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Rosa Luxemburg

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Rosa Luxemburg

Rosa Luxemburg, Pseudonym u.a. Junius, (* 5. März 1871 als Rosalia Luxemburg in Zamość, Kreis Lublin in Polen; † 15. Januar 1919, ermordet in Berlin), Sozialdemokratische Theoretikerin in der SPD, später der USPD, Mitbegründerin des Spartakusbundes und 1918 der KPD, sowie der Zeitung "Die Rote Fahne".

Rosa Luxemburgs Leben

Am 5. März 1871 wurde Rosa Luxemburg als fünftes Kind des Holzhändlers Eliasz Luxemburg und dessen Frau Line (geb. Löwenstein) im damals russischen Teil Polens ("Kongresspolen") geboren. Sie war lebenslang körperbehindert und kleinwüchsig. Ihre Eltern waren jüdischen Glaubens.

1880 besuchte sie nach dem Umzug der Familie das Zweite Mädchengymnasium in Warschau.

Ab 1886 engagierte sie sich in „Proletariat“. Diese polnische Linkspartei wurde 1882 – 20 Jahre vor den russischen Arbeiterparteien - gegründet und organisierte erstmals einen Massenstreik. Daraufhin wurden vier ihrer Anführer hingerichtet und die Partei aufgelöst. Nur im Untergrund konnten einige Teilgruppen weiterarbeiten. Einer von ihnen schloss sie sich an.

1888 machte sie das Abitur mit Auszeichnung.

1889 floh sie vor einer drohenden Verhaftung nach Zürich in die Schweiz, dem damaligen Exil vieler russischer und polnischer Intellektueller. Sie beteiligte sich sofort an örtlichen Arbeiter- und Emigrantengruppen und gewann rasch einen Ruf als führende Theoretikern der polnischen Arbeiterbewegung.

Sie studierte an der Zürcher Universität intensiv Philosophie, Geschichte, Politik, Ökonomie und Mathematik zugleich. Ihre Schwerpunkte waren Staatswissenschaften (heute: Volkswirtschaftslehre und Politologie), Mittelalter, Wirtschafts- und Börsenkrisen.

1890 wurden im Deutschen Reich nach 12 Jahren Gültigkeit die Bismarckschen Sozialistengesetze, die einem Verbot der Sozialdemokratie außerhalb des Reichstags gleichgekommen waren, aufgehoben. Die SPD errang auf legalem Weg weitere Reichstagssitze. Ihre Abgeordneten setzten sich nun immer weniger für andere Produktionsverhältnisse, immer mehr nur noch für allmähliche Erweiterung parlamentarischer Rechte und materiellen Wohlstands ein, obwohl sie nach außen revolutionäre Reden hielten.

1893 gründete Rosa Luxemburg zusammen mit Leo Jogiches und Julian Marchlewski die "Sozialdemokratische Arbeiterpartei Polens und Litauens" (SDARP) gegen die bestehende "Polnische Sozialistische Partei" (PPS). Deren Ziel war die Unabhängigkeit Polens und seine Umwandlung in eine bürgerliche Demokratie. Sie kritisierte diesen Nationalismus in der Pariser Exilzeitung "Sprawa Robotnicza" (Arbeitersache). Sie vertrat dagegen, dass Polen nur durch eine Revolution in Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland unabhängig werden könne. Vorrang müsse der Kampf gegen die Monarchie und den Kapitalismus in ganz Europa haben. Dessen Überwindung sei die Vorbedingung für das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Diese Auffassung wurde später ein Grund für ihren Streit mit Lenin.

1897 promovierte sie in Zürich summa cum laude zum Thema "Polens industrielle Entwicklung".

1898 heiratete sie Gustav Lübeck, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten. Sie zog nach Berlin und trat sofort in die SPD ein. Dort wurde sie aufgrund ihrer scharfen Rhetorik und ihrer analytischen Fähigkeiten rasch zur Wortführerin des linken Parteiflügels.

1899 griff sie mit der Broschüre "Sozialreform oder Revolution?" Eduard Bernstein an. Dessen Revisionismus-Theorie besagte, dass Interessenausgleich und soziale Reformen die Auswüchse des Kapitalismus mildern und von allein zum Sozialismus führen würden, so dass die SPD sich auf parlamentarische Mittel beschränken könne. Dagegen bestand Rosa Luxemburg darauf, dass der in Krisen zugespitzte Gegensatz von Kapital und Arbeit nur durch eine Machtübernahme des Proletariats und einer revolutionäre Umgestaltung der Produktionsverhältnisse zu überwinden sei. Sie forderte den Ausschluss der "Reformisten" aus der SPD. Dieser unterblieb, aber die Parteiführung unter Karl Kautsky behielt den Marxismus in ihrem Programm verfolgte jedoch praktisch einen reformorientierten Kurs und versuchte nur, ihre Reichstagsfraktion zu vergrößern.

Seit 1900 nahm Rosa in Zeitungsartikeln zu aktuellen ökonomischen und sozialpolitischen Problemen in allen Staaten Europas Stellung. Sie griff nun immer stärker den deutschen Militarismus und Imperialismus an, da sie den kommenden Krieg der europäischen Großmächte voraussah. Sie versuchte, ihre Partei zu energischem Gegenkurs zu verpflichten.

Um die internationale Solidarität der Arbeiterklasse einzuüben und den Krieg zu verhindern, forderte sie von der SPD die Vorbereitung des Generalstreiks. Die Parteiführung lehnte dies ab. Darüber kam es 1910 zum Bruch mit Kautsky.

1904 wurde sie wegen „Majestätsbeleidigung“ zu drei Monaten Gefängnis verurteilt und musste einen Monat davon absitzen.

1905 reiste sie unter falschem Namen nach Polen, um die SDARP zur Teilnahme an der russischen Revolution zu bewegen. Sie wurde verhaftet und ausgewiesen.

