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Karl Valentin

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Karl Valentin (sprich Falentin) (* 4. Juni 1882 in München; † 9. Februar 1948; eigentlich Valentin Ludwig Fey) war ein bayerischer Komiker, Kabarettist, Autor und Filmproduzent.

Valentins Stil, Humor und Tragik

Karl-Valentin-Brunnen auf dem Viktualienmarkt, 2004

Als Kabarettist und Komiker stand er dem Dadaismus, aber auch dem Expressionismus nahe. Der Humor seiner Sketche und Stücke beruht insbesondere auf seiner Sprachkunst bzw. seinem "Sprach-Anarchismus"; 1924 lobt ihn der Kritiker Alfred Kerr als "Wortzerklauberer".

Valentins Sprachwitz zielte besonders auf ihn selbst: unterstützt wurde seine (Tragik-)Komik durch seine lange, hagere Gestalt, die er durch slapstickartige Einlagen betonte. Pessimismus und Tragik seiner Komik werden durch den ständigen Kampf mit Alltagskram, Behörden und Mitmenschen genährt. Typisch dafür sind die Brandschutzauflagen für sein Theater 1931, das er deshalb nach 8 Wochen wieder schließt.

Valentins wichtigste Partnerin auf der Bühne war Liesl Karlstadt (1892-1960). Mit ihr gelang ihm 1911 der Durchbruch in München; fortan trat er mit ihr in zahllosen Sketches auf.

Ein spezielles Faible Valentins war seine Ausstellung "Panoptikum" für Gruseliges und Nonsens - z.B. ein "Hungerturm" und ein Glas Berliner Luft. Allerdings war es unrentabel und ruinierte ihn finanziell, aber auch Liesl Karlstadt.

Valentin selbst nannte sich Humorist, Komiker und Stückeschreiber, seine Bewunderer "den ersten deutschsprachigen Pop-Künstler des 20. Jahrhunderts". Doch erst 55 Jahre nach seinem Tod erscheint im Label Trikont das akustische Gesamtwerk (8 CDs), zusammen mit einem 150-seitigen Buch mit Texten von Herbert Achternbusch bis Christoph Schlingensief (Valentin ist für mich einer der Größten!)

Alfred Kerr schrieb über ihn: "Alle lachen. Manche Schreien. Woraus besteht er? Aus drei Dingen: aus Körperspaß, aus geistigem Spaß und aus glanzvoller Geistlosigkeit. Der Komiker Valentin ist ein bayrischer Nestroy."

Leben

Seine Kindheit in der Münchner Vorstadt Au erlebte er als Einzelkind, da seine drei älteren Brüder kurz nach seiner Geburt starben. Von der Volksschule (1888-1895) sprach er später als "Zuchthaus".

  • 1899 Abschluss der Schreiner- und Tischlerlehre ab (Facharbeiter bis 1901). Erster öffentlicher Auftritt als "Vereinshumorist". Beziehung zu Gisela Royes (Dienstmädchen im Hause Fey, Heirat 1911)
  • 1902 Gastspiel am Variété Zeughaus in Nürnberg, erstmals als "Karl Valentin".

Nach dem Tod des Vaters übernimmt Valentin mit seiner Mutter die Leitung der Speditionsfirma Falk & Fey bis 1906

