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Jülich-Klevischer Erbfolgestreit

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Der Jülich-Klevische Erbfolgestreit von 1609 bis 1614 bricht nach dem Tod von Johann Wilhelm, dem letzten Herzog von Jülich-Kleve-Berg zwischen den Haupterben Johann Sigismund von Brandenburg und Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg aus und wird am 12. November 1614 im Vertrag von Xanten beigelegt.

Der Konflikt im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges, der fast schon den großen europäischen Krieg ausgelöst hätte, spiegelt das durch konfessionelle und dynastische Konflikte aufgebaute Kriegspotential in Europa wider. Die Erbmasse - die Herzogtümer Jülich, Kleve, Berg und die Grafschaften Mark und Ravensberg - führt aufgrund der territorialen Größe, seiner strategischen Bedeutung und der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Konfessionen zu einem starken Interesse der europäischen Mächte.


Die im Dortmunder Rezess von den Haupterben 1609 vereinbarte Gemeinschaftsregierung ruft Kaiser Rudolf II. auf den Plan, der Erzherzog Leopold mit seinen Söldnern einmarschieren lässt. Johann Sigismund und Wolfgang Wilhelm finden Unterstützung bei Frankreich, England und den Niederlanden. Der drohende europäische Krieg wird durch die Ermordung von Heinrich IV. von Frankreich vorerst abgewendet.

Vorgeschichte

Der Streit um die Erbfolge des jülich-klevischen Fürstenhauses beruhte auf zwei kaiserlichen Privilegien. Schon Friedrich III. hatte dem Haus Sachsen die Nachfolge im Fall des Aussterbens der männlichen Linie des kleveschen Fürstenhauses zugesichert. Aufgrund eines Privilegs von Karl V. aus dem Jahr 1546 wurden auch die weiblichen Nachkommen der Herzöge erbberechtigt. Herzog Johann Wilhelm verheiratete zwischen 1573 und 1579 seine drei ältesten Töchter in die Fürstenhäuser von Brandenburg, Pfalz-Neuburg und Pfalz-Zweibrücken. Da der einzige Sohn Johann Wilhelms geisteskrank war, konnte man das Ende der männlichen jülich-klevischen Linie absehen.

Trotz eines Erbvertrags zwischen den Schwestern kam es bald zu Unklarheiten über den Verbleib des Landes. Die nach Brandenburg verheiratete Leonore hatte zwar als älteste unter ihnen den Vorrang, da sie jedoch keine männlichen Nachfolger zur Welt gebracht hatte, beanspruchte der Herzog von Pfalz-Neuburg das Territorium für sich. Die Hohenzollern setzten 1577 Georg Friedrich von Ansbach als Vormund für Leonores ebenfalls vom Schwachsinn befallenen Mann ein. Zusätzlich wurde der Enkel des Kurfürsten, Johann Sigismund, 1591 mit der ältesten Tochter Leonores verheiratet.

Zunächst wurde der Streit zwischen Brandenburg und Pfalz-Neuburg jedoch zurückgestellt, da man versuchte, gemeinsam die Vormundschaft über Herzog Johann Wilhelm zu erlangen. 1591 rief Herzogin Jakobe, die Gemahlin Johann Wilhelms, einen Landtag nach Düsseldorf ein, um eine Neuordnung des Landes vorzunehmen. Alle an der Erbfolge beteiligten Fürsten außer Sachsen sowie Kaiser Rudolf II. schickten Gesandtschaften zu dieser Zusammenkunft. Die Versammlung zerfiel schnell in ein protestantisches und ein katholisches Lager, die jeweils für sich die Vorherrschaft im Land sichern wollten.

Am Ende der Verhandlungen stand eine Sicherung des Status quo: Die Provinzen Kleve und Jülich-Berg sollten durch getrennte Räte, die sich allerdings gegenseitig beraten mussten, regiert werden. 1606 erweiterte der Kaiser die Regentschaft der Räte auch auf die Zeit nach dem Tod des Herzogs, in der sie sich an seinen Anordnungen orientieren sollten.