1906 wurde sie wegen "Anreizung zum Klassenhass" erneut zu zwei Monaten Haft verurteilt.

1907 nahm sie mit Jogiches am V. Parteitag der russischen Sozialdemokraten in London Teil. Dort lernte sie Lenin kennen.

Beim folgenden Kongress der 2. Internationale in Stuttgart brachte sie eine Resolution ein, die gemeinsames Handeln aller europäischen Arbeiterparteien gegen den Krieg vorsah. Diese wurde angenommen.

Nun begann sie als Dozentin für Marxismus und Ökonomie an der SPD-Parteischule in Berlin zu lehren. Einer ihrer Schüler war der spätere SPD-Vorsitzende und erste Kanzler der Weimarer Republik, Friedrich Ebert.

1912 reiste sie als Vertreterin der SPD zu europäischen Sozialistenkongressen, u.a. in Paris. Mit dem französischen Sozialisten Jean Jaurès sorgte sie dafür, dass die europäischen Arbeiterparteien sich feierlich verpflichteten, beim Kriegsausbruch zum Generalstreik aufzurufen.

1913 organisierte sie Demonstrationen gegen den drohenden Krieg. In Frankfurt am Main rief sie dabei zu Kriegsdienst- und Befehlsverweigerung auf. Daher wurde sie 1914 der "Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze und Anordnungen der Obrigkeit" angeklagt und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Sie musste aber die Haft nicht sofort antreten.

Ende Juli nahm sie an einer Sitzung des Internationalen Sozialistischen Büros teil und erkannte ernüchtert: Auch in Europas Arbeiterparteien, vor allem in der SPD und Frankreich war der Nationalismus stärker als das internationale Klassenbewusstsein.

Am 3. 8. erklärte das Deutsche Reich Russland den Krieg. Am 4. 8. beschloss die SPD-Fraktion im Reichstag einstimmig die Kriegskredite. Diese Zustimmung ermöglichte die volle Mobilisierung des deutschen Heeres. Zugleich versprach die Partei dem Kaiser einen Streik- und Lohnverzicht während des Krieges. Diese Haltung wurde als Politik des "Burgfriedens" bekannt. Die SPD-Abgeordneten fürchteten, sonst wieder als „Vaterlandsverräter“ zu gelten und den mühsam erkämpften Einfluss im Reichstag zu verlieren. Dafür gaben sie faktisch ihre Parteiziele auf. Der Kaiser rief befriedigt: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche!“

Rosa Luxemburg erlebte diesen Tag als Katastrophe. Sie musste erkennen, dass der Revisionismus, den sie seit 1899 bekämpft hatte, gesiegt und das Ja zum Krieg nach sich gezogen hatte. Sofort gründete sie mit Karl Liebknecht die "Gruppe Internationale", aus der 1918 der „Spartakusbund“ hervorging (benannt nach dem Sklavenanführer Spartacus im antiken römischen Reich). Darin sammelten sich die Kriegsgegner in der SPD. Sie lehnten deren Stillhaltepolitik vehement ab und versuchten, die Partei zur Rückkehr zu ihren Vorkriegsbeschlüssen zu bewegen. Man wollte ihr den Generalstreik für Frieden und das Ziel der internationalen Revolution wieder nahe bringen. Im Dezember lehnte Liebknecht zunächst als einziger SPD-Reichstagsabgeordneter weitere Kriegskredite gegen die Fraktionsdisziplin ab.

1915 musste Rosa Luxemburg ihre Haftstrafe in Berlin antreten. 1916 wurde sie entlassen, doch schon drei Monate später wieder wegen „Hochverrats“ zu diesmal zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Im Juli begann ihre "Sicherheitsverwahrung" bis November 1918. Sie wurde zweimal verlegt, zuerst nach Posen, dann nach Breslau. 1916 schrieb sie im Gefängnis mehrere Aufsätze, u.a. die »Die Krise der Sozialdemokratie« unter dem Pseudonym „Junius“. Darin rechnete sie mit der bürgerlichen Gesellschaftsordnung ab, deren Wesen der Raubkrieg offenbart habe. Berühmt wurden auch ihre sehr persönlichen "Briefe aus dem Gefängnis" an ihre Freundin Mathilde Jakob.

Im Februar 1917 eroberten die gemäßigten russischen „Menschewiki“ durch Initiative des dortigen "Sowjets" (Arbeiterrats) eine Parlamentsmehrheit in Petersburg und stürzten den Zaren. Im März kam es in deutschen Städten zu monatelangen Protesten und Massenstreiks, erst gegen Mangelwirtschaft, dann gegen Lohnverzicht und schließlich gegen Krieg und Monarchie. Im April griffen die USA in den Krieg ein. Nun gründeten die Kriegsgegner in der SPD die USPD, die rasch Zulauf gewann. Die SPD-Führung unter Friedrich Ebert erwirkte eine gemeinsame Reichtagsresolution, die die OHL um Friedensverhandlungen ohne Annexionen bat. Außerdem bat sie US-Präsident Wilson brieflich um einen [[Waffenstillstand9. Er lehnte ab, da er nur mit einem demokratischen Deutschland Frieden schließen wollte. - Lenin reiste mit tätiger Unterstützung der Obersten Heeresleitung des Deutschen Reiches nach Russland und bot dort sofortigen Separatfrieden an. Im Oktober gewannen die Bolschewiki eine Mehrheit im Volkskongress, doch nicht im Nationalparlament. Sie lösten es auf und setzten die Arbeiterräte (Sowjets) als Regierungsorgane ein.

