Theodizee
Die Theodizee (frz. théodicée), von theos (griech. Gott) diké (griech. Gerechtigkeit) ist ein klassisches theologisches Problem, das die Frage behandelt, wie die Allmacht, Allgüte und Allwissenheit Gottes mit der Existenz des Bösen in der Welt vereinbar sei. Das Problem wird schon im Alten Testament im Buch Ijob bedacht, ebenso im antiken Griechenland (Epikur). Der Begriff selbst geht auf den Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz zurück, der 1710 in seinem Werk Essais de Théodicée sur la bonté de Dieu, la liberté de l'homme et l'origine du mal nachzuweisen versuchte, dass diese Welt "die beste aller möglichen Welten" sei und deshalb die Existenz des Bösen in der Welt nicht der Güte Gottes widerspreche.
Das Problem
In klassischer Weise wurde das Problem bereits durch den griechischen Philosophen Epikur (341-270 v. Chr) formuliert:
- Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht:
- dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zutrifft,
- oder er kann es und will es nicht:
- dann ist Gott missgünstig, was ihm fremd ist,
- oder er will es nicht und kann es nicht:
- dann ist er schwach und missgünstig zugleich, also nicht Gott,
- oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt:
- Woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht hinweg?
Dieser Text wurde durch den Kirchenschriftsteller Lactantius (ca. 250 bis nach 317) überliefert.
Einige Formulierungen dürften eher der Theologie des Lactantius entsprechen als der Theologie Epikurs. Nach Epikur waren die Götter selige Wesen, die sich nicht um die Welt kümmerten.
mögliche Lösungsansätze
Das Theodizeeproblem besteht, logisch gesehen, im Widerspruch zwischen zwei Aussagen. Auf der einen Seite steht die Annahme, dass Gott allgütig, allwissend und allmächtig sei; auf der anderen die Erfahrung, dass es Übel in der Welt gibt. Darum können Lösungen des Problems nur darin zu suchen sein, eine der beiden Annahmen auf irgendeine Weise zu entkräften oder, drittens, den Widerspruch für legitim zu erklären. Es gibt im Wesentlichen folgende Lösungsansätze:
I. Das Böse wird relativiert
1. Das Böse hat kein eigenständiges Sein, es ist Mangel am Guten (privatio boni)
Das Böse hat kein eigenständiges Sein, sondern ist nur Mangel an Sein bzw. Mangel am Guten (privatio boni) (Augustin, Thomas von Aquin). Daher ist es eigentlich nichts: malum nihil est (Boethius).
2. Wir leben in der besten aller möglichen Welten (Leibniz)
Nach Gottfried Wilhelm Leibniz gibt es eine unendliche Anzahl möglicher Welten. Von diesen hat Gott nur eine geschaffen, nämlich die Vollkommenste, in der das Übel den kleinsten Raum hat ("die beste aller möglichen Welten). Jede Form des Übels ist letztlich notwendig und erklärbar.
Leibniz unterscheidet drei Arten des Übels:
- das malum metaphysicum, metaphysische Übel (das Geschaffene ist notwendig unvollkommen, da es sonst mit Gott identisch wäre),
- das malum physicum, physische Übel (Schmerz und Leid sind notwendig, da sie vom Schädlichen abhalten und zum Nützlichen drängen) und
- das malum morale, moralische Übel (die zur Abwendung von Gott führende Sünde).
Das Böse hat, biblisch gesehen, einen guten Zweck: Das Erkennen von Gottes heiligen Eigenschaften setzt nach der Auffassung einiger voraus, dass die Geschöpfe, die Ihn dafür lieben sollen, auch den Gegensatz zwischen Gut und Böse erlernt haben. Diese Erkenntnis wurde dem Menschen aber nicht angeschaffen, sondern sollte in ihm entwickelt werden. Woher aber hätte der Mensch den Gegensatz von Gut und Böse wissen können, wenn negative Umstände ("das Böse") nicht von außen an ihn herangetreten wäre? Wie hätte dies ferner anders geschehen können, als durch ein Verbot, irgendetwas zu tun? Und so veranlasste Gott, dass die ersten Menschen von dem "Baum, der klug macht" aßen (1. Mose 3:4), dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Denn es ist häufig die Krankheit, die die Gesundheit angenehm macht; besonders am Übel gemessen tritt das Gute in Erscheinung, am Hunger die Sättigung, an der Mühsal die Ruhe. Nach einer dialektischen (allerdings höchst umstrittenen) Auffassung bilden für Gott diese Gegensätze eine Einheit - für Gott seien alle Dinge gerecht und gut, da sie in Seinem Plan zielführend sind; Menschen mögen dagegen das eine für gerecht, das andere für schlecht halten. Wichtig sei ihnen, beides zu erleben.