  • 1905 Geburt der ersten Tochter, die bei den Eltern Giselas aufwächst
  • 1906 Nach Bankrott der Spedition Umzug nach Sachsen in Mutters Heimatstadt Zittau, was Valentins Sprachgefühl beeinflussen mußte
  • 1908 Rückkehr nach München, Monolog "Das Aquarium". Das Engagement an der Volkssängerbühne im "Frankfurter Hof" beenden seine Geldnöte. Valentin entwickelt seine groteske Körpersprache und sprachspielerische Selbstironie, zielt damit aber auch auf sein Publikum.
  • 1910 Geburt der zweiten Tochter; am 31.7.1911 heiratet er Gisela
  • 1911 trifft er Elisabeth Wellano (1892-1960), die als Liesl Karlstadt seine Bühnenpartnerin wird
  • ab 1912 Faszination Film; insgesamt etwa 40 Kurzfilme, teilweise nach seinen Sketchen. 1929 letzter Stummfilm "Der Sonderling"
  • ab 1914 Bühnenprogramm "Tingeltangel" (mit dem Sketch "Die Orchesterprobe") und zwei Dutzend späterer Versionen. Kein Militärdienst wegen häufiger Krankheit, aber 120 Lazarettvorstellungen. Verharmlosende Kriegslieder und Sketche.
  • 1915 Direktor des Münchener Kabaretts "Wien-München"
  • 1922 Mit Bertolt Brecht (1898-1956) parodiert er dessen neue "Trommeln in der Nacht" in den Münchner Kammerspielen
  • Surrealistischer Film "Mysterien eines Frisiersalons" von Brecht und Erich Engel (1891-1966), Hauptrollen für Valentin, Karlstadt und Blandine Ebinger (1899-1993)
  • 1922/23 erste Auslandsauftritte in Zürich und Wien; Tod der Mutter
  • ab 1924 Gastspiele in Berlin (bis 1938), Valentins "Sprachakrobatik" begeistert Kurt Tucholsky und Alfred Kerr ("Wortzerklauberer")

Versuche zur wirtschaftlichen Selbständigkeit

  • 1931 Eigenes Theater (Goethe-Saal) in der Münchner Leopoldstraße, das er nach 8 Wochen wieder schließen muss: Valentin beharrt gegenüber der Feuerpolizei auf brennendem Zigarettenstummel in einem Sketch
  • 1932/33 Mitwirkung im erster Tonfilm "Die verkaufte Braut", Verfilmung von "Orchesterprobe".

Dem Nazi-Regime steht V. skeptisch gegenüber, ist aber still

  • 1934 Sein "Panoptikum" für Nonsens muss nach 2 Monaten wieder schließen. Auch ein zweiter Versuch 1935 scheitert, V. verliert seine und Karlstadts Ersparnisse. Sie erleidet einen Nervenzusammenbruch und muss lange pausieren
  • 1936 Regisseur Jacob Geis filmt mit Valentin/Karlstadt die "Erbschaft" (ein Ehepaar besitzt nichts als einen Kerzenstummel). Das NS-Regime verbietet den Film wegen "Elendstendenzen"; der Film wird erst 1976 uraufgeführt
  • 1939 Neue Bühnenpartnerin und Geliebte, die 35 Jahre jüngere Annemarie Fischer; Erfolgsmischung "Ritterspelunke" aus Theater, Kneipe und Panoptikum. Dennoch schließt die Valentin im Juni 1940, bevor die NS-Behörde den Lagerraum für Requisiten zum Luftschutzkeller machen
  • 1941 Die Familie zieht in ihr Haus im Vorort Planegg; die Münchner Wohnung wird bei einem Bombenangriff zerstört
  • 1940-1947 keine öffentlicher Auftritt; Valentin schreibt Dialoge und Gedichte, die nie aufgeführt werden
  • 1945/46 Selbstproduzierte Haushaltsartikel für den Lebensunterhalt der Familie. Die Hörspielserie "Es dreht sich um Karl Valentin" wird nach 5 Folgen eingestellt, weil sie den Hörern zu pessimistisch ist

1947/48 Nach jahrelanger Trennung wieder gemeinsame Auftritte mit Karlstadt, doch stirbt der unterernährte Valentin im Februar an einer Erkältung.

Wiederentdeckung Valentins

  • 1959 Eröffnung eines "Lach-Musäums" mit Teilen seines Nachlasses in München
  • 1960er Jahre: Karl Valentin wird als Komiker wiederentdeckt
  • 2003 Akustisches Gesamtwerk in acht CDs (Münchner Label Trikont, mit 150 Seiten Texten über Valentin von bekannten Autoren.

Diese bisher einzige autorisierte "Gesamtausgabe Ton" enthält 126 Szenen, Stücke und Lieder Karl Valentins mit Liesl Karlstadt und anderen, sowie Unveröffentlichtes und Filmtöne.

Werke

  • Buchbinder Wanninger
  • Die Orchesterprobe
  • Der Firmling
  • Karl Valentins Hochzeit (1913)
  • Die lustigen Vagabunden (1913)
  • Der neue Schreibtisch (1913 oder 1914)