Fritzlar
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Fritzlar ist eine Kleinstadt und wirtschaftliches Mittelzentrum im Schwalm-Eder-Kreis in Nordhessen (Deutschland).
Als Dom- und Kaiserstadt gilt sie als der Ort, an dem sowohl die Christianisierung Mittel- und Norddeutschlands (mit dem Fällen der Donareiche im Jahr 723 durch Bonifatius), als auch das mittelalterliche Deutsche Reich (mit der Wahl von Heinrich I. zum König der Deutschen auf dem Reichstag von 919) ihren Anfang nahmen.
Der Name Fritzlar ist abgeleitet von der ursprünglichen Bezeichnung Friedeslar = Ort des Friedens.
Geografie
Geografische Lage
Fritzlar liegt im nordhessischen Bergland südlich des Habichtswalds und östlich des Kellerwalds etwa 25 km (Luftlinie) südwestlich der Großstadt Kassel. Es befindet sich unweit östlich der Einmündung der Elbe in die Eder am Nordufer dieses Fulda-Zuflusses.
Die nähere Umgebung der Stadt ist durch fruchtbare Ackerböden und zahlreiche, meist bewaldete Basaltkuppen geprägt, von denen viele mit mittelalterlichen Burgen oder deren Ruinen „gekrönt“ sind; dazu gehören unter anderem Gudensberg, Homberg, Felsberg, Burg Heiligenburg, Altenburg (Ortsteil von Felsberg), Jesberg und Naumburg.
Nachbargemeinden
Fritzlar grenzt im Norden an die Stadt Naumburg, die Gemeinde Bad Emstal (beide im Landkreis Kassel) und die Stadt Niedenstein, im Osten an die Städte Gudensberg und Felsberg, im Süden an die Gemeinde Wabern und die Stadt Borken, im Südwesten an die Gemeinde Bad Zwesten (alle im Schwalm-Eder-Kreis), sowie im Westen an die Stadt Bad Wildungen und die Gemeinde Edertal (beide im Landkreis Waldeck-Frankenberg).
Stadtgliederung und Entwicklung des Stadtgebiets
Neben der Kernstadt Fritzlar selbst gibt es die Stadtteile Cappel, Geismar, Haddamar, Lohne, Obermöllrich, Rothhelmshausen, Ungedanken, Wehren, Werkel und Züschen. All diese Stadtteile wurden während der Gemeindegebietsreform zwischen 1970 und 1974 eingemeindet. Ungedanken und Rothhelmshausen waren geschichtlich eng mit Fritzlar verbunden, da beide seit dem 14. Jahrhundert zur kurmainzischen Enklave Fritzlar gehörten. Züschen war bis zu seiner Eingemeindung nach Fritzlar eine selbständige Stadt im Kreis und ehemaligen Fürstentum Waldeck. Die anderen Dörfer waren historisch hessisch.
Stadtbild

Der mittelalterliche Stadtkern ist von einer weithin intakten, 2,5 km langen Stadtmauer umringt, die 7,5 bis 10 m hoch und durchschnittlich 3 m dick und an strategischen Stellen von Türmen gekrönt war. Mit 37 m Höhe ist der „Graue Turm“ der höchste noch stehende städtische Wachturm in Deutschland. Die städtischen Wehranlagen wurden allerdings schon seit dem Siebenjährigen Krieg aus finanziellen Gründen und wohl auch wegen ihrer gegen moderne Artillerie zunehmenden Nutzlosigkeit vernachlässigt. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden dann eine Zahl von Stadttoren abgebrochen, da sie den Verkehr behinderten: das Hospitaltor 1823, das Werkeltor 1829, das Fleckenborntor 1834, und der Torturm des Haddamartors 1838. Von den einst 23 Wehrtürmen stehen heute nur noch neun. Die der Mauer vorgelagerten Wallgräben sind heute, bis auf geringe Reste an der Westseite, fast vollständig verschwunden.

Das Rathaus, mit einem Steinrelief von 1441 des St. Martin, des Schutzheiligen der Stadt, ist das älteste urkundlich erwähnte Amtshaus in Deutschland (1109). Die gotische Kirche des ehemaligen Franziskanerklosters ist heute die evangelische Gemeindekirche, während die übrigen Gebäude des Klosters in ein modernes Krankenhaus („Hospital zum Heiligen Geist“) umgewandelt worden sind. Das Krankenhaus umfasst alle Fachdisziplinen eines Akutkrankenhauses. Innere, chirugische, gynäkologische, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde werden heute betrieben. Viele Stadthäuser, insbesondere um den Markt herum, stammen aus dem 14. bis 16. Jahrhundert und sind sorgsam restauriert, und der Marktplatz bietet heute eine malerische Kulisse für Freiluftrestaurants und Cafes.
Das Stadtbild wird überragt von der romanisch-gotischen „Stiftskirche St. Peter“ (Dom), die von etwa 1085 bis 1118 an der Stelle einer kleineren von St. Wigbert errichteten steinernen Basilika erbaut wurde und zwischen 1180 und 1200 noch einmal erheblich umgebaut wurde. Abgesehen von im Lauf der folgenden Jahrhunderte vorgenommen kleineren An- und Umbauten erhielt die Kirche damals ihr heutiges Erscheinungsbild. Der „Dom“ ist heute päpstliche Basilika (Basilica minor).
Außerhalb der Stadt befinden sich noch heute sechs Wachtürme (Warten), die im Mittelalter als Wachposten und als Zufluchtsorte dienten.
Geschichte
Bonifatius, Donareiche und Stadtgründung
Die erste urkundliche Erwähnung im Jahr 724 geht auf Bonifatius (Winfrid) zurück, der ein Jahr zuvor bei Geismar (heute ein Stadtteil von Fritzlar) die Donareiche fällen ließ. Die romanisch-gotische Stiftskirche St. Peter, im Volksmund meist Dom genannt, aus dem 12. bis 14. Jahrhundert steht der Überlieferung nach an der Stelle, wo Bonifatius, Apostel der Deutschen, in Jahr 724 n. Chr. eine Kapelle aus dem Holz der von ihm gefällten Donareiche errichten ließ. Die Eiche war vom örtlichen Stamm der Chatten dem Donar (Thor) geweiht und eines der wichtigsten germanischen Heiligtümer. Bonifatius ließ sie fällen, um den Chatten die Überlegenheit des christlichen Gottes zu demonstrieren. Dieses Ereignis kennzeichnet gemeinhin den Beginn der Christianisierung der mittel- und norddeutschen Stämme. Da es unwahrscheinlich ist, dass Bonifatius das Holz weit tragen ließ, und da er sicherlich den Ort des heidnischen Heiligtums nicht zum Wiederaufleben des Donarkultes verfügbar lassen wollte, ist es höchstwahrscheinlich, dass die Donareiche auf dem Hügel stand, wo heute der Dom steht.
