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Mariavitismus

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Die Mariaviten sind eine altkatholische Kirche, die von der Römisch-Katholischen Kirche unabhängig ist. Ihr Ursprung liegt in Polen, sie ist auch in anderen Ländern verbreitet. Ab 1909 war die „Altkatholische Kirche der Mariaviten“ Mitglied der Utrechter Union der Altkatholischen Kirchen, wurde aber – aufgrund der von der Union nicht tolerierten Tendenzen – 1924 aus der Union ausgeschlossen. Der Grund waren mystische Ehen zwischen Priestern und Nonnen. 1935 spaltete sich die Kirche nach Absetzung (in seiner Abwesenheit) ihres ersten Bischofs Jan Maria Franciszek Kowalski in die beiden Zweige:

  • Altkatholische Kirche der Mariaviten – (Plock – unter Leitung von Klemens Maria Philipp Feldmann)
  • Katholische Kirche der Mariaviten – (Felicjanow – unter Leitung des ersten Bischofs)

Geschichte

Datei:Feliksa Kozłowska.png
Feliksa Kozłowska (ca. 1910)

Seit 1883 war die Nonne Feliksa Kozłowska (* 27. Mai 1862; † 23. Aug. 1921) Mitglied der Kongregation, die von dem durch Papst Johannes Paul II. selig gesprochenen Kapuzinermönch Honorat Koźmiński gegründet wurde. 1887 gründet sie die Kongregation nach der Regel der hl. Clara, die später Orden der Mariaviten genannt wurde. Sie nahmen

  • die erste Regel des Heiligen Franziskus von Assisi an,
  • für die Schwestern die zweite Regel der Klarissen,
  • für die Laien die franziskanischer Tertiarenregel.

Polen war zur Zeit der Entstehung der Mariavitenbewegung zwischen Russland, Preußen und Österreich aufgeteilt. Die zaristischen Behörden verboten nach den polnischen Januaraufständen 1863 die Errichtung von polnisch-nationalen Organisationen sowie alle nichtorthodoxen Klöster und Gemeinschaften. Da sie nach Russischem Gesetz rechtswidrig waren, wurden viele römisch-katholische Klöster aufgelöst. In dieser Epoche war die aufkeimende Mariavitenbewegung eine von vielen römisch-katholischen Kongregationen. Für die polnischen Bischöfe war die Autorität, die diese aufgrund ihrer Privatoffenbarungen genoss, ein willkommener Anlass, gegen sie einzuschreiten und verheimlichten die Existenz der Kongregation und bis 1903 stritt die Römisch-Katholische Kirche insgesamt so die Existenz der Mariaviten ab. Ihre Liturgie ist eine polnische bzw. litauische Übersetzung des römischen.

Die Privatoffenbarungen Feliksa Kozłowska

1893 hatte Feliksa Kozłowska, bekannt unter dem Klosternamen Maria Franciszka, „Visionen“. Am 2. August 1893 wurde die Bewegung der „Mariaviten“ gegründet. Damit entstand die Mariavitische Kirche. Der Name „Mariaviten“ leitet sich aus lat. „Mariae vitam imitans“ ab, was bedeutet: „dem Leben Marias nacheifernd“ (Mariae vitae cultores = Verehrer von Lebens Mariä).[1]

Kozlowskas Visionen zwischen 1893 und 1918 wurden 1922 im Sammelband „Dzieło Wielkiego Miłosierdzia“ – „Werk der großen Gnade“ – veröffentlicht. Diese „Offenbarungen“ sind neben der Bibel die religiöse Quelle der Mariaviten. In den Visionen kämpft Feliksa Kozłowska gegen den moralischen Niedergang der Welt, besonders den des Klerus. In der ersten Vision wurde ihr aufgetragen, die Ordnung des katholischen Klerus neu zu organisieren und damit die bisherige Doppelmoral zu beenden. Die heilige Kommunion wurde zum wichtigsten Sakrament für getaufte Christen erkoren. Die Mariaviten verpflichteten sich, genau diese Form der Frömmigkeit zu verbreiten.

