Speziallager Nr. 2 Buchenwald
Das Speziallager Nr. 2 in Buchenwald entstand 1945 als Internierungslager auf dem Gelände des ehemaligen KZ Buchenwald und wurde 1950 aufgelöst.
Nach der Befreiung des KZ Buchenwald durch die amerikanischen Truppen und deren darauf erfolgten Abzug aus Thüringen wurde die „Infrastruktur“ des Lagers ab dem 12. August 1945 durch die sowjetischen Machthaber in der sowjetischen Besatzungszone weiterhin genutzt als „Speziallager Nr. 2“ des NKWD (früher: GPU, ab 1946 MWD).
Die Inhaftierten
Der Inhaftierung gingen Verhöre voraus, die oft unter Anwendung von Folter stattfanden. Fanden sich dabei Anhaltspunkte, die den Sowjets verdächtig vorkamen, folgten Verfahren vor sowjetischen Tribunalen mit strengen Urteilen und Einweisung in Strafanstalten oder Deportation nach Sibirien. Der große Rest der nicht Verurteilten wurde in den Speziallagern festgehalten.
So wurden die Speziallager zunehmend zur Internierung von vorgeblichen Nationalsozialisten, Mitläufern und vermeintlichen Kriegsverbrechern verwendet. Gemäß der stalinistischen Herrschaft des Terrors gegen Andersdenkende wurden in der Zeit von 1945–1950 auch immer mehr Sozialdemokraten, Bauern und sogenannte „Junker“ und andere Gegner des sich entwickelnden SED–Regimes interniert, darunter auch ehemalige Insassen des Nazi-Konzentrationslagers bis 1945 sowie willkürlich Denunzierte, der Zusammenarbeit oder Sympathie mit dem Westen Verdächtige und Jugendliche (etwa 5 %).
Es ging den Machthabern dabei insbesondere auch um die Verfolgung und Vernichtung Missliebiger aus dem Bürgertum, die zur Durchsetzung des proletarischen Arbeiterstaates ausgeschaltet werden sollten.
Zunächst wurden Gefangene aus Arnstadt, Jena, Erfurt. Torgau und Weimar nach Buchenwald gebracht. Zum Jahresende 1945 waren 3000 Menschen in Buchenwald gefangen; im Januar 1946 kamen 4000 Häftlinge aus dem Lager Landsberg (Warthe) und am 3. und 7. April 1947 weitere 4015 aus Jamlitz hinzu. Sehr viele weitere Insassen waren vor ihrer Ankunft in Buchenwald bereits durch andere Lager des NKWD wie Ketschendorf, Mühlberg/Elbe oder Bautzen gegangen und auch dort gleich nach ihrer Verhaftung Verhören mit Folter unterzogen worden.
Buchenwald nach 1945 war kein Arbeitslager. Außer einigen Tätigkeiten zum internen Betrieb des Lagers war ein Merkmal der Lagerhaft das Fehlen jedweder Beschäftigung. Auch dies und die völlige Isolation von der Außenwelt und den Angehörigen, die nicht wussten, wo der verhaftete Angehörige war, trug mit zur Belastung der Inhaftierten bei.
Einzelmaßnahmen werfen Schlaglichter auf die Verhältnisse: Im November 1945 erfolgte die Einrichtung eines „Isolators“ mit völlig dunklen Einzelzellen. Am ersten Weihnachtstag (25. Dezember) 1945 wurden allen Inhaftierten die Brotrationen gestrichen.
Insgesamt waren unter der sowjetischen Kontrolle ca. 28.000 Menschen, davon etwa 1000 Frauen, im Speziallager Buchenwald inhaftiert, sowie einige in Buchenwald und anderen Lagern geborene Kinder [1]. Mehr als 7000 Menschen gingen an den unmenschlichen Lagerverhältnissen, insbesondere an der völlig unzureichenden Ernährung und den unbehandelten Folgeerkrankungen (Dystrophie, Ruhr, Tuberkulose, Typhus) zugrunde und wurden am Rande des Lagers in Massengräbern verscharrt (v. Flocken/M. Klonowsky gehen von mehr als 12.000 Toten aus, da nicht alle Totenlisten – sowie das Totenbuch – vollständig erhalten sind).
Auflösung des Lagers
Die Auflösung erfolgte, um die Reputation der neu gegründeten DDR zu erhöhen, da im Westen mittlerweile eine breitere Öffentlichkeit über die Zustände im Lager informiert war und von daher Druck auf die Besatzungsmacht und die Führung der DDR ausgeübt wurde. So wurden von dieser die Auflösung als großmütiger Akt der Sowjetunion dargestellt und die Verhältnisse im Lager propagandistisch beschönigt.
