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Gentherapie

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Mit Hilfe der Gentherapie können bestimmte genetische Defekte behandelt werden.

Für die Anwendung der Gentherapie ergeben sich verschiedene Beschränkungen:

  • Gentherapie kann nur auf ein einzelnes gestörtes Gen ("monogene Fehlfunktion") angewandt werden, das außerhalb des Körpers bereits als intakte, klonierte Version vorliegt
  • Gentherapie darf nur an somatischen (nicht die Keimbahn betreffenden) Zellen durchgeführt werden, damit die neue genetische Information nicht an die Kinder des behandelten Individuums weitergegeben werden kann
  • Dem Körper werden einige Zellen entnommen. Diese Zellen erhalten das neue (therapeutische) Gen und werden danach wieder in den Körper eingebracht
  • Die Chancen für den erfolgreichen Austausch eines defekten Gens gegen ein therapeutisches (funktionsfähiges) Gen stehen etwa 1:1000 (ungezielter Transfer)
  • Der Einbau eines zusätzlichen gesunden Gens an anderer Stelle ("Genaddition"), das die Funktion des defekten Gens verstärkt, kann nur bei Gering- oder Nichtproduktion des fraglichen Proteins angewendet werden, nicht jedoch bei Überproduktion oder schädlicher Fehlproduktion durch das defekte Gen

Für den ungezielten Transfer gibt es verschiedene Methoden (Vektoren), um ein therapeutisches Gen in eine Zelle zu transportieren:

  • Transfektion (chemisch): Die gesunden Gene und eine elektrisch geladene Verbindung (z.B. Calciumphosphat) werden zu den Zellen gegeben. Die elektrisch geladene Verbindung stört die Struktur der Zellmembran, wodurch die DNA ins Zellinnere gelangen kann. Die Chancen für einen erfolgreichen Einbau der DNA stehen mit dieser Methode bei 1:1000 - 1:100000
  • Transfektion (physikalisch): Die Mikroinjektion bietet hohe Chancen für einen erfolgreichen Einbau des Gens (ca. 1:5), jedoch muß jede Zelle einzeln behandelt werden.
  • Transfektion (physikalisch): Bei der Elektroporation macht ein Stromstoß die Zellmembran vorübergehend durchlässig, so daß die neue DNA in die Zelle eindringen kann. Bei dieser Methode können jedoch die Zellen stark geschädigt werden.
  • Transfektion (physikalisch): Mit der Particle gun werden kleine Goldkügelchen in die Zelle geschossen, auf deren Oberfläche die therapeutischen Gene haften. Auch diese Methode kann schwere Zellschäden hervorrufen.
  • Transduktion: Hierbei bringt ein Virus das therapeutische Gen in die Zelle. Diese Methode eignet sich für die klinische Behandelung am besten.

Bei der Transduktion gibt es mehrere mögliche Transportviren:

VorteileNachteile
DNA-Viren- therapeutisches Gen liegt bereits als DNA vor- begrenztes Fassungsvermögen
- dringen nur in (wenige) bestimmte Zellen ein
RNA-Viren- großes Fassungsvermögen
- infizieren viele verschiedene Zelltypen
- RNA baut sich in der Zelle schnell ab, da sie nicht in DNA umgeschrieben wird
Retroviren- großes Fassungsvermögen
- infizieren viele verschiedene Zelltypen
- RNA wird in DNA umgeschrieben und ins Erbgut der Wirtszelle eingebaut
- brauchen teilungsaktive Zellen (z.B. keine Nervenzellen)
- können bei ihrer Vermehrung im Körper Krebs auslösen

Vermehrungszyklus von Retroviren: Heftet sich ein Hüllprotein eines Retrovirus an einen Rezeptor auf einer Zellmembran, entlässt das Virus bestimmte Proteine (Reverse Transkriptase) und seine RNA in die Zelle. Die typische Retroviren-RNA hat folgenden Aufbau:

