle
Mit der Ledigsprechung bekam der junge Steinmetz sein Steinmetzzeichen zugeteilt und wurde in die Bruderschaft aufgenommen. Er bekam das geheime Zureiseritual beigebracht, mit dem er sich auf allen Bauhütten als zur Bauhütte zugehörig ausweisen konnte. Von diesem Zeitpunkt an hatte er Mitspracherecht bei organisatorischen Entscheidungen und in der Rechtsprechung. Es war ihm freigestellt, ob er in einer Hütte um Förderung (Arbeit) suchen wollte, scheiden und wandern oder als Kunstdiener weiterlernen wollte.
Der Wandergeselle
Die reisenden Gesellen bildeten das Bindeglied zwischen den einzelnen Bauhütten. Es stand jedem Gesellen frei zum Lohnabend oder des Samstag seinen Abschied zu nehmen: „Wen es nicht gefallet, do ist niemand zu dem andern gebunden“.
Nur wenn ein Geselle den Winter über bei einem Meister in Arbeit stand, sollte er auch bis Johanni bleiben. „es were denn sach, daß den Gesellen hefftige Sachen zu dem meister hette, das Im an seinem Handwerck schatte“.
Wenn ein Wandergeselle auf einer „Hütte“ zureiste, wurde er mit dem sogenannten Gruß und Handschenk, der rituellen Begrüßung der Bauhütte, empfangen. Fand ein Geselle in einer Bauhütte keine Förderung, so sollten ihm der Meister und alle arbeitenden Gesellen ein „ebeglichen schenken, wie die vorgeschriebenen Stücke von des grusses und geschenke wegen“,
Ein Geselle der nicht „gewandelt“ war, also auf verschiedenen Bauhütten gearbeitet hatte, durfte kein Parlier werden.
Der Kunstdiener
Wollte ein Steinmetz der Bauhütten einmal Parlier werden, musste er auf Wanderschaft gewesen sein und sich noch einmal zwei Jahre als Kunstdiener verpflichten. Um Kunstdiener zu werden, musste er seine Lehre abgeschlossen haben. Zudem musste er dazu in der Steinmetzbruderschaft sein. Als Kunstdiener wurde der Steinmetz in die höheren Kunstfertigkeiten eingeführt, z. B. Konstruktion, Bildhauerei, Proportionslehre usw. Er konnte vom Meister als Parlier eingesetzt werden „Alsofern er es verhegen kann, das die gebeude bewaret sindt“. Für seine gefertigte Arbeit musste der Meister dem Kunstdiener „den vollen leisten“, d. h. er hatte ihn voll zu bezahlen.
Laubhauer
Es gibt eine weitere berufliche Differenzierung in den Hütten, der bislang wenig Beachtung geschenkt wurde: „In spätmittelalterlichen Rechnungsbüchern wird unter den Steinmetzen eine besondere, um 2 Pfennig höher besoldete Gruppe der Laubhauer („lawberhawer“ oder dem „gesellen dej dy lawber hawt, all tag II dn. mehr“) aufgeführt, die das Blattwerk an Kapitellen und Krabben haeun, eine Spezialisierung, die vor der Mitte des 15. Jhs. nicht nachzuweisen ist. 1462/67 wird der Laubhauer an St. Lorenz in Nürnberg wie ein Palier mit 22 Pfennig Tagelohn bezahlt im Gegensatz zum Steinmetzen, der 20 Pfennig bekommt.“ [8] Ein weiterer Beleg findet sich in den Niederlanden, wo Laubhauer 1456 als steenhouders ende looffwerkers[9] bezahlt wurden.
Der Parlier
Noch heute wird der Vorarbeiter auf dem Bau „Polier“ genannt. Es ist wahrscheinlich, dass dieser Name vom französischen Wort „parler“, zu deutsch „sprechen“ kommt. Der Parlier stand zwischen dem Meister und den Gesellen. Er hatte Anweisungen weiterzugeben und die Arbeit zu überwachen, musste morgens als erster da sein und abends als letzter gehen, er vertrat den Meister beim Ausschenken (Begrüßen) zugereister Wandergesellen und gegenüber dem Auftraggeber.
Alles in allem war dies damals wohl schon ein genauso beschwerlicher und undankbarer Job wie heute, dessen Reiz, neben einer höheren finanziellen Vergütung, wohl vor allem in der Möglichkeit lag, Erfahrung zu sammeln und sich einen Namen zu machen.