3. Das Übel als Durchgangsstadium der Geschichte (Hegel)
Das Übel ist nur ein notwendiges Durchgangsstadium; es dient der dialektischen Entwicklung der Geschichte (Hegel)
4. Das Übel erscheint nur als böse
Uns erscheinen Dinge nur als böse, aber wir können nicht objektiv urteilen. Sie sind nicht "objektiv" böse.
II. Gottes Eigenschaften sind neu zu durchdenken
Gottes Allmacht, Allgüte und Allwissenheit sind letztlich philosophische Abstraktionen, die von biblischen Schriftstellern wie von christlichen Theologen nicht immer geteilt und mehr oder weniger vorsichtig korrigiert wurden.
5. Gottes Allgüte wird relativiert
Das Böse als Wille Gottes: Eine andere, modernere Sicht der Bibel verneint, dass Gott nur für das verantwortlich sein kann, was Menschen als "gut" bewerten, sondern für alles verantwortlich ist, wenn man seine Allmacht ernst nehmen will. Luther hebt den Deus absconditus (verborgenen Gott; Zorn, Gesetz) und den Deus revelatus (offenbarten Gott; Liebe, Evangelium) voneinander ab; Schelling unterscheidet zwischen Grund und Existenz in Gott, wobei Gott qua Grund die Ursache für das Übel sei. Bestätigt sehen sie sich in der Bibel:
- So ist z.B. auch Unglaube gottgewirkt, denn "Gott gibt ihnen einen Geist der Betäubung, Augen die nicht erblicken..." (Rö. 11:8); "es [unser Evangelium] ist denen verhüllt, die umkommen, in welchen der Gott dieses Äons die Gedanken der Ungläubigen blendet, damit ihnen der Lichtglanz des Evangeliums der Herrlichkeit des Christus nicht erstrahle."(2. Kor. 4:4).
- Gott könnte auch das Wirken Satans ohne weiteres vollständig unterbinden oder einschränken, wie es im nächsten Äon passieren wird: "Er [ein Bote Gottes] bemächtigte sich des Drachen, der uralten Schlange (die der Widerwirker und der Satan ist) und band ihn für 1000 Jahre." (Offb. 20:1ff). Die Bibel sagt sogar deutlich, dass Gott das Böse erschaffen hat: "Ich [Gott] bilde das Licht und ERSCHAFFE das Finstere, bewirke das Gute und ERSCHAFFE das Böse. Ich, Ieue Aluim, mache all dieses" (Jes. 45:7).
- "Oder geschieht ein Unglück in der Stadt, und Jehowa hätte es nicht bewirkt?" (Amos 3:6). ALLES, d.h. ausnahmslos jedes Wesen, dient Gott (Psalm 119:91) - Gott macht alles zu seinem Zweck, auch den Gottlosen (Sprüche 16:4).
- "Was wollen wir nun vorbringen? Doch nicht, es gebe Ungerechtigkeit bei Gott! Möge das nicht gefolgert werden! Denn zu Mose sagt Er: Erbarmen werde ich Mich, wessen ich mich erbarmen möchte; und Mitleid werde ich haben, mit wem ich Mitleid haben möchte. Demnach liegt es nicht an dem Wollenden noch an dem Rennenden, sondern an dem sich erbarmenden Gott. Denn die Schrift sagt zu Pharao: Ebendeshalb habe ich dich erweckt, damit Ich an dir Meine Kraft zur Schau stelle und damit Mein Name auf der gesamten Erde kundgemacht werde. Demnach erbarmt Er sich nun, wessen Er will, aber Er verhärtet auch wen Er will." (Römer 9:14-18, siehe dazu 2. Mose 4:21, 9:12, 14:4, 14:7).
