Geschichte der Stadt Nürnberg
Die Geschichte der Stadt Nürnberg war oft eng mit der Geschichte des Deutschen Reiches in seinen unterschiedlichen Ausprägungen verzahnt.
Anfänge und Burggrafenzeit
Nürnberg wurde als nuorenberc (felsiger Berg) am 16. Juli 1050 in der "Sigena-Urkunde" von Kaiser Heinrich III., mit der die Freilassung der Leibeigenen Sigena dokumentiert wird, erstmals urkundlich erwähnt; neuere Grabungen im Burghof haben Siedlungsspuren nachgewiesen, die deutlich vor dem Jahr 1000 liegen. Bei diesen Siedlungspuren wurde auch ein Fundament eines runden Turmes mit einer Wandstärke von zwei Metern ausgegraben, der nach Angaben des Landesamtes für Denkmalpflege vor 1000 errichtet wurde. Als kaiserlicher Stützpunkt erreichte die Nürnberger Burg bald Bedeutung für das Reich; südlich unterhalb der Burg, die 1183 und 1207 als "Pfalz" bezeichnet wurde, bezogen die Burgmannen Wohnquartiere und die dortige Siedlung, zu der offensichtlich auch Kaufleute und Handwerker gehörten, erhielt das Marktrecht.
Mit dem "Großen Freiheitsbrief" machte Kaiser Friedrich II. Nürnberg 1219 zur freien Reichsstadt mit den entsprechenden Sonderrechten für Politik und Handel. Bis zum Jahr 1427 wurde die Stadt von Burggrafen regiert, zunächst aus dem österreichischen Adelsgeschlecht von Raabs, ab 1192 von den Hohenzollern. Nachdem Burggraf Friedrich VI. 1412 auch Kurfürst von Brandenburg geworden war, verkaufte er 1427 den Burggrafentitel an den "Rat der Stadt Nürnberg" und zog sich auf seine Burg nach Cadolzburg zurück. Von diesem Zeitpunkt an bis zum Übergang an Bayern wurden die politischen Geschicke der Stadt von diesem Rat gelenkt.
Die Patrizische Ratsverfassung

Im "Rat der Stadt" waren die durch ihren Handel reich geworden Patrizierfamilien vertreten, zeitweise hatten auch einige Handwerkerzünfte ein gewisses Mitspracherecht. Die Anzahl der Mitglieder und der berechtigten Familien wechselte über die Jahrhunderte hinweg. So bestand der "Rat" im 15. Jahrhundert beispielsweise aus 26 Mitgliedern, die von 28 Familien bestimmt wurden, im 18. Jahrhundert waren es 34 Mitglieder, die 19 "rats- und gerichtsfähige" Familien der Stadt repräsentierten. Keine Familie durfte mehr als zwei Mitglieder haben. Die Mitgliedschaft war lebenslang und wurde jedes Jahr an Ostern formell bestätigt. Vorsitzende des Rates waren zwei Konsuln, die aber jeweils nur 26 Tage regieren durften. Als wichtigste und bekannteste dieser Patrizierfamilien sind u.a. zu nennen: Tucher von Simmelsdorf, Haller von Hallerstein, Löffelholz von Kolberg, Holzschuher von Harlach oder Stromer von Reichenbach.
Durch laufend neue Lehensverhältnisse mit den Bauern der Umgebung dehnte sich der Einfluss der Nürnberger Patrizier auf das gesamte Umfeld der Stadt aus, so dass Nürnberg zur bedeutendsten Regionalmacht der Gegend wurde. Aber auch soziale Angelegenheiten wurden nicht aus den Augen gelassen. So wurde vom Nürnberger Bürger Konrad Groß, der über seine Frau mit der Familie Haller verbunden war im Jahre 1339 das Heilig-Geist-Spital gegründet, das sich bald nicht nur zur wichtigsten sozialen Institution unter dem "Rat der Stadt" entwickelte, sondern über Zins- und Abgabenverpflichtungen zu einem der größten Grundstückbesitzer des Nürnberger Umlandes wurde. Als weitere bedeutende Sozialinstitution der Stadt ist noch das so genannte "Nürnberger Landalmosen" zu nennen.
