Biologische Waffe

Biologische Waffen sind Massenvernichtungswaffen, bei denen Krankheitserreger oder natürliche Giftstoffe (Toxine) gezielt als Waffe eingesetzt werden.
Sie gehören zu den ABC-Waffen.
Geschichte
Antike und Mittelalter
Schon vor 2.000 Jahren verseuchten Perser, Griechen und Römer die Brunnen ihrer Feinde mit verwesenden Leichen. Im Jahr 1346 wurde dann die Bevölkerung der Stadt Kefe (heute: Feodossija) von den Tataren nach dreijähriger Belagerung mit deren Pesttoten beschossen, indem sie diese über die Mauern katapultierten. Heute wird vermutet, dass der schwarze Tod wegen den infizierten Flüchtlingen aus der Stadt seinen Anfang nahm [1]. Das Gleiche soll sich 1710 durch russische Soldaten bei der Belagerung der damals schwedischen Stadt Reval (heute: Tallinn) abgespielt haben.
18. Jahrhundert
Bei der Bekämpfung der nordamerikanischen Ureinwohner setzen sowohl die Briten als auch die Franzosen biologische Waffen ein. Im Mai 1763 erreichten Indianer des Pontiac-Aufstand Fort Pitt, das von Flüchtlingen aus der Umgebung überströmt war. Durch die schlechten hygienischen Bedingungen brachen die Pocken im Lager aus, die Erkrankten wurden auf Anweisung des Lagerkommandanten Colonel Henri Louis Bouquet unter Quarantäne gestellt. Am 23. Juni trafen zwei Abgesandte der aufständischen Indianer beim Fort ein und boten den Briten freies Geleit, sollten sie das Lager aufgeben. Die Briten lehnten ab, gaben den Indianern jedoch zwei pockenverseuchte Decken aus dem Pockenkrankenhaus mit, die diese unwissend annahmen. Nach der Übergabe der Decken brachen unter den Indianern tatsächlich die Pocken aus, es ist jedoch nicht geklärt, ob diese Epidemie auf den Anschlag zurückzuführen ist. Bis 1965 tauchten immer wieder Meldungen über Pockenepidemien unter den Indianern auf. Ob der Befehlshaber der britischen Streitkräfte, Jeffrey Amherst in dieses Unterfangen eingeweiht war, ist unklar, in einem Brief an Bouquet vom 7. Juli fragt er diesen: „Könnte man nicht versuchen, die Pocken zu diesen untreuen Indianern zu schicken?“. Da die besagten Decken den Indianern jedoch schon am 23. Juni übergeben wurden ist es unwahrscheinlich, dass dieser Befehl von ihm ausging. Im weiteren Briefverlauf schreibt Amherst noch: „Wir müssen jede Methode anwenden, um diese abscheuliche Rasse auszulöschen“.
Noch mehrfach tauchten in Amerika Berichte über Pockenanschläge auf, etwa während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges, in welchem die Amerikaner die Briten beschuldigten, deren Soldaten gegen die Pocken zu inokulieren, um danach die amerikanischen Truppen anzustecken, während die eigenen Truppen immun währen. Die Inokulation wurde damals mangels Schutzimpfung durchgeführt, man brachte Erreger in offene Wunden, wodurch die Krankheit zwar ausbrach, jedoch viel milder verlief. 1781 fanden amerikanische Soldaten Leichen schwarzer Pockenopfer, die Amerikaner vermuteten dahinter die Absicht der Briten, eine Epidemie auszulösen. Tatsächlich geht aus einem Brief von Alexander Leslie hervor, dass die Briten die Absicht hatten, die Schwarzen auf amerikanischen Farmen einzuschleusen.
Erster Weltkrieg
Bis ins 19. Jahrhundert wurden Bioanschläge nur durch Verbreitung bereits im Umfeld grassierende Krankheiten möglich, die künstliche Erzeugung der Erreger war bisher noch nicht möglich. Das änderte sich jedoch, als die Forschung begann Bakterien zu züchten. Zu Beginn des ersten Weltkrieges verfügte Deutschland schon über eine große Palette und Masse an unterschiedlichen B-Waffen. Die deutsche Heeresführung überlegte kurzzeitig, ob sie Pesterreger gegen die Engländer einsetzen sollte, doch der Vorschlag wurde abgelehnt, um „unnötiges Leiden zu verhindern“, wobei Deutschland bei chemischen Waffen an der Spitze der kriegsteilnehmenden Mächte stand.