Name R-U5 ψ (psi) gag pol env U3-R
Länge (bp) 90-180 ??? ca. 2000 ca. 2900 ca. 1800 170-1260
codiert 5'-Ende "Startsequenz" zur Herstellung
viraler RNA aus dem Provirus
Proteine des
Kernbereichs
Reverse Transkriptase
Endonuclease
Protease
Virushülle 3'-Ende

Im Cytoplasma der Zelle schreibt die Reverse Transkriptase die virale RNA in eine DNA mit verlängerten Endabschnitten um. Diese langen terminalen Repititionen (LTRs) beeinflussen die Aktivität der Virusgene und erleichtern den Einbau der viralen DNA in die Erbsubstanz der Zelle. Diese (seit dem Einbau Provirus genannte) DNA kann jetzt die viralen Proteine und die virale RNA (aus sich selbst) bilden, welche dann zu einem neuen Virus zusammengebaut werden und die Wirtszelle durch Knospung verlassen.


Die Retroviren haben sich als bisher bester Vektor erwiesen. Um aus einem Retrovirus einen sicheren Vektor herzustellen, sind mehrere Schritte nötig: In einem Provirus werden die viralen Gene (die den Aufbau des Virus codieren) durch das therapeutische Gen ersetzt. Dabei bleibt die virale Y (psi)-Region, die dafür sorgt, daß die DNA in virale RNA ungewandelt werden kann, erhalten.

  • Das therapeutische Provirus (Y +) wird in eine "Verpackungszelle" eingebracht. In der Erbinformation dieser Zelle befindet sich ein Helfer-Provirus, dem der Y -Abschnitt fehlt.
  • Das therapeutische Provirus stellt eine Y +-RNA her.
  • Das Helfer-Provirus stellt virale Proteine und eine unverpackbare Y --RNA her.
  • Die therapeutische Y +-RNA wird nun mit den nötigen viralen Proteinen in die duch das Helfer-Provirus erzeugte Virushülle eingelagert und aus der Verpackungszelle ausgeschleust. Dieser neue Virus ist ein sicherer Vektor, da er sich nicht mehr vermehren kann.
  • "Infiziert" dieser neue Virus eine Zelle, so wird lediglich das therapeutische Gen in die Zell-DNA eingebaut. Es kann weder virale RNA noch virale Proteine erzeugen, sondern nur das gewünschte (bisher fehlende) Protein.

Körperzellen, die für eine Gentherapie mit Retroviren als Vektor in Frage kommen, müssen bestimmte Anforderungen erfüllen:

  • Sie müssen widerstandsfähig genug sein, um die "Infektion", besonders aber die Entnahme aus und die Wiedereinpflanzung in den Körper zu überstehen
  • Sie müssen leicht entnehmbar und wieder einsetzbar sein
  • Sie sollten langlebig sein, damit sie das neue Protein über lange Zeit hinweg produzieren können

Folgende Zelltypen haben sich als geeignet erwiesen:

  • Hautzellen: Fibroblasten aus der Lederhaut (nicht mehr aktuell)
  • Leberzellen
  • T-Zellen: T-Lymphocyten (zirkulierende weiße Blutkörperchen) sind für die zelluläre Immunantwort zuständig. Das Fehlen des Gens für Adenosindesaminase (ADA), das zu einem „schweren kombinierten Immundefekt" (SCID) führt, wird durch entsprechende Behandlung dieser Zellen therapiert.
  • Knochenmarkszellen: Sie produzieren die roten und weißen Blutkörperchen. Durch Gentherapie der seltenen Stammzellen lassen sich genetisch bedingte Krankheiten des Blutes und des Immunsystems behandeln. So ließe sich z.B. die Beta-Thallassämie (ein Mangel an b -Globin führt zu Anämie (Blutarmut) ) durch Einbau einer „Verstärkersequenz" in Stammzellen behandeln.

Literaturnachweis:

  • Scientific American, November 1990, Inder M. Verma, „Gene Therapy"
  • D.T. Suzuki, A.J.F. Griffith, J.H. Miller, R.C. Lewontin, „Genetik", VCH Verlag, 1991
  • Benjamin Lewin, „Genes V", Oxford University Press, 1994