Steinbildhauer
Bislang war unklar, ob Steinbildhauer eine besondere Rolle als Beruf in den Hütten spielten, denn Bildhauer war wie heute nicht jedermann. Im Werk von Binding finden sich Hinweise: „1418 (...) findet sich im Ulmer Rechnungsbuch erstmals die Bezeichnung bildhower, dem 5 guld an ainen künftigen Bild gegeben werden; 1419 wird eben diesem maister hartmann geben um zway bild 20 gildin und dez bildhowers knecht geben 6 sch. ze Drinkgeld und 1420 dem bildhower geben 7 lib. um die zwelff botten un um unser frowen“[10].
Der Meister
„Offene Meisterstellen gab es in den Hütten nicht, sondern er musste sich um eine offene Meisterstelle an einem Bau bewerben. Die Ausbildungszeit konnte so leicht 10 Jahre erreichen“[11].
Die Anstellung als Meister in den Bauhütten war vom gutem Ruf und Können abhängig und hochrangige Auftraggeber (Fürsten, Patritzier, Bischöfe, Äbte, Priore) entschieden über eine Anstellung: „So mag ein jeglich Werkmann oder ein Meister, der sich des Steinwerks verstott und dam Werk genüg thun kann und dazu Dauwelich ist, nach einem solich Werk wol ston und werben, uff daß die Herrn, die solich Werk und Beue Inhends hant und verwaltend, wieder versorget werdent noch des Steinwerks Notdurft. Desgleichen mag ein Geselle auch tun, der sich umb solich Steinwerk verstott“. Der Meister hatte nach Anstellung an seinem Werk die oberste Autorität. Gesellen und Parliere hatten ihm in der Arbeit gehorsam zu sein, auch hatte er das letzte Wort, wenn es galt, an der jeweiligen „Hütte“ einen Richtspruch zu fällen.
Beim ersten eigenen Bau eines Meisters mussten zwei andere Meister für ihn bürgen. Diese Bürgen sollte man „fragen, von Ihren Eid, den sie der Ordnung gethan haben, Ob der Meyster das Werk verführen mag oder kann“. Hatte ein Steinmetz aber einen Bau übernommen und erwies sich als unfähig, so wurde er vor dem Handwerk zur Rechenschaft gezogen: „Aber soll kein meister kein werck auffnemen, er könde denn das verhegen, were es sache, das es ime misserite, die Herren der gebeude haben Ine zu weren, darumb und wir werkleutten, Das muß er verpussen mit ein und zwantzig pfunt wachs und den Herrn den Schaden legen“. Der Meister konnte wie jeder andere auch vor dem Handwerk angeklagt werden: (….) sondern, hielt sich ein Meister, anderst, dann recht in einigen stucken, der soll fürgenommen werden vor dem Handtwerck, und deshalben ausspruch bestohn. (….)
Innere Verhältnisse der gotischen Bauhütte
Die Steinmetzbruderschaft

- Hauptartikel: → Steinmetzbruderschaft
Die ideelle Grundlage des Bauhüttenwesens war eine besondere Form der Bruderschaft, die Steinmetzbruderschaft. Es handelt sich um eine überregionale Organisation, die von den regionalen Bauhütten, Zünften und Gilden zu unterscheiden ist.
In den heute noch existierenden Gesellenverbindungen, den sogenannten Schächten finden wir Hinweise darauf, dass die Bruderschaft der Bauhütten nach deren Auflösung nicht gänzlich verschwand.
Die zwei ältesten Vereinigungen, deren Existenz belegbar bis ins 17. Jahrhundert zurückzuverfolgen ist, nennen sich Gesellschaft der rechtschaffenen fremden Maurer und Steinhauer bzw. Gesellschaft der rechtschaffenen fremden und einheimischen Zimmerer und Schieferdeckergesellen. Die Vereinigung der Maurer und Steinmetzen pflegt ein Ritual, das sie „Bruderschaft“ nennen, das als solches in der Zimmerervereinigung nicht vorhanden ist. Da die Bauhütten im 17. Jahrhundert von den Zünften aufgegangen sind, ist anzunehmen, dass die Gesellen der Bauhütten dieses Ritual mitnahmen und in der zur Zunft oppositionell stehenden Gesellenverein einführten. Detail dieses Rituals sind geheim.
Die Haupthütten
Diese waren in Bern, später Wien, Köln und vor allem Straßburg. Sie werden in den Hüttenordnungen ausdrücklich als Haupthütten erwähnt. Wenn es Streitigkeiten gab, die auf den örtlichen Hütten nicht geklärt werden konnten oder wenn es galt, Entscheidungen zu treffen die das ganze Hüttenwesen betrafen oder es Zwiespalt zwischen verschiedenen Hütten gab, wurden sie als oberste Instanz angerufen. Ob die Festlegung auf diese vier Haupthütten schon länger bestand oder erst mit der Reformation der Hüttenordnung 1459 eingeführt wurde und es vorher vielleicht andere, eventuell wechselnde, Haupthütten gab, ist nicht bekannt.