Im ersten Weltkrieg wurden ausschließlich Sabotageakte ausgeführt, die sich ausschließlich gegen Tiere richteten, welche damals noch häufig eingesetzt wurden. Es kam nie zu einem offenen Bioanschlag auf dem Schlachtfeld. In Deutschland wurden diese Angriffe ab 1915 von einem eigenem Ministerium geplant, der „Sektion Politik“, welches von Rudolf Nadolny geleitet wurde. Die verschlüsselten Aufträge an die Agenten lauteten meist Pferde, Schafe oder Rinder wie auch Tierfutter mit Erregern zu vergiften, welche in deutschen Laboratorien hergestellt und ins Zielland eingeschmuggelt wurden. Anschläge wurden in Rumänien, Spanien, Argentinien, den USA, Norwegen und dem Irak verübt, vermutlich jedoch in noch mehr Ländern. In Argentinien gingen zwischen 1917 und 1918 etwa 200 Maulesel an Anthrax-Attentaten zugrunde. Es ist jedoch nicht bewiesen, ob die gesamte deutsche Heeresführung von diesen Anschlägen eingeweiht war.
1916 beschlagnahmte die Polizei von Bukarest in der deutschen Botschaft mehrere Erregerkulturen der Rotzkrankheit.
Im Januar 1917 wurde ein deutscher Saboteur, Baron Otto Karl von Rosen, mitsamt Begleitern von der norwegischen Polizei verhaftet, da sie sich nicht ausweisen konnten. In ihrem Gepäck fand die Polizei mehrere Kilogramm Dynamit, einige Fläschchen mit Nervengas und mehrere Zuckerwürfel, in denen Anthrax-Erreger eingebettet waren. Obwohl der Baron aussagte, er und seine Gruppe wären von der finnischen Unabhängigkeitsbewegung und hätten Aktionen gegen das russische Transport- und Kommunikationswesen geplant, gestanden seine Mithelfer, in deutschem Auftrag Sabotageaktionen in Norwegen geplant zu haben. Der deutsche Befehl bezüglich der Anthrax-Sporen lautete Rentiere zu infizieren, die britische Waffen transportierten. Nach drei Wochen wurde der Baron, welcher eine deutsche, finnische und schwedische Staatsbürgerschaft hatte, aufgrund diplomatischen Drucks Schwedens ausgewiesen.Weitere bekannte deutsche Geheimagenten waren z.B Anton Dilger und Frederick Hinsch.
Ende 1917 stoppten die Deutschen ihr Biowaffenprogramm weitgehend.
Die Entente-Mächte waren ab 1917 von den deutschen B-Anschlägen informiert und da Deutschland führend in der chemischen und biologischen Forschung bezüglich Waffen war, starteten viele andere Großmächte aus Angst vor dem deutschen Biowaffenprogramm ihre eigenen B-Waffenprogramme. So etwa Frankreich 1922, Russland 1926, Japan 1932, Italien 1934, Großbritannien und Ungarn 1936, Kanada 1938 und die USA 1941. Durch Hitlers Machtübernahme 1933 wurde die biologische Waffenaufrüstung beschleunigt.
Zweiter Weltkrieg
Nach der Entdeckung von Bakterien und Viren als Ursache von Krankheiten, konnte im 20. Jahrhundert gezielter geforscht werden. Während des Zweiten Weltkriegs wurden in Großbritannien, auf direkte Weisung Winston Churchills, gezielt Versuche mit Krankheitserregern unternommen, um sie als Waffe weiterzuentwickeln. Nach Geheimdienstinformationen dachten die Alliierten, Deutschland würde über Anthraxerreger und Botulinumtoxin verfügen, weswegen England 1.000.000 Schutzimpfungen gegen Botuliumtoxin herstellte, doch diese Informationen stellten sich später als falsch heraus. Doch Deutschland hatte ebenso wenig Information über das Biowaffenprogramm der Alliierten, hauptsächlich bekamen sie Falschmeldungen. So dachten die deutschen Geheimdienste, England plane den Abwurf von Kartoffelkäfern über Deutschland.
