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Wiener Operation

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Als Wiener Operation 1945 oder Schlacht um Wien werden die Kämpfe zwischen der Roten Armee und der deutschen Wehrmacht in Wien und dem Wienerwald vom 3. bis 23. April 1945 bezeichnet. Der Kampf im Stadtgebiet dauerte vom 6. bis 13. April.

Vorgeschichte, Truppenteile

Nach dem Fall Budapests und dem Scheitern der deutschen Plattenseeoffensive überschritten sowjetische Truppen der 3. Ukrainischen Front am 29. März 1945 um 11:05 die damalige deutsche Grenze bei Klostermarienberg im Bezirk Oberpullendorf im Burgenland und drehten nach Norden.

Die 4. Gardearmee zog über Eisenstadt und die 9. und 6. Gardepanzerarmee über Wiener Neustadt und Baden nach Wien. Allein diese Armeen verfügten über etwa 400.000 Mann, 400 Panzer und 7.000 Sturmgeschütze, Granatwerfer und Raketenwerfern. Es gibt starke Hinweise darauf, dass Stalin den Oberbefehlshaber Tolbuchin als absehbaren Sieger von Wien gegenüber dem fähigeren Kommandeur der 2. Ukrainischen Front bevorzugte, da ihm dieser als potentieller politischer Konkurrent zu mächtig erschien. Zwischen 6. und 11. April überschritten die Sowjets dann auch mit der 46. Armee der 2. Ukrainischen Front, in gebremstem Tempo, aus der Slowakei kommend, die March und stießen gegen das Marchfeld vor. Diese Truppen stießen auf Befehl Stalins langsam weiter gegen Westen, und erreichten die Region östlich von Korneuburg erst am 13. April. Transdanubien erlebte also „nur“ den Rückzugskampf der SS-Truppen aus Wien.

Die Wehrmacht kämpfte mit den Resten der von Budapest zurückgezogenen 6. SS-Panzerarmee der Heeresgruppe Süd, deren materielle Ausstattung auf 52 intakte Panzer und Sturmgeschütze geschrumpft war, wovon 28 in Wien und der Rest im Wienerwald stationiert waren. Trotz Verstärkung um den 6. April durch die besonders fanatisierte und kampfstarke Führer-Grenadier-Division kämpften nur etwa 20.000 deutsche Soldaten in Wien und ca. 8.000 im Wienerwald.

Zangenbewegung

Am 3. April wurde Baden bei Wien erreicht. Dort teilten sich die Truppen - um Wien nicht nur aus dem Süden und Nordosten, sondern auch aus dem Westen zu umfassen. Die 6. Gardepanzerarmee und das 9. Garde Mechanisiertes Korps stieß am 4. April durchs Helenental in Richtung Heiligenkreuz und Alland und der andere Keil, bestehend aus der 9. und 4. Gardearmee, setzte den Direktangriff auf Wien über Pfaffstätten, und dann im idealen Panzergelände zwischen Inzersdorf und Schwechat fort.

Die vier Angriffskeile aus dem Süden erreichten die Wiener Stadtgrenze am 6. April. Der westliche Angriffskeil erreichte Wien am 7. die Stadtgrenze und stieß über Gersthof und nördlich der Westbahnlinie in die inneren Bezirke vor. Am gleichen Tag verstärkte die 2. SS Panzerdivision aus dem Bereich Mauer kommend, über die Mariahilferstrasse die Verteidiger der Innenbezirke. Erst am 9. erreichte der nordwestliche Keil, aufgehalten durch die Hügel und Täler des Wienerwalds, über Klosterneuburg die Heurigenbezirke Sievering, Grinzing und Nußdorf (Wien).

Schlacht um Wien

Die Lage der Verteidiger war bei einem Kräfteverhältnis von mindestens 1:10 und prekärer Versorgungslage von Beginn an aussichtslos. Der taktische Sinn bestand wohl darin, durch den Zeitgewinn eine Neuformation der Truppe im Westen bzw. den Rückzug in die Alpenfestung zu ermöglichen, oder auch in der letzten Hoffnung Hitlers, der bereits in der Luft liegende Kalte Krieg möge heiß werden und die Deutschen würden durch ein Arrangement mit den Westmächten an deren Seite gegen die Kommunisten ziehen.

Der Kampfwille sowohl der abgekämpften Soldaten und Offiziere als auch der Bevölkerung erreichte einen Tiefpunkt. Die stationären Flakbatterien des Luftkriegs wurden zu Panzerabwehrkanonen umfunktioniert, Volkssturm und Hitlerjugend mobilisiert und Barrikaden errichtet. Der blutige Häuserkampf begann am 6. April und in manchen Gegenden - besonders in Simmering, am Gürtel und am Donaukanal, und in der Folge um die beiden Donauübergänge Floridsdorfer Brücke und Reichsbrücke - wurde bis zum 13. April um jedes Haus gekämpft. Am 9. April 1945 wurden die Nordwestbahn­brücke und die Nordbahnbrücke von den Deutschen gesprengt, um die Einnahme der Stadt durch die sowjetische Armee von Norden und Westen her zu behindern. Die Reichsbrücke sollte ebenfalls gesprengt werden, vorerst aber als Rückzugsmöglichkeit erhalten bleiben. Insgesamt sechs Mal soll die Reichsbrücke vor der Zerstörung gerettet worden sein. In der Nacht von 11. auf 12. April gelang es der Roten Arme den Donaukanal zu überqueren. Die Einnahme von Leopoldstadt und Brigittenau war in kurzer Zeit abgeschlossen.