Luxemburg ließ sich fortlaufend informieren und schrieb "Die Russische Revolution": Darin begrüßte sie Lenins Umsturzversuch, kritisierte aber zugleich scharf seine Strategie und warnte vor einer Diktatur der Bolschewiki. In diesem Zusammenhang formulierte sie den berühmten Satz: "Freiheit ist immer Freiheit des Andersdenkenden." Trotz ihrer Kritik rief sie nun unermüdlich zu einer deutschen Revolution nach russischem Vorbild auf und forderte eine "Diktatur des Proletariats": Damit meinte sie Betriebsbesetzungen und politische Streiks bis zur Verwirklichung sozialistischer Produktionsverhältnisse.

Im Januar 1918 erschien das 14-Punkte-Programm des US-Präsidenten Wilson, das den Deutschen "einen Frieden ohne Sieger und Besiegte" versprach. Darauf hin kam es in den Rüstungsbetrieben erneut zu wochenlangen Massenstreiks, die nur durch Eberts Eintritt in die Streikleitung beendet werden konnten. Doch nach dem Separatfrieden von Brest-Litowsk mit der neuen russischen Regierung setzte die Oberste Heeresleitung (OHL) unter General Ludendorff erneut auf Sieg, lehnte Wilsons 14-Punkte-Plan ab und begann die Frühjahrsoffensive. Sie endete am 8. August mit dem Durchbruch der Entente an der Westfront. Daraufhin wurde die Reichsregierung auf Verlangen der OHL am 5. Oktober umgebildet: Der Reichstag wurde erstmals an der Regierungsbildung beteiligt, die SPD-Führer übernahmen Ministerämter, und die neue Reichsregierung unter Max von Baden bat die Entente um Waffenstillstandsverhandlungen. Nachdem Admiral Reinhard von Scheer die Flotte dennoch nochmals zu einer Entscheidungsschlacht auslaufen lassen wollte, leitete der Kieler Matrosenaufstand Anfang November die Novemberrevolution ein. Sie erreichte am 9. 11. Berlin, an diesem Tag wurde die Republikm ausgerufen.

Am 10. November 1918 wählte der neu einberufene Berliner Rätekongress ("Zirkus Busch") eine neue Regierung: den 6-köpfigen "Rat der Volksbeauftragten" mit je 3 Vertretern von SPD und USPD. Außerdem wurde ein Reichsrätekongress für Dezember geplant, der eine neue Verfassung und Wahlen vorbereiten sollte. Am selben Tag wurde Rosa aus dem Breslauer Gefängnis befreit und reiste sofort nach Berlin. Dort hatte Karl Liebknecht bereits den Spartakusbund reorganisiert. Beide gaben dann gemeinsam die "Rote Fahne" heraus, um täglich auf die Entwicklung Einfluss zu nehmen.

Ebert wollte den geplanten Reichsrätekongress verhindern und beorderte dazu zusätzliches Militär nach Berlin. Bereits am Abend des 10. 11. hatte er sich heimlich mit General Wilhelm Groener auf Zusammenarbeit gegen die Revolutionäre verständigt. Rosa Luxemburg vermutete Eberts Bestreben, Reichswehreinheiten gegen Berliner Arbeiter einzusetzen. Am 6. 12. kam es zu ersten Schießereien. Am 10. 12. zog die Garde-Kavallerie-Schützendivision in Berlin ein. Daher forderte sie am selben Tag alle Macht für die Räte, die möglichst gewaltlose Entwaffnung und die Umerziehung der heimgekehrten Soldaten.

Am 11. 12. beschloss die Revolutionsregierung die Umwandlung des Reiches in eine sozialistische Demokratie als Vorlage für den Reichsrätekongress. Dieser fand vom 16.-20. 12. ohne die Spartakisten statt. Eine Mehrheit stimmte dort für parlamentarische Wahlen und die Selbstauflösung der Arbeiterräte. Aber man setzte auch eine Kontrollkommission für das Militär und eine "Sozialisierungskommission" ein, um das Regierungsprogramm noch vor den Wahlen umzusetzen.

Bei Eberts Versuch, den Berliner Vollzugsrat zu entmachten und das arbeiterfreundliche Volksmarinekorps aufzulösen, kam es am 24. 12. erneut zu Schießereien. Daraufhin verließ die USPD am 29. 12. die Übergangsregierung. Nun beauftragte Ebert Gustav Noske zur Aufstellung von weiteren Freikorps. Dieser zog immer mehr Militär um Berlin zusammen.

Am 1. Januar 1919 gründeten die Spartakisten und andere linkssozialistische Gruppen aus dem ganzen Reich die KPD. Ihr Programm wurde von Rosa verfasst und vorgetragen. Ihre Empfehlung, an den kommenden Parlamentswahlen teilzunehmen, wurde jedoch mehrheitlich abgelehnt. Am 5. 1. besetzten Arbeiter, die USPD und KPD nahestanden, das Zeitungsviertel, um zu Eberts Sturz aufzurufen. Zuvor hatte die SPD den Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichhorn, ein USPD-Mitglied, abgesetzt. Als der "Vorwärts" der SPD zur "Stunde der Abrechnung" mit den Linken aufrief, brachen diese Verhandlungen mit Ebert ab. Nun setzte dieser die Reichswehr und die Freikorps ein. Sie erschossen viele Besetzer, und nicht nur solche, die sich bewaffnet verteidigten.

Die Spartakusführer mussten untertauchen. In Flugblättern wurde bereits seit Anfang Januar zum Mord an ihnen aufgerufen. Großindustrielle gründeten eine "Antibolschewistische Liga", die Industrieverbandschef Hugo Stinnes mit 500 Millionen Mark ausstattete. Aus diesem Fonds wurde die Anwerbung und Ausrüstung der Freikorps sowie Belohnungen zur Festsetzung und Ermordung von Spartakisten bezahlt.

