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Prime

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Die Prime (auch Prim) ist ein musikalisches Intervall, welches die Tonwiederholung bezeichnet.

Beispiel: c' - c' ist eine reine Prime.

Liedanfang: Mor-gen (kommt der Weihnachtsmann)

Die so genannte Umkehrung, das Komplementärintervall, c' - c" ist eine reine Oktave.

c' - cis' (ein chromatischer Halbton) ist eine übermäßige Prime; eine verminderte Prime gibt es nicht.

Die Prim in der Sequenz

Tonrepetitionen in einer Vokal- oder Instrumentalstimme können den Charakter eines Musikstückes prägen:
Ein Motiv, Thema, Abschnitt oder eine ganzes Stück besteht nur aus den Widerholungen ein und des selben Tones zumindest in einer Stimme. Beispiel: Peter von Cornelius (1824-1874): Ein Ton für Singstimme und Klavier. Hier wird gesamte Text des Liedes auf der selben Tonhöhe vorgetragen.

Haben alle repetierten Töne den selben Wert, ergibt sich Monotonie (wörtlich ein Ton) im eigentlichen Wortsinne. Eine besondere Spannung zwischen Einförmigkeit und Vielfalt ergibt sich, wenn die Töne unterschiedliche Länge aufweisen und eine Rhythmisierung stattfindet.

Instrumente

Glocke, Monochord und Maultrommel können als (Einzel-)Instrumente nur Primsequenzen erzeugen. (Siehe dazu [1])

Liturgische Musik

Die frühe Liturgische Musik wird von der Prim geprägt: Respondieren, Psalmodieren, Rezitationston. Redeuntes-Kompositionen. Beispiel: Claudio Monteverdi (1567-1643): Marienvesper, Intionatio Deus in adjutorum zu Beginn. Johann Sebastian Bach, Kantate Gleich wie der Regen und Schnee vom Himmel fällt, BWV 18, erstes Rezitativ.

Verzierungen

Als Besipiel für die Verzier-Technik der Bebung und des Vibratos dient von Claudio Monteverdi, Marienvesper, VII. Concerto Duo Seraphim mit ausgeschriebenen Bebungen.

Notenbeispiel aus der Marienvesper von Claudio Monteverdi zur Prim in der Sequenz

. Johann Joachim Quantz beschreibt in seinem Lehrbuch Versuch einer Anweisung, die Flöte traversiere zu spielen (1752), wie die Bebung auf der Travers-Flöte auszuführen sei. Häufig wurde die Bebung beim Clavichord angewandt.

Orgelpunkt

Auf dem Klavier und noch mehr auf dem Cembalo muss auf Grund der kurzen Abklingzeit dieser Instrumente ein lang ausgehaltener Ton durch Rhythmisierung aufgelöst werden. Bei lang ausgehaltenen Akkorden geschieht das in der Regel durch Arpeggien („gebrochene“ Akkorde.

  • Im Eingangschor der Matthäus-Passion von Johan Sebastian Bach, BWV 244, ist für den Continuo-Bass von Beginn an ein „gebrochener“ Orgelpunkt über 5 Takte komponiert, der im Laufe des Satzes immer wieder auf unterschiedlichen Stufen wiederholt wird. Auf Grund der Instrumententechnik von Violone und Orgel wäre es kein Problem, einen ausgehaltenen Ton zu spiele. Bach komponierte aber Tonrepetitionen im 12/8-Rhythmus.
  • Im Weihnachtsoratorium des selben Komponisten, BWV 248, werden in der Arie Schlafe mein Liebster, genieße der Ruh’ beide Möglichkeiten eines Orgelpunktes gegenübergestellt. Der „gebrochene“ Orgelpunkt symbolisiert das Wiegen des Kindes, verdeutlicht durch Oktav-Sprünge, der ausgehaltene Orgelpunkt, die Ruhe des Schlafes


Fanfaren-Motive

Häufig sind, neben Dreiklang-Figuren in den Fanfaren-Motiven auch rhythmisierte Tronrepetitionen zu finden. Sie sind oft im Zusammenhang von Macht, Sieg und Jubel zu finden. Beispiele:

BWV 31
In der Eingangs-Sinfonia zur Kantate Der Himmel lacht, die Erde jubiliert BWV 31 von Johann Sebastian Bach spielen alle 15 Stimmen das Fanfaren-Motiv unisono.
Datei:BeethovenMarschBsp1.png
WoO 18
Ludwig van Beethoven (1770-1827) Marsch Nr. 1 für Militärmusik WoO 18
Rossini
Gioacchino Antonio Rossini (1792-1868), Beginn der Ouvertüre zu Wilhelm Tell

Die Prim in der Distanz

Die Prim als Intervall eines Akkords ist nicht zu höhren, es ergeben sich nur bei verschiedenen Instrumenten neue klangliche Farben. Sie kann aber Ziel- oder Ausgangspunkt von zwei oder mehr Stimmlinien sein. ergibt sich oft bei Schlussformeln mehrstimmiger Werke fast zwangsläufig, wenn zwei Stimmen der selben Stimmlage im selben Schlusston enden. ein besonderer Effekt ergibt sich aber, wenn alle Stimmen auf dem selben Ton (oder seiner Oktav) enden, also Terz oder gar Quint fehlen. Beispiel: *Claudio Monteverdi: Marienvesper, VII. Concerto Duo Seraphim

Notenbeispiel aus der Marienvesper von Claudio Monteverdi zur Prim in der Distanz

In einem mehrstimmigen Satz, der als Harmoniemodell nur die Stufen I und V enthält, kann in einer Stimme immer der selbe Ton gesungen und gespielt werden. Zwar wird dies im klassischen Tonsatz in der Regel vermieden, entsprechend Bachs Ideal der Sanglichkeit auch der Mittelstimmen, dieses Stilmittel kann aber auch gezielt eingesetzt werden.
Beispiele:

  • Franz Schubert, Streichquartett d-moll Der Tod und das Mädchen, 2. Satz
  • George Henry Crumb (*1929): Angels for electric string quartet13 Bilder aus einem dunklen Land. Das 10. Bild Pavana Lachrimae zitiert Schuberts 2. Satz wörtlich.