Nürnbergs Blütezeit
Kaiser Ludwig der Bayer wählte Nürnberg gern als Aufenthaltsort; ebenso dann Karl IV., der 1356 in Nürnberg die Goldene Bulle erließ, in der zum einen die Wahl des deutschen Königs geregelt wurde, zum anderen festgelegt wurde, dass jeder Kaiser den ersten Reichstag nach seiner Wahl in Nürnberg abhalten sollte. Am 29. September 1423 übergab Kaiser Sigismund die Reichskleinodien "auf ewige Zeiten, unwiderruflich und unanfechtbar" der Stadt, wo sie bis Anfang des 19. Jahrhunderts (siehe "Übergang an Bayern") in der Kirche des Heilig-Geist-Spitals aufgewahrt wurden.
Die aufstrebende Regionalmacht Nürnberg geriet bald mit ihrem alten Herrschergeschlecht, den früheren Burggrafen, in Konflikt, die nach dem Verkauf ihres Einflusses in Nürnberg als Markgrafen vom Brandenburg-Kulmbach und als Kurfürsten von Brandenburg ebenfalls große Bereiche der Gegend um die Stadt unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Höhepunkt dieser Auseinandersetzung war in den Jahren 1449/1450 der so genannte "Erste Markgrafenkrieg", mit dem Markgraf Albrecht Achilles versuchte, sich seine früheren Rechte von der Stadt Nürnberg wieder zurückzuholen, was ihm nicht gelang.
Die folgenden Jahre zwischen 1470 und 1530 gelten allgemein als die Blütezeit der Stadt. In dieser Zeit lebte und arbeitete beispielsweise Albrecht Dürer in der Stadt, Martin Behaim baute den ersten Globus und Peter Henlein fertigte die erste Taschenuhr. Zu nennen sind aus diesem Zeitraum ferner der Holzschnitzer Veit Stoß, der Bildhauer Adam Kraft und der Erzgießer Peter Vischer.
Sehr schnell festigte sich die Reformation in Nürnberg und bereits im Jahre 1529 erklärte sich die Freie Reichsstadt auf dem Reichstag von Speyer als protestantisch. Mit Melanchthons Unterstützung entstand 1526 ein Gymnasium, das fähige Lehrer anziehen konnte. 1533 wurde eine neue, sich auch auf das Landgebiet erstreckende Kirchenordnung erlassen.
1543 wurde zum letzten Mal ein Reichstag nach Nürnberg einberufen.
Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges erlebte Nürnberg mit dem »Friedensmahl«, das Pfalzgraf Karl Gustav, der spätere König von Schweden, am 25. September/5. Oktober 1649 im großen Saal des Rathauses gab, noch einmal einen bedeutendes Ereignis.
Der Übergang an Bayern
Die einschneidendste Ereignisse in der Geschichte Nürnbergs spielen sich in den gut 20 Jahren von 1796 bis 1818 ab, in denen die Stadt an Bayern kommt. Die meisten Geschichtsbücher tun diese Ereignisse lapidar mit einem Satz ab und erwecken den Eindruck, als ob es sich um einen friedlichen Übergang gehandelt habe und sich die Nürnberger problemlos mit den neuen Herren ihrer Stadt arrangiert hätten. Die tatsächlichen Ereignisse zeigen jedoch ein völlig anderes Bild.
Am Nachmittag des 9. August 1796 besetzt die französische Revolutionsarmee unter General Jean-Baptist Jourdan (1762-1833) Nürnberg. Unmittelbar vor dem Einmarsch der französischen Truppen werden am frühen Morgen des selben Tages die Reichskleinodien durch den Oberst Johann Georg Haller von Hallerstein in Sicherheit gebracht, zunächst nach Regensburg und ab 1800 nach Wien, wo sie sich heute noch befinden. Nach der Niederlage in der Schlacht von Eggmühl (bei Regensburg) ziehen die Franzosen wieder ab. Als Schutzmacht ruft der "Rat der Stadt" am 2. September preußische Truppen und gestattet ihren Einmarsch in die Stadt, auch um sich vor den bereits erkennbaren bayerischen Ansprüchen abzusichern. Da der preußische König aber nicht bereit ist, die hohen Schulden Nürnbergs zu übernehmen, zieht die preußische Armee bereits am 1. Oktober wieder ab.
