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Demonstration der Sudetendeutschen am 4. März 1919

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Am Dienstag, den 4. März 1919 demonstrierten große Teile der Bevölkerung der deutschsprachigen Gebiete Böhmens und Mährens für den Verbleib bei der Republik Deutsch-Österreich und gegen die Eingliederung in die Tschechoslowakei.

Vorangegangen war die militärische Besetzung dieser Gebiete durch tschechische Truppen zwischen 1. November 1918 und 31. Januar 1919. Punktuell war es dabei zu Kämpfen gekommen, vor allem am 27. November in Brüx und am 3. Dezember in Kaplitz/Böhmerwald, außerdem an mehreren Orten in Südmähren. Ziviler Widerstand war dagegen häufig, mehrere Städte waren erst durch Androhung durch Beschießung mit Artillerie zur Aufgabe bereit (darunter Brüx, Eger, Mährisch Schönberg). Kaplitz wurde am 3. Dezember tatsächlich mit einigen Schuss Artillerie beschossen. In vielen Städten wurden zudem kurzzeitig Geiseln genommen, um die Entwaffung der Deutschen sicherzustellen.

Die Zahl der Toten bei dieser Besetzung durch Kämpfe und Übergriffe betrug auf deutscher Seite etwa 20, die Zahl der tschechischen Opfer ist unbekannt.

Konkreter Anlass für die Demonstrationen des 4. März 1919 waren die Wahlen zur Nationalversammlung der Republik Deutsch-Österreich, von deren Teilnahme die Sudetendeutschen durch tschechoslowakische Organe abgehalten wurden. Dies ist insofern bemerkenswert, als die tschechischen Unterhändler bei der Friedenskonferenz in Paris die Einführung von Freiheit und Demokratie als ein Hauptargument für die Angliederung der deutschsprachigen Gebiete angaben.

Ein weiterer Anlass für die Kundgebungen war die Notenabstempelung, die weitgehende Abwertung des Bargeldes, am selben Tage. Die Initiative zu den Demonstrationen ging von der sudetendeutschen Sozialdemokratie unter Josef Seliger aus, der damals führenden Partei im Sudetenland. Dem Aufruf schlossen sich alle anderen Parteien an.

Zu den Forderungen des 4. März, der - ganz gegen die österreichische Tradition - unter schwarz-rot-goldenen Fahnen begangen wurde, gehörte an erster Stelle das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das von US-Präsident Woodrow Wilson als Grundprinzip der Friedensregelung proklamiert worden war. Außerdem forderten die Redner den Abzug der tschechischen Truppen und die Freigabe zurückgehaltener Lebensmittel- und Kohlelieferungen.

Die Kundgebungen wurden kurz nach Mittag in mehreren Städten gleichzeitig durch Schüsse in die Menge zerschlagen. Dabei kamen auf deutscher Seite 54 Menschen ums Leben und zwar in Kaaden 25, in Sternberg 16, in Karlsbad 6, in Arnau 2, in Eger 2, in Mies 2 und in Aussig 1 Person. Unter den Toten waren 20 Frauen und Mädchen, ein 80jähriger und Buben im Alter von 14, 13 und 11 Jahren.

Zwei Tote gab es bereits am 3. März in Eger und, zwei weitere am 5. März in Karlsbad. Außerdem gab es ca. 200 Verletzte.

Die Opfer des 4. März 1919 erhielten keine Entschädigung, die Täter wurden nicht ermittelt und bestraft. Für die Sudetendeutschen wurde der 4. März als "Tag der Selbstbestimmung" zu einem Gedenktag, der nach 1938 von den NS-Machthabern vereinnahmt und propagandistisch missbraucht wurde.