England
Im Laufe von englischen Biowaffenversuchen wurde Gruinard Island, eine unbewohnte Insel im Nordwesten Schottlands, mit Milzbrandsporen verseucht. Die Erreger waren als Reaktion auf die Gerüchte, dass sich biologische Waffen in japanischer/deutscher Entwicklung befänden, für Kampfzwecke getestet und über der ausschließlich von Tieren bewohnten Insel verstreut worden. Die gesamte Fauna wurde innerhalb eines Tages vollständig vernichtet. Dieses Experiment wurde in Zusammenarbeit mit den USA und Kanada durchgeführt. Großbritannien produzierte im Zweiten Weltkrieg Milzbrand in größeren Mengen als biologische Waffe. Man beabsichtigte die Milzbrandsporen in Tierfutter einzuarbeiten und dieses über landwirtschaftlichen Gebieten in Deutschland abzuwerfen. Die USA entschlossen sich, für England Biowaffen zu produzieren, da England aufgrund der Nähe zu Deutschland als Produktionsstandort zu verwundbar gewesen wäre. 1944 gab die US-Armee eine Million 2-Kilogramm Anthrax-Bomben in Auftrag, die auf Berlin, Hamburg, Stuttgart, Frankfurt, Aachen und Wilhelmshaven abgeworfen hätten werden sollen, durch eine Produktionsverzögerung war der Krieg jedoch bereits gewonnen, ehe es soweit kommen konnte. Experten schätzten, dass bei diesen Bombenanschlägen etwa die Hälfte der jeweiligen Einwohner aufgrund der Anthraxerreger sterben würde.
Deutschland
Deutschland selber war im Zweiten Weltkrieg nur am Rande mit biologischen Waffen beschäftigt. Zu Beginn des zweiten Weltkrieges war weder die Reichswehr noch die Wehrmacht an biologischer Kriegsführung interessiert, da sie diese für ineffizient und unberechenbar hielten. 1940 entdeckten die Deutschen bei ihrem Einmarsch in Paris jedoch ein Forschungslabor für biologische Kriegsführung, in dem schon seit 1922 an biologischen Waffen geforscht wurde und in welchem eine deutsche Forschungseinheit unter der Leitung des Bakteriologen Heinrich Kliewe eingesetzt wurde. Sie wurde „Abteilung Kliewe“ genannt und beschäftigte sich unter anderem mit Anthrax- und Pesterregern. Das Experiment wurde jedoch eingestellt, als Hitler 1942 jegliche deutsche biologische Offensivforschung verbot. Es ist ironisch, dass der menschenverachtende Diktator überhaupt einer der einzigen damaligen Staatsführer der kriegsteilnehmenden Großmächte war, der das Genfer Protokoll bezüglich der biologischen Kriegsführungen nicht verletzte. Das geht jedoch weniger auf Hitlers Skrupel vor Menschenleben zurück als vielmehr auf seine Bakterienphobie und seine Angst vor einem Gegenanschlag [2]. Gleichzeitig mit dem Verbot der offensiven Biowaffenforschung befahl Hitler die defensive Biowaffenforschung zu verstärken. So wurde 1943 die „Arbeitsgemeinschaft Blitzableiter“ gegründet, um unter der Leitung von Kurt Blome Abwehrmaßnahmen gegen Biowaffen zu entwickeln. Diese oft noch unreifen Impfstoffe wurden häufig an KZ-Häftlingen getestet. Hinter Hitlers Rücken wurde jedoch sehr wohl auch für die offensive B-Kriegsführung geforscht, da man für Abwehrmaßnahmen erst einmal Erreger erzeugen und diese auch testen muss. Heinrich Himmler war ein großer Befürworter der B-Waffen, so unterstützte er z.B. einen Vorschlag Kliewes, Lebensmittel, die ungekocht gegessen werden, mit Bakterien zu verseuchen. Erst im Februar 1945 ließ Hitler prüfen, welche Folgen ein Austritt Deutschlands aus den Genfer Konventionen hätte. Da Deutschland in diesem Falle jedoch womöglich einem Bioangriff der Alliierten zum Opfer gefallen wäre ,entschloss sich Hitler nicht auszutreten.[3].
Japan
Japan ging mit der biologischen Kriegführung am Weitesten. Dort wurde die Einheit 731 gegründet, die sich mit Erforschung und Einsätzen biologischer Waffen beschäftigte. Es wurden nicht nur Versuche mit über 100.000 chinesischen Kriegsgefangenen und Zivilisten durchgeführt, sondern 1942 auch pestinfizierte Flöhe über China abgeworfen. Da dadurch aber auch eine Epidemie in den eigenen Reihen ausgelöst wurde, stellte Japan den weiteren Einsatz ein. Andere Krankheiten, an denen zum Zwecke des Waffeneinsatzes geforscht wurde, sind Pocken, Cholera, Hasenpest, Q-Fieber, Botulismus und Typhus.