Im Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803 bleibt Nürnberg zunächst weiter unabhängig, bis durch die so genannte Rheinbundakte vom 12. Juli 1806, mit der sich 16 deutsche Staaten (inklusive Bayern) aus dem Reich lösen und unter den Schutz Napoleons stellen, die Stadt als bayerische Einflusssphäre angesehen wird. Nach der Abdankung von Kaiser Franz II. am 6. August 1806 ist auch formell die unmittelbare Beziehung der Freien Reichsstadt zum Kaiser beendet, womit die Stadt jetzt auf sich allein gestellt und praktisch schutzlos den übrigen Mächten ausgeliefert ist. Sofort besetzt die französische Armee erneut Nürnberg im Namen ihres Verbündeten Maximilian I. von Bayern. Die heftigen Proteste des "Rates der Stadt" bleiben erfolglos. Der Aufruf "Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung", mit dem der Buchhändler Johann Philipp Palm (1766-1806) zum Widerstand gegen die Franzosen und den bayerischen König auffordert, führt zu seiner Hinrichtung am 26. August in Braunau am Inn. Am 15. September 1806 übergibt der französische General Bernard Georges François Frère (1764-1826) schließlich die Stadt auch offiziell an das neu gegründete Königreich Bayern und an die einrückenden Truppen des Königs. Aus Angst vor Unruhen bleiben Einheiten der bayerische Armee noch längere Zeit in der Stadt. Der "Rat der Stadt" hat die Eingliederung nach Bayern übrigens nie akzeptiert.
Am 28. Oktober 1808 löst der bayerische König den "Rat der Stadt" und alle bisherigen Institutionen der Stadtregierung auf und beendet damit endgültig die Unabhängigkeit Nürnbergs. Die Stadt erhält einen eigenen „Polizeikommissär“, untersteht aber der Kreisverwaltung des neu gegründeten Pegnitzkreises, dessen Hauptstadt Nürnberg wird. Nach antibayerischen Unruhen löst die bayerische Regierung diesen Kreis am 23. September 1810 auf und ordnet ihn dem Rezatkreis mit der Hauptstadt Ansbach (das spätere Mittelfranken) zu. Die Stadt selbst bleibt unter der Verwaltung seines aus Ansbach stammenden Polizeikommissars Christian Wurm (1771-1835), der bis zum Jahre 1818 dann mit brutaler Gewalt Ruhe unter den Einwohnern schafft. Nicht zuletzt als Gegenleistung für die Übernahme der hohen Schulden der Stadt wird eine Fülle wertvoller Kunstwerke aus Nürnberg nach München geschafft, wo viele heute noch in Museum zu sehen sind. Viele antibayerische Ressentiments in der Stadt haben ihre Wurzeln in dieser Zeit.
Der völkerrechtliche Schlusspunkt unter den Übergang an Bayern wird mit dem Abschlussdokument des Wiener Kongresses vom 9. Juni 1815 gesetzt, in dem die Zugehörigkeit der fränkischen Erwerbungen zu Bayern von den europäischen Staatsmännern vertraglich anerkannt wird als Gegenleistung dafür, dass Bayern kurz vor der Völkerschlacht von Leipzig im Vertrag von Ried vom 8. Oktober 1813 die Fronten gewechselt hat und auf die Seite der Gegner Napoleons getreten ist.
Im Jahre 1818 wird dann erstmals eine Zivilverwaltung in Nürnberg installiert, indem ein Magistrat mit einem Bürgermeister beziehungsweise Oberbürgermeister an der Spitze eingerichtet wird. Aus Angst vor den Bürgern setzt sich der abgelöste Polizeikommissar Wurm nach München ab, wo er 1835 stirbt. Nürnberg ist nun endgültig in die Verwaltungsstrukturen Bayerns eingegliedert.
Jüngere Vergangenheit

1835 fuhr die erste Eisenbahn in Deutschland, gezogen vom Adler, auf der Ludwigsbahn zwischen Nürnberg und Fürth mit einer Länge von rund 6 km.
1862 wurde das Bezirksamt Nürnberg gebildet, aus dem später der Landkreis Nürnberg hervorging. Dieser ging bei der Kreisreform 1972 überwiegend im Landkreis Nürnberger Land auf. Die Stadt selbst blieb stets eine kreisfreie Stadt.
1903 wurde der Rangierbahnhof eröffnet, einer der größten Europas, in der seltenen Bauform eines Gefällsbahnhofes. Im Anschluss an das größte gemessene Hochwasser im Februar 1909 (Abfluss von 370 m³/s) wurden umfangreiche Schutzmaßnahmen wie Begradigungen, Befestigungen und Vertiefungen ergriffen, die jedoch nur bedingten lokalen Nutzen brachten.
Während der Zeit des Dritten Reiches war Nürnberg die 'Stadt der Reichsparteitage' und der Rassengesetze. Bereits ab 1925 betätigte sich hier Julius Streicher, der Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes Der Stürmer, als Gauleiter der NSDAP. Für die Jahre von 1938 - 1945 holt Hitler die Reichskleinodien nochmals aus Wien in die Stadt zurück.
