Erzbistum Ohrid
Das Erzbistum von Ohrid ist eine orthodoxe Erzdiözese, welche von der Bulgarisch-Orthodoxen Kirche während der Christianisierung des Ersten Bulgarischen Reiches gegründet wurde. 1767 verlor es seine mehr als 770 Jahre währende Autokephalie und ist nun nur mehr ein einfaches Bistum. Zunächst unter der Jurisdiktion des Patriarchen von Konstantinopel stehend, wurde die Ohrider Eparchie 1870 dem neu gebildeten bulgarischen Exarchat unterstellt. Seit 1918 gehörte die Eparchie zur Serbischen Kirche. Heute existieren in Mazedonien parallel zwei Erzbistümer. Das serbische Erzbistum von Ohrid („Ohridska Arhiepiskopija“) als Teil der Serbisch-Orthodoxen Kirche mit Sitz in Ohrid und das Erzbistum von Ohrid und Mazedonien mit Sitz in Skopje als Teil der nicht anerkannten und nicht kanonisierten Mazedonischen Orthodoxen Kirche.
Geschichte
Schon in der Antike gab es am Ohridsee ein Bistum. Der Bischof residierte in Lychnidos, der Vorgängerstadt von Ohrid. Dieser Bischofssitz ist spätestens mit der Invasion der heidnischen Slawen auf den Balkan im 6. Jahrhundert und einem im 522 stattgefundenen schweren Erdbeben untergegangen.
Im Zuge der Christianisierung im Bulgarischen Reich 864 und dem Wille nach kirchlicher Autonomie des bulgarischen Zaren Boris I. geriet Ohrid verstärkt in den Blickwinkel der bulgarischen Politik. Seit Khan Presian I. vermutlich um 842[1] gehörte die Region um Ohrid politisch und seit Zar Boris I. auch kirchlich zum Ersten Bulgarischen Reich. Zum ersten Mal wird Ohrid 879/880 als Bischofssitz innerhalb der Bulgarisch-Orthodoxen Kirche in den Akten des Vierten Konzils von Konstantinopel erwähnt.
Gegen Ende des 9. Jahrhunderts wirkten in der Region die von den Zaren Boris I. und seinem Nachfolger Simeon I. zur Mission entsandten Heiligen Kliment von Ohrid und Naum Preslawski, die Schüler der Slawenapostel Kyrill und Method waren[1][2]. 886 wurde Kliment von Ohrid zum „Erzbischof von Ohrid und Belica“ ernannt. Sie machten aus Ohrid, neben Preslaw und Pliska, ein weiteres kirchliches und kulturelles Zentrum, indem sie Kirchen bauten, Klöster (u.a. die Klöster „Pantaleimon“ und „Erzengel Michael“) errichteten und eine Schule begründeten, in der zahlreiche slawische Kleriker ausgebildet wurden. Die Schule von Ohrid hat einen Großteil der „(alt)bulgarischen“ Literatur hervorgebracht[1].
971 eroberte Byzanz den Osten des Bulgarischen Reiches. Das Zentrum des nicht eroberten Gebiets war zunächst Sredec, später Ohrid. Der bulgarische Patriarch Damyan flüchtete von der von den Byzantinern besetzen alten Hauptstadt Preslaw über Sredec und Bitola schließlich nach Ohrid. Dadurch verlegte sich auch der Sitz der Bulgarisch-Orthodoxen Kirche. Wahrscheinlich 976 erhob Zar Samuil das Erzbistum von Ohrid zum „Bulgarischen Patriarchat“. Erster Patriarch wurde Germanus I. (976–1000).
1018 eroberte der byzantinische Kaiser Basileios II. den Rest des Bulgarischen Reichs. Nach der Eroberung wurde Ohrid[3] nach anderen Angaben Skopje[4] Hauptstadt der byzantinischen Thema Bulgaria[4][5]. Basileios II. reorganisierte die Bulgarische Kirche ohne die bestehende Autokephalie anzutasten. Das Patriarchat wurde wieder zu einem Bistum und in „Erzbistum von Ohrid und ganz Bulgarien“[4][1] umbenannt. Basilieios II. schrieb den Jurisdiktionsbereich des Erzbistums um und versah die 54 Eparchien mit einer festgelegten Anzahl von halbfreien Bauern und Klerikern[4]. Das Erzbistum blieb von der byzantinische Reichskirche unabhängig, jedoch wurden die Bischöfe vom byzantinischen Kaiser ernannt. Der erste vom Kaiser Basileios II. ernannte Erzbischof Johannes I. Debranin (1018–1037) war noch ein Slawe. Danach ernannten die byzantinischen Kaiser aber stets griechische Priester aus dem Klerus der hauptstädtischen Hagia Sophia zu Erzbischöfen.[2] Das Zentrum slawischer Kultur, Liturgie- und Schrifttradition wurde hellenisiert, während in der ländlichen Umgebung und auch in vielen Klöstern die slawische Liturgie weiter gepflegt wurde.