- "Nun wirst du erwidern: Was tadelt Er dann noch? Wer hat je denn je Seiner Absicht widerstanden? - O Mensch, in der Tat, wer bist denn du, Gott gegenüber eine solche Antwort zu geben?
Das Gebilde wird doch nicht dem Bildner erwidern: Warum hast du mich so gemacht? - Hat der Töpfer nicht Vollmacht über den Ton, aus derselben Knetmasse das eine Gefäß zur Ehre und das andere zur Unehre zu machen?" (Römer 9: 19-21). - So war auch die Kreuzigung Jesu in Seinem Plan festgelegt. Niemand konnte das verhindern: "Herodes wie auch Pontius Pilatus mit den Nationen und den Völkern Israels [waren versammelt], um alles auszuführen, was Deine Hand und Dein Ratschluß vorherbestimmt hatten, dass es geschehe" (Apg. 4:26-28, Bibelzitate aus dem KNT).
6. Gottes Allmacht wird relativiert...
...durch Annahme der Freiheit des Menschen
Weitere Ansätze bei der Lösung der Theodizee-Frage liegen darin, dass Gott dem Menschen Freiheit und Eigenverantwortung in seinem Handeln lässt.
- Weil das zeitlich-irdische Leben zwar ein sehr hohes, aber nicht das höchste Gut ist, muss es weder von Gott noch von den Menschen mit allen Mitteln angestrebt werden. Das höchste Ziel bzw. Gut des Menschen ist nach dem christlichen Glauben das ewige Leben, d.h. die maximal mögliche Gemeinschaft mit Gott. Wenn nötig, kann Gott dafür auch das physische Übel einsetzen oder das moralische Übel zulassen (nicht selbst direkt bewirken!).
- Angenommen, Gott kann das Leid zugunsten der menschlichen Freiheit nicht aktiv verhindern und ist selbst daher weitgehend passiv, so stellt sich die Frage nach der Distanz Gottes zum Leid im Diesseits. Hier hakt die Theorie einer "passio continuo" ein, wonach Gott nicht distanziert zum irdischen Leid ist, sondern am Unrecht der Welt leidet - und zwar nicht nur gedanklich-geistig sondern seinshaft: Erlebt und Erlitten durch die Passion Christi, dem Gipfelpunkt der Offenbarung.
...durch die Annahme, Gott wurde verbannt
Grundlage dieses Ansatzes (z.B. vertreten durch Wilhelm Busch (Pfarrer)) ist die Beobachtung, dass in der westlichen Welt die Säkularisierung stets voranschreitet. Die Gebote Gottes werden nicht mehr beachtet und sind den meisten Menschen nicht mal bekannt. Dies ist nun also ein klares Nein zu Gott durch die Nichtbeachter. Ein "Nein" durch Nicht-Kenner ist das noch keineswegs. Gott respektiert diese scheinbar endgültige Entscheidung und zieht sich weitgehend, aber nicht ganz, zurück. Gott weiß nämlich, dass der Mensch dazulernt und zu einem geistig fortgeschritteneren Zeitpunkt eine andere Entscheidung treffen könnte, aufgrund gereifterer Erfahrung, die eine vertieftere Wissens- und Verstehenslage beinhalten kann. Dies wurde von Anne Graham Lotz in einem Interview von CBS gut zum Ausdruck gebracht:
- Frage: Ich hörte religiöse und nicht-religiöse Menschen fragen: "Wenn Gott gut ist, wieso lässt er so etwas zu?" Was antworten Sie auf diese Frage? (Anm.: Es ging um den 11. September)
- Antwort: Ich sage, Gott ist auch wütend, wenn er so etwas sieht. Ich würde auch sagen, dass die Amerikaner auf eine gewisse Art ihre Fäuste gegen Gott gerichtet haben und sagten, Gott, wir wollen dich nicht mehr in unseren Schulen, Regierung, Firmen oder Märkten. Und Gott, ein Gentleman, entfernte sich ganz ruhig aus unserem nationalen, politischen und öffentlichen Leben und nahm seine segnenden und schützenden Hände weg. Wir müssen nun als erstes zu Gott zurückkehren und sagen, Gott es tut uns leid, dass wir dich so behandelt haben und wir bitten dich nun, in unser nationales Leben zurückzukehren. Wir vertrauen dir. Momentan haben wir unser Vertrauen auf den Gott Geld gesetzt und wir müssen erst lernen, wieder auf Gott zu vertrauen.(Vollständiger, englischer Interview-Text ist bei CBS News verfügbar)
Dietrich Bonnhoeffer treibt solch eine Sicht in einem seiner Briefe auf die Spitze: "...Vor und mit Gott leben wir ohne Gott. Gott lässt sich aus der Welt hinausdrängen ans Kreuz, Gott ist ohnmächtig und schwach in der Welt und gerade und nur so ist er bei uns und hilft uns."
