Daḫamunzu-Affäre
Die Dahamunzu-Affäre waren politische Verwicklungen im Alten Ägypten, die durch einen rätselhaften Brief ausgelöst wurden. Der Brief wurde in hethitischen Archiven gefunden und ist lediglich mit "Dahamunzu", der hethitischen Lautübertragung für das ägyptische Wort "Königin", unterschrieben. Auf Grund des Inhalts kann er sowohl aus der Amarna-Zeit als auch aus dem Zeitraum nach Tutanchamuns Tod stammen.
Inhalt der Briefe
Bitte um einen Sohn
Berichte des Arnuwanda II. und Mursili II.
- Mein Vater war in Karkemisch, er war Ägypten immer freundschaftlich gesinnt, aber die Ägypter wurden plötzlich feindselig und haben den Mann von Kadesch angegriffen, den mein Vater von dem Bündnis mit dem König des Hurriterlandes gelöst hatte. Als mein Vater das hörte, sendete er deshalb Lupakki und Tarhunta-Zalma nach AMQA (heutige Beqa-Ebene) mit Fußtruppen und Streitwagen, um das Land anzugreifen. Für einen erneuten Angriff schickte er nochmals Truppen. Die Ägypter hörten vom Angriff und bekamen deswegen Angst. Zu dieser Zeit war ihr König Nip-huru-rija verstorben. Die Königin von Ägypten, die Königsgemahlin (Dahamunzu), war in einer Notlage und schickte zu meinem Vater einen Boten mit einer Schreibtafel "Mein Gemahl ist tot, und ich habe keinen Sohn. Aber man sagt mir, dass du viele Söhne hast. Wenn du mir einen deiner Söhne schickst, so wird er mein Gemahl sein. Ich werde niemals einen meiner Diener zum Gatten nehmen.....Ich habe Angst." Mein Vater rief eine Beratung zusammen und sprach: "Derartige Geschichten sind mir in meinem Leben noch nicht vorgekommen. Nun bitten mich die Ägypter eiligst um einen meiner Söhne. Alles in einer Art und Weise, als ob ich dazu verpflichtet wäre. Vielleicht wird er dann eine Geisel und sie werden ihn nicht zum König machen wollen." Deshalb wurde der Kanzler Hattusa-Ziti nach Ägypten mit folgendem Auftrag geschickt: " Bringe mir die Wahrheit. Vielleicht ist es eine Täuschung und sie haben doch einen Sohn des Königs."[1]
Antwort aus Ägypten
Brief der ägyptischen Königin
- Mein Gatte ist tot, ich habe keinen Sohn. Möge euer Herrscher wohlgesinnt sein und mir einen Sohn senden, der zum Königtum aufsteigen wird. Siehe, ich habe keine Familie. Wenn du mir deinen Sohn schickst, werden beide großen Länder sich vereinen und es wird nur noch ein gemeinsames Land geben. Wir werden uns gegenseitig beschenken und jeder wird sich darüber freuen. Ich freue mich, wenn ich dich reich beschenken kann. So hatte ich dir herzlich geschrieben. Aber nun hast du mir deinen Boten Hattusa-Ziti geschickt. Du hattest meinen herzlichen Worten nicht geglaubt....[2]
Berichte des Arnuwanda II. und Mursili II.