Für seine Missionsarbeit im nordhessischen Grenzgebiet zwischen Franken und Sachsen hatte Bonifatius auf der Büraburg, auf einem Hügel am Fritzlar gegenüberliegenden Südufer der Eder, seine Basis. Um die Missionierung voranzutreiben, erhob er Büraburg zum Bistum, dem ersten in Deutschland östlich des Limes. Nach dem Tod von Witta, dem ersten und einzigen Bischof (beigesetzt in der Abtei Hersfeld), wurde das Bistum nicht neu besetzt, sondern von Lullus, dem Schüler und Nachfolger Bonifatius' als Erzbischof von Mainz, in das Erzbistum Mainz eingegliedert. Fritzlar spielte seitdem in der Organisation des Mainzer Erzbistums eine wichtige Rolle: der Propst des Stiftes St. Peter war gleichzeitig Vorsteher eines Archidiakonats, einer damaligen Organisationseinheit von Diözesen.
Das von Bonifatius 724 gegründete Benediktinerkloster in Fritzlar entwickelte sich unter dem Abt Wigbert zu einem in der Folgezeit bedeutenden Zentrum kirchlicher und weltlicher Gelehrsamkeit. Die Klosterschule erhielt 731 die älteste deutsche Schulordnung. Karl der Große, aus dessen Zeit auch die erste Kaiserpfalz in der Stadt stammt, verlieh dem Kloster Reichsschutz und erhebliche Ländereien, und damit begann die schnelle Entwicklung der Stadt. Das Kloster wurde 1005, nachdem seine ihm von Bonifatius zugewiesene Missionsaufgabe erfüllt war, in ein Kollegiatstift umgewandelt. Die Stiftsherren lebten nicht mehr in klösterlicher Gemeinsamkeit, sondern in ihren eigenen Häusern, den Kurien, von denen einige beachtenswerte aus dem 14. Jahrhundert noch heute das Stadtbild zieren. Das Stift wurde erst 1803 im Zuge der allgemeinen Säkularisation aufgelöst. Sein berühmtester Schüler war der Dichter Herbort von Fritzlar, der um 1200 lebte.
Heinrich I. und mittelalterliche Reichspolitik
Die strategisch wichtige Lage der Stadt, im Grenzbereich zwischen fränkischem und sächsischem Siedlungsgebiet und an einem Kreuzungspunkt wichtiger frühmittelalterlicher Straßen aus verschiedenen Richtungen, machte Fritzlar zu einem bevorzugten Aufenthaltsort der deutschen Könige und Kaiser in Hessen, insbesondere im 10. und 11. Jahrhundert. Die Kaiserpfalz, wahrscheinlich schon zur Zeit Karls des Großen errichtet, ist allerdings heute nicht mehr vorhanden. So war Fritzlar bis zum Ausgang des 11. Jahrhunderts Ort bedeutsamer Reichstage, Versammlungen, Synoden und Kaiserbesuche.
In einem Gefecht bei Fritzlar im Jahr 906 gelang es dem Grafen Konrad dem Jüngeren aus dem Geschlecht der Konradiner, seine Babenberger Rivalen um die Vorherrschaft in Franken, die ihn dort überfallen hatten, entscheidend zu schlagen und, da sein Vater Konrad der Ältere in dem Kampf gefallen war, sich damit die Herzogswürde von Franken zu sichern. Konrad wurde fünf Jahre später in Forchheim als Konrad I. und Nachfolger seines Onkels Ludwig dem Kind zum König des Ostfränkischen Reiches gewählt. Die konradinische Burg am Westende der Stadt Fritzlar wurde damit zur Königspfalz.
Der wohl wichtigste Reichstag in Fritzlar war der von 919, auf dem Heinrich der Vogler, Herzog von Sachsen, als Heinrich I. zum König der Deutschen gewählt wurde. König Konrad I. war im Dezember 918 ohne Sohn verstorben und hatte seinem Bruder, Markgraf (und nach Konrads Tod Herzog) Eberhard von Franken, aufgetragen, Heinrich die Krone anzutragen, da seiner Ansicht nach nur Heinrich in der Lage war, den Streit zwischen Franken und Sachsen beizulegen, die süddeutschen Stammesherzogtümer Bayern und Schwaben sowie Lothringen wieder fest ins Reich einzubinden, und die Reichseinheit zu bewahren. Eberhard und in der Folge auch Herzog Burchard I. von Schwaben unterstützten die Wahl Heinrichs, aber Herzog Arnulf I. von Bayern unterwarf sich erst, als Heinrich 921 mit einem Heer in Bayern einmarschierte. Heinrich war damit der erste Sachse, der den fränkischen Nachfahren and Nachfolgern Karls des Großen auf dem Thron des ostfränkischen Reichs folgte. Heinrichs Wahl beendete die lange und bittere Rivalität zwischen Franken und Sachsen und kennzeichnet die Geburt des mittelalterlichen Deutschen Reiches, das erst in den Napoleonischen Kriegen 1806 endete.
Noch vier weitere Male -- 953, 954, 1002 und 1074 -- war die Stadt Ort von Reichs- und Fürstentagen, und mindestens elf weitere Male hielten die Kaiser, vor allem die Ottonen und Salier, in der Stadt Hof, Rat und Gericht.