Erzbischof Leo von Ohrid war 1054 einer der Mitunterzeichner der Urkunde des Patriarchen von Konstantinopel, das die Trennung von der lateinischen Kirche besiegelte. Er hatte vorher in seinen Schriften auch theologische Rechtfertigungen für diesen Schritt erarbeitet. Theophylact von Ohrid verteidigte 1078 die Autokephalie seines Erzbistums erfolgreich gegen die Ansprüche des Patriarchats. 1157 verwendete der Erzbischof Johannes-Adrian IV. Komnenos den Titel Erzbischof von Justiniana Prima und Bulgarien[2]. Er berief sich damit zum einen auf die antike zum anderen auf die bulgarische Tradition, um die Bedeutung seines Erzbischofssitzes gegenüber Konstantinopel zu betonen. 1187 verlor Ohrid die Jurisdiktion über Ostbulgarien, denn dort hatte sich mittlerweile das von Byzanz unabhängige Zweite Bulgarische Reich gebildet. Als das Byzantinische Reich 1204 im Ergebnis des Vierten Kreuzzugs zerfiel, wurde Ohrid von Zar Kalojan kurz in das Zweite Bulgarische Reich eingegliedert, um 1211 an das Despotat Epirus, einen der Nachfolgestaaten des Byzantinischen Reiches zu fallen. Das Erzbistum konnte sich in den folgenden beiden Jahrhunderten im immer wieder umkämpften Zentrum der Balkanhalbinsel einen großen Jurisdiktionsbereich erhalten. Auch nach der serbischen Eroberung Mazedoniens (1345) respektierte der neue Herrscher Stefan Dušan den autokephalen Status neben dem serbischen Patriarchat von Peć, jedoch mussten die Erzbischöfe von Ohrid weitere Gebietsverluste hinnehmen. Daran änderte sich auch unter der osmanischen Herrschaft lange nichts. Vielmehr konnten die Erzbischöfe von Ohrid ihre Jurisdiktion im 16. Jahrhundert mit Billigung des Sultans sogar noch erweitern.
1767 wurde die Autokephalie des Erzbistums, das bis zum diesem Zeitpunkt "..allein die autokephale Tradition Bulgariens verkörperte.."[2] aus politischen Gründen aufgehoben. Alle Bistümer des Erzbistum von Ohrid wurden dem Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel untergestellt. Fortan war es nicht mehr als eine einfache Eparchie unter der Jurisdiktion Konstantinopels. 1870 wurde Ohrid dem neu gebildeten bulgarischen Exarchat unterstellt.
Das Erzbistum als Teil der Serbisch-Orthodoxe Kirche
Nach dem Ersten Weltkrieg 1918 wurde die Eparchie für mehr als vier Jahrzehnte Teil der Serbischen Kirche.
Das Erzbistum als Teil der nicht anerkannten und nicht kanonisierten Mazedonischen Kirche.
Die mazedonische Orthodoxie beruft sich seit ihre im Jahre 1959[6] einseitig verkündeten Autonomie auf die mittelalterliche Tradition des Erzbistums Ohrid. Nach der verkündeten aber immer noch von den anderen Orthodoxen Kirchen nicht anerkannten und nicht kanonisierten Autonomie gaben sich die Metropoliten von Skopje den klangvollen Titel Erzbischof von Ohrid und Mazedonien.
Heute existieren in Mazedonien parallel zwei Erzbistümer. Das Serbische Erzbistum von Ohrid (Ohridska Arhiepiskopija) als Teil der Serbisch-Orthodoxen Kirche mit Sitz in Ohrid und das „Erzbistum von Ohrid und Mazedonien“ mit Sitz in Skopje als Teil der nicht anerkannten und nicht kanonisierten Mazedonischen Autokephalen Kirche.
Siehe auch: Liste der Erzbischöfe von Ohrid
Literatur
- Heinrich Gelzer: Der Patriarchat von Achrida. Geschichte und Urkunden. Leipzig 1902.
- Gerhard Podskalsky SJ: Zwei Erzbischöfe von Achrida (Ochrid) und ihre Bedeutung für die Profan- und Kirchengeschichte Mazedoniens: Theophylaktos und Demetrios Chomatenos. In: La spiritualité de l'univers byzantin dans le verbe et l'image. (Festschr. f. E. Voordeckers). Turnhout 1997. S. 239-252. ISBN 2-503-50559-7
- Edgar Hösch / Karl Nehring / Holm Sundhaussen (Hrsg.): Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Wien/Köln/Weimar. 2004 ISBN 3-205-77193-1
- Hans-Dieter Döpmann: Kirche in Bulgarien von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 2006. ISBN 3-932331-90-7
- Hans-Joahim Härtel / Roland Schönfeld: Bulgarien. Regensburg 1998. ISBN 3-7917-1540-2
- Sigrun Comati: Bulgarische Landeskunde. Hamburg 2003. ISBN 3-87548-327-8
- Lexikon des Mittelalters (LMA). München 1980ff, S.1378-1379, ISBN 3-423-59057-2
Einzelnachweise
- ↑ a b c d Lexikon des Mittelalters, S. 1378 Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag. Der Name „Lexikon des Mittelalters“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ a b c d Hösch/Nehring/Sundhaussen, 2004, S.496 Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag. Der Name „Hösch/Nehring/Sundhaussen“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ „Lexikon zur Geschichte Südosteuropas“ S.421
- ↑ a b c d Härtel/Schönfeld:Bulgarien, 1998 Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag. Der Name „Härtel/Schönfeld“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ „Lexikon zur Geschichte Südosteuropas“ S.421
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