...durch die Annahme, die Schöpfung sei "nicht fertig"
Neutestamentliche Theologen wie der Heidelberger Neutestamentler Klaus Berger weisen darauf hin, dass die Bibel selbst und damit der christliche Glaube nicht das Ziel habe, eine Antwort auf die Herkunft des Bösen zu geben, sondern eher darauf, dass Gott die Errettung daraus sei. Gott habe das Böse nicht geschaffen, sondern das Böse war bereits gegeben, als Gott zu wirken begann. Im Alten Testament der Bibel schafft Gott die Welt als einen Bereich der Ordnung, der dem lebensfeindlichen Chaos abgerungen wurde. Das Chaos und die Mächte, die den Menschen und das Leben bedrohen, werden hier vorerst zurückgedrängt, die Chaosmächte sind aber weiterhin anwesend und gefährlich, sobald die Anwesenheit Gottes schwindet. Dadurch wird die Allmacht Gottes als Prinzip in Frage gestellt, welche im biblischen Denken so nicht bekannt sei, sondern eher aus dem Einfluss des griechischischen Denkens komme. Gott ist demnach dabei, in einer bösen Welt und einer unfertigen, schwachen Schöpfung sein Reich aufzubauen, aber dies kann er eben nicht mit einem Fingerschnippen und in einem Augenblick tun (insofern ist der Begriff von Allmacht falsch). Allmacht sollte vielmehr so verstanden werden, als dass letzten Endes die Verheißung des Reiches Gottes und der vollendeten Schöpfung erfüllt wird und Gott mächtiger als alle anderen Mächte in Raum und Zeit ist, nicht aber, dass Gott alles und jedes jederzeit wirkt. Das Geheimnis der Zeit steht zwischen der "schwachen Schöpfung" und der Erfüllung der Verheißung. Berger sagt in einem Zitat: "Gott ist nicht grausam davon bin ich im Laufe meines Lebens als Neutestamentler zusehends überzeugt. Sondern, wenn ein Unglück passiert, ist es allemal die Eigengesetzlichkeit dieser Schöpfung. Wenn jemand vor das Auto läuft und überfahren wird, ist es kein grausamer Gott, sondern es sind die Naturgesetze. Wer so über die rote Ampel hinwegsieht, dem ist nicht zu helfen. Wunder sind für diese Fälle nicht vorgesehen. Es gibt kein Menschenrecht auf Wunder. Der Tod gehört zu dieser Schöpfung hinzu, weil sie schwach ist. Gott will die Überwindung des Todes in all seinen Formen." (Zitat aus einem Interview, siehe http://www.evangelische-kirchenzeitung.de/200213/glaube.htm)
...durch den Hinweis auf Christus am Kreuz
Durch die Kreuzigung Christi sei die Ohnmacht Gottes deutlich geworden (Dorothee Sölle: "Gott hat keine anderen Hände als die unseren").
...durch die Theorie des Dualismus
Das Böse sei durch gefallene Engel, den Satan oder Demiurgen zu verantworten (Gnosis, Manichäismus).