Am 15. 1. wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Wilmersdorf erkannt, inhaftiert und der Garde-Kavallerie-Schützendivision übergeben. Sie wurden im Hotel Eden verhört und schwer misshandelt. Nach Rücksprache mit der Regierung (umstritten) ließ der Anführer Waldemar Pabst sie ermorden. Der Jäger Otto Wilhelm Runge und der Leutnant Hermann Souchon führten dies aus. Es sollte nach einem spontanen Attentat aussehen. Ihre Leiche wurde in den Berliner Landwehrkanal geworfen und dort erst am 1. 6. aufgefunden.

Seit Jahresbeginn, besonders nach dem 15. 1. kam es im ganzen Reich zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen mit sehr vielen Toten, die trotz der Wahlen am 19. 1. bis Ende Mai anhielten. Die Räterepublik in Bayern konnte sich 6 Monate halten.

Mit den Morden begann die unversöhnliche Feindschaft zwischen SPD und KPD in der Weimarer Zeit, die Adolf Hitlers Aufstieg begünstigt hat. Obwohl einige der Täter vor Gericht kamen, wurden ihre Prozesse verschleppt und gegen geringe Strafen eingestellt. Die Mörder kamen - wie viele rechtsgerichtete Straftäter damals - nahezu ungeschoren davon. Die Nationalsozialisten gewährten ihnen Amnestie und Haftentschädigung.

Nach einer Zeit des Exils in der Schweiz kehrte Pabst in die Bundesrepublik zurück, wo er sich den Neonazis anschloss. Er starb 1970. In seinem Nachlass fand sich ein Tagebuch mit folgendem Eintrag: „Dass ich die Aktion ohne Zustimmung Noskes gar nicht durchführen konnte – mit Ebert im Hintergrund – und auch meine Offiziere schützen musste, ist klar. Aber nur ganz wenige Menschen haben begriffen, warum ich nie vernommen oder unter Anklage gestellt worden bin. Ich habe als Kavalier das Verhalten der damaligen SPD damit quittiert, dass ich 50 Jahre lang das Maul gehalten habe über unsere Zusammenarbeit“. Schon in einem Spiegelinterview von 1962 hatte Pabst erklärt, Noske habe seine Morde erlaubt, Ebert habe dies und die ausbleibende Strafverfolgung danach gedeckt. Ob dies eine Schutzbehauptung gewesen sei, ist umstritten. Auftraggeber wurden jedoch nie belangt, zumal da Noske selbst die Strafverfolgung der Täter einstellen ließ. Eberts Geheimpakt mit Groener wurde durch Groeners Aussage im "Dolchstoßprozess" 1925 aufgedeckt; ob er außerdem der Ermordung der Spartakisten zustimmte, konnte nie bewiesen werden.

Die SPD hat ihr Verhältnis zu Rosa Luxemburg bis heute nicht wirklich geklärt und Eberts Verhalten während der Novemberrevolution trotz etlicher auch scharfer Kritik nie grundsätzlich verurteilt.

Da Rosa Luxemburgs Imperialismus-Theorie von derjenigen Lenins abwich, wurde sie auch in der Sowjetunion geistig und politisch nicht gewürdigt, nach 1945 auch in den Staaten des Warschauer Paktes. Stalin versuchte, ihr eine Rolle bei der behauptete Verchwörung Trotzkis zu unterstellen. Ernsthafterem entging sie durch ihre frühe Ermordung. Ihr Werk begann erst 1970 in der DDR zu erscheinen. Auffällig ist das erneute Interesse für sie in der Volksrepublik China (Luxemburg-Kongress im November 2004 in Kanton).

Rosa Luxemburgs politisches Denken

Der Marxismus als selbstkritische Geschichtstheorie

Rosa vertrat entschieden die Ideen des Kommunistischen Manifests von Karl Marx. Ihre Auffassung des marxistischen Denkens war jedoch nicht dogmatisch, sondern höchst kritisch:

"Marxismus ist eine revolutionäre Weltanschauung, die stets nach neuen Erkenntnissen ringen muss, die nichts so verabscheut wie das Erstarren in einmal gültigen Formen, die am besten im geistigen Waffengeklirr der Selbstkritik und im geschichtlichen Blitz und Donner ihre lebendige Kraft bewahrt."

So schrieb sie zweimal einen größeren Aufsatz über Karl Marx und kam darin zu ganz unterschiedlichen aktuellen "Anwendungen" seiner Grundideen. Sie gilt heute nach dem Fall der Sowjetunion als eine, wenn nicht die legitime Vertreterin genuin marxistischen Denkens, die es zugleich originär weiterentwickelt hat.

In Rosas Luxemburgs Auffassung des Klassenkampfes ist die Wechselwirkung von Spontaneität und Organisation der Arbeiterklasse zentral. Deren spontanes, ungeplantes, auf aktuelle Herausforderungen reagierendes Handeln (z.B. Streiks gegen Lohnkürzungen) und ihre Organisationen (Gewerkschaften und Parteien) sind nicht von einander getrennt oder trennbar, sondern für sie zwei verschiedene „Momente“ des selben Prozesses, die einander bedingen.

Der elementare, spontane Klassenkampf selber schafft die theoretischen Einsichten über die historische Aufgabe des Proletariats. Und diese Einsichten heben den praktischen Kampf wiederum auf eine höhere Stufe. Durch den Kampf selbst gewinnen die Arbeiter die Erkenntnis der Aufgaben und Ziele ihrer Klasse. Dieser Lernprozess wirkt wiederum auf ihr Handeln zurück und verändert dessen Richtung zu immer konsequenteren, umfassenderen Zielen („Fortschritt“). Damit wollte Rosa Luxemburg zweierlei abwehren:

1. eine Alltagsarbeit der Arbeiterparteien und Gewerkschaften, die das Ziel der internationalen sozialistischen Revolution verliert und aufgibt („Opportunismus“, „Reformismus“, "Revisionismus");

2. Organisationsformen, die abheben, nicht mehr die wahren Arbeiterinteressen vertreten und diktatorisch erstarren („Zentralismus“, „Bürokratismus“).

