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Berliner Bankenskandal

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Unter dem Berliner Bankenskandal versteht man die Vorgänge um die landeseigene Bankgesellschaft Berlin, deren wirtschaftlicher Zusammenbruch die Hauptstadt finanziell belastet hat. Bemerkenswert ist hierbei die starke Verflechtung zahlreicher Politiker der SPD/CDU-Koalition sowie, vor allem aber der Berliner CDU und der Firma AUBIS, die zwei CDU-Mitgliedern gehört. Gegen ehemals führende Mitglieder wie Klaus-Rüdiger Landowsky wird mittlerweile wegen Annahme von Bestechungsgeldern und Untreue ermittelt. Der Bankenskandal führte 2001 zum Sturz des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen und bedingt einen Teil der Haushaltsnotlage, die den mittlerweile regierenden SPD/PDS-Senat zu drastischen Kürzungen zwingt.

Anfänge

Die Bankgesellschaft Berlin entstand 1994 als Holding-Gesellschaft für die Landesbank Berlin, die Berliner Hypotheken- und Pfandbriefbank sowie die Berliner Bank. Diese Konstruktion war schon zu Beginn stark umstritten, da die Landesbank eine öffentlich-rechtliche Anstalt ist, während die anderen beiden privatwirtschaftliche Unternehmen waren.

Die Berliner Bankgesellschaft engagiert sich in den Folgejahren über neu gegründete oder aufgekaufte Tochterfirmen und über Kredite im Bau- und Immobiliensektor. Bereits zwei Jahre nach ihrer Gründung muss die Bankgesellschaft die ersten Wertberichtigungen von mehr als zwei Milliarden DM vornehmen. Während andere Banken Engagements in Berlin bereits kritisch sahen expandierte die Bankgesellschaft weiter.

Um Wachstum zu erzielen, wurden Immobilienfonds mit für die Marktverhältnisse sehr günstigen Konditionen errichtet. So gab es hohe Mietzinsgarantien (selbst wenn die Immobilie leer stehen sollte), eine extrem lange Laufzeit (25 bzw. 30 Jahre) und am Ende eine Rückzahlungsgarantie. Durch rechtliche Konstruktion der Holding war das Land Berlin der letztendliche Bürge für diese Versprechen.

Über diese Fonds wurde die wahre Lage der Bank verschleiert - Wertberichtigungen auf faule Kredite wurden vermieden indem kritische Immobilien von den Kreditnehmern gekauft und in die Fonds verschoben wurden. Die Fonds wiederum wurden als sichere Anlage an Privatanleger verkauft. Aus Kreditrisiken wurden so Garantierisiken, die der Bankenaufsicht offensichtlich nicht weiter auffielen.

Geschäftspartner und -methoden

Unter den Immobilien, die nach Ideen von Manfred Schoeps und Christian Lauritzen durch Fonds erworben wurden, befanden sich vor allem Plattenbauten im nordöstlichen Bundesgebiet. Diese wurden von der Aubis-Gruppe, einer Firmenholding zweier CDU-Mitglieder von den verschuldeten Kommunen zu günstigen Konditionen aufgekauft. Die Mittel hierzu stammten aus einem Kredit über 650 Millionen DM, den die BerlinHyp vergab, obwohl AUBIS über fast kein Eigenkapital verfügte.

Als AUBIS 1997 erstmals in finanzielle Bedrängnis geriet, kaufte eine Immobilien-Tochter der Bankgesellschaft 4000 Wohnungen der AUBIS auf und beauftragte diese mit der Sanierung. 1999 wurden weitere Kredite verweigert und die restlichen 10.000 Wohnungen gegen den Protest der AUBIS übernommen.

Aufdeckung

Obwohl sich die Probleme bereits im Jahr 2000 häufen, verbreiten offizielle Stellen noch Optimismus mit positiven Geschäftsberichten und Expansionsplänen. Anfang 2001 kommen die ersten Berichte über Scheingeschäfte, Bilanzierungstricks und finanzielle Schwierigkeiten in die Presse. Anlass war der versuchte Verkauf der Immobilientochter IBAG an eine Scheinfirma auf den Kaimaninseln, die durch Kredite der Bankgesellschaft finanziert werden sollte.

