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Maria Gräfin von Maltzan

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Maria Helene Françoise Izabel Gräfin von Maltzan, Freiin zu Wartenberg und Penzlin (* 25. März 1909 bei Militsch/Schlesien; † 12. November 1997 in Berlin) war eine deutsche Biologin, Tierärztin und Widerstandskämpferin gegen das Nazi-Regime.

Leben

Herkunft und Kindheit

Maria Gräfin von Maltzan, jüngstes von sieben Kindern, wurde als Komtess auf Schloss Militsch, nördlich von Breslau, geboren. Ihr Vater war aus altem norddeutsch-schwedischem Adel, die Familie war von Pommern nach Schlesien gekommen. Die Mutter war eine geborene von der Schulenburg und stammte aus Schloss Öfte in der der Nähe von Kettwig.

Maltzan wuchs naturverbunden auf der zwölf Güter umfassenden Herrschaft ihres Vaters auf, zu dem sie ein enges Verhältnis hatte; mit der Mutter sowie dem einzigen Bruder und Familienerben hat sie sich zeitlebens nicht verstanden. Schon früh zeichnete sie sich durch ein rebellisches, unkonventionelles Wesen aus. Vor allem Ungerechtigkeit und Gewalt gegenüber Schwächeren und Tieren waren ihr von klein auf zuwider, worin sie der als sehr sozial geltende Vater bestärkte.

Ausbildung

Die junge Komtess ging zunächst in Warmbrunn, anschließend in Berlin zur Schule. Gegen den Widerstand ihrer Mutter – der Vater war 1921 verstorben – machte sie Abitur und studierte zunächst in Breslau, ab 1928 in München Zoologie, Botanik und Anthropologie. 1933 promovierte sie in Fischereibiologie mit einer Arbeit über den Karpfen zum Dr. rer. nat., fand aber, da sie nicht Mitglied der NSDAP war, keine Anstellung in einem wissenschaftlichen Institut.

Reisen, Münchner Bohème und erste Kontakte zum Widerstand

Durch den Jesuiten Friedrich Muckermann kam sie in Kontakt zum katholischen Widerstand und schmuggelte illegales Informationsmaterial über Adolf Hitler via Starnberg nach Innsbruck. 1934 reiste sie mit einem Freund per Auto über Frankreich und Spanien nach Afrika: ein Jahr lang durch Marokko, Algerien, die Sahara, Libyen, Ägypten und zurück.

Zurück in München, bewegte sie sich Pfeife und Zigarre rauchend in Bohème-Kreisen, hatte zahlreiche Affairen und jobbte als Übersetzerin, freie Journalistin und Lektorin. Sie verdingte sich als Pferdepflegerin und heuerte als Double für Reitszenen bei der Bavaria Film an. 1935 heiratete sie den Schauspieler und Kabarettisten Walter Hillbring und zog mit ihm nach Berlin, wo sie in der Verlagsbranche tätig war. Die Ehe scheiterte bereits nach einem Jahr; Hillbring kehrt nach München zurück, Maltzan bleibt in der Hauptstadt.

Widerstand und Kriegszeit

In Berlin unterhält Maltzan Kontakt zu Widerstandsgruppen. Nach der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 nimmt sie jüdische Bekannte, die emigrieren wollen, vorübergehend bei sich auf. Nach dem Kriegsausbruch 1939 wird Maltzan zunächst zur Postprüfstelle, später zum Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes eingezogen. 1939 beginnt sie ein Studium der Veterinärmedizin.

Ab 1942 versteckt sie ihren Freund, den jüdischen Literaten Hans Hirschel, von dem sie schwanger ist, und zwei weitere Juden unter Lebensgefahr in ihrer Wohnung in Berlin-Wilmersdorf. Zeitweise müssen die Männer tagelang, nur von wenigen Pausen unterbrochen, in den Bettkästen der Schlafsofas ausharren, um nicht der Gestapo in die Hände zu fallen. Während dieser Zeit stirbt ihr neugeborenes Kind. Sie besteht ihr Examen als Tierärztin und arbeitet als Praxisvertretung und beim Tierschutzverein.

In Zusammenarbeitet mit der Schwedischen Kirche in Berlin verhilft Maltzan von Nazis Verfolgten zur Flucht, besorgt falsche Pässe, führt die Flüchtenden durch die Kanalisation von Berlin in die Freiheit. Sie ist an der „Aktion Schwedenmöbel“ beteiligt: In den zum Transport nach Schweden verladenen Möbelkisten, die schwedische Staatsbürger nach Hause schicken durften, wurden Juden und politisch Verfolgte heimlich versteckt – Manchem gelang so unbemerkt die Flucht. Maltzan machte dabei keine Unterschiede und hielt Kontakt zu Kommunisten ebenso wie zum Kreisauer Kreis; ihr Bruder hingegen war Nationalsozialist geworden.