Die produzierende Klasse selber ist und bleibt nach ihrer Auffassung das Subjekt der Revolution. Der "Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus" lässt sich also nicht theoretisch planen und von einer Eliteorganisation erzwingen (also auch nicht von Lenins Kaderpartei, wenn die Arbeiterschaft selbst dazu nicht bereit, fähig und reif ist.

"Die Arbeiterklasse in allen Ländern lernt erst im Verlaufe ihres Kampfes kämpfen. (...) Die Sozialdemokratie (...), die nur die Vorhut des Proletariats ist, ein Teil der ganzen arbeitenden Masse, das Blut aus ihrem Blut und Fleisch von ihrem Fleische, diese Sozialdemokratie sucht und findet die Wege und besonderen Losungen des Arbeiterkampfes lediglich im Maße der Entwicklung dieses Kampfes, wobei sie aus diesem Kampf allein die Hinweise für den weiteren Weg schöpft." (In revolutionärer Stunde: Was weiter?, GW 1.2, S. 554)

Diese Spontaneität ist aber immer schon durch Organisation vermittelt, so wie Organisation sich durch Spontaneität vermitteln muss. Das heißt: Der Klassenkampf selbst schafft die Organisationen, die diesen Kampf weiterführen. Ohne eine Partei, die ihre Interessen politisch formuliert und unterstützt - nicht „vertritt“ - hätten spontane Arbeiterstreiks nur vorübergehend Erfolg, aber keine dauerhafte, die Gesellschaft insgesamt verändernde Kraft und Wirkung. Aber auch: Ohne diesen spontanen Kampf der Arbeiter selber würden deren Organisationen ihre Stoßrichtung, das politische Ziel des Sozialismus, alsbald wieder verlieren.

Die Geschichtsdeutung der DDR hat Rosa Lusemburg einen abstrakten 'Spontaneismus' vorgeworfen, der angeblich zum Scheitern der Novemberrevolution beitrug. Doch wie aus den Zitaten hervorgeht, wollte sie mit der Eigenaktivität der Arbeiter deren Organisationen stärken, so dass ihre Parteien das Gesamtinteresse des Proletariats immer wirksamer ausdrücken und durchsetzen können.

Rosas Theorie des Klassenkampfes entstand ihrerseits nicht akademisch, sondern in Folge der realen Ereignisse. Um 1900 brachen in Europa, besonders in Russland und Polen immer mehr und größere Massenstreiks aus. Sie führten zur russischen Revolution von 1905, in deren Verlauf der Zar dem Volk teilweise demokratische Rechte – wie die Gründung eigener Parteien – zugestehen musste. Unter diesem Eindruck entwickelte Rosa Luxemburg als Parteidozentin der SPD ihre „Dialektik“ des Klassenkampfs undbestritt dadurch die "Massenstreikdebatte". Dabei versuchte sie, die Erfahrungen der russischen und polnischen Arbeiter für die SPD zu nutzen und fruchtbar zu machen.

"Die moderne proletarische Klasse führt ihren Kampf nicht nach irgendeinem fertigen, in einem Buch, in einer Theorie niedergelegten Schema; der moderne Arbeiterkampf ist ein Stück in der Geschichte, ein Stück der Sozialentwicklung, und mitten in der Geschichte, mitten in der Entwicklung, mitten im Kampf lernen wir, wie wir kämpfen müssen. (...) Das ist ja gerade das Bewundernswerte, das ist ja gerade das Epochemachende dieses kolossalen Kulturwerks, das in der modernen Arbeiterbewegung liegt: dass zuerst die gewaltige Masse des arbeitenden Volkes selbst aus eigenem Bewusstsein, aus eigener Überzeugung und auch aus eigenem Verständnis sich die Waffen zu ihrer eigenen Befreiung schmiedet." (Der politische Massenstreik und die Gewerkschaften, GW 2, S. 465)

Die Solidarität mit und die Kritik an der Oktoberrevolution

Gleich nach der russischen Februarrevolution 1917, die den Zaren stürzte, schrieb Lusemburg einen Artikel darüber (Die Revolution in Russland, GW 4). Darin hob sie hervor, dass die Ereignisse in Wahrheit eine Revolution des Proletariats seien. Dessen Machtentfaltung habe zunächst die liberale Bourgeoisie an die Spitze der revolutionären Bewegung gestoßen. Aufgabe des russischen Proletariats sei nun, den imperialistischen Krieg zu beenden. Dazu aber müsse es aber gegen die eigene Bourgeoisie kämpfen, die den Krieg unbedingt brauchte und fortsetzen wollte. Der Krieg selber habe Russland reif für die sozialistische Revolution gemacht, womit die Revolution durch eine noch kleine Arbeiterklasse noch vor vollzogener Industrialisierung gerechtfertigt wurde). Damit sei allerdings "auch das deutsche Proletariat (...) vor eine Ehrenfrage und eine Schicksalsfrage gestellt." (Ebd., S. 245)

Rosa Luxemburg sah hier die folgende Entwicklung exakt voraus. Tatsächlich konnten sich die Menschewiki nicht einigen, gemeinsam den Krieg zu beenden. Sie waren ebenso wie die deutschen und französischen Sozialdemokraten im Nationalismus befangen, setzten „Frieden“ mit „Niederlage“ gleich und wollten Vorteile für ihr Land erobern. Rosa war daher mit Lenin völlig einig darin, dass eine weitere Revolution im Russischen Reich nötig sei, um den Krieg zu beenden. Und sie setzte voraus, dass diese nur Erfolg haben würde, wenn die deutsche Arbeiterklasse ebenfalls gegen den Krieg und für den Sozialismus aufstehen werde. Diese praktische Zusammenführung der russischen und deutschen Arbeiterbewegung zu einer gesamteuropäischen Revolution sah sie als ihre eigentliche Lebensaufgabe an.