7. Gottes Allwissenheit wird relativiert
III. Sowohl an der Realität des Bösen als auch an Güte, Allmacht und Allwissenheit Gottes wird festgehalten
8. Es gibt keine Lösung (Barth)
Nach Barth gibt es keine Lösung des Theodizee-Problems. Wir sind nicht berechtigt, Gott anzuklagen. Wir können nur dialektisch vom Paradoxon reden (Karl Barth: Das Böse ist die "unmögliche Möglichkeit").
9. Bei der Metaphysik stößt die Vernunft an ihre Grenzen (Kant)
Wir sind zu begrenzt, um metaphysische Spekulationen anzustellen. Hier stößt unsere Vernunft an ihre Grenzen (Kant, Über das Mißlingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee, 1791).
IV. Die Existenz eines Gottes wird negiert
10. Folgerungen der Atheisten und Agnostiker
Die atheistische Schlussfolgerung aus der, wie man meinte, misslungenen Theodizee gewann Ende des 18. Jahrhunderts an Boden. Als nach dem Erdbeben von Lissabon 1755 die optimistische Leibniz'sche Lösung der Theodizee für viele an Plausibilität einbüßte, war es nur noch ein kleiner Schritt, anstatt Gottes Güte gleich Gottes Existenz zu verneinen. Odo Marquard: "[Nach 1755] lag es nahe, zu meinen: die Theodizee gelingt nicht dort, wo - wie bei Leibniz - Gott durch das Schöpfungsprinzip 'der Zweck heiligt die Mittel' entlastet, sondern erst dort, wo Gott von diesem Prinzip entlastet wird. Wo dieses Prinzip als Prinzip der Schöpfung gleichwohl unangefochten bleibt, muß das schließlich folgende Konsequenz haben: Gott muß - zugunsten seiner Güte - aus der Rolle des Schöpfers befreit, ihm muß - zur Rettung seiner Güte - sein Nichtsein erlaubt oder gar nahegelegt werden. ... Durch diesen Atheismus ad maiorem Dei gloriam wird der Mensch der Erbe der Funktionen Gottes: nicht nur seiner Funktion als Schöpfer, sondern eben darum auch ... seiner Funktion als Angeklagter der Theodizee." Damit sei die Theodizee in der zweiten Hälfte des 18. Jh. in die Geschichtsphilosophie gemündet (Odo Marquard: "Der angeklagte und der entlastete Mensch in der Philosophie des 18. Jahrhunderts". In: Ders., Abschied vom Prinzipiellen, reclam, Stuttgart 1981, S. 39-66, hier S. 48). An Gottes Allgüte, Allwissenheit und Allmacht wird also in vollem Umfang festgehalten. Zur Rettung aller drei klassischen Eigenschaften wird aber die Existenz (des so definierten) Gottes aufgegeben.
Atheisten und Agnostiker nutzen gerne den Widerspruch in der Theodizee, um die Existenz eines allmächtigen, allgütigen und allwissenden Gottes, wie ihn viele Religionen kennen, zu verneinen. Der Gottesbegriff lässt sich jedoch abschwächen und damit diesem Argument entziehen - ob man es anerkennt, oder nicht.