Auf dem Höhepunkt ihrer Widerstandstätigkeit bringt sie Fluchtwillige schwimmend vom Untersee in die Schweiz. Dabei wird einmal der ausgehöhlte Kürbis, den sie statt ihres Kopfes über Wasser hält, von Gewehrsalven zerschossen.

Noch während der letzten Kriegsmonate hilft Maltzan Flüchtlingen und Deserteuren und organisiert eine private Suppenküche für Zwangsarbeiter auf dem Hinterhof ihres Wilmersdorfer Wohnhauses.

Nachkriegszeit und später Ruhm

Nach Kriegsende arbeitete sie als Tierärztin mit eigener Praxis zunächst für die sowjetischen, später für die britischen Besatzungsoffiziere. Nach Militsch konnte sie nicht zurück: Ihr Bruder war gefallen, der Besitz weitgehend verloren und die Familie in alle Winde zerstreut. 1945 kam Militsch zu Polen.

1947 heiratete Maltzan Hans Hirschel ein zweites Mal. Ihren Beruf hatte die Tierärztin zwischenzeitlich aufgeben müssen: Wegen Tablettenabhängigkeit und Drogensucht wurde sie mehrfach in die Psychiatrie zwangseingewiesen und verlor ihre Approbation. In Phasen, in denen ihre Abhängigkeit nachließ, zog sie als Tierärztin mit einem Zirkus durch die Lande und arbeitete im Zoo Berlin; mit über 50 Jahren arbeitete sie in ganz Deutschland und in der Schweiz als Urlaubsvertretung für Tierärzte.

Nach dem Tod ihres Mannes 1975 startete sie ihre letzte Karriere. In der Nähe des Berliner Kurfürstendamms eröffnete sie eine eigene gutgehende Tierarztpraxis, die von Prominenten (auch aus dem Rotlichtmillieu) frequentiert wurde, um sich dann ab 1981 in Berlin-Kreuzberg noch einmal mit einer eigenen Tierarztpraxis niederzulassen. Die Tiere der Punks in der Nachbarschaft betreute sie kostenlos. Äußerlich von eher ruppigem und aufbrausendem Wesen, setzte sie sich für die gesellschaftlich Ausgegrenzten und Ausländer in ihrem Viertel ein und geriet nicht selten in Konflikt mit der Obrigkeit.

1986 veröffentlichte Maria Gräfin von Maltzan ihre Memoiren unter dem Titel Schlage die Trommel und fürchte dich nicht, sie trat in Talkshows auf, u. a. bei Alfred Biolek, und wurde einem größeren Publikum bekannt. Am 1. Oktober 1989 erhielt sie den Verdienstorden des Landes Berlin. Sie starb am 12. November 1997 in Berlin und liegt auf dem Waldfriedhof in Berlin-Westend begraben.

Nachwirkung

Seit 1999 erinnert eine Gedenktafel auf dem Gehweg vor dem Wohnhaus Detmolder Straße 11 in Berlin-Wilmersdorf an die Tierärztin und Widerstandskämpferin Maria Gräfin von Maltzan. Margarethe von Trotta gestaltet in ihrem Spielfilm Rosenstraße die Figur der Lena Fischer charakterlich nach der streitbaren Gräfin. In Großbritannien und den USA gilt sie als Beispiel für die „anständigen Deutschen“, die den Nazi-Terror nicht mitmachten: Sie wurde in eine Video-Dokumentation mit aufgenommen, ihre Memoiren wurden von englischen Kritikern hoch gelobt. Die US-amerikanische jüdische Schauspielerin Deborah Lubar, die Gräfin Maltzan verblüffend ähnlich sieht, hat den Zweiakter „You do what you do“ (Autorin: Marianne Lust) mit Szenen aus dem Leben Maltzans in ihrem Solo-Programm. Maria Gräfin Maltzan ist Gerechte unter den Völkern. Ihre Autobiografie ist inzwischen in dreizehnter Auflage sowie in mehreren Sonderauflagen erschienen.

Werke

  • Schlage die Trommel und fürchte dich nicht, 1986 (zuletzt bei Ullstein, München 2003, ISBN 3-548-36439-X)
  • Das neue Katzenbuch. Falken, Berlin 1952.

Filmografie

  • Versteckt (englisch Forbidden), Regie: Anthony Page, GB-USA-D 1984 (die Figur und Geschichte der Nina von Halder entspricht der Maria von Maltzans) basierend auf dem Buch von Leonard Gross. In den Hauptrollen: Jacqueline Bisset und Jürgen Prochnow.
  • They Risked their Lives. Rescuers of the Holocaust, Dokumentarfilm, Regie: Gay Block, USA 1991 (darin Maria von Maltzan als sie selber)
  • Rosenstraße, Regie: Margarethe von Trotta, Deutschland 2003 (die Figur der Lena Fischer ist Maria von Maltzan charakterlich nachempfunden)

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