Eben darum kritisierte sie bereits kurz nach der Oktoberrevolution 1917 sehr klar und scharf die Tendenz der Bolschewiki zur Diktatur. Denn Lenin glaubte, dass freie Diskussion und abweichende Meinungen „bürgerliche“ Relikte seien, die durch die „Diktatur des Proletariats“ (sprich: die Alleinherrschaft seiner Partei) überwunden werden müssten.

Um den Krieg beenden zu können, musste Lenin das russische Parlament, die Duma zunächst auseinander jagen und die Macht erobern. Darin stimmte Rosa Luxemburg Lenin zu. Doch sie erkannte sofort, dass er damit nicht nur die „bürgerlichen“ Parteien, sondern auch die innerparteiliche Demokratie zu unterdrücken begann. Das drohte, die unbedingt nötige demokratische Mitwirkung und Führung nicht nur der Bürger, sondern auch der Arbeiter beim Aufbau des Sozialismus zu ersticken. Dagegen schrieb sie ihre berühmten Sätze:

"Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit des Andersdenkenden. Nicht wegen des Fanatismus der 'Gerechtigkeit', sondern weil all das Belebende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die 'Freiheit' zum Privilegium wird."

Doch stellte sie die Tendenz der Bolschewiki zu Diktatur und Privilegierung der revolutionären Elite sofort in einen historischen Kontext und erklärte sie aus dem "völlige(n) Versagen des internationalen Proletariats" – vor allem der SPD – gegenüber dem imperialistischen Krieg (Zur russischen Revolution, GW 4, S. 334). Trotz aller nötigen und berechtigten Kritik bleibe es Lenins Verdienst, die Revolution gewagt zu haben. Damit habe er den welthistorischen Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital international aufgerissen und bewusst gemacht:

"In diesem Aufreißen des sozialen Abgrunds im Schoße der bürgerlichen Gesellschaft, in dieser internationalen Vertiefung und Zuspitzung des Klassengegensatzes liegt das geschichtliche Verdienst des Bolschewismus, und in diesem Werk – wie immer in großen historischen Zusammenhängen – verschwinden wesenlos alle besonderen Fehler und Irrtümer der Bolschewiki." (Fragment über Krieg, nationale Frage und Revolution, GW 4, S. 366) Nach der Oktoberrevolution werde es zur "geschichtlichen Verantwortung" der deutschen Arbeiter, nun selbst die Revolution zu machen und so den Krieg zu beenden (GW 4, S. 374). So sah sie zwischen Lenins Revolutionsversuch und den deutschen Massenstreiks für Frieden einen engen historischen Zusammenhang, versuchte ihn den Deutschen bewusst zu machen und mit aller Kraft zu fördern.

Als die deutschen Volksaufstände 1918 den Kaiser entmachtet und zur Flucht gezwungen hatten, agitierte Rosa sofort wieder für die proletarische Revolution:

"Die Abschaffung der Kapitalsherrschaft, die Verwirklichung der sozialistischen Gesellschaftsordnung – dies und nichts Geringeres ist das geschichtliche Thema der gegenwärtigen Revolution. Ein gewaltiges Werk, das nicht im Handumdrehen durch ein paar Dekrete von oben herab vollbracht, das nur durch die eigene bewusste Aktion der Masse der Arbeitenden in Stadt und Land ins Leben gerufen, das nur durch höchste geistige Reife und unerschöpflichen Idealismus der Volksmassen durch alle Stürme glücklich in den Hafen gebracht werden kann." (Der Anfang, GW 4, S. 397)

Anfang Dezember hatte Ebert den "Rat der Volksbeauftragten", das seine Übergangsregierung kontrollieren sollte, schon entmachtet. Nun forderte sie: Die Revolution verlange, dass die Macht in die Hände der Masse, d.h. der Arbeiter- und Soldatenräte fällt. Das sei ihr Programm. Doch vom Soldaten – dem "Gendarmen der Reaktion" – zum revolutionären Proletarier sei noch ein weiter Weg. Das hieß: Das Militär, das bisher dem „Vaterland“ diente, muss erst noch lernen, seine Macht den Arbeitern unterzuordnen. Es muss also der politischen Kontrolle der Arbeiterräte unterstellt werden.

Dies wurde von der SPD-Führung verhindert, indem Ebert mit Reichswehrgeneral Groener gegen seine eigenen Wähler paktierte. Darauf reagierten die „Roten“ mit der Gründung der KPD. Diese stritt von Beginn an um ihr Verhältnis zum Parlamentarismus. Rosa Luxemburg warb erfolglos für ihre Teilnahme an den Wahlen zum Weimarer Reichstag, um auch dort auf Fortsetzung der Revolution hinzuwirken. Denn "Demokratie" und "Sozialismus" waren für sie letztlich dasselbe:

"Das Proletariat (...) ,wenn es die Macht (parlamentarisch!) ergreift, (...) soll und muß eben sofort sozialistische Maßnahmen in energischster, unnachgiebigster, rücksichtslosester Weise in Angriff nehmen, also Diktatur ausüben; aber Diktatur der KLASSE, nicht einer Partei oder Clique, Diktatur der Klasse, d.h. in breitester Öffentlichkeit, unter tätigster ungehemmter Teilnahme der Volksmassen, in unbeschränkter Demokratie."

Die Rolle der Arbeiterpartei

Luxemburgs Kritik am Reformismus in der SPD und am Zentralismus in Lenins Partei sind zwei Seiten derselben Medaille: Sie erklären sich aus ihrer Theorie des Klassenkampfes. Sie verstand die Rolle der Arbeiterpartei als „Vorhut“ der Arbeiterklasse. Diese ist unmöglich von der Eigenbewegung dieser Klasse zu trennen, sondern geht aus ihr hervor und drückt sie bewusst aus. Der Kampf der Arbeiter schafft sich die ihm gemäße Organisationsform, nicht umgekehrt. Dann, hoffte Rosa, kann sich das Partei-Interesse nicht gegen das Arbeiterinteresse stellen und verkehren.