Am 14. Januar 1950 teilte der Vorsitzende der Sowjetischen Kontrollkommission in Deutschland, Tschujkow, Walter Ulbricht mit, dass mit Bautzen, Sachsenhausen und Buchenwald die letzten Lager aufgelöst würden. Bei der Entlassungsaktion wurden (wie schon im Sommer 1948) die zu Entlassenden von der sowjetischen Besatzungsmacht an die deutsche Landespolizeibehörde übergeben: Auf den Entlassungsscheinen, die vom Landespolizeichef des Landes Thüringen ausgestellt wurden, trat die Besatzungsmacht nicht in Erscheinung. Etliche wurden jedoch anlässlich der Lagerauflösung nicht entlassen, sondern in die Sowjetunion deportiert oder in Zuchthäuser der DDR überstellt. 2154 Häftlinge wurden am 9. und 13. Februar 1950 nach Waldheim gebracht, wo sie in den Waldheimer Prozessen (Schnellverfahren) zu langjährigen Haftstrafen sowie in 32 Fällen zum Tode verurteilt wurden. Die Scheinprozesse fanden ohne Rechtsgrundlage statt, und die Urteile standen in stalinistischer Verfahrensweise bereits vorher fest.
In der DDR wurde dieser Teil der Geschichte des Konzentrationslagers offiziell nicht erwähnt. Vor allem in den frühen 1950er-Jahren wurde durch die SED ein Klima der Angst geschaffen, das Fragen zu diesem Teil der Geschichte verhinderte.
Erst mit dem Ende der DDR begann eine Aufarbeitung dieser Zeit und führte bisher zur Einrichtung einer Dauerausstellung zum Speziallager Nr. 2 auf dem Ettersberg, neben der, schon zu DDR-Zeiten bestehenden, Dokumentation der KZ-Vergangenheit unter dem Nationalsozialismus. Sie belegt den fast nahtlosen Übergang zwischen den beiden Terrorherrschaften im Lager Buchenwald. Das Ausstellungsgebäude befindet sich in der Nähe der mit Metallstelen markierten Massengräber im Wald.
Auch heute noch gibt es gelegentlich Tendenzen, das Verbrechen der Weiterbenutzung der Nazi-KZ durch die sowjetische Besatzungsmacht zu verharmlosen oder zu relativieren.
Fußnoten
- ↑ Alex Latotzky: Kindheit hinter Stacheldraht, Mütter mit Kindern in sowjetischen Speziallagern, Forum Verlag Leipzig, 2001, ISBN 3-931801-26-8
Literatur
- Bodo Ritscher (Hrsg.): Das sowjetische Speziallager Nr. 2 1945-1950. Katalog zur ständigen historischen Ausstellung; Wallstein, Göttingen 1999, ISBN 3-89244-284-3
- Volkhard Knigge, Bodo Ritscher (Hrsg.): Totenbuch. Speziallager Buchenwald 1945-1950; Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora, Weimar 2003, ISBN 3-935598-08-4
- Kathrin Krypczik, Bodo Ritscher: Jede Krankheit konnte tödlich sein. Medizinische Versorgung, Krankheiten und Sterblichkeit im sowjetischen Speziallager Buchenwald 1945–1950; Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Göttingen 2005, ISBN 3-89244-953-8
- Das sowjetische Speziallager Nr. 2. Buchenwald 1945-1950. Materialien für die Vorbereitung von Besuchen in den Gedenkstätten; Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Bad Berka 2002, ISSN: 0944-8705
- Jan von Flocken, Michael Klonovsky: Stalins Lager in Deutschland 1945-1950 Dokumentation,Zeugenberichte; Ullstein, Berlin 1991, ISBN 3550074883
- Joel Kotek, Pierre Rigoulot: Das Jahrhundert der Lager. Gefangenschaft, Zwangsarbeit, Vernichtung; Propyläen, Berlin 2001, ISBN 3549071434
- Alex Latotzky: Kindheit hinter Stacheldraht. Mütter mit Kindern in sowjetischen Speziallagern; Forum Verlag Leipzig, 2001, ISBN 3-931801-26-8
Filme
- Peter Friedrich Leopold: Buchenwald. Speziallager Nr. 2 1945-1950 (Dokumentarfilm); Chronos-Film im Auftrag der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, 1997