Die Hüttengeheimnisse
Mehrere Artikel der Hüttenordnung verbieten ausdrücklich die Weitergabe von Hüttengebräuchen an Außenstehende. Auch bei den Zünften war dies so. Doch das wesentliche Hüttengeheimnis war das Wissen um die Baukunst. Das Wissen durfte nur an Mitglieder der Steinmetzbruderschaft weitergegeben werden. Das Weitergeben von Handwerkstechniken und -künsten war auch in den Zünften verboten. Das ist teilweise auch heute noch der Fall.
Entscheidungsfindung und Rechtsprechung
Die Struktur der Entscheidungsfindung und Rechtsprechung erinnert an das Thing der germanischen Rechtsprechung. Den Zusammenkünften auf der „Hütte“ stand der Meister vor. Und ihm allein oblag es, das Urteil zu sprechen. Doch über Schuld oder Unschuld berieten alle anwesenden zur Bruderschaft gehörenden Werkleute gemeinsam: „(….)So sind die meister einen oberrichter zu hissen, und die Pallirer und gesellen sollen Schepfen hissen zu dem Richter die sollen Richten nach clag und Anthwort auf die Eide, do sie auff vermant werden, ob sie sich in etzlichen sachen irgent erregten, so mögen die selbigen aber schidleute zu In ruffen, und sich besagen, das den Jedermeneglich recht geschihet“. Oder: „Es sol auch ein jeglicher Werkman, der hütten förderung hett, dem dieser ordenunge geschrifft und gewalt befohlen wurt, in jeglicher gegen alle Spenne und Sachen, die Steinwerks berieren sint, Gewalt und mach haben, fürzunemen und zu stroffen in siner Gebiet, und sollent Ime des alle Meister, Parliere und Diener Gehorsam sin“:
Die Ordnung, der sich die Werkleute zu unterwerfen hatten, wurde von allen gemeinsam erstellt: §1 were, das etliche articula in diesem buch zu schwere oder zu hert, oder etliche zu leicht weren; da mögen die, so in unserer Ordnung seind, mit dem mehretheil solche articula miltern, mindern oder mehren, ihn nach der zeit und des landtes notturft und nach des leuffen.(…)
War ein Steinmetz mit seinem Urteil nicht einverstanden, konnte er sich an eine der Haupthütten wenden. Um einen Steinmetzen aus der Bruderschaft auszuschließen, bedurfte es dreier Meister als Richter. Die Werkleute der Hütte waren angehalten, alle Streitigkeiten untereinander vor den Hüttengerichten zu verhandeln und nicht etwa vor dem Stadtgericht oder dergleichen.
Verfall und Niedergang der gotischen Bauhütten
Faktisch endet die Zeit der gotischen Bauhütten 1731 mit dem endgültigen Verbot durch Kaiser Karl VI. Schon 1707 wurde den Bauhütten die eigene Gerichtsbarkeit untersagt. Schon ab dem 16. Jahrhundert gibt es Dokumente, die eine Vereinnahmung der Bauhütten durch die Zünfte belegen. Es liegt nahe, dass diese Vereinnahmung auch von den Meistern der Bauhütten gefördert wurde, konnten sie dadurch ihre Macht und ihren Wohlstand doch erheblich ausbauen. Wahrscheinlich hatte der Verfall schon lange vor der Straßburger Ordnung begonnen. Es wird in dieser ja auch ausdrücklich auf Missstände hingewiesen.
Wer sich bedeutende Kathedralen aus der Anfangs- und Endzeit der Gotik ansieht, z. B. Chartre und Köln, wird erahnen, dass dort am Anfang etwas lebte, das zum Ende nur noch aufgeblähte Hülle war. Dies gilt für die Bauhütten genauso wie für den Baustil. Dass es die Bauhütten nötig hatten, ihren Zusammenhalt mit einem Regelwerk wie der Straßburger Ordnung zu beschwören, dass sie es nötig hatten ihren Zusammenhalt von oberster Stelle bestätigen zu lassen (Confirmationsurkunde von 1498 Maximilians I.), all das zeigt, dass die spirituelle Grundlage, welche die Bauhütten über Jahrhunderte getragen hatte, viele Werkleute nicht mehr erreichte.
Von Italien her kam die Renaissance und mit ihr die Aufklärung. Für tiefe mystische Gläubigkeit, man mag es auch Aberglaube nennen, ging die Zeit genauso zu Ende, wie für eine solidarische Brüderlichkeit in der jeder einzelne sein Können und Wissen einem großen gemeinsamen Ziel unterwarf und Name und Identität vieler großer Baumeister und Bildhauer hinter den Steinmetzzeichen der Bauhütten verborgen blieb.