- Mit dem beginnenden Frühling kehrte Hattusa-Ziti aus Ägypten zurück. Hani, ein ägyptischer Bote, war in Begleitung. Hani sagte zu meinem Vater: "Oh Herr, Nip-huru-rija, der unser Herr war, er ist tot. Er hat keinen Sohn. Wir wollen einen Sohn von Suppiluliuma I., er soll in Ägypten herrschen und für die Frau, unsere Herrin, der Gatte sein. Wir sind nur zu euch gekommen. Gib uns einen Sohn." Da machte sich mein Vater über ihre Wünsche nach seinem Sohn Gedanken und las die Schreibtafel der Königin von Ägypten: "Wenn ich einen Sohn hätte, würde ich mich wohl nicht an ein fremdes Land wenden. Warum redest du von Täuschung? Es ist eine Schande für mich und Ägypten. Du hattest mir keinen Glauben geschenkt. Mein Gatte ist tot, einen Sohn habe ich nicht. Aber ich werde niemals einen Diener zum Gatten nehmen. Einem anderen Land schrieb ich nicht. Gib mir einen deiner Söhne. Für mich zum Gatten, für Ägypten als König." Mein Vater war nun guter Laune und beriet die Frage der Frau nach dem Sohn.[1]
Ankunft von Zananza in Ägypten
- Mein Vater gab ihnen seinen Sohn. Er zog nach Ägypten und wurde dort ermordet. Boten, denen eine Schreibtafel übergeben wurde, lasen die Nachricht: "Ägypter haben Zananza umgebracht!" Sie fragten ungläubig: "Zananza ist tot?" Als mein Vater die Nachricht hörte, klagte er laut und ließ seiner Wut freien Lauf. Er zog gegen Ägypten zum Angriff und bekam eine Nachricht aus Ägypten, die er mit einer Schreibtafel beantwortete und nach Ägypten schickte: "Ich hatte meinen Sohn nach Ägypten geschickt, aber du hattest schon auf dem Thron gesessen. Das wurde mir nicht mitgeteilt. Und nun, siehe was du mir geschrieben hast: "Dein Sohn starb, doch ich hatte keine Gründe, ihn zu töten". Die ägyptische Königin schrieb mir zurück, du aber nicht. Wenn du zwischenzeitlich neuer ägyptischer Pharao geworden warst, warum hattest du dann meinen Sohn nicht nach Hause geschickt ? Was hast du mit meinem Sohn getan ? Ist in Vergangenheit zwischen unseren Ländern Blut geflossen ? Nein, es wird erst seit diesem Vorfall vergossen. Und es ist keine gerechte Angelegenheit, es wurde wegen eines Verbrechens vergossen. Da ihr sagt, dass ihr meinem Sohn vielleicht Leid angetan habt, so werdet ihr ihn wahrscheinlich auch getötet haben."[3]
Wer war Dahamunzu ?
Archäologische und chronologische Untersuchungen zeigen, dass nur Anchesen-Amun, Nofretete, Merit-Aton oder Kija in den engeren Kreis der Briefschreiberin fallen. Favoritin bei den Ägytologen ist zur Zeit Merit-Aton[4]; fast ebenso häufig wird Anchesen-Amun genannt[5]. Es folgt Nofretete[6] vor Kija.[7]
Kija
Im hethitischen Brief steht: Die Königin der Stadt Ägyptens. Diese Formulierung wird teilweise als Hinweis gedeutet, dass der Schreiber die Rangstellung der Dachamunzu beachtete und nicht Große königliche Gemahlin als Zusatz einfügte. Die Nennung Ehefrau des Königs kann als Erklärung so verstanden werden, dass sie nicht den höchsten Rang in Ägypten bekleidete. Auf Kija trifft diese Beschreibung zu, da sie nur Königsgemahlin war, jedoch nicht den Titel Große königliche Gemahlin trug.
Nofretete
In den Amarna-Briefen schrieb der babylonische König Burnaburias:
Merit-Aton (Majatu), deine Tochter von der ich hörte und Ich sende dir 10 Stücke und der Herrin des Hauses 20 Stück Lapislazuli, weil Merit-Aton sich nicht um meine Gesundheit kümmerte und nicht nach meinem Wohlbefinden fragte.[8]
Neben Merit-Aton wird hier die ranghöhere Herrin des Hauses genannt. Es bleiben nach diesem Brief nur Nofretete und Kija als Herrinen des Hauses übrig. Ob Nofretete zu diesem Zeitpunkt schon verstorben war, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Da nach neuesten Untersuchungen der Mumien eine wahrscheinliche Zuordnung Kija's als Mutter von Tutanchamun erfolgte und im Brief an die Hethiter erwähnt wurde, dass kein Nachkomme vorhanden sei, bleibt nach Auswertung dieser Briefe nur Nofretete als Herrin des Hauses.
Weitere Theorien wurden diskutiert:
Nofretete soll verstoßen worden sein und im Nordpalast der Stadt Achet-Aton gelebt haben, während ihr Mann zusammen mit seinem Halbbruder herrschte. Nach seinem Tode wollte sie verhindern, dass Semenchkare Pharao wurde, brauchte jedoch zur Gewinnung des Throns die Unterstützung eines Mannes.
Nofretete wurde nicht verstoßen, sondern wurde getötet. Anchesenamun rückte in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit.
Cyril Aldred vertrat die Ansicht, dass Semenchkare mit Nofretete identisch war. Er stellte fest, dass auf den Darstellungen der Amarna-Zeit die Menschen entweder konvexe oder konkave Nacken haben, so dass Männer und Frauen unterschieden werden können. Sowohl Nofretete als auch Semenchkare haben dieselbe Nackenform. Es wurde oft entgegnet, dass Echnaton seinen Bruder als eine Art Gemahlin ansah, doch die andere Theorie ist wesentlich plausibler.