Bedeutung

Die Prim in der Sequenz können zahlreiche Bedeutungen zugeordnet werden: Todes-Motivik, Ruhen in sich, Monotonie u. .a

Weitere Beispiele

  • Dietrich Buxtehude (um 1637-1707): Konzert Gott hilf mir BuxWV 34
  • Johann Sebastian Bach (1685-1750)
    • Kantate Herr Jesu Christ, wahr’ Mensch und Gott, BWV 127, Sopran-Arie Die Seele ruht. Hier symbolisieren die Tonrepetitionen der beiden Blockflöten dem Text angemessen die Sterbeglocke.
    • Eingangs-Arie der Kantate Liebster Gott, wann wird ich sterben, BWV 8.
    • Trauer-Motette BWV 118
    • Matthäus-Passion, BWV 244: Im Rezitativ des Evangelisten Und siehe da, der Vorhang zerriss spielt das Continuo zu den Worten und die Erde erbebete 32tel-Tonrepetitionen.
Notenbeispiel aus der Matthäus-Passion, Rezitativ Und die Erde erbebete
    • Im Schlusschoral der Kantate Herr, gehe nicht ins Gericht spielt die Streicherbegleitung Tonrepetitionen. Beginnend mit 16tel wird aber deren Tempo nahezu kontinuierlich verlangsamt, was Bach durch Änderung des Taktes (nur in der Begleitung!), Triolisierung und damit Verminderung der Zahl der wiederholten Töne erreicht. Diese Art der auskomponierten kontinuierlichen Verlangsamung und der Polyrhythmik findet sich erst wieder in modernen Kompositionen:
BWV 105
    • Die Partita für Violine solo BWV 1004, ihr liegt der Choral Christ lag in Todesbanden zu Grunde, enthält in der ausgedehnten Chaconne an zwei Stellen charakteristische Tonwiederholungen:
1. Notenbeispiel aus Bach BWV 1004
Hier erscheinen neben sequentiellen Primen auch distante, die durch Doppelgriffe entstehen.
2. Notenbeispiel aus Bach BWV 1004
An dieser Stelle treten wieder nur sequentielle Primen auf, wobei sich eine weitere Möglichkeit, einen Orgelpunkt zu gestalten, ergibt: 2 Melodielinien werden so ineinder verzahnt, dass die Töne zwar alternierend hintereinander gespielt werden, jede Linie aber als Einheit empfunden wird. Diese Technik wird vor allem für Instrumente angewandt, die nur eine einzige Stimme spielen können, auf diese Weise aber eine scheinbare Zweistimmigkeit erreichen können. (siehe hierzu Georg Philipp Telemann, Sonaten für Travers-Flöte solo, aber auch die Toccata d-moll von J. S. Bach, BWV 565)
    • Ähnlich verhält es sich im Preludio der Partita Nr. 3, BWV 1006. Diesen Satz bearbeitet Bach als Eingangschor zur Kantate Wir danken dir, Gott wird danken dir, BWV 29, in der eine obligate Orgel den Violinpart übernimmt, wobei die zwei Melodielinien auf zwei Hände übertragen werden.
  • Heinrich Ignaz Franz Biber (1644-1704), Battalia, eine Art musikalische Beschreibung des Lebens der Landsknechte: Bereits in der einführenden Sonata werden Tonrepetitionen vorgestellt, wie sie in den späteren Sätzen immer wieder erscheinen. Der Mars stellt den Marsch der Landsknechte in die Schlacht durch zwei Streicherstimmen dar: Die Violine imitiert die lebhaften Pfeifen, die Violone gibt durch Tonrepitionen den Marschrhythmus an. Die anschließende Schlacht wird unter anderem durch lebhafte 16tel-Tremolos beschrieben
  • Henry Purcell (1659-1695): Semi opera King Arthur, Arie Let me freeze Hier wird das frierende Zittern dargestellt.
  • Antonio Vivaldi (1678-1741): Concert-Zyklus Le Quattro Staggioni (Die Vier Jahreszeiten), Nr. 4 L’Inverno (Der Winter) Auch hier wird das Zittern und Beben durch Achtel-, 16tel- und 32tel-Tonrepetitionen wiedergegeben.
  • Frédéric François Chopin (1810-1849)Prélude Opus 28, Nr. 25 für Klavier
  • Maurice Ravel (1875-1937): Bolero
  • György Ligeti (geboren 1923), Musica Ricercata für Klavier
  • Philipp Glass (geboren 1937): Poianaqqatsi
  • Arvo Pärt (geboren 1935): Cantus in Memoriam Benjamin Britten
  • Sofia Gubaidulina: Sonnengesang