Bedeutsam waren auch die drei in Fritzlar gehaltenen Synoden der mainzischen Kirchenprovinz in den Jahren 1118, 1244 und 1259. Auf der vom päpstlichen Kardinallegaten Kuno von Praeneste geleitete Synode in Fritzlar von 1118 wurde der der päpstliche Bann gegen Kaiser Heinrich V., der in einem neuen Investiturstreit mit dem Papst lag, verkündet und bestätigt. Gleichzeitig wurde Fürstbischof Otto von Bamberg von der päpstlichen Partei seines Amtes enthoben, weil er als Reichskanzler seinem Kaiser im Streit mit Rom treu geblieben war. Auf der selben Synode verteidigte sich Norbert von Xanten, der nachmalige Gründer des Prämonstratenserordens und spätere Erzbischof von Magdeburg, durch seine Berufung auf Johannes den Täufer erfolgreich gegen den Vorwurf der Ketzerei, den die Amtskirche wergen seiner charismatischen Reform- und Bußpredigten als Wanderprediger erhoben hatte.
Die Reichspolitik streifte Fritzlar noch einmal im Jahr 1400. Herzog Friedrich von Braunschweig und Lüneburg wurde von der Mehrheit der Kurfürsten auf dem Fürstentag in Frankfurt zum Gegenkönig von Wenzel von Luxemburg (siehe Liste der römisch-deutschen Herrscher) erwählt, aber Erzbischof Johann II. von Mainz erkannte diese Wahl nicht an, so dass die beiden Parteien im Unfrieden aus Frankfurt abreisten. Friedrich wurde auf seiner Heimreise am 5. Juni 1400 bei Fritzlar, in der Nähe des heutigen Dorfes Kleinenglis, vom Grafen Heinrich VII. von Waldeck und dessen Kumpanen Friedrich von Hertingshausen und Konrad (Kunzmann) von Falkenberg ermordet -- allesamt Lehnsmannen von Kurmainz. Wenzel durfte seine Krone bis zum 20. August behalten, ehe er dann doch abgesetzt und durch den Pfalzgrafen Ruprecht ersetzt wurde. An den Mord von 1400 erinnert seit dem 15. Jahrhundert das am Tatort errichtete sog. Kaiserkreuz von Kleinenglis.
Territorialer Zankapfel
Auf Grund seiner Lage im Grenzgebiet zwischen fränkischen und sächsischen Ländereien, später als erzbischöflich mainzische Enklave in der Landgrafschaft Thüringen und anschließend in der Landgrafschaft Hessen, war die Stadt immer wieder Anlass, Ausgangspunkt oder Ort kriegerischer Auseinandersetzungen - zwischen Sachsen und Franken, zwischen geistlichen und weltlichen Herren und zwischen katholischen und protestantischen Fürsten. Sie wurde häufig belagert, mehrfach erobert und gebrandschatzt, aber immer wieder neu aufgebaut.
Die erste Zerstörung ereignete sich schon im Jahr 774, während der Sachsenkriege Karl des Großen. Als Karl in Italien war, drangen die Sachsen nach Nordhessen ein und belagerten die Büraburg, wo die Bevölkerung Fritzlars Schutz gesucht hatte. Sie konnten zwar die Burg nicht einnehmen, plünderten aber die Stadt und brannten sie nieder. Nur Wigberts steinerne Basilika blieb unversehrt, was dann zu der Legende führte, zwei Engel seien erschienen und hätten die Feinde verjagt. Die Stadt wurde sofort wieder aufgebaut, und schon 786 fand dort eine Kirchenversammlung statt, auf der der dritte Erzbischof von Mainz gewählt wurde. Die Fritzlarer Äbte wurden von da an bis zum Jahr 1051 in Mainz zu Weihbischöfen eingesetzt.
In den Jahren von 1066 bis 1079 gingen Stift, Amt, Pfalz und Stadt Fritzlar schrittweise durch Schenkungen von Kaiser Heinrich IV. aus königlichem Besitz in das Eigentum der Mainzer Erzbischöfe über und die Stadt verlor damit sehr bald ihre Bedeutung als Ort der Reichspolitik. Die Zugehörigkeit zu Mainz endete erst mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803. An diese jahrhundertelange Zugehörigkeit erinnert das Stadtwappen, das (doppelte) rote Mainzer Rad auf silbernem Grund.
Zuvor jedoch hatte der Streit Heinrichs IV. mit Rom und mit dem vom Papst unterstützten Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden für Fritzlar noch schlimmere Folgen. Heinrich, der sich häufig in der Pfalz in Fritzlar aufhielt, hatte sich im Winter 1078/79 wiederum in Fritzlar einquartiert. Ein sächsisches Heer, Parteigänger Rudolfs, griff ihn daraufhin im Frühjahr 1079 dort an. Er konnte fliehen, aber die Stadt wurde erobert und vollkommen verwüstet.
In den folgenden Jahrhunderten war dann Fritzlar (wie auch Naumburg and Amöneburg) Eckpfeiler der mainzischen Territorialpolitik in Nordhessen, und die Stadt wurde zum Brennpunkt wiederholter militärischer Auseinandersetzungen zwischen den Landgrafen von Thüringen und später von Hessen einerseits und den Mainzer Erzbischöfen andererseits. Heinrich Raspes Bruder, Konrad von Thüringen, der als Graf von Hessen (Gudensberg) die hessischen Teile der damaligen Landgrafschaft Thüringen verwaltete, eroberte Fritzlar nach dreimonatiger Belagerung am 15. November 1232; die Stadt wurde vollständig ausgeplündert und eingeäschert und ein Großteil der Einwohner getötet. Alte Chroniken berichten, Konrad sei bereits zum Abzug aufgebrochen, als ihn einige „lose Weiber“ von der Stadtmauer herab durch ungemein unsittliche Gesten so erbosten, dass er den erneuten Sturm und die Zerstörung der Stadt befahl. Konrad wurde dafür mit dem päpstlichen Bann belegt, ging zur Abbitte nach Rom, trat 1334 in den Deutschen Orden ein, und kam zurück nach Fritzlar, um mit eigenem und aus Ablässen gewonnenem Geld den Wiederaufbau der Stiftskirche zu finanzieren. Die Stadt begab sich sofort an den Wiederaufbau, verstärkte die Befestigungsanlagen, errichtete eine Reihe zusätzlicher Mauertürme und sieben Warten an strategischen Punkten rund um die Stadt. Schon 1243, als Erzbischof Siegfried III. eine Synode nach Fritzlar einberief, war die Stiftskirche wieder vollständig repariert.