Im Zweiten Weltkrieg war Nürnberg eines der bevorzugten Ziele der alliierten Bomber, geriet wegen seiner Lage im Süden Deutschlands jedoch erst relativ spät in ihren Aktionsradius. Nachdem einige vorherige Bombardierungen recht „glimpflich“ überstanden wurden, flogen am 2. Januar 1945 521 große Langstreckenbomber (Avro Lancaster) Nürnberg an und warfen innerhalb einer Stunde 6.000 Sprengbomben und eine Million Brandbomben ab. Die Bevölkerung hatte über 2.000 Tote und 100.000 Obdachlose zu beklagen. Durch diesen Angriff wurde die Nürnberger Altstadt zerstört, die Stadt als Ganzes schwer beschädigt. 39% aller Häuser waren nicht mehr vorhanden, weitere 52% schwer beziehungsweise mittelschwer beschädigt. So blieben nur 9% der Häuser – besonders in den Außenvierteln der Stadt – verschont. Elf Mal war Nürnberg Ziel des Bomberkommandos der RAF, das der Amerikaner drei Mal. Allein die RAF warf im ganzen Krieg insgesamt 13.807 Tonnen Bomben auf Nürnberg. Dabei starben ca. 6.400 Menschen, 13.000 wurden verletzt und 350.000 hatten ihre Wohnungen verloren. Insgesamt war Nürnberg die nach Dresden am stärksten zerstörte deutsche Stadt. Beim Wiederaufbau orientierte man sich an den alten Stadtstrukturen, so dass Nürnberg mit seinem mittelalterlichen Charme wiedererstanden ist.
Die Stadt wurde am 20. April 1945 von Einheiten der 7. US-Armee besetzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg, ab November 1945, hielten die Siegermächte hier die Nürnberger Prozesse gegen führende Kriegsverbrecher der nationalsozialistischen Diktatur ab.
Die Burggrafen von Nürnberg
aus den österreichischen Geschlecht von Raabs:
1105 - ?? Gottfried II. von Raabs
?? - 1143 Konrad I.
aus dem Geschlecht der Hohenzollern:
1192 - 1200 Friedrich III. von Zollern (= Friedrich I.)
1218 - 1262 Konrad III. (= Konrad I. von Zollern)
1398 - 1427 Friedrich VI. (seit 1412 als Friedrich I. auch Kurfürst von Brandenburg, seit 1420 Markgraf von Brandenburg-Kulmbach)
Bedeutende Patrizierfamilien

Die Patrizierfamilien waren ursprünglich Kaufleute, die durch ihren Handel reich geworden waren. Um zu demonstrieren, dass sie sich als Adelig fühlten, fügten sie ihrem ursprünglichen Familiennamen eine Zusatz mit "von" bei. In den meisten Fällen wurde dieser Zusatz später vom Kaiser als Adelsprädikat anerkannt. In Klammer angegeben ist als erstes das Jahr, seit dem die jeweilige Familie das Recht hatte, Mitglieder in den "Rat der Stadt" zu schicken, als zweites das Jahr, in dem ihr Zusatz als Adelstitel anerkannt wurde.
- Holzschuher von Harlach (13. Jhdt./1547)
- Geuder von Heroldsberg (Mitte 13. Jhdt./1697)
- Stromer von Reichenbach (1291/1697)
- Haller von Hallerstein (1314/1790)
- Tucher von Simmelsdorf (1332/1697)
- Grundherr von Altenthann und Weiherhaus (1340/1547)
- Löffelholz von Kolberg (1440/1512)
- Scheurl von Defersdorf (1529/1540)
- Gugel von Brand und Diepoltsdorf (1792/1543)
Literatur
- Nürnberg, in: Meyers Konversationslexikon, 4.Aufl. 1888-90, Bd.12, S.282.
- Konrad Celtis: Norimberga. Ein Büchlein über Ursprung, Lage, Einrichtungen und Gesittung Nürnbergs (Originalausgabe 1502), Neuausgabe Verlag Nürnberger Presse (Herausgeber: Gerhard Fink), Nürnberg, 2000, ISBN 3-9316-8306-0
- Christoph von Imhoff: Berühmte Nürnberger aus neun Jahrhunderten, Edelmann, Nürnberg, 2000, ISBN 3-8719-1088-0
- Martin Schieber: Nürnberg - Eine illustrierte Geschichte der Stadt, Verlag C.H. Beck, München, 2000, ISBN 3-4064-6126-3