Siehe auch: Atheismus, Gottesbeweis
Literatur
Einführungen in das Theodizeeproblem
Geschichtliche Überblicke
- Hans-Gerd Janßen: Gott - Freiheit - Leid. Das Theodizee-Problem in der Philosophie der Neuzeit. 2., unveränd. Aufl. Wiss. Buchgesellschaft, Darmstadt 1993 ISBN 3-534-02399-4
- Thomas Schumacher: Theodizee. Bedeutung und Anspruch eines Begriffs. Europäische Hochschulschriften 20/435. Lang, Frankfurt a.M. 1994 ISBN 3-631-47554-3 (Diss. Freiburg i. Brsg. 1992)
- Regina Ammicht-Quinn: Von Lissabon bis Auschwitz. Zum Paradigmawechsel in der Theodizeefrage. Studien zur theologischen Ethik, Bd. 43. Univ.-Verl., Freiburg (CH) 1992 ISBN 3-451-22943-9 (dt. Diskussion 1945-1970)
- Peter Gerlitz / Melanie Köhlmoos u.a.: Theodizee I.-VI.. In: Theologische Realenzyklopädie 33 (2002), S. 210-237 (sehr konzise, materialreiche Darstellung zur Theodizee in der Religionsgeschichte, Altem Testament, Judentum, Dogmatik, Praktischer Theologie und Philosophie)
Philosophische und theologische Studien
- Kurt Lüthi: Gott und das Böse. Zürich 1961
- David R. Griffin: God, Power and Evil. A Process Theodicy. Philadelphia, Pa. 1976
- Hermann Häring: Das Problem des Bösen in der Theologie. Darmstadt 1985
- Harald Wagner u.a. (Hrsg.): Mit Gott streiten. Neue Zugänge zum Theodizee-Problem. Quaestiones disputatae 169. Herder, Freiburg i. Brsg. 1998 ISBN 3-451-02169-2
- Hubert Irsigler u.a. (Hrsg.): Ein Gott, der Leiden schafft? Leidenserfahrungen im 20. Jahrhundert und die Frage nach Gott. Bamberger theologische Studien 1. Lang, Frankfurt a.M. u.a. 1995 ISBN 3-631-49216-2
- Gerd Neuhaus: Frömmigkeit der Theologie. Zur Logik der offenen Theodizeefrage. Quaestiones disputatae 202. Herder, Freiburg i. Brsg. 2003 ISBN 3-451-02202-8
- Friedrich Hermanni: Das Böse und die Theodizee. Eine philosophisch-theologische Grundlegung. Kaiser; Gütersloher Verl.-haus, Gütersloh 2002 ISBN 3-579-05391-4 (Habil. KH Bethel 2001)
- Gerhard Streminger: Gottes Güte und die Übel der Welt. Das Theodizeeproblem. Tübingen 1992
- Armin Kreiner: Gott und das Leid. Paderborn 1994
- Armin Kreiner: Gott im Leid. Zur Stichhaltigkeit der Theodizee-Argumente. Freiburg u.a. 1997
- Bernd Gräfrath: Es fällt nicht leicht, ein Gott zu sein. Ethik für Weltenschöpfer von Leibniz bis Lem, Beck Vlg., München 1998
- Bernhard Kälin: Lehrbuch der Philosophie. Band I: Logik, Ontologie, Kosmologie, Psychologie, Kriteriologie und Theodizee (1957) und Band II: Ethik (1954), Sarnen
- Traugott Koch: Das Böse als theologisches Problem. In: Kerygma und Dogma 24 (1978), S. 285ff.
Klassische Werke
- Boethius: De consolatione philosophiae / Trost der Philosophie (524). Lat. u. dt., hrsg. u. übers. v. Ernst Gegenschatz u. Olof Gigon, Darmstadt 1984, S. 20ff. (malum nihil est: das Böse ist eigentlich nichts)
- Martin Luther: De servo arbitrio / Über den unfreien Willen (1525). WA 18.
- Gottfried Wilhelm Leibniz: Essais de Théodicée sur la Bonté de Dieu, la Liberté de l'Homme et l'Origine du Mal, Amsterdam 1710. / Dt. Übers.: Die Theodizee von der Güte Gottes, der Freiheit des Menschen und dem Ursprung des Übels, in: Philosophische Schriften, Bd. 2, Suhrkamp Vlg., Frankfurt a.M. 1996
- Voltaire: Candide oder Der Optimismus (ursprünglich 1759 auf Französisch erschienen), in: Sämtliche Romane und Erzählungen, Insel Vlg., Frankfurt a.M. 1976
- Immanuel Kant: Über das Mißlingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee (1791), in: Kants Werke, Akademie Textausgabe VIII, Berlin 1968, S. 264ff.
- Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände (1809), hrsg. v. Thomas Buchheim. Philosophische Bibliothek 503. Meiner, Hamburg 1997
Besprechung wichtiger Autoren
- Peter Steinacker: Luther und das Böse. In: Neue Zeitschrift für Systematische Theologie 33 (1991), S. 139-151
- Stefan Lorenz: De mundo optimo. Studien zu Leibniz' Theodizee und ihrer Rezeption in Deutschland (1710-1791). Studia Leibnitiana: Supplementa 31. Steiner, Stuttgart 1997 ISBN 3-515-07122-9
- Kurt Appel: Kants Theodizeekritik. Eine Auseinandersetzung mit den Theodizeekonzeptionen von Leibniz und Kant. Religion - Kultur - Recht, Bd. 2. Lang, Frankfurt a.M.; Berlin u.a. 2003 (Diss. Wien 2000) ISBN 3-631-51672-X
- Christian Iber: Die Theodizeeproblematik in Schellings Freiheitsschrift. In: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 48 (2001), S. 146-164
- Gerold Graf: Gott dennoch Recht geben. Die Theodizeefrage als ein entscheidendes Problem - besonders bei Luther, Bultmann und Sölle. Frankfurt a.M. u.a. 1983
- Jörg Eickhoff: Theodizee. Die theologische Antwort Paul Tillichs im Kontext der philosophischen Fragestellung. Frankfurt a.M. u.a. 1997
- Christine Kress: Gottes Allmacht angesichts von Leiden. Zur Interpretation der Gotteslehre in den systematisch-theologischen Entwürfen von Paul Althaus, Paul Tillich und Karl Barth. Neukirchener theologische Dissertationen und Habilitationen 27. Neukirchener, Neukirchen-Vluyn 1999 ISBN 3-7887-1756-4 (Diss. Heidelberg 1998/99)
Das Theodizeeproblem in der theologischen Dogmatik
Evangelische Theologen:
- Wilfried Härle: Dogmatik. 2., überarb. Aufl. Berlin; New York, de Gruyter 2000 ISBN 3-11-016589-9 (Standardwerk für ev. Theologen; S. 439-455 zum Theodizeeproblem; argumentiert im Anschluss an Leibniz)
- Wilfried Joest: Dogmatik. Bd. 1: Die Wirklichkeit Gottes. Uni-Taschenbücher 1336. 4., durchges. Aufl. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1995 ISBN 3-8252-1336-6 (S. 180-185 zum Theodizeeproblem; Leibniz und Luther)
Katholische Theologen:
- Theodor Schneider: Was wir glauben. Eine Auslegung des apostolischen Glaubensbekenntnis. 5. Aufl. Düsseldorf, Patmos 1998 ISBN 3-491-69011-0 (Zur Einführung sehr geeignet! Modernes Proseminar (Systematische Theologie) Standartwerk)
Populäre Darstellungen
- Ralph Sauer: Gott - lieb und gerecht? Hilfen zur Leidensproblematik in der Sekundarstufe I und II. Herder, Freiburg i. Brsg. 1991 ISBN 3-451-22441-0 (298 S.)
- Heinz Zahrnt: Wie kann Gott das zulassen? München; Zürich 1985, 6. Aufl. 1996
- Arthur Ernest Wilder-Smith: Ist das ein Gott der Liebe? Neuhausen-Stuttgart, 1988
- Klaus Berger: Wie kann Gott Leid und Katastrophen zulassen? Gütersloher Verlagshaus, 1999
Weblinks
- "Prof. Dr. Gerhard Streminger: VON DER GÜTE GOTTES UND DIE LEIDEN DER WELT. EIN ÜBERBLICK ÜBER DAS THEODIZEEPROBLEM. Aus: Aufklärung und Kritik 1/2003, S. 11 ff."
- "Anatomie des erhobenen Zeigefingers: Wie man Gott entschuldigt und die Menschen an sich bindet"
- "Die Banalität von Gut und Böse: Das Phänomen des Übels aus weltlicher Sicht"
- "Warum lässt Gott das Böse zu?" (Online-Aufsatz von A.E. Wilder-Smith auf jesus.ch)
- "Das Böse - Warum lässt Gott das zu?" (aus der Online-Version der Broschüre "Siehe! Ich mache alle Dinge neu" (hrsg. von der Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft, Selters))
- "Warum läßt Gott das Böse zu?" - Aufsatz von Martin Wagner
- "Warum lässt Gott Leid zu?" (Nikodemus.net)
- Aktuelle Literatur zur Theodizee