Dennoch erlitt die Stadt erneut erheblichen Schaden, als Landgraf Heinrich I. 1280 bei Fritzlar ein Aufgebot des Mainzer Erzbischofs Werner von Eppstein, verstärkt durch Truppen des Grafen Gottfried VI. von Ziegenhain und des Grafen von Battenberg, mit einem Landsturmheer vernichtend schlug. Heinrich, Enkel der Hl. Elisabeth, war 1277 auf der Mader Heide zum Landgrafen ausgerufen worden und nannte sich seitdem Landgraf von Hessen, musste sich aber gegen die starke Präsenz des Mainzer Erzbistums in seinem nordhessischen Machtbereich behaupten, da Mainz ebenfalls Ansprüche auf die durch den Tod von Heinrich Raspe vakant gewordene Herrschaft über das nördliche Hessen erhob.
Wirtschaftlich brachte es der Stadt zunächst Vorteile, mainzisch zu sein. Die Erzbischöfe siedelten freie Kaufleute an, die Stadt wurde die erste Münzprägestätte in Hessen, und sie rangierte als Handelsplatz für Tuche, Pelze und Gewürze vor Kassel. Die erste Stadtmauer wurde in den Jahren 1184-1196 erbaut. Beginnend im Jahre 1280 wurde die sog. Neustadt erbaut, die mit einer eigenen Stadtmauer umgeben wurde und bis ins sechzehnte Jahrhundert rechtlich selbständig blieb. Die städtische Wasserversorgung wurde durch ein System von hölzernen Rohrleitungen gesichert, durch die Wasser aus der Eder bzw. dem Mühlengraben in Brunnen und Wasserspeicher auf dem Marktplatz und dem Domplatz gepumpt wurde.
Die endgültige militärische Niederlage der Erzbischöfe gegen die hessischen Landgrafen im 15. Jahrhundert -- mit den entscheidenden Siegen des Landgrafen Ludwig I. über die Truppen des Mainzer Erzbischofs Konrad III. von Dhaun am 23. Juli 1427 bei Fritzlar (zwischen dem nahen Dorf Kleinenglis und der heutigen Wüstung Holzheim) und am 10. August 1427 bei Fulda -- und der Beginn der Reformation im 16. Jahrhundert brachten dann einen Niedergang in der Bedeutung der Stadt. Nach dem Augsburger Religionsfrieden blieb Fritzlar mit den benachbarten Dörfern Ungedanken und Rothelmshausen mainzisch und katholisch, während das Umland protestantisch wurde. Daraus erwuchs die vollkommene konfessionelle und auch weitgehend ökonomische Isolierung der Stadt.
Pest und Kriege
Im Jahr 1483 wütete die Pest. Von etwa 2200 Einwohnern überlebten nur etwa 600. Der Schwarze Tod zog in der Folge noch mehrmals durch die Stadt, so insbesondere in den Jahren 1472, 1483, 1558, 1567, 1585, 1597, 1610/11 und 1624. Erst um 1840 erreichte die Stadt wieder 2000 Einwohner.
Der Dreißigjährige Krieg brachte 1621 eine Plünderung durch Truppen des Herzogs Christian von Braunschweig, und am 9. September 1631 die Eroberung und Plünderung durch protestantische Truppen des hessischen Landgrafen Wilhelm V., verbunden mit der Erpressung schwerer Kontributionszahlungen. Auf seinem Rückzug nach der Schlacht bei Lützen kam Tilly nach Fritzlar, das die Hessen rechtzeitig verlassen hatten, nach seinem Weiterzug jedoch sofort wieder besetzten. Sie blieben bis 1648, obwohl mehrfach von kaiserlichen Truppen zum zeitweiligen Abzug gezwungen. Am 14. August 1640 besetzen kaiserliche Truppen unter Erzherzog Leopold Wilhelm und General Piccolomini die Stadt, und am 20. August erschien eine schwedische Armee unter General Banner, dem die kaiserlichen allerdings nicht zur großen Schlacht entgegenzutreten bereit waren. Nach dem Abzug der Schweden und der kaiserlichen kehrten die Hessen zurück. 1647 besetzten kaiserliche und bayrische Truppen unter den Generalen von Gronsfeld und Melander die Stadt aufs Neue, wurden von Schweden und Hessen unter General Wrangel und Franzosen unter Turenne vertrieben, kehrten jedoch alsbald zurück und zogen erst im Frühjahr 1648 wieder ab. Wieder kamen hessische Besatzer in die Stsdt, die sie erst am 31. August 1648 endgültig räumten.
Der Siebenjährige Krieg brachte noch schwerere Verwüstungen. In häufigem Wechsel besetzten feindliche Hessen, Braunschweiger, Hannoveraner und Engländer und dann wieder verbündete Franzosen und Württemberger die Stadt. Vom 12. bis 15. Februar 1761 kam es zu schweren Kämpfen zwischen den in der Stadt liegenden etwa 1.000 französischen und irischen Truppen unter dem General Vicomte de Narbonne-Peletor und einer 6.000 Mann starken Belagerungsarmee unter dem Erbprinzen von Braunschweig-Wolfenbüttel, Karl Wilhelm Ferdinand, einem Neffen Friedrichs des Großen. Nach besonders für die Hannoveraner verlustreichen Kämpfen am 13. Februar zogen die Belagerer am 14. Februar weitere 15.000 Mann und starke Artillerie im Norden der Stadt zusammen und begannen ein schweres Artilleriebombardement, das am 15. Februar mit Brandgeschossen fortgesetzt wurde und große Zerstörungen verursachte. General Narbonne kapitulierte am Nachmittag des 15. Februar und erhielt mit seinen Leuten freien Abzug. Die siegreichen Verbündeten zogen ein, erhoben 10.000 Taler Kontribution, und begannen mit dem Schleifen der Wehrmauern bzw. dem Abbruch der Mauerkronen und Wehrgänge. Erst beim Herannahen eines starken französischen Heeres am 9. März verließen sie die Stadt. 1762 setzten die Franzosen die Zerstörung der Wehranlagen fort, indem sie Türme und Mauerteile abbrechen ließen, die beiden nördlichen Wallgräben zuschütteten, und den Weinberg am steilen Edernordhang verwüsteten, an den heute nur noch Straßennamen erinnern. Fritzlar hörte auf, eine „feste Stadt“ zu sein.