Amerika
Amerika startete sein Biowaffenprogramm als letzte der damligen Großmächte, erst 1941 beauftragte Henry L. Stimson, der damalige Kriegsminister, die National Academy of Sciences damit an Biowaffen zu forschen. Doch dieses Unternehmen war zu klein für ernsthafe biologische Waffenforschung, und nach dem Angriff auf Pearl Harbor wurde das Kriegsministerium damit beauftragt B-Waffen zu entwickeln. 1943 stellte Amerika erstmals Botulinumtoxin, Anthrax und Brucellen her, mehrere weitere Erreger wurden auf ihre Tauglihkeit als B-Waffe überprüft. Während zu Beginn des Programms nur ca. 3,5 Millionen US-Dollar zur Verfügung standen waren es gegen Kriegsende schon 60 Millionen.
Russland
Russland begann schon 1926 mit der offensiven Biowaffenforschung. Eines der ersten Forschungszentren für Biowaffen errichtete Russland auf der Insel Solowezki im Weißen Meer. Angeblich sollen hier auch Menschenversuche an Häftlingen durchgeführt worden sein, diese Information ist jedoch umstritten. Es gibt Hinweise, dass Russland im zweiten Weltkrieg kurz vor der Schlacht um Stalingrad deutsche Truppen mit Tularämie infiziert hat. Innerhalb einer Woche erkrankten in dem betroffenen Gebiet tausende Menschen an Tularämie. Von sowjetischer Seite kam die Meldung, dass dies auf die natürlichen Umstände zurück zuführen wäre, doch während 1941 in der Sowjetunion 10.000 Tularämieerkrankungen auftraten waren es 1942 100.000. Ebenso ein Hinweis auf ein Attentat wäre, dass die Epidemie erst nur unter den Deutschen ausbrach und erst später, vermutlich durch einen Wechsel der Windrichtung oder kleine Tiere die durch die Fronten kamen, unter den Russen. Zudem erkrankten fast 70% der Opfer an Lungentularämie, was nur durch Verbreitung von Aerosolen verursacht wird. Des weiteren Forschte Russland 1941 an dem Tularämie-Erreger. Bis auf diesen Vorfall, der wahrscheinlich nur als Experiment dienen sollte, ist kein Einsatz von biologischen Waffen im zweiten Weltkrieg bekannt.
Kalter Krieg
Amerika
Erst 1946 gab das amerikanische Kriegsministerium die Meldung aus, dass es an Biowaffen forsche. Den Militärs waren die Aufzeichnungen des Leiters der Einheit 731 ,Shirō Ishii, in die Hände gefallen, und sie benutzten diese zum Teil als Forschungsgrundlage. Fort Detrick, das US-Biowaffenforschungszentrum, wurde 1950 ausgebaut und eine weitere Forschungsanlage wurde in Pine Bluff errichtet. Die Biowaffenforschung wurde auch dadurch inteniviert, dass 1950 der Koreakrieg ausbrach. Geforscht wurde unter anderem an infizierten Mücken, welche über Feindgebiet freigelassen werden hätten können. Im September 1950 versprühten 2 US U-Boote an der Küste von San Fracisco einen inaktiven Erreger, um heraus zufinden wie viele Bewohner sich damit infizieren würden. Obwohl die Erreger eindeutig harmlos waren, zeigten nach dem Test 11 Menschen anzeichen der Krankheit, ein Mann starb daran. Während dieser Zeit machten die Amerikaner oft Experimente, indem sie Pseudoerreger verteilten und maßen wie weit sie sich verteilten. Außerdem wurden Waffen und Geschoße für den Einsatz von Erregern entwickelt. Auch fanden sie heraus wie man trockene Agenzien versprühen kann, welche einfacher als feuchte Agenzien in einer art Staubwolke verteilt werden können.
1965, während des Vietnamkrieges im Jahre 1965 diskutierten die Amerikaner über den Einsatz von Pockenviren, da die eigenen Truppen geschützt waren, doch aus Angst vor einem Gegenschag lehnte man diesen Vorschlag ab. Auch während der Kubakriese, 1962, planten die Amerikaner eine Mischung von verschiedenen Erregern aus Flugzeugen über kubanischen Städten abzuwerfen, der Plan wurde jedoch nie umgesetzt. 1965 wurde das Budget für B-Waffenforschung konstant verringert, bis 1969 der damalige Präsident Richard Nixon das B-Waffenprogramm auflöste. Aufgrund dieser Erklärung wurden sämtliche B-Waffen vom Militär vernichtet, die Forschungszntren wurden entweder umfunktioniert oder geschlossen. Die Vernichtung der Bestände dauerte 3 Jahre lang, bis 1972, kurz darauf trat die Biowaffenkonvention in Kraft.