Die Bewegung der Mariaviten

Für Feliksa Kozłowska und die Priester war die Bewegung der Mariaviten ein Werkzeug Gottes zur inneren Mission und Reform in der katholischen Kirche. Dieses Unternehmen gestaltet sich jedoch schwieriger als angenommen. Der Bischof von Plock leitete die Kanonisation der Mariaviten ein und beauftragte deren Leitung, die Dokumente nach Rom zu senden. Einen Monat später empfing Papst Pius X. deren Delegation und weitere zwei Wochen vergingen bis zum Konklave. Zeitgleich wählten die Mariaviten Jan Maria Franciszek Kowalski zum ersten Generalminister. Im Juni 1904 reiste dann eine weitere Delegation nach Rom, trug der Kurie erneut die Wichtigkeit und Dringlichkeit ihrer Mission vor, sodass Pius X. die Anerkennung der Kongregation versprach.

Die Kongregation für die Glaubenslehre aber entschied dann gegen die Mariaviten und im Dezember 1904 verwehrte Pius X. entgegen vorherigen Zusagen die Anerkennung. Die Offenbarungen der Feliksa Kozłowska wurden als Halluzinationen gewertet. Pius X. löste die Bewegung auf und verbot jeden Kontakt zwischen den Priestern und Feliksa Kozłowska. Zwei weitere Delegationen nach Rom blieben erfolglos. Die Mariaviten rebellierten, da sie ihr Vertrauen nach irreführenden Versprechungen missbraucht sahen. Im Februar 1906 kündigten sie Pius X. die Zusammenarbeit mit den römisch-katholischen Bischöfen in Polen auf. Rom reagierte mit der Enzyklika „Tribus circiter“, wobei Pius X. die Anerkennung der Mariaviten von der Ablegung der Privatoffenbarungen Feliksa Kozłowskas abhängig machte. Aus diesen Offenbarungen leitet sich aber der Auftrag der Mariaviten ab und so lehnten sie die Forderung ab.

Feliksa Kozłowska und Jan Maria Franciszek Kowalski wurden daraufhin am 5. April 1906 exkommuniziert. Feliksa Kozłowska ist die erste Frau, die der Vatikan exkommunizierte.

Die Kirche der Mariaviten

Die Kongregation der Mariaviten wurde ab November 1906 als "geduldete Sekte" von der Duma legalisiert und 1909 später als eigenständige Kirche anerkannt. 1906 zählten die Mariaviten ca. 50.000–60.000 Mitglieder, 1907 vierzig Priester und ca. 100.000 Gläubige. [2] Fünf Jahre später geben Quellen 160.000 Gläubige an. Die Massenkonvertierung ist ein Ergebnis der Auseinandersetzung mit Rom. Bei den Mariaviten hatte jedes Mitglied ein Mitbestimmungsrecht, so dass ihre Organisation in diesem Punkt der von protestantischen Gemeinschaften ähnelte. Von der Theologie, dem Weihe- und Sakramentenverständnis sind sie römisch-katholisch mit Ausnahme der Höherstellung der heiligen Kommunion innerhalb der Sakramente.

Schnell organisierten die Mariaviten Armenküchen, Bibliotheken, Druckereien, Geschäfte, Hospize, Kindergärten, Schulen, Waisenhäuser, Sparkassen und Webereien, bauten Kirchen und beendeten so 1911 den Bau der Hauptkirche in Plock. Ab 1906 führten sie als erste die nationale Sprache als liturgische Sprache neben dem Lateinischen ein, was später vom II. Vatikanischen Konzil für die Weltkirche übernommen wurde. Von der römisch-katholischen Kirche getrennt, legten sie Wert auf die apostolische Sukzession/Weihesakrament und verbanden sich mit der Altkatholischen Kirche in Utrecht.

Alt-Katholische Kirche der Mariaviten in Polen (Plozk)

Ihr erster Priester, Bischof und Generalminister Michał Kowalski, später Vater Michael genannt, wurde 1909 in Utrecht durch den Niederländischen Erzbischof Gul konsekriert. 1921 verstarb die Ordensgründerin, die von den Gläubigen liebevoll Mateczka genannt wurde.

Die Einführung 'mystischer Ehen' zwischen Priestern und Nonnen (1924) und die heute noch weltweit umstrittene Reform des Priestertums für Frauen (1929) polarisierte die Mariaviten. Im Oktober 1934 fordern viele Amtsträger die Rücknahme der Neuerungen. In der Generalversammlung vom 29. Januar 1935 endete schließlich die Einheit der Mariaviten mit der Abwahl ihres ersten Bischofs unter dem abschließenden Motto 1 Kor 7,23.[3]

Oberhäupter der Alt Katholischen Kirche der Mariaviten in Polen (Plozk)