Klostergründungen und -schließungen
Das Benediktinerkloster von Bonifatius und Wigbert und das daraus hervorgegangene Stift St. Petri blieben nicht die einzigen kirchlichen Institutionen, die im Laufe der Jahrhunderte in der Stadt errichtet wurden. Das Stift wurde am 28. Mai 1803 aufgelöst.
Nach der Totalzerstörung der Stadt durch Konrad von Thüringen im Jahre 1232 erbaten und erhielten die Franziskaner die Erlaubnis, ein Kloster zu errichten und dabei, aus Platzmangel, bis direkt an die Stadtmauer bauen zu dürfen. Da damit der Wehrgang hinter der Mauer verloren ging, auf dem Verteidiger schnellstmöglich von einer Stelle zu einer anderen gelangen konnten, mussten sich die Brüder im Gegenzug verpflichten, ihren Mauerabschnitt zu verteidigen. Als Papst Leo X. 1517 die durch den Armutsstreit herbeigeführte Spaltung des Franziskanerordens anerkannte, bekannte sich das Kloster zum Orden der Minoriten (Konventualen), denen gemeinschaftlicher Besitz erlaubt war. 1548, als die lutherische Reformation in der Stadt viele Anhänger hatte, musste das Kloster schließen, und 1552, als landgräflich-hessische Truppen die Stadt besetzten und die Reformation unter Druck eingeführt wurde, mussten die Mönche die Stadt verlassen. Die landgräfliche Besetzung endete 1555 nach dem Religionsfrieden von Augsburg, und die Stadt blieb katholisch. Allerdings musste am 14. Januar 1562 der Domdechant von Mainz mit 200 Reitern und 300 Fußsoldaten einen Aufstand der der protestantischen Seite zuneigenden Bürger beenden. Mit der Gegenreformation kamen dann 1615 zuerst Jesuiten und 1619 wieder Minoriten. Nach der Säkularisation wurde das Kloster 1804 auf Aussterbeetat gesetzt und 1811 endgültig aufgehoben; der gesamte Klosterbesitz, einschließlich der Kirche, wurde der Stadt Fritzlar übereignet. Die große gotische Klosterkirche, 1244 fertiggestellt, wurde 1817/1824 von der wenige Jahre zuvor gegründeten evangelischen Stadtgemeinde erworben und ist seitdem evangelische Stadtkirche, während die übrigen Klostergebäude heute ein modernes Hospital beherbergen.
Der Deutsche Orden hatte bereits 1219 Besitz in Fritzlar und erhielt 1231 durch Schenkungen von Landgraf Heinrich Raspe von Thüringen größere Güter im heutigen Stadtteil Obermöllrich. Als dann drei Jahre später das Nonnenkloster Ahnaberg seine Güter in Obermöllrich dem Deutschorden in Erbpacht übertrug, errichtete der Orden 1234 in Obermöllrich eine Kommende, die zunächst zur Ballei Thüringen gehörte. Von 1255 an war sie dann eine der neun Kommenden der von Thüringen abgespaltenen und nunmehr selbständigen Ballei Hessen. Der Orden verlegte die Kommende im Jahr 1304 nach Fritzlar. Das damalige Komtureigebäude wurde 1717 abgebrochen. An seiner Stelle erbaute der Landkomtur der Ballei Hessen, Graf Damian Hugo von Schönborn, das heute noch erhaltene und in Privatbesitz befindliche sog. Deutschordenshaus.
Die etwas östlich der Altstadt liegende Fraumünsterkirche, erstmals 1260 bekundet, mag Teil eines kurzlebigen Nonnenklosters gewesen sein; darauf weisen der Name als auch einige Dokumente aus dem 14. Jahrhundert hin. Um die Kirche gab es häufig Streit, insbesondere nach der Einführung der Reformation in Hessen im Jahr 1527, da sie zu dem hessischen Dorf Obermöllrich gehörte, aber auf kurmainzisch-fritzlarer Gebiet stand.
1711 gründeten die Ursulinen von Metz aus ein Kloster in Fritzlar und begannen ein Jahr später mit einer Schule für Mädchen. Das Klostergebäude wurde 1719 fertiggestellt und bezogen. Während der Zeit des Bismarckschen Kulturkampfes wurden die Schwestern von 1877 bis 1887 des Landes verwiesen, erlangten dann aber 1888 staatliche Anerkennung durch Preußen. Die Nazizeit brachte erneute Schwierigkeiten: die Grundschule musste 1934, das Lyzeum 1940 geschlossen werden, und 1941 wurden das Kloster beschlagnahmt und die Nonnen von der Gestapo ausgewiesen. Seit ihrer Rückkehr im November 1945 haben Kloster und Schule einen stetigen Aufschwung erlebt. Heute ist die Ursulinenschule eine kooperative Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe.
1989 wurde in Fritzlar ein Prämonstratenserkloster gegründet, das seit 1992 als Priorat St. Hermann Josef existiert.
Neuzeit
Nach dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 wurde Fritzlar zusammen mit den ebenfalls bis dahin kurmainzischen Ämtern Naumburg, Amöneburg und Neustadt als nominelles Fürstentum Fritzlar an Hessen-Kassel angegliedert. Landgraf Wilhelm IX. hatte schon im September/Oktober 1802 -- auf der Basis der Abmachungen des Friedens von Luneville (9. Februar 1801) und des französisch-russischen Entschädigungsplanes (18. August 1802), und im Vorgriff auf den Reichsdeputationshauptschluß -- diese Ämter und das bis zu diesem Zeitpunkt kurkölnische Volkmarsen militärisch besetzen lassen und am 1. Dezember 1802 rechtlich in Besitz genommen. Im Jahr 1821 wurde Fritzlar Kreisstadt des Kreises Fritzlar im Kurfürstentum Hessen-Kassel und blieb es auch nach der Annexion Kurhessens durch Preußen im Jahr 1866. Während einer nur kurzzeitigen Verwaltungsreform 1848 bis 1851 war die Stadt Verwaltungssitz des Bezirks Fritzlar, dem die bisherigen (und nachmaligen) Kreise Fritzlar, Homberg und Ziegenhain angehörten.