Der Erbfolgestreit

Der Erbfall

Der Kaiser reagierte auch als erster, als Johann Wilhelm am 25. März 1609 starb, indem er seine Anweisung erneuerte und auch die Herzogin an der Regentschaft beteiligte. Die erbberechtigten Fürsten sollten bis zum Herbst des Jahres vor dem Kaiser erscheinen, um ihre Ansprüche darzulegen. Trotz dieser Aufforderung begannen sowohl Brandenburg als auch Pfalz-Neuburg durch Bevollmächtigte einzelne Orte im Fürstentum unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Brandenburger waren dabei insbesondere in Kleve, Mark und Ravenstein aktiv, während die Neuburger Bevollmächtigten in Jülich und Mark ihren Einfluss entfalteten. Die Landstände beschlossen in getrennten Verhandlungen, sich vorerst keinem der beiden Konkurrenten anzuschließen.

Im Mai 1609 traf zudem ein kaiserlicher Kommissar ein, der die Stände und Räte dazu anhielt, eine gemeinsame Regierung unter der Aufsicht Rudolfs II. zu bilden. Gegen diese Einmischung beschlossen Brandenburg und Pfalz-Neuburg im Juli im Dortmunder Vertrag, Jülich-Kleve bis zu einer endgültigen Einigung als gemeinsamen Besitz zu betrachten. Die Regierung sollte von den Possidierenden, den Abgesandten beider Seiten, also Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Neuburg und Markgraf Ernst, dem Bruder Johann Sigismunds, ausgeübt werden. Die endgültige Regelung der Eigentumsverhältnisse sollte entweder gütlich oder durch eine von beiden Seiten bestimmte fürstliche Schiedskommission erfolgen. Die Possidierenden wurden in Kleve und Mark schnell als neue Herrscher angenommen. In Jülich und Berg stießen sie jedoch auf den Widerstand der Regierung und der meisten Landadeligen. Die neuen Herrscher erhielten Unterstützung durch Pfalz-Zweibrücken, das den Dortmunder Vertrag anerkannte, und durch die Protestantische Union, Moriz von Hessen und Heinrich IV. von Frankreich, die Gesandte nach Düsseldorf schicken. Einer kaiserlichen Weisung, alle von ihnen getroffenen Regelungen rückgängig zu machen, widersetzten sich die Possidierenden. Sie zweifelten die kaiserliche Entscheidungsgewalt über die Erbfolge an und forderten die Einberufung eines Fürstengremiums. Sachsen nutzte die Gelegenheit, um seine Ansprüche beim Kaiser erneut geltend zu machen.

Aber auch innerhalb des Landes regte sich Widerstand gegen die Possidierenden. Der Kommandant der Festung Jülich, Oberst Rauschenberg, erkannte Ernst und Wolfgang Wilhelm nicht an und setzte in seiner Festung eine kaiserliche Regierung ein. Rudolf entsandte daraufhin Erzherzog Leopold von Habsburg als Bevollmächtigten an die Spitze dieses Gremiums. Da er jedoch nur mit wenig Geld ausgestattet war und die Festung nur eine Garnison von etwa 700 bis 900 Mann beherbergte, hatte er kaum reale Macht.

Den Possidierenden gelang es zwar im Verlauf des Sommers 1609, in allen Provinzen des Landes anerkannt zu werden, doch tat sich ein immer tieferer Graben zwischen Ernst und Wolfgang Wilhelm auf. Der Neuenburger versuchte, seine Schwäche aufgrund der geringeren Macht seines Fürstentums im Vergleich zu Brandenburg dadurch zu kompensieren, daß er sich dem Kaiser und den Lutheranern annäherte. Die nicht direkt an der Erbfolgeauseinandersetzung beteiligten Reichsfürsten hielten sich zunächst zurück, um die Reaktion Heinrichs IV. abzuwarten. Dieser befürchtete ein Eingreifen der Spanier aus den Niederlanden und zog Truppen an der französisch-niederländischen Grenze zusammen.

Die Belagerung Jülichs

Belagerung der Stadt Jülich,1610

Zum Ende des Sommers 1609 konnten die Possidierenden ihre Militärmacht durch finanzielle Unterstützung aus ihren Stammländern und ein Darlehen der protestantischen Union auf 6000 Mann vergrößern. An die Spitze der Truppen wurde Christian von Anhalt gestellt. Sowohl bei der Union als auch bei Heinrich IV. konnte er weitere Zusagen für eine Unterstützung der Possidierenden gewinnen. Im Gegenzug fordert der französische König aber Verhandlungen über einen Krieg gegen die spanischen Niederlande.

Auf dem Unionstag im Februar 1610 konnten sich die Städte nicht mit ihrer Forderung nach einer Verhandlungslösung durchsetzen. Die Union beschloß, die Possidierenden mit einem Verband von über 10.000 Soldaten zu unterstützen. Heinrich sagt zu, noch einmal die gleiche Anzahl auf eigene Rechnung zur Verfügung zu stellen. Ein Vertrag verpflichtet die Fürsten der Union und Heinrich IV. zu gegenseitiger Militärhilfe im Fall eines Angriffs durch Spanien oder den Kaiser. Da zudem noch Jakob von England und die Generalstaaten Truppen entsandten, lagen im Sommer 1610 über 30.000 Mann vor Jülich. Zudem wurden in Frankreich große Verbände nach Norden verlegt. Heinrich und die Possidierenden kamen darin überein, nach der Eroberung Jülichs über die Maas in spanische Gebiete einzufallen.

Belagerung der Stadt Erkelenz, 10. Mai 1610

Gegen diesen Heerhaufen war Leopold trotz seinem taktischen Vorteil als Verteidiger einer Festung mit seinen 1500 Mann hoffnungslos unterlegen. Auch den Reichsbann, den der Kaiser gegen die Soldaten der Possidierenden und die sie unterstützenden Bewohner Jülich-Kleves androhte, zeigte kaum Wirkung. Allerdings begann auch eine Mobilisierung der katholischen Kräfte. Leopold verließ Jülich zur Truppenwerbung im Salzburger Land. Erzherzog Albert stand in Luxemburg mit fast 20.000 Soldaten bereit. Mailand, das zweite Ziel einer französischen Offensive gegen Spanien, bereitete sich auf eine Belagerung vor. In Spanien wurde die Miliz mobilisiert. Die Katholische Liga formierte sich, indem die geistlichen Kurfürsten ihr beitraten und ein Defensivbündnis mit Spanien geschlossen wurde.

In dieser angespannten Lage wurde am 14. Mai 1610 Heinrich IV. ermordet. Seine Frau Maria Medici, die die Regentschaft übernahm, versuchte, den Konflikt mit Spanien zu entschärfen und beorderte einen Teil der Streitmacht an der französischen Nordgrenze zurück. Das Bündnis mit der Union wurde aber aufrecht erhalten. Um dem endgültigen Entzug der französischen Unterstützung zuvorzukommen, wurde am 1. August 1610 die Belagerung Jülichs in Angriff genommen. Einen Monat später musste Rauschenberg die Stadt übergeben. Da es jedoch nicht zu dem geplanten Überfall auf die spanischen Niederlande kam, war der Konflikt damit beendet.

Erneute Spannungen und vorläufige Lösung

Im Verlauf der folgenden zwei Jahre zogen sich die Truppen bis auf wenige hundert Mann aus Brandenburg, Neuburg und den Generalstaaten aus dem Gebiet zurück. Während sich also die militärische Lage in Jülich-Kleve beruhigte, kam es zu verstärkten konfessionellen Auseinandersetzungen zwischen den Kalvinisten und Lutheranern im Land. Die Annäherung Johann Sigismunds an den Kalvinismus führte zu Spannungen zwischen den Possidierenden. Zudem zeigten sich die Jülicher Räte unkooperativ gegenüber den Wolfgang Wilhelm und Ernst.