Sagen und Legenden der gotischen Bauhütte
Die Gotik ist fast über Nacht entstanden, nach dem Bau der Kathedrale von Saint-Denis (bei Paris) bis 1140 entstand ab 1194 die Kathedrale von Chartres, die als eine der vollkommsten ihrer Art gilt. Woher hatten die Baumeister das Wissen dazu? Die vielfältigen Bezüge in der Proportion, das vollkommen neue statische Prinzip, woher kam das alles? Wie und warum haben sich die Bauhütten gegründet? Warum ist es den mächtigen Zünften erst sehr spät gelungen, sich dieses ertragreiche Arbeitsfeld zu sichern? Warum bekamen die Bauhütten das Recht auf eine eigene, unabhängige Gerichtsbarkeit? Es gibt neben den deutschen Gesellenvereinigungen „rechtschaffen Fremde“ noch eine sehr alte Gesellenvereinigung in Europa, die französischen „Compagnons“. Diese beziehen ihre Tradition teilweise auf König Salomon, wobei der Ursprung dieser Tradition im Dunkeln liegt. Auch die Freimaurerei bezieht sich mit ihren Tempelarbeiten ideell auf den Tempel Salomos, der für sie den „Tempel der Humanität“ versinnbildlicht.
Zur gleichen Zeit wie die Gotik, bzw. kurz davor, entstand der Templerorden, der in den Ruinen des Tempel Salomons ihr Quartier bezogen hatte. In kürzester Zeit konnten sie nicht nur ihr Gemeinwesen, sondern auch eine vollkommen neue Art des Bauens entwickeln. Natürlich legten sie beidem, die Traditionen ihrer Heimatkultur zu Grunde, nämlich einerseits die christlich-römische Tradition, der katholischen Kirche, andererseits aber auch die keltisch-germanische Tradition der französischen Fürstengeschlechter. Zusammen mit dem Templerorden blühte in Mitteleuropa die Gotik auf und verbreitete sich rasant. Das Tempo, in dem diese Verbreitung vonstatten ging, lässt darauf schließen, dass dies nicht unwillkürlich, sondern gewollt und gut organisiert geschah. Um dies zu bewerkstelligen, schufen die Templer mit Hilfe der Laiensteinmetzen der Romanik das Bauhüttenwesen der Gotik. Nach der Zerschlagung des Templerordens unterstellte der französische König die Bauhütten seiner Kontrolle. In Deutschland aber behielten die Bauhütten ihre Selbständigkeit und wurden von Kaiser, Königen und Fürsten noch lange geschützt.
Quellen
- Die allgemeine Bruderschaftsordnung der Steinmetzen „in deutschen Landen“ von 1459 (Regensburg)
- Die Torgauer oder Rochlitzer Steinmetzordnung von 1462
- Die Erneuerung des Bruderbuches vom Jahre 1563
Literatur
- Karl Friedrich, Die Steinbearbeitung in ihrer Entwicklung vom 11. bis zum 18. Jahrhundert, Augsburg 1932 (Reprint Ulm 1988)
- Gottfried Kiesow, Naturstein und Umweltschutz in der Denkmalpflege, hrsg. vom Berufsbildungswerk des Steinmetz- und Bildhauerhandwerks, Ulm 1997
- Carl von Heideloff (Hrsg.): Die Bauhütte des Mittelalters in Deutschland, Nürnberg 1844
- Werner Jüttner: Ein Beitrag zur Geschichte der Bauhütte und des Bauwesens im Mittelalter, Köln 1935.
- Rudolf Wissell: Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit., Berlin 1929, 2 Bände (Geschichte des deutschen Handwerks).
- Ferdinand Janner, Die Bauhütten des deutschen Mittelalters, Leipzig 1876
Wikilinks
Einzelnachweise
- ↑ http://www.muellerscience.com/SPEZIALITAETEN/Technik/VorgeschichtederBauhuetten.htm
- ↑ vgl. Karl Friedrich, aaO., Seite 38
- ↑ vgl. Gottfried Kiesow, aaO., Seite 42
- ↑ Günther Bindung, aaO., Seite 102
- ↑ Günther Bindung, aaO., Seite 103
- ↑ Günther Bindung, aaO., Seite 104
- ↑ Günther Bindung, aaO., Seite 292
- ↑ Günther Bindung, aaO., Seite 291
- ↑ vgl. Günther Bindung, aaO., Seite 291
- ↑ vgl. Günther Bindung, aaO., Seite 291
- ↑ Günther Bindung, aaO., Seite 292