Im Österreichisch-Preußischen Krieg besetzten Ende Juni 1866 zunächst Trierer Husaren und dann preußische Artillerie und Infanterie die Stadt, ohne dass es jedoch zu Kämpfen oder Zerstörungen kam.
1932 wurde der Kreis mit dem benachbarten Kreis Homberg zum Kreis Fritzlar-Homberg (Autokennzeichen FZ) zusammengelegt.
Im Zweiten Weltkrieg waren vor Allem der 17./18. Mai 1943, als die Sprengung der Edertalsperre eine verheerende Flutwelle durch die niedrig gelegenen Stadtteile jagte, und die Ostertage 1945 von besonderer Bedeutung. Amerikanische Panzerspitzen erreichten den Stadtrand am Karfreitag. In den folgenden 36 Stunden fanden etwa 40 deutsche und 120 amerikanische Soldaten den Tod, ehe die Stadt am Ostersonntag von den Amerikanern besetzt wurde.
Im Zuge der Gebiets- und Verwaltungsreform von 1974 wurden die Kreise Fritzlar-Homberg, Melsungen und Ziegenhain im neuen Schwalm-Eder-Kreis zusammengefasst, dessen Verwaltungssitz nach Homberg (Efze) gelegt wurde (Autokennzeichen HR). Zur gleichen Zeit wurden neun umliegende Dörfer und die ehedem waldeckische Stadt Züschen nach Fritzlar eingemeindet.
Garnisonsgeschichte
Mit der Eingliederung der Stadt in das Kurfürstentum Hessen-Kassel begann die Geschichte der Garnisonsstadt Fritzlar. Schon 1803 wurde eine Schwadron des kurfürstlich-hessischen Dragonerregiments "Landgraf Friedrich“ von Wolfhagen nach Fritzlar verlegt, bald gefolgt von weiteren Teilen des Regiments. 1806, nach Ausbruch des französisch-preußischen Krieges, besetzte Marschall Mortier das neutrale Kurfürstentum. Die kleine, aber gut ausgerüstete und geübte kurhessische Armee wurde entwaffnet und aufgelöst bzw. in die Armee des von Napoleon neugeschaffenen Königreichs Westphalen (1807-1813) eingegliedert.
Nach der Wiederherstellung des Kurfürstentums kam das kurhessische 1. Husaren-Regiment nach Fritzlar. 1827 ließ die Stadt das Hochzeitshaus für 2.000 Taler als "Menage" für das Regiment einrichten. 1840 wurde die Garnison wieder aufgelöst. Während der hessischen Verfassungskämpfe wurde Fritzlar 1850/51 mit einer Besatzung von sog. „Strafbayern“ belegt.
Nach der Annexion Hessen-Kassels durch Preußen im August 1866 wurde Fritzlar 1867 preußische Garnison, mit der Einquartierung von zunächst Kavallerie und dann von Feldartillerie in dem weitläufigen, am Nordrand der Stadt neu angelegten Kasernenkomplex. Das in der Stadt liegende Artillerieregiment 14 nahm 1870/71 an den Schlachten bei Weißenburg (4. August 1870), Wörth (6. August 1870) und Sedan (1. September 1870) und an der Belagerung von Paris teil. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 lag das Kurhessische Feldartillerie-Regiment Nr.11 in Fritzlar (und Kassel).
Die Stadt blieb auch in den Zwischenkriegsjahren Garnison, und während der Aufrüstung im Dritten Reich wurde diese erheblich verstärkt. Die alte Watterkaserne an der Kasseler Straße beherbergte das Artillerie-Regiment 5 und Teile der Artillerie-Regimenter 9, 29, 45 und 65 und diverse Schulungs- und Ersatztruppenteile. Ein 1935-1938 neu angelegter 300 Hektar großer Fliegerhorst in der Ederniederung südlich der Stadt wurde Standort von Nachtjagd- und Kampffliegern.
Nach Ende des Krieges wurde die weitläufige alte Artilleriekaserne aufgegeben und ihre Gebäude wurden für zivile Zwecke verfügbar gemacht (u.a. Flüchtlingsunterkunft, Gewerbeansiedlung, Schule, Sporthalle, Reithalle, Winterquartier für den Zeltzirkus Althoff), während der Fliegerhorst von Besatzungstruppen genutzt wurde. Von August 1946 bis Juni 1947 war die amerikanische 27th Fighter Group mit P-47 Thunderbolt Kampfflugzeugen dort stationiert. 1951 kamen französische Truppen (Teile des 5. Husaren-Regiments, mit AMX-13 Aufklärungspanzern) auf den Fliegerhorst, später abgelöst durch Teile der 3. Infanterie-Division.
Mit der Aufstellung der Bundeswehr 1956 zogen die Besatzungstruppen ab, und an ihrer Stelle zogen deutsche Grenadier- und Artillerie-Bataillone sowie später auch noch Heeresflieger ein. Seit 2002 war das Sanitätsleitzentrum 210 in Fritzlar stationiert. 2006 schließlich wurden im Zuge der Neuorganisation der Bundeswehr der Stab und die Stabskompanie der Luftbeweglichen Brigade 1, das zur Brigade gehörende Kampfhubschrauberregiment 36 mit 32 Kampfhubschraubern ("Tiger")(noch im Aufbau, z.Zt. noch mit BO 105 ausgerüstet), und Teile des Jägerregiments 1 (luftbeweglich) in Fritzlar stationiert; diese Einheiten sind alle Teil der neuen Division Luftbewegliche Operationen.