  • 1909–1935 Johannes Maria Michael Kowalski (* 25. Dez. 1871; † 26. Mai 1942 KZ Dachau-Hartheim)
  • 1935–1942 Klemens Maria Philipp Feldmann (* 24. Mär. 1885; † 15. Jun. 1971)[4]
  • 1945–1953 Roman Maria Jakub Prochniewski (* 29. Feb. 1872; † 13. Feb. 1954)
  • 1953–1957 Wacław Maria Bartołomiej Przysiecki (* 10. Dez. 1878; † 27. Jan. 1961)
  • 1957–1965 Jan Maria Michał Sitek (* 23. Okt. 1906; † 24. Nov. 1970)
  • 1965–1972 Wacław Maria Innocenty Gołębiowski (* 8. Jun. 1913; † 2. Aug. 1985)
  • 1972–1995 Stanislaw Maria Tymoteusz Kowalski (* 25. Okt. 1931; † 8. Aug. 1995)
  • 1995–2007 Wlodzimierz Jaworski (* 2. Jan. 1937)
  • 2007-heute Ludwik Jablonski (* 19. Dec. 1950)

Katholische Kirche der Mariaviten (Felicjanow-Mariaviten)

Der 1. Generalminister, Erzbischof und Jurisdiktionsträger der Alt-Katholischen Kirche der Mariaviten, Jan Michael Kowalski gründete nach dem Schisma im Jahre 1935 mit seinen Getreuen die 2800 Mitglieder zählende Katholische Kirche der Mariaviten in Felicjanow, wo die Ordensgründerin eine Klosteranlage erworben hatte.

Bis zu seiner Verhaftung und Ermordung weihte er in Felicjanów mindestens fünf Frauen zu Bischöfinnen.[5].

Jan Kowalski wurde im KZ Dachau als arbeitsunfähig selektiert und mit 100 weiteren Häftlingen am 18. Mai 1942 in die Euthanasie- und Tötungsanstalt Schloß Hartheim bei Linz gebracht. Er wurde dort noch am selben Tag vergast und eingeäschert.[6] Die Urne mit der Asche wurde in den 1960er Jahren von Paulus Norbert Maas nach Plock überfuhrt und dort in der Krypta beigesetzt.

Aber nicht nur in Felicjanów haben Priesterinnen-Weihen nach 1935 stattgefunden, was sich einem Schreiben von Bischof Rafael an die Auslandsjurisdiktion (Bischof Maas) vom 2. April 1957 entnehmen lässt:

Textauszug aus: Aktenzeichen L.dz. R/88./57 – Felicjanów-Archiv "...Was die Priester von Plock anbelangt, so sind sie noch in schlechterer Lage, denn sie haben wenig junge Priester und die Priesterinnen retten sie nicht, weil sie diesen die Würde abgenommen haben ..."[7]

Die bekannte deutschsprachige Literatur sagt zu diesem Prozedere nichts aus. In dem Zeitraum 1929 bis einschließlich Juni 1931 wurden neun Frauen ordiniert (entsprechender Link mit Namen folgt).

Oberhäupter der Katholischen Kirche der Mariaviten (Felicjanów)

Sekretariat der Einheit im Vatikan

1972–1974 wurde der Jesuitenpater Stanislaw Bajko durch das Sekretariat der Einheit im Vatikan beauftragt, den Mariavitenorden zu überprüfen. Die Mariaviten sind zur Zeit von drei Kirchen, einer Kongregation und dem Orden der Mariaviten in Deutschland – Auslandsjurisdiktion vertreten:

Katholische Kirche der Mariaviten (Auslandsjurisdiktion)

Oberhäupter der Katholischen Kirche der Mariaviten – Auslandsjurisdiktion

(Alle Mariaviten erhalten den zusätzlichen Vornamen "Maria".)

Quellen

  1. Altkatholisches Kirchenblatt Nr.12/72, Seite 7, Verfasser Hans A. Frei (Bern)
  2. Altkatholisches Kirchenblatt,12/72, Seite 91, Pfarrer Hans A. Frei (Bern)
  3. 1. Korintherbrief Kapitel 7
  4. Amtliches Kirchenblatt der Deutschen Alt-katholischen Kirche. Bd.IX, Bonn, 15.11.1942, Nr.8
  5. Maas-Archiv: Erzbischof Kowalski zwischen zwei Bischöfinnen, 24.04.2006
  6. archiv@kz-gedenkstaette-dachau.de
  7. Felicjanow-Archiv, Macierzysty Klasztor Mariawitów w, Felicjanowie, pocz. Bodzanów k/Plocks Polske