Die Arbeiterpartei hat der arbeitenden Masse nur die Einsicht in die Notwendigkeit der Revolution und des Sozialismus voraus. Sie war für Rosa daher nicht – anders als für die orthodoxen Sozialdemokraten der 2. Internationale – Folge der wissenschaftlichen Einsicht in die historische Notwendigkeit des Sozialismus, also ein Konstrukt des Geistes. Sondern sie sah die Partei als Produkt des tatsächlich praktizierten, teils spontanen, teils organisierten Klassenkampfes. Nicht der Kopf schafft die Hand, sondern die Hände beflügeln das Denken des Kopfes zu immer wirksameren Taten.

"Die Sozialdemokratie ist nichts anderes als die Verkörperung des Klassenkampfes des modernen Proletariats, der vom Bewusstsein über seine historischen Konsequenzen getragen wird. Ihr eigentlicher Führer ist in Wirklichkeit die Masse selbst, und zwar dialektisch in ihrem Entwicklungsprozess aufgefasst. Je mehr sich die Sozialdemokratie entwickelt, wächst, erstarkt, um so mehr nimmt die aufgeklärte Arbeitermasse mit jedem Tage ihre Schicksale, die Leitung ihrer Ge-samtbewegung, die Bestimmung ihrer Richtlinien in die eigene Hand. Und wie die Sozialdemokratie im ganzen nur die bewusste Vorhut der proletarischen Klassenbewegung ist, die nach den Worten des Kommunistischen Manifestes in jedem Einzelmoment des Kampfes die dauernden Interessen der Befreiung und jedem partiellen Gruppeninteresse der Arbeiterschaft gegenüber die Interessen der Gesamtbewegung vertritt, so sind innerhalb der Sozialdemokratie ihre Führer um so mächtiger, um so einflussreicher, je klarer und bewusster sie sich selbst nur zum Sprachrohr des Willens und Strebens der aufgeklärten Massen, nur zu Trägern der objektiven Gesetze der Klassenbewegung machen." (Der politische Führer der deutschen Arbeiterklasse, GW 2, S. 280).

Sie kann dieses Bewusstsein nur verbreitern, zuspitzen, fördern, aber nicht eigentlich schaffen. Das tun vielmehr die inneren Widersprüche des Kapitalismus, der Gegensatz von Kapital und Arbeit. Dieser setzt immer wieder die proletarische Revolution auf die politische Tagesordnung. Diese selbst, nicht die Partei, wird die Massen zu Revolutionären schulen:

"Die Geschichte ist die einzige wahre Lehrmeisterin, die Revolution ist die beste Schule des Proletariats. Sie werden dafür sorgen, dass die 'kleine Schar' der Meistverleumdeten und -verfolgten Schritt um Schritt zu dem wird, wozu ihre Weltanschauung sie bestimmt: zur kämpfenden und siegenden Masse des revoluti-onären sozialistischen Proletariats." (GW 4, S. 478)

Aufgabe der Partei ist es, die rückständigen Massen zur Selbständigkeit zu erziehen, sie zu befähigen, selbst die Macht zu übernehmen. Sie kann nur das Bewusstsein der Arbeiterklasse über ihre historische Mission – das „subjektive“ Element – schulen. Die Umwandlung der Produktionsverhältnisse – das „objektive“ Sein – aber kann nur die Arbeiterklasse selbst vollbringen.

Die Bekämpfung der falschen Interessenvertretung

Eine Partei, die die Arbeiter „vertritt“ und bevormundet – etwa in Parlamenten oder in einem „Politbüro“ – und nicht mit ihnen, sondern an ihrer Stelle handelt, wird - das wusste Rosa Luxemburg aus bitterer Erfahrung - zwangsläufig nicht mehr für, sondern gegen sie handeln. Sie wird dann selbst zum Werkzeug derer, die die Revolution verhindern und ihre Erfolge zurückdrehen wollen. Dann müssen die Arbeiter auch eine so genannte „Arbeiterpartei“ bekämpfen.

So schrieb Rosa Luxemburg in der "Roten Fahne" vom 21. Dezember 1918: "In allen früheren Revolutionen traten die Kämpfer mit offenem Visier in die Schranken... In der heutigen Revolution treten die Schutzgruppen der alten Ordnung nicht unter eigenen Schildern und Wappen der herrschenden Klassen, sondern unter der Fahne einer sozialdemokratischen Partei in die Schranken. Würde die Kardinalfrage der Revolution offen und ehrlich: Kapitalismus oder Sozialismus lauten, ein Zweifel, ein Schwanken wäre in der großen Masse des Proletariats heute unmöglich."

Guy Debord kommentierte dies in "Die Gesellschaft des Spektakels" wie folgt:

"Wenige Tage vor ihrer Zerstörung entdeckte die radikale Strömung des deutschen Proletariats so das Geheimnis der neuen Bedingungen, die der gesamte vorherige Prozess geschaffen (und zu dem die Repräsentation der Arbeiter erheblich beigetragen) hatte: die spektakuläre Organisation der Verteidigung der bestehenden Ordnung, das gesellschaftliche Reich des Scheins, wo keine »Kardinalfrage« mehr »offen und ehrlich« gestellt werden kann. Die Repräsentation des Proletariats (die SPD-Führung) war in diesem Stadium zugleich der Hauptfaktor und das zentrale Ergebnis der allgemeinen Verfälschung der Gesellschaft geworden."

Darum müssen die Arbeiter den direkten Klassenkampf in der bürgerlichen Demokratie unbedingt fortsetzen. Er kann sich je nach den historischen Umständen in Parlamenten, aber auch gegen sie oder beides zugleich vollziehen. Tatsächlich hätte nur diese gesteigerte und durchgehaltene Eigenaktivität die SPD- und KPD-Führer vor dem "Abheben" im Verlauf der Novemberrevolution bewahren können. 1920 verhinderte nur ein Generalstreik noch einmal eine rechte Militärdiktatur und erzwang den Rücktritt der Generäle (Kapp-Lüttwitz-Putsch).