Nach dem Fehlschlag eines Vermittlungsversuchs auf dem Kölner Fürstentag nahm der Kaiser den Achtsprozess gegen die Possidierenden und die Unterstützung sächsischer Interessen wieder auf. Auch der Vertrag von Jüterbock von 1611, in dem ein Entscheidungsmodus für die Erbnachfolge gefunden werden sollte, trat nie in Kraft. Sowohl Liga und Union als auch Frankreich zeigten allerdings kaum noch Interesse daran, in Jülich-Kleve einzugreifen und einen neuen Waffengang zu riskieren. Die folgenden Jahre waren von wechselnden Allianzen und Annäherungsversuchen zwischen Brandenburg, Neuburg, Sachsen und dem Kaiser bestimmt. Am Ende dieser Verhandlungen stand 1613 die unwiderrufliche Spaltung zwischen Brandenburg und Neuburg, als Johann Sigismund endgültig zum Calvinismus übertrat und Wolfgang Wilhelm, zunächst insgeheim, katholisch wurde.

Da alles auf eine neue militärische Auseinandersetzung, diesmal zwischen Brandenburg und Neuburg, hinzusteuern schien, suchten beide Seiten nach neuen Verbündeten. Wolfgang Wilhelm erhielt dabei die Zusage von Spanien, im Falle eines Brandenburger Angriffs militärische Unterstützung zu gewähren. Brandenburg konnte Hilfe aus den Generalstaaten erlangen. Im Frühjahr 1614 erschienen Truppen aus den Staaten vor Düsseldorf, um Kurprinz Georg Wilhelm, den Nachfolger Ernsts, gegen einen angeblichen neuburgischen Handstreich zu schützen. Da die Bevölkerung die Stadt verbarrikadierte, kam es jedoch zu keinen Auseinandersetzungen. In der Folge trennten die Possidierenden ihre Residenzen: Der Pfalzgraf blieb in Düsseldorf. Georg Wilhelm ließ sich in Kleve nieder und konnte seine Kontrolle auf Jülich ausweiten, nachdem die dortige staatische Garnison verstärkt worden war und die neuburgischen Soldaten vertrieben hatte.

Währenddessen baute Wolfgang Wilhelm Düsseldorf zur Festung aus und rief Spanien um Hilfe an. Ende August 1614 setzte sich General Spinola mit etwa 20.000 Mann in Bewegung. Die generalstaatische Armee unter Prinz Moritz brach kurze Zeit später auf. Bei Rees trafen die beiden Heerhaufen aufeinander. Da man jedoch vor einer Wiederaufnahme des spanisch-niederländischen Krieges zurückschreckte, wurden Friedensverhandlungen aufgenommen, die am 12. November 1614 zum Vertrag von Xanten führten. Darin wurde die Verwaltung des Landes territorial getrennt. Brandenburg sollte von Kleve aus Kleve-Mark, Ravenstein und Ravensberg verwalten. Die Neuburger Regierung sollte in Düsseldorf sitzen und die Kontrolle über Jülich-Berg ausüben. Zudem sollten sich sämtliche fremde Truppen aus dem Land zurückziehen.

Diese Forderung wurde jedoch nie erfüllt. Vielmehr blieben starke spanische und niederländische Garnisonen bestehen. Außerdem wurde mit der Verwaltungsteilung der Grundstein zur endgültigen territorialen Teilung zwischen Brandenburg und Neuburg gelegt.

Nachspiel

Durch den bald folgenden 30jährigen Krieg geriet die Region zunächst aus dem politischen Interesse. Mit Bevölkerungsverlusten von etwa 10% gehörte der Niederrhein zu den weniger verheerten Gebieten. Die rechtsrheinischen Städte genossen den Schutz ihrer starken staatischen Garnisonen. Der Rest des Territoriums wurde hingegen wiederholt von kaiserlichen, spanischen, schwedischen und hessischen Truppen heimgesucht und mit hohen Kontributionen und Stationierungen belastet. Zum Ende des Krieges waren die linkrheinischen und märkischen Städte mit hessischen Garnisonen besetzt.

Endgültig wurde der Konflikt erst durch den Klever Hauptvergleich im Jahre 1666 besiegelt.