Religionen
Allgemein
Religion hat in der Geschichte der Stadt eine sehr bedeutende Rolle gespielt, anfangend mit dem Fällen der Donareiche und dem Bau der ersten Kapelle durch Bonifatius. Mit dem Beginn der Reformation, die von den Landgrafen von Hessen unterstützt wurde, geriet das erzbischöflich-mainzische Fritzlar mit den benachbarten mainzischen Dörfern Ungedanken und Rothelmshausen in eine totale religiöse Isolation, die auch erhebliche wirtschaftliche Folgen hatte. Die Bevölkerung dieser Enklave war bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein mit großer Mehrheit katholisch. Im Zuge der fortschreitenden städtischen Entwicklung und mit dem Zuzug von Verwaltungsangestellten, Militärs und Dienstleistungsgewerbe wuchs allerdings der Anteil der protestantischen Bevölkerung allmählich, bis er dann nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Aufnahme von Flüchtlingen und in der Folge durch Zuwanderung aus den umliegenden Orten bis etwa auf die Hälfte der Gesamtbevölkerung anwuchs.
Die jüdische Gemeinde
Eine jüdische Gemeinde bestand bereits im Mittelalter (seit ca. 1200), wurde aber während der Judenverfolgung in der Pestzeit 1348/49 vernichtet. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts entstand eine neue Gemeinde. Nach 1469 verließen die meisten jüdischen Familien die Stadt, ohne dass es zu einer formalen Ausweisung gekommen war. Im 17./18. Jahrhundert lebten nur wenige jüdische Familien in der Stadt, und erst im Laufe des 19. Jahrhunderts entstand wieder eine jüdische Gemeinde. Um 1860 erreichte die Zahl der jüdischen Einwohner mit 139 Personen ihren höchsten Stand. Eine Synagoge bestand seit Ende des 18. Jahrhunderts. Eine neue Synagoge, am 30. Juni 1897 eingeweiht, wurde im Zusammenhang mit dem Novemberpogrom 1938 (Reichskristallnacht) zerstört. Zahlreiche jüdische Einwohner wurden nach den Deportationen in Vernichtungslagern ermordet, unter ihnen der letzte Vorbeter und Lehrer der Gemeinde, Gustav Kron, und seine Frau. Heute erinnern nur noch der große jüdische Friedhof am Schladenweg, einige Gassennamen (z. B., Judengasse, Am Jordan) in der Altstadt und eine Gedenktafel am Ort der zerstörten Synagoge sowie die erst kürzlich entworfenen sog. „Stolpersteine“ (goldene Pflastersteine mit Namen der ermordeten Juden) an diese Mitbürger.
Muslimische Bürger
Heute lebt auch eine beträchtliche Anzahl von Bürgern islamischen Glaubens und zumeist türkischer Herkunft in der Stadt.
Politik
Die Kommunalwahl am 26. März 2006 lieferte folgendes Ergebnis bei der Stadtverordnetenversammlung:
Parteien und Wählergemeinschaften | % 2006 |
Sitze 2006 |
% 2001 |
Sitze 2001 | |
CDU | Christlich Demokratische Union Deutschlands | 47,7 | 18 | 44,9 | 17 |
SPD | Sozialdemokratische Partei Deutschlands | 34,2 | 13 | 37,2 | 14 |
GRÜNE | Bündnis 90/Die Grünen | 5,5 | 2 | 5,6 | 2 |
FDP | Freie Demokratische Partei | 3,8 | 1 | 3,9 | 1 |
FWG | Freie Wählergemeinschaft Fritzlar | 8,8 | 3 | 8,5 | 3 |
Gesamt | 100,0 | 37 | 100,0 | 37 | |
Wahlbeteiligung in % | 58,6 | 60,4 |
Der Magistrat besteht aus 10 Mitgliedern und dem Bürgermeister. Davon entfallen 3 Sitze auf die SPD, 4 Sitze auf die CDU und jeweils ein Sitz auf FWG, FDP und Bündnis 90/Die Grünen.
Bürgermeister Karl-Wilhelm Lange (CDU) wurde am 26. März 2006 mit einem Stimmenanteil von 65,8 % wiedergewählt. Der parteilose Kandidat Hans Mertens erhielt 34,2 % der Stimmen.
Wappen
Das Stadtwappen zeigt zwei rote, mit einem roten Kreuz verbundene von oben links nach unten rechts schräg gestellte Räder auf silbernem Hintergrund. Mit dem Doppelrad lehnt sich das Fritzlarer Wappen an das von Mainz an und bekundet damit die jahrhundertelange politische Zugehörigkeit der Stadt zum Erzbistum Mainz.
Städtepartnerschaften
- Burnham-on-Sea/Highbridge in der Grafschaft Somerset, Großbritannien
- Casina in der Region Emilia-Romagna, Italien
Wirtschaft
Die Stadt ist vor allem ein Verwaltungs- und Dienstleistungszentrum, mit öffentlichen und kirchlichen Behörden, einem Amtsgericht, Schulen, Krankenhaus, usw. Dazu kommen Einkaufszentren, Läden, Restaurants, Kinos, Sportstätten, Reparaturbetriebe, Ärzte und andere private Dienstleister. Größter Arbeitgeber ist die Bundeswehr. Außerdem gibt es eine mittelgroße Konservenfabrik, die insbesondere Sauerkraut herstellt. Fritzlar zählt dank seiner malerischen Innenstadt und des Einkaufszentrums „Domstadt-Center“ zu einer der beliebtesten Einkaufsstädte der Region.