Doch dann lähmten die Parteiführer der Linken ihre Wähler, indem sie sich als einzig wahre Arbeitervertreter darstellten, sich gegenseitig verteufelten und erbittert bekämpften: mehr als den gemeinsamen Gegner. So gewann die Rechte die Vorhand – bis hin zur Abschaffung der Demokratie durch Paul von Hindenburg, Heinrich Brüning und Adolf Hitler.

Der Glaube an die proletarische Revolution

Rosa Luxemburgs letzte überlieferte Worte, geschrieben am Vorabend ihrer Ermordung, zeigen noch einmal ultimativ ihren Glauben an die Massen und an die unausweichliche Notwendigkeit der sozialistischen Revolution:

"Die Führung hat versagt. Aber die Führung kann und muss von den Massen und aus den Massen heraus neu geschaffen werden. Die Massen sind das Entscheidende, sie sind der Fels, auf dem der Endsieg der Revolution errichtet wird. Die Massen waren auf der Höhe, sie haben diese 'Niederlage' zu einem Glied jener historischen Niederlagen gestaltet, die der Stolz und die Kraft des internationalen Sozialismus sind. Und darum wird aus dieser 'Niederlage' der künftige Sieg erblühen. – 'Ordnung herrscht in Berlin!' Ihr stumpfen Schergen! Eure 'Ordnung' ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich morgen schon 'rasselnd wieder in die Höhe richten' und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: Ich war, ich bin, ich werde sein!" (GW 4, S. 536)

Rosas Kritik an der Führung betraf nicht nur Ebert, sondern auch Haase (USPD) und Liebknecht (KPD), deren Besetzungsaktion im Januar 1919 miserabel geplant war. Eine riesige Menge wartender Demonstranten war damals bereit, die anrückenden Soldaten zu blockieren und zu entwaffnen, wurde aber von den Besetzern nicht einbezogen.

Rosas Schluss-Satz entstammt der Bibel: Er umschreibt den Namen Gottes. Dieser wurde in der Befreiungsgeschichte des jüdischen Volkes offenbar (Exodus 3, 14): „Ich bin der `Ich bin´!“ oder, futurisch übersetzt, „Ich werde sein, der ich sein werde!“ Die Posaune erschallt als Fanfare des „jüngsten Gerichts“, das in historischen Befreiungskämpfen vorscheint (z.B. im Fall Jerichos Josua 6): Dann wird endgültig abgerechnet, werden alle Gewaltherrscher entmachtet, alle Kriegsmittel abgerüstet, Armeen aufgelöst, ungerechte Besitzverhältnisse umgewälzt, weltweit ewige Gerechtigkeit geschaffen (z.B. in der Vision vom Endgericht Daniel 7).

Die soziale Revolution war für sie also das, was der jüdisch-christliche GlaubeReich Gottes“ nennt: eine endgültige Befreiung aller Menschen von ungerechten Verhältnissen. Sie „beerbte“ diese Tradition ebenso wie Karl Marx, indem sie umfassende irdische Gerechtigkeit als historische Tendenz aller Klassenkämpfe erhoffte und dafür kämpfte.

Wird diese jedoch nicht geschaffen, dann – auch das sah sie sehr klar voraus – droht der Menschheit ein Rückfall in unvorstellbare Barbarei. Das Bewusstsein dieses Entweder-Oder ist eine entscheidende Triebfeder zum Handeln. „Von allein“ kommt gar nichts! Dabei sind Rückschläge und Niederlagen des arbeitenden Volkes für dessen Lernprozess besonders wichtig: Gerade sie können das historische Bewusstsein für die unvermeidbare Notwendigkeit der Revolution schärfen. Nicht erst der „Endsieg“, sondern schon der immer neue Versuch, ihn herbeizuführen, ist daher der „Stolz“ der Arbeiterbewegung.

Rosa Luxemburgs Marxismus ist ein Glaube an die unzerstörbare Fähigkeit der Menschen, ihre Geschichte selbst zu bestimmen und zu einem Ziel zu führen, das alle, nicht nur eine Minderheit, vom Joch der Klassenherrschaft befreit. Dieser Glaube schöpft seine Kraft aus den realen historischen Anläufen und sozialen Bewegungen zu einer gerechten Weltgesellschaft.

Werke

Literatur

  • Peter Nettl, Rosa Luxemburg, Frankfurt am Main, Wien, Zürich 1968 (wichtigste Biographie)
  • Frederik Hetmann, Rosa L. - Die Geschichte der Rosa Luxemburg und ihrer Zeit", Fischer TB 2132, 1979
  • Donald E. Shepardson: Rosa Luxemburg and the Noble Dream, New York 1996
  • Annelies Laschitza/ Günter Radczun, Rosa Luxemburg. Ihr Wirken in der deutschen Arbeiterbewegung. Berlin 1980
  • Ossip K. Flechtheim: Rosa Luxemburg zur Einführung. Hamburg 1985
  • Max Gallo: Rosa Luxemburg. Eine Biographie. Zürich 1993
  • Klaus Gietinger: Eine Leiche im Landwehrkanal – Die Ermordung der Rosa L., Verlag 1900 Berlin – ISBN 3-930278-02-2
  • Sebastian Haffner: Der Verrat. Berlin 2002

Film

1986 verfilmte Margarethe von Trotta mit Barbara Sukowa als Rosa Luxemburg das Leben der deutschen Revolutionärin. Der Film gewann den Bundesfilmpreis und Barbara Sukowa erhielt die Goldene Palme für ihre Darstellung auf dem Filmfestival in Cannes.