Eine Meldung aus dem Jahr 1950, von der DDR lanciert, wonach die damals in der DDR grassierende Kartoffelkäferplage durch den massenhaften Abwurf von speziell gezüchteten „Colorado-Käfern“ durch die Amerikaner ausgelöst worden sein sollte, erwies sich als Propaganda. Ähnliche Meldungen über Ernteschäden bzw. Ernteschädlinge stammen aus Cuba. Dieser Vorfall konnte jedoch nie ganz geklärt werden.
Russland
Die sowjetische B-Waffenforschung profitierte nach dem zweiten weltkrieg zum einen von gefangenen deutschen Forschern und Ingenieuren als auch von erbeuteten Aufzeichnungen der Forschung und Experimente der Einheit 731. Ein neues Forschungszentrum wurde in der Nähe von Moskau errichtet, in welchem unter aderem an Tularämie ,Anthrax und Botulinum geforscht wurde.1972 startete Russland ein Projekt mit dem Namen Enzym, welches in mehreren Forschungszentren durchgeführt wurde und über ca. 50.000 Mitarbeiter verfügte, und das obwohl Russland die Biokonventionen unterzeichnet hatte. Nachdem die Pocken 1980 als ausgerottet erklärt wurden, forschte Russland intensiv mit den Erregern dieser Krankheit, da nach Ende der Massenimpfungen nach einigen Jahren die Menschen wieder empfänglich für die Krankheit wären.
Am 2. April 1979 kam es zu einem Unfall in einem Forschungslabor in Swerdlowsk, bei dem Aufgrund einer defekten Belüftungsanlage Anthrax-Keime in die Umgebung abgelassen wurden. Am 12. April wird das Gebiet um Swerdlowsk unter Quarantäne gestellt, insgesammt starben 64 Mnschen. Der KGB vertuschte diesen Unfall in einer großangelegten Aktion, er behauptet das Anthrax wäre durch ein kontaminiertes Fleisch ausgebrochen. Erst 1992 gestand die russische Regierung unter Boris Jelzin den unfall und seine Vertuschung.
Biowaffenkonvention
Heute sind Herstellung und Besitz von biologischen Waffen durch die Biowaffenkonvention (beschlossen 1972, von 155 Staaten ratifiziert und in Kraft getreten 1975) weltweit verboten. Die Forschung an Gegenmaßnahmen ist jedoch erlaubt und bietet ein Schlupfloch, da hierfür ebenfalls Krankheitserreger gezüchtet werden müssen.
Trotz dieses Übereinkommens arbeitete die Sowjetunion bis zum Zusammenbruch weiterhin an ihrem Programm und forschte neben einigen oben genannten Erregern auch an hämorrhagischen Viren wie Ebola und Marburg und einigen südamerikanischen Vertretern wie Machupo (Bolivianisches hämorrhagisches Fieber) und Junin (Argentinisches hämorrh. Fieber). Darüberhinaus sollen sie noch an einer Ebola-Pocken-Chimäre gearbeitet haben. Zentrum der sowjetischen Forschung war die heute verlassene Stadt Kantubek auf der ehemaligen Insel der Wiedergeburt im Aralsee.
Nach dem Kalten Krieg
Siehe:Anthrax-Anschläge 2001
2001 gab es mehrere Krankheits- und Todesfälle durch die Freisetzung von Milzbranderregern und Rizin aus Briefen oder Päckchen in Florida, New York, New Jersey und Washington. Opfer und Ziele waren vor allem Postangestellte, Journalisten und Politiker. Der Attentäter war vermutlich eine Person aus dem Laborpersonal von Fort Detrick. Weitergehende öffentliche Untersuchungsergebnisse hierzu wurden bisher nicht bekannt.
Situation heute
Die USA forschen zur Zeit auf dem Gebiet der „nicht-tödlichen“ Waffen, unter anderem an Material-zerstörenden Mikroben, was nicht explizit gegen das BTWC (Biological and Toxin Weapons Convention, Biowaffenkonvention) verstößt, da es das Problem der „nicht-tödlichen“ biochemischen Waffen bislang nicht behandelt [4].
