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Neue israelische Historiker

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Als „Neue Historiker“ wird eine Gruppe israelischer Historiker bezeichnet, deren Ziel es ist, die Geschichte Israels und des Zionismus einer Revision zu unterziehen. Besonders betroffen sind die israelische Staatsgründung von 1948 und deren Vorgeschichte. Maßgebliche Historiker dieser Richtung sind Benny Morris, Ilan Pappé und Avi Shlaim. Ihre Forschung beruht auf der Auswertung israelischer Regierungsdokumente; arabische Quellen wurden – was oft Anlass zur Kritik gab – bisher vernachlässigt.

Viele ihrer Thesen und Forschungsergebnisse wurden von anderen, insbesondere israelischen, Historikern angegriffen. Einer der führenden Kritiker ist Efraim Karsh.

Hauptargumente

Kernthese dieser Schule ist, dass zur Errichtung des Staates Israel die Vertreibung eines Teils der arabischen Bevölkerung nötig war, was von der traditionellen israelischen Geschichtsschreibung bis dahin als freiwillige Migration gedeutet wurde. Daraus folgt nach Meinung der „Neuen Historiker“ eine (hauptsächliche) Mitverantwortung des Staates Israel für den Nahostkonflikt. Exemplarisch seien hier die fünf Hauptthesen der Schule aus der Sicht Avi Shlaims vorgestellt:

  1. Nach der traditionellen israelischen Geschichtsschreibung wollten die Briten die Errichtung eines jüdischen Staates verhindern. Die „Neuen Historiker“ hingegen stellen die These auf, dass die Briten einen palästinensischen Staat verhindern wollten.
  2. Die herkömmliche Geschichtsschreibung sagt, dass die Palästinenser ihre Häuser freiwillig verließen. Die „Neuen Historiker“ legen dar, dass die Flüchtlinge gewaltsam vertrieben wurden.
  3. Die „offizielle“ Version lautet, dass die Machtverhältnisse während der Gründungsphase des Staates Israel zu Gunsten der Araber bestanden hätten. Shlaim und die Anhänger seiner Schule behaupten das Gegenteil: Israel sei hinsichtlich der verfügbaren Kräfte als auch in Hinblick auf die Bewaffnung den Arabern überlegen gewesen.
  4. Nach der herkömmlichen Geschichtsschreibung verfolgten die Araber einen aufeinander abgestimmten Plan zur Vernichtung Israels. Die „Neuen Historiker“ hingegen sagen, dass die Araber niemals eine einheitliche Linie verfolgt hätten.
  5. Die Mehrheit der Historiker vertritt die Ansicht, die Unnachgiebigkeit der Araber habe bisher einen Frieden verhindert. Shlaim und seine Kollegen vertreten das Gegenteil: Israel sei Schuld an dem festgefahrenen Friedensprozess.

Kritik

Die Thesen der „Neuen Historiker“ werden sowohl von der zionistischen Geschichtsschreibung als auch von pro-arabischen Autoren, die sie der Verharmlosung beschuldigen, abgelehnt. Auch seitens der Politik erfahren diese Historiker Ablehnung. Die Werke der „Neuen Historiker“ „sollten nicht in der Schule gelehrt werden“, sagte etwa der ehemalige israelische Ministerpräsident Ariel Scharon (Haaretz Magazine, Ausgabe vom 12. August 2005, S. 15).

Darüber hinaus streiten die „Neuen Historiker“ auch untereinander: Shlaim etwa wirft Morris „rassistische Ansichten“ (Haaretz Magazine, Ausgabe vom 12. August 2005, S. 17) vor, weil Morris seit dem Ausbruch der zweiten Intifada (2000) die Vertreibung der Palästinenser im Jahr 1948 nunmehr rechtfertigt.

Kritisiert wurde neben der mangelnden Einbeziehung arabischer und russischer Quellen, dass die „Neuen Historiker“, die sich selbst als die „Henker der Geschichte“ bezeichnen, häufig die Schuld allein bei der israelischen Seite suchen und historische Persönlichkeiten unter heutigen moralischen Gesichtspunkten verurteilen, ohne ausreichend auf den Zeitkontext einzugehen. Verständigungsversuche von arabischer Seite – etwa 1955 durch den ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser – seien lediglich taktisch motiviert gewesen und daher nicht ernst zu nehmen. Kritisiert wird zudem, dass die „Neuen Historiker“ zu stark von ihrem marxistischen Hintergrund beeinflusst seien.

Literatur

  • Ilan Pappe: Die ethnische Säuberung Palästinas. Verlag Zweitausendeins, Frankfurt 2007.
  • Barbara Schäfer (Hg.), Historikerstreit in Israel. Die „neuen“ Historiker zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit, Frankfurt am Main/New York : Campus 2000
Rezension: Zwischen Vision und Revision: Historikerstreit in Israel