Rentenökonomie
Als Rentenökonomie wird eine Wirtschaftsform bezeichnet, in der in umfangreichem Ausmaße die Akteure nicht durch Eigenleistung und produktiven Faktoreneinsatz zu Wohlstand kommen, sondern durch die Ausnutzung von strukturell bedingten Knappheitslagen, die daher dann auch zum Schaden der Allgemeinheit stabilisiert werden, und nicht durch höhere Produktion überwunden.
Definition Rente
Allgemein sind Renten die Teile von Erträgen, Einkommen und Zahlungen, die deren Opportunitätskosten übersteigen, d.h. der Überschuss über dem regulären "Wert" der eingesetzten Wirtschaftsfaktoren (Arbeit, Kapital, Rohstoffe, Know-How etc.). Die Rente ergibt sich durch eine kurzfristige Knappheitslage (Nachfrage über Angebot), die eine Preiserhöhung ohne höheren Gegenwert ermöglicht. Solche Knappheitslagen können durch natürliche Standortfaktoren, starke Marktmacht der Anbieter (z.B. Monopolrente oder selten auch Monopolrendite), aber eben auch durch absichtlich herbeigeführte Verknappungen, oft durch staatliche Regelungen und Interventionen, gegeben sein.
In jedem Wirtschaftssystem kommen solche Renten vor, allerdings in stark unterschiedlichem Ausmaße. Die Aneignung kann auf legalem und illegalem Wege passieren. In Entwicklungsländern ist auch gerade der Faktor der so genannten "internationalen Rente" nicht unerheblich, der aus den Tansfers aus der Entwicklungszusammenarbeit besteht.
Rent-Seeking
Unter Bedingungen der prinzipiellen Konkurrenz können hohe Renten dazu führen, das die Produktion erhöht wird und so die Knappheit eines Wirtschaftsgutes, und damit sein vorübergehend erhöhter Preis, vermindert wird. Aus Akteurssicht ist aber auch ein rent-seeking (Renten suchende Aktivität) genanntes Vorgehen sinnvoll (den individuellen Nutzen maximierend). Nicht ein produktiver Faktoreneinsatz (Effizienz) wird angestrebt, sondern es werden Ressourcen für die Aneignung und Teilhabe an den Renten aufgewendet, die dann für die gesamte Volkswirtschaft und damit die Produktionserhöhung, verloren sind. Zu diesen Aufwendungen im Rahmen von rent-seeking Prozessen gehören: Geld, Zeit, Informationsbeschaffung, Kontaktherstellung, Interessenorganisation, Konkurrenzbehinderungen, legale und illegale Mittel (politische) Entscheidungen zu beeinflussen (Korruption, Lobbyismus).
Meist knüpfen diese für die Allgemeinheit schädlichen Bereicherungen an staatliche Interventionen an, die eigentlich, mittels Protektionismus, Marktversagen abstellen und den (industriellen) Entwicklungsprozess beschleunigen wollen. Daher sind die für rent-seeking besonders anfälligen Bereiche außenwirtschaftliche Maßnahmen (Devisen, Zölle, Lizenzen), Kreditvergabe, Preisbindungen und eine monopsonistisch strukturierte Agrarwirtschaft zur Abschöpfung der Exporterlöse durch die den Staat beherrschenden Machteliten. Auch ausländische Unternehmen profitieren von dieser Rentiersmentalität und der geringen gesellschaftlichen Responsivität dieser Regime, indem sie die repressive Unterdrückung von z.B. Lohn- und Umweltforderungen ausnutzen, und durch Unterstützung der herrschenden Cliquen bewusst stabilisieren (z.B. Shell in Nigeria).
Rentierstaaten
Länder deren Finanzen sehr stark von Renten aus dem Export (Steuern, Gewinnanteile) abhängen, nennt man auch Rentierstaaten. Vor allem Erdöl und andere Mineralien bescheren solche Renten, die aber häufig nicht zur wirtschaftlichen Entwicklung eingesetzt werden, sondern typische Fehlentwicklungen auslösen, wie hohe Konzentration an wenigen Standorten, kaum industrieller Austausch innerhalb des Landes, Schwächung traditioneller Wirtschaftsbereiche durch Ressourcenfehlallokationen und somit auch unterdurchschnittliches Wirtschaftswachstum.
In Rentierstaaten hängen auch die Staatsfinanzen von solchen Rohstoffrenten ab, das inländische Steueraufkommen ist demgegenüber vernachlässigbar. Diese finanzielle Unabhängigkeit der "staatstragenden" (bzw sich den Staat bemächtigten) Gruppen vom eigenen Volk, lässt diese die Entwicklung von zukünftig möglichen, einheimischen Finanzierungsquellen vernachlässigen. Die mangelhaften institutionellen Rahmenbedingungen werden nicht verbessert, weder Rechtssicherheit, Transparenz noch Ausgabenkontrolle werden angezielt, und schon gar nicht politischer Wettbewerb (was auch nur in seltenen Fällen im Interesse der großen ausländischen Unternehmen und Regimegeldgeber wäre).
Insbesondere die enge Verzahnung von politischem Amt und ökonomischen Möglichkeiten (Neopatrimonialismus und Klientelismus) würde für die herrschenden Eliten beim Zulassen politischer Alternativen auch den finanziellen Abstieg nach sich ziehen. Die ausufernden Staatsausgaben treffen daher auf wenig Gegenwehr bzw. werden mittels repressiver und autoritärer Politik (Autokratie) durchgesetzt. Die effizientem Wirtschaften entgegenstehende Rentiermentalität wird gefördert und das rent-seeking-Verhalten führt schließlich auch zu Korruption und weitverbreiteten Patronagebeziehungen. Damit wird schließlich auch die staatliche Kompetenz und letztlich die Legitimität ausgehöhlt, Staatszerfall droht und ist, besonders in Afrika, oft die Folge.
Literatur
- Claudia Schmid: Rente und Rentier-Staat: Ein Beitrag zur Theoriegeschichte. In: Boeckh / Pawelka (Hrsg.): Staat, Markt und Rente in der Internationalen Politik. Opladen 1997. S. 28-50.
- Friedrich Mühlenberg: Rentenökonomie. In: Rolf Hofmeier / Andreas Mehler (Hrsg.): Kleines Afrika-Lexikon. Bonn 2005.
- Michael Dauderstädt / Arne Schildberg (Eds.): Dead Ends of Transition. Rentier Economies and Protectorates. Frankfurt 2006.
- Florian Mayer: Zur Bedeutung von Renteneinnahmen für die politische und ökonomische Entwicklung der MONA-Region: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft http://library.fes.de/pdf-files/iez/04276.pdf