Verkehr
Die wichtigsten Verkehrsanbindungen sind folgende:
- Eisenbahnlinie Wabern-Bad Wildungen (in Wabern Anschluss an die Hauptlinie Frankfurt-Hannover)
- Autobahn Kassel-Marburg (A 49)
- Bundesstraßen B 3, B 253 und B 450
- Expressbuslinie Kassel-Fritzlar-Bad Wildungen
- Fernbuslinie der BEX von und nach Berlin bzw. Frankfurt/Main (einmal täglich) ab Fritzlar-Allee
Bildungseinrichtungen
- Gymnasium: König-Heinrich-Schule
- Kooperative Gesamtschule mit Oberstufe: Ursulinenschule (katholisch; ehemals in Trägerschaft des Ursulinenordens, heutiger Träger: Bistum Fulda)
- Haupt- und Realschule: Anne-Frank-Schule
- Berufsfach- und Fachoberschule: Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Schule
- Deutsche Ausbildungsstätte / Theologisches Seminar des Freikirchlichen Bundes Gemeinde Gottes
- Grundschule: Schule An den Türmen
- Grundschule: Schule zum Obersten Holz
- Grundschule: Regenbogenschule Lohne - Züschen
- Schule für Praktisch Bildbare: Schule am Dom
- Krankenpflegeschule
Freizeit- und Sportanlagen
- Freibad (beheizt) in der Ederau
- Reitturnierplatz in der Ederau
- Schützenhaus (Kleinkaliber und Pistole) in der Ederau
- Tennisplätze in der Ederau und auf dem Roten Rain
- Sporthallen im Schulzentrum und an der Ursulinenschule
- Fußballstadion auf dem Roten Rain
- Gekennzeichnete Wanderwege im gesamten Umfeld
- Naturlehrpfad in der Ederau
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Theater
- SCALA Varieté Theater im historischen Baudenkmal
Museen
- Geschichts- und Heimatmuseum im Hochzeitshaus
- Dommuseum mit Domschatz und dem bedeutenden Kaiser-Heinrich-Kreuz
Bauwerke

- Stiftskirche St. Peter (Dom, um 1180), seit 2004 päpstliche Basilica minor
- Gotische Stadtkirche (ehem. Minoritenklosterkirche, 1244)
- Stadtmauer und Wehrtürme (12.-14. Jahrhundert)
- Grauer Turm, mit Museum (13. Jahrhundert)
- Rathaus (von 1109, ältestes Amtshaus Deutschlands)
- Marktplatz mit Rolandsbrunnen und ehemaliger Münze
- Hochzeitshaus (1580), mit Geschichtsmuseum
- Kurien (14.-15. Jahrhundert)
- Fachwerkhäuser (15.-18. Jahrhundert)
- Kloster der Franziskaner (Minoriten) (13. Jahrhundert), heute Hospital
- Kloster der Ursulinen (1719), heute Gymnasium
- Fraumünsterkirche
- Deutschordenshaus
- Warten (Wachttürme außerhalb der Stadt)
- Dorfkirche Werkel mit dem Glasbild Christus der Weltenrichter (Stockhausen)
Ausflugsziele in der näheren Umgebung
- Büraberg (Burg und Kloster aus dem 7. und 8. Jahrhundert, konservierte Ausgrabungen, Brigidakirche, Kreuzweg)
- Steinzeitsiedlung bei Geismar
- Steinkammergrab oder Dolmen bei Züschen (etwa 2000 v. Chr.)
- Bad Wildungen mit Schloss Friedrichstein
- Felsberg mit Felsburg
- Heiligenberg (bei Gensungen)
- Gudensberg mit Obernburg (Gudensberg)
- Borken, mit dem Hessischen Braunkohle Bergbaumuseum
- Bad Zwesten
- Homberg (Efze)
- Schloss Waldeck und Edersee
Regelmäßige Veranstaltungen
- Fasching, mit Rosenmontagszug
- Pferdemarkt (Viehmarkt und Volksfest), zweites Wochenende im Juli
- Hockeyturnier mit öffentlicher Feier, Ende Oktober
- Kulturwochen vor dem Dom, im August
Besonderes
Der bekannte Benimm-Ratgeber Adolph Freiherr Knigge schrieb 1795 seine Satire: "Reise nach Fritzlar im Sommer 1794".
Persönlichkeiten
Söhne und Töchter der Stadt:
- Herbort von Fritzlar, deutschsprachiger Dichter des Mittelalters
- Stephan Behlen (* 5. August 1784, † 7. Februar 1847 in Aschaffenburg), Forstwissenschaftler, Professor, Begründer 1825 der Zeitschrift "Allgemeine Forst- und Jagdwirtschaft"
- Wilhelm Naegel (* 3. August 1904, † 24. Mai 1956), Politiker (CDU), MdB, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses des Bundestages
- Horst Wackerbarth (* 1950), Photokünstler
- Stephan Balkenhol (* 1957), Künstler, Bildhauer
- Hadrian Daude, Theologe
- Peter Piller (Künstler)
- Elke Leonhard, Dr. phil., (*1949), deutsche Politikerin (SPD), MdB von 1990-2005, dort u. a. Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien
In Fritzlar wirkten, ohne dort geboren zu sein:
- Wigbert (* um 670 in Wessex; † 747 in Fritzlar), Missionarsgefährte von Bonifatius und erster Abt des Benediktinerklosters Fritzlar
- Burkhart von Ziegenhain († 1247), 1240-1247 Propst von Fritzlar, 1247 Erzbischof von Salzburg
- Bettina von Arnim (* 1785, † 1859), Schriftstellerin, Schülerin der Ursulinenkloster-Schule Fritzlar
- August Franke, Landrat von Fritzlar-Homberg, MdL
- Wilhelm Jestädt (* 1865 in Fulda, † 1926 in Fulda), 1905-1926 Dechant des Dekanates Fritzlar
- Erich Tursch (* 1902 in Lischa, Sudetenland, † 1983 in Kassel), Maler und Kunsterzieher, Lehrer an der König-Heinrich-Schule Fritzlar
- Gottfried Schreiber (* 1918 in Liegnitz, † 2003 in Fritzlar), 1975-1987 Präsident der Hessischen Tierärztekammer
- Josef Klik, (* 1935 in Kottiken, Sudetenland), Leichtathlet und Deutscher Meister im Kugelstoßen, Diskuswerfen und Zehnkampf, Schüler der König-Heinrich-Schule Fritzlar
- Gerd Loßdörfer (* 1943 in Nordhausen), Leichtathlet, Vizeeuropameister 1966 im 400-Meter-Hürdenlauf, Schüler der König-Heinrich-Schule Fritzlar
- Jochen Beyse, (* 1949 in Bad Wildungen), Schriftsteller,
Literatur
- Heinz Stoob (Hrsg.): Stadtmappe Fritzlar. Deutscher Städteatlas. Bd 2, 4. Teilband. Acta Collegii Historiae Urbanae Societatis Historicorum Internationalis. Serie C. Im Auftrag des Kuratoriums für vergleichende Städtegeschichte e. V. und mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft hrsg. von Heinz Stoob, Wilfried Ehbrecht, Jürgen Lafrenz und Peter Johannek. Größchen, Dortmund-Altenbeken 1979, 1993. ISBN 3-8911-5041-5