Christine El-Mahdy griff diese Idee in ihrem Buch "Tutenchamun" auf und legte Indizien dar, dass Nofretete nicht etwa tot oder verstoßen war, sondern zur Mitregentin erhoben wurde. Semenchkare trägt die Titel Nofretetes, z.B. "Geliebt von Wa-en-Re" (Wa-en-Re ist der Thronname Echnatons). Es ist in Ägypten üblich, bei der Thronbesteigung einen neuen Namen anzunehmen. Christine El-Mahdy legt weiterhin dar, dass Nofretete als Semenchkare nach dem Tod von Echnaton gemeinsam mit ihrer ältesten Tochter Merit-Aton einige Jahre herrschte, bis sie verschwand.
Anchesen-Amun
Anchesen-Amun und Tutanchamun hatten keine Kinder. Aus diesem Grund wird angenommen, dass sie diesen Brief schrieb, da sie mit einem Höfling verheiratet werden sollte. Tatsächlich heiratete sie später Eje, einen einflussreichen Beamten. Diese Theorie ist jedoch etwas fragwürdig, da sich für Eje eine königliche Abstammung nachweisen lässt: er gehört zu einer Nebenlinie der Königsfamilie in Achmim. Weiterhin wurde angenommen, dass der oberste General, Haremhab, ein Auge auf den Pharaonenthron geworfen hatte und sowohl der Brief an die Hethiter als auch die Heirat mit Eje dem Schutz von Anchesen-Amun galt. Dagegen spricht allerdings die Befehlsgewalt Haremhabs als oberstem General, der den Informationsfluss ins Ausland kontrollieren konnte.
Weiter spricht dagegen, dass in Ägypten eine starke Traditionsbewusstheit bestand (siehe hierzu z.B. Maat), die ebenso wie eine Herrenrassen-Mentalität jeden Gedanken an einen Ausländer auf dem Pharaonenthron verbot. Ägypten hat sich stets gegen fremde Herrscher auf dem Thron gewehrt (siehe Hyksos). Eine weitere Theorie besagt, dass Eje verhindern wollte, dass Haremhab auf den Thron gelangte. Aus diesem Grund hielt er den Tod Tutanchamuns geheim und traf überhastete Vorbereitungen zu seiner Mumifizierung (siehe Tutanchamuns Mumie); um Haremhab weiter vom Machtzentrum fernzuhalten, ließ er den Brief schreiben.
Merit-Aton
Im Armana-Brief (EA 155) an Echnaton bezeichnete Abimilki von Tyros sich selbst als Diener der Merit-Aton (Majati) und seine Stadt Tyros sinngemäß ebenfalls als Stadt der Merit-Aton. Folglich muss Merit-Aton die ranghöchste Frau von Ägypten gewesen sein, da die Stadt Tyros Tribute an sie abführte.
Siehe auch
Anmerkungen und Einzelnachweise
- ↑ a b Zusammenfassung der Tafeln: Arnuwanda II. KBo V6 A III 1-25 / Pestgebete des Mursili II., KUB XXXI 121a / Pestgebete des Mursili II., KUB XIV, 8, / KUB XXXIV 25 A IV 116-18 + E3 IV 1-25, M.Gabolde: Das Geheimnis des Goldenen Sarges, Grimm München 2001
- ↑ Archiv von Baohazköy 225/d - KBo XXVIII, 51, M.Gabolde: Das Geheimnis des Goldenen Sarges, München 2001
- ↑ Zusammenfassung der Tafeln: Pestgebete des Mursili II., KUB XIV, 8 / KUB XIX, 20 + Kbo 12, 23 / KUB XIX, 4+KBo XIX Juan de la Torre Suárez: Tell el Amarna: Nueva interpretación y sus :consecuencias históricas
- ↑ R.Krauss, H.A. Schlögel, T.Kühn und im Katalog der Wanderausstellung
- ↑ E.Hornung, C.El-Mahdy und J.v. Beckerath
- ↑ N.C. Reeves und E.Hornung (keine eindeutige Zuordnung zwischen Nofretete und Anchesen-Amun).
- ↑ W.Helck
- ↑ W. Helck 2001
Literatur
- Alfred Grimm, Sylvia Schoske: Das Geheimnis des goldenen Sarges - Echnaton und das Ende der Amarnazeit - , Ausstellung Staatliche Sammlung Ägyptischer Kunst München 2001, Schriftenreihe: Schriften aus der Ägyptischen Sammlung, ISBN 3-87490-722-8
- Juan de la Torre Suárez: Tell el-Amarna, Asociación Andaluza de Egiptología, Sevilla 2006, ISBN 84-933485-5-4