Biologische Waffen gelten heute hauptsächlich als potentielle Massenvernichtungswaffen von Terroristen, da sie überall (aus der Natur) erhältlich sind und theoretisch einfach herzustellen sind, wenn man davon absieht, dass die Erreger zuerst noch für den Waffeneinsatz optimiert werden müssen. Für den militärischen Einsatz gelten Biowaffen heute als zu unberechenbar. Mit Hilfe der Gentechnik wurden schon Bakterien Antibiotika-resistent gemacht und parallel dazu gleich ein neues Antibiotikum oder eine neue Impfung entwickelt, um es theoretisch zu ermöglichen, diese Erreger im Krieg einzusetzen und die eigenen Truppen trotzdem zu schützen.
Es könnte aber möglich sein, Krankheitserreger zu entwickeln, die nur für Menschen mit bestimmten Genen gefährlich wären, insbesondere Gene, die nur oder hauptsächlich in einer bestimmten Region vorkommen [5]. Dadurch könnten eigene Truppen vor der Krankheit geschützt sein, was biologische Waffen sowohl für die Militärs als auch für Terroristen wieder interessant machen könnte. Diese spezielle Art von biologischen Waffen nennt man ethnische Waffen, umgangssprachlich wird auch von biogenen Waffen gesprochen (von biologisch-genetisch). Allerdings sprechen einige Argumente gegen die Möglichkeit ethnische Waffen zu realisieren. Genetische Unterschiede innerhalb von Populationen sind größer als die Unterschiede zwischen verschiedenen Populationen. Ferner sind die Wirkungen von targeted-delivery-Systemen, die für den gezielten Einsatz von pathogenen Merkmalen benötigt werden, bislang nicht zufriedenstellend erforscht.
Daneben existieren viele Pflanzenpathogene (Rostkrankheiten usw.), die sich gezielt gegen Nutzpflanzen und -tiere einsetzen lassen.
Literatur
- Gregory Koblentz: Pathogens as Weapons. The International Security Implications of Biological Warfare. In: International Security. Band 28, Nr. 3, 2003/2004, S. 84–122.
- Kendall Hoyt, Stephen G. Brooks: A Double-Edged Sword: Globalization and Biosecurity. In: International Security. Band 28, Nr. 3, 2003/2004, S. 123–148.
- Kathryn Nixdorff, Dagmar Schilling, Mark Hotz: Wie Fortschritte in der Biotechnologie missbraucht werden können: Biowaffen. In: Biologie in unserer Zeit. Band 32, Nr. 1, 2002, S. 58–63.
- Wendy Barnaby: Biowaffen – Die unsichtbare Gefahr. Goldmann, 2002 (Originaltitel: The Plague Makers. Vision Paperbacks, London).
- Ken Alibek, Stephen Handelman: Direktorium 15. Rußlands Geheimpläne für den biologischen Krieg. Econ, München 1999.
- Vlad Georgescu: REPORT: Iraks heimliche Lieferanten. In: LifeGen.de. Abgerufen am 11. Oktober 2006.
- Alexander Kelle/Kathryn Nixdorff: Verlieren die Staaten ihre Kontrolle über ihre Kriegsmittel? Zur Problematik der Biowaffen. In: Friedensgutachten 2002. LIT Verlag, Münster/Hamburg 2002.
Weblinks
- http://www.sunshine-project.org (englisch)
- Centers for Disease Control and Prevention: Bioterrorism Agents/Diseases (englisch)
- Convention on the Prohibition of the Development, Production and Stockpiling of Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons and on their Destruction (englisch)
- Fragwürdige Biowaffen-Forschung in den USA.Sunshine Project Germany Dr. Jan van Aken
Siehe auch
Quellen
- ↑ M Wheelis: Biological warfare at the 1346 siege of Caffa. In: Emerging Infectious Diseases. Band 8, Nr. 9, 2002 (HTML).
- ↑ Kurt Langbein, Christian Skalnik, Inge Smolek: Bioterror, die gefährlichsten Waffen der Welt. 2001.
- ↑ Geschichte der biologischen Waffen - Von Brunnenvergiftern zum 2. Weltkrieg, Zur Geschichte der biologischen Waffen bis 1945, Erhard Geißler, Dresden 2001
- ↑ Forschung an „nicht-tödlichen“ Waffen in den USA, Genmanipulierte Mikroorganismen zur Zerstörung von Materialien, The Sunshine-Project, 2002
- ↑ Ethnisch spezifische biologische Waffen, The Sunshine-Project, 2003