Die Schlacht ging nördlich der Donau noch bis zum 18. bis die Sowjets auch den Raum bis Sankt Pölten erobert hatten. Der Kampf um Alland im Wienerwald tobte weit länger, bis sich die Front ins Triestingtal nach Altenmarkt und Hainfeld am 23. April verlagert hatte.

Kollaboration mit den sowjetischen Streitkräften

Im Untergrund war es bereits vor der Einnahme Wiens durch die Rote Armee zu intensiven Kontakten der politischen Gruppierungen der Zwischenkriegszeit gekommen, deren Führer kaum aus den Gefängnissen und Konzentrationslagern entkommen waren. Die Widerstandsgruppen der Kommunisten, christlich-konservativer Gruppen und auch einiger Offiziere um Major Carl Szokoll innerhalb des Wehrkreiskommandos XVII, versuchten Schäden an der Stadt durch Kontakte und Kooperationen mit dem Hauptquartier General Tolbuchins in Hochwolkersdorf zu minimieren. Schon am 4. April bot Karl Renner, der erste Staatskanzler der Ersten Republik, der sich ebenfalls in Hochwolkersdorf eingefunden hatte, über einen Politgeneral Josef Stalin seine Dienste bei einer möglichen Neugründung Österreichs an, dessen „Zukunft unfraglich dem Sozialismus gehört“. Mehrere Anläufe von Offizieren, Wien zur „freien Stadt“ zu erklären, scheiterten aber am Widerstand des Reichsstatthalters und Gauleiters von Wien, Baldur von Schirach. Der Kampfkommandant Wiens, General Bünau, der sich nur unter erpresserischen Drohungen Hitlers zum Handeln bewegen ließ, bestellte, ohne von dessen Tätigkeit im Widerstand zu wissen, ausgerechnet den Leiter der militärischen Widerstandsbewegung Major Szokoll zum Verbindungsoffizier. Deren Aktion unter dem Decknamen „Operation Radetzky“, mit der eine kampflose Übergabe der Stadt an die sowjetischen Truppen erreicht und die Zerstörung durch Hitlers „Nerobefehl“ verhindert werden sollte, wurde aber letztlich verraten und drei der beteiligten Offizieren am 8. April am Floridsdorfer Spitz öffentlich an Straßenlaternen gehenkt.

Bereits am 13. April wurde im Wiener Rathaus die SPÖ und am 17. April im Schottenstift die ÖVP gegründet. Kommunisten kehrten aus Titos Partisanenarmee oder dem Exil in Moskau zurück und reaktivierten mit im Land verbliebenen die seit 1934 verbotene KPÖ. Drei frühere Gewerkschaftführer, der Christlichsoziale Weinberger, der Sozialdemokrat Böhm und der Kommunist Fiala gründeten am 15. April den nicht parteigebundenen ÖGB.

Opfer

Die Schlacht um Wien dürfte ungefähr 20.000 Todesopfer, im Wienerwald etwa 5.000, gefordert haben, davon etwa 20% Zivilisten. Andere Quellen sprechen von 37.000 Toten. Die sowjetischen Verluste werden für den Zeitraum der Wiener Operation mit 167.940 Mann (davon 38.661 Gefallene und Vermisste) beziffert, hinzukommen 9.805 Mann der 1. Bulgarischen Armee (davon 2.698 Gefallene und Vermißte).[1] Unter den zivilen Opfern waren auch Persönlichkeiten wie etwa der Filmarchitekt der Rosenhügel-Filmstudios, Emil Stepanek und die Schauspielerin Lizzi Waldmüller. Der Wiener Gemeinderat veröffentlichte im August 1945 gar nur die Zahl von 5000 offiziellen Soldatengräbern. Damit war Wien, im Vergleich zu Budapest oder Warschau, wo es jeweils weit mehr als hunderttausend Opfer gab, verhältnismäßig glimpflich davongekommen.

Siehe auch:

Einzelnachweise

  1. G. F. Krivošeev (Hg.): Rossija i SSSR v vojnach XX veka. Poteri vooružennych sil. Statističeskoe issledovanie. Reihe Archiv. Olma-Press, Moskau 2001, ISBN 5-224-01515-4 (russisch)

Quelle

Manfried Rauchensteiner- Der Krieg in Österreich 1945 aus Schriften des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien (Militärwissenschaftliches Institut) - Österr. Bundesverlag Wien 1984 - keine ISBN