Im Februar nimmt die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf, Anfang März tritt Klaus-Rüdiger Landowsky, der als Architekt der Bankgesellschaft und als Graue Eminenz der Berliner CDU gilt, von seinem Posten als Vorstandschef der BerlinHyp zurück, später wird er auch seine Posten in der Berliner CDU sowie im Abgeordnetenhaus zur Verfügung stellen, da ihm unter anderem die Annahme von 40000 DM, überreicht in bar von der AUBIS, vorgeworfen wird. Mitte des Monats wird ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt, der die Vorgänge um die Bankgesellschaft und AUBIS beleuchten soll. Ob der Tod des 32jährigen EDV-Chefs von AUBIS, Lars Oliver Petroll, der am 29. September 2001 erhängt im Berliner Grunewald gefunden wurde, ein Selbstmord war, ist Gegenstand von Untersuchungen.

Im weiteren setzen hektische Rettungsversuche ein, die aber zu nichts führen. Im Mai wird klar, dass die Bankgesellschaft 2 Milliarden Euro braucht, um ihre Geschäfte fortführen zu können. Zu diesem Zeitpunkt erfolgen kurz hintereinander Einbrüche in mehrere Gebäude der Bankgesellschaft, die Ermittlungsbehörden können aber keine Zusammenhänge feststellen.

Aufklärungs- und Rettungsversuche

Am 16. Juni wird der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen durch ein Mißtrauensvotum gestürzt. Die Amtsgeschäfte übernimmt bis zu den Neuwahlen ein rot-grüner Übergangssenat unter Klaus Wowereit. In den folgenden Monaten kommt nach und nach das Ausmaß der Gesetzesverstöße zum Vorschein. So wurden seit langem und systematisch Verluste über Netzwerke von Strohmännern verborgen, Risiken aus Geschäften wurden mit dubiosen Verträgen auf das Land Berlin abgewälzt. Für einen ausgewählten Personenkreis (vor allem Prominente, Mitglieder der Regierungsparteien CDU und SPD, Bankmanager sowie deren Bekanntenkreis) wurden Sonderfonds angeboten, deren Konditionen noch wesentlich besser als die der normalen Immobilienfonds waren. Weiterhin gibt es hohe Abfindungen und Renten für die entlassenen Bankmanager und extrem billige Mietverträge für bankeigene Villen, die von den Managern genutzt werden sowie deren kostenlose Renovierung kommen ans Licht.

Zu Beginn des Jahres 2002 ermittelt die Staatsanwaltschaft in Dutzenden von Fällen. Im Grunewald wird ein AUBIS-Mitarbeiter tot aufgefunden, die Behörden gehen von Selbstmord aus, obwohl später klar wird, das der Mann mit dem Untersuchungsausschuss zusammengearbeitet hatte und dass die AUBIS Einsicht in die vertraulichen Protokolle der Sitzungen hatte. Im April beschließt das Abgeordnetenhaus mit der Mehrheit der neuen SPD/PDS-Regierung, dass das Land Risiken aus dem Immobiliengeschäft in Höhe von 21,6 Milliarden Euro übernimmt. Später formiert sich eine Initiative, die dieses Gesetz durch ein Volksbegehren zu Fall bringen will.

Bis zum Frühjahr 2003 bemüht sich das Bankmanagement erfolglos um einen Verkauf der Gesellschaft, parallel dazu werden Sanierungsmaßnahmen eingeleitet. Die juristische Aufarbeitung des Bankenskandals läuft noch, das Land Berlin ist durch Soforthilfen von 2 Milliarden Euro sowie durch die Übernahme der 21,6 Milliarden Euro Risiken mittlerweile so gut wie handlungsunfähig.

Doch selbst wenn es die Bankgesellschaft nie gegeben hätte, wäre das Land Berlin in einer ähnlichen Lage, da es weiterhin dauerhaft mehr Geld ausgibt, als es einnimmt. Die gesamten Einnahmen reichen gerade mal für die Personalausgaben. Im Prinzip hat es das Land nicht geschafft nach dem Wegfall der Subventionen in der Vorwendezeit eine wettbewerbsfähige Wirtschaft zu entwickeln.

[[1]] Die Konsequenz ist eine "extreme Haushaltsnotlage", wie der Senat per Beschluss schon im November 2002 feststellt. Der Bund lehnt im April 2003 hab, dem Land Schuldenhilfe zu gewähren. Daraufhin reicht Berlin im Herbst Klage am Bundesverfassungsgericht ein, in einer Erklärung des Senats heißt es, das Land erfülle die Kriterien, wie sie im Urteil zur Haushaltsnotlage der Länder Saarland und Bremen 1992 festgestellt wurden. Man erhofft sich Hilfen zum Schuldenabbau in Höhe von 35 Milliarden Euro, mit einer Entscheidung ist aber nicht vor 2006 zu rechnen.

  • [2] Ausführliche Chronologie des Bankenskandals
  • [3] Weitere Informationen zum Volksbegehren

Senat stellt extreme Haushaltsnotlage fest 05.11.2002]