Taliban

Taliban, FU (persischer Plural von arabisch talib „Student“), bezeichnet eine Gruppe islamistischer Fundamentalisten, von denen viele Anführer und Mitglieder in islamistischen Schulen in Pakistan von der Patan-Bevölkerung wie den Ahmadzeis, die hohe Ämter innehaben, ausgebildet wurden. Praxis und Ideologie der Taliban sind sehr stark vom radikal-orthodoxen Islam (siehe Wahhabismus) und vom paschtunischen Nationalismus (siehe Paschtunwali) geprägt.
Politische Entwicklung

Politisch und militärisch formierten sich die Taliban um 1993 nach dem Ende der sowjetischen Besatzung Afghanistans, als verschiedene Gruppierungen der Mujahedin untereinander in bewaffnete Auseinandersetzungen gerieten. Ihre Gründung wurde von Pakistan finanziell und materiell unterstützt.
Im Verlauf der Kämpfe entwickelten sich die Taliban ab 1995 zur dominanten Fraktion innerhalb Afghanistans. Einen Großteil ihrer Mitglieder rekrutierten sie aus den Koranschulen (Madrasa) entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze.
Mit der Einnahme der Hauptstadt Kabul 1996 und der folgenden Konsolidierung ihrer Macht kontrollierten die Taliban seit 1997 drei Viertel des Landes und konnten diese Position bis zum Jahre 2001 weiter ausbauen.
Zu dieser Zeit war nur der Nordosten des Landes noch nicht unter der Herrschaft der Taliban.
Der Rest des Landes wurde in Islamisches Emirat Afghanistan umbenannt; die Regierung der Taliban wurde allerdings nur von drei Staaten (Saudi-Arabien, Pakistan, Vereinigte Arabische Emirate) diplomatisch anerkannt.
Nachdem 1998 zehn iranische Diplomaten getötet wurden, standen Iran und das Talibanregime kurz vor einem Krieg, der trotz der Mobilisierung 200 000 iranischer Soldaten abgewandt werden konnte.[1]
Den Taliban wurde seit 1999 vorgeworfen, Terroristen (insbesondere von al-Qaida) Unterschlupf zu gewähren. Diese Vorwürfe verstärkten sich nach den Anschlägen in den USA am 11. September 2001. Infolgedessen wurde die von den USA erhobene Forderung nach Auslieferung der Verdächtigen international unterstützt.
Ab dem 7. Oktober 2001 griffen die USA Afghanistan an und unterstützten die Vereinigte Islamische Front zur Rettung Afghanistans, auch bekannt als Nordallianz, um die Taliban und mit ihr deren Führer Mullah Omar zu entmachten (siehe auch Krieg in Afghanistan bzw. Operation Enduring Freedom). Einige Hundert Verdächtige wurden von den USA inhaftiert und sind seitdem in Guantánamo Bay auf Kuba interniert.
Unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen wurde eine Übergangsregierung gebildet, die durch ausländische Truppen (ISAF) unterstützt wird.
Seit Anfang 2006 scheinen die Taliban wieder zu erstarken. Mullah Omar, ihr noch immer gesuchter Führer, hat mit neuen Gewaltakten für 2006 gedroht. Mehrere Dörfer und ländliche Gebiete sollten zu diesem Zeitpunkt bereits wieder unter Kontrolle der Taliban sein. Täglich gibt es in Afghanistan inzwischen wieder neue Anschläge. Besonders trifft dies auf die südöstliche Region Waziristan zu, die fast gänzlich in den Händen der Taliban liegt. Dort vermutet man auch Mullah Omar, den Führer der Taliban, sowie Osama Bin Laden, Führer der radikal-islamischen Organisation Al-Qaida.
Als Reaktion hat die Besatzungsmacht USA im Mai 2006 mit der Operation Mountain Thrust einen Vorstoß in die Berge begonnen. Dieser richtet sich gegen die Taliban vor allem im unruhigen Süden des Landes. Man nimmt an, dass die Besatzungsmacht mit dieser Operation die Taliban endgültig vernichten will, um die Kontrolle des Südens nach und nach in die Hände der ISAF-Friedenstruppen zu legen.
Geiselnahme von Ausländern
Im 18. Juli 2007 entführten Milizen der Taliban die beiden deutschen Bauingenieure Rüdiger Diedrich und Rudolf Blechschmidt. Die Bauingenieure waren in der afghanischen Provinz Wardak verschleppt worden, als sie an einem Dammprojekt arbeiteten. Ein Sprecher der Taliban drohte mit der Ermordung der deutschen Geiseln, falls sich die Bundeswehr nicht aus Afghanistan zurückzöge. Rüdiger Diedrich erlitt in der Geiselhaft einen Schwächeanfall und wurde von den Geiselnehmern erschossen. Er wurde am 21. Juli mit Einschüssen im Rücken und beiden Knien aufgefunden. Rudolf Blechschmidt kam am 10. Oktober frei, nachdem eine vorherige Freilassung der Geisel Ende September gescheitert war.
Ebenfalls im Juli 2007 wurden auch 23 koreanische Staatsbürger, die einer christlichen Freikirche angehören und sich zur Vorbereitung von Missionierungstätigkeiten in Afghanistan aufhielten, entführt. Zwei der entführten Koreaner wurden ermordet.[2][3] Die Geiseln berichteten darüber, dass sie während ihrer Gefangenenzeit Zwangsarbeit verrichten mussten. Außerdem wurden sie mit Gewehren bedroht und aufgefordert, zum Islam zu konvertieren.[4]
Ideologie, Religion und Praxis
Religiös haben die Taliban vieles mit den Wahhabiten gemein, einer im 18. Jahrhundert in Saudi-Arabien entstandenen und dort heute vorherrschenden Reformbewegung der sunnitischen Hauptrichtung des Islam. Die Wahhabiten zeichneten sich von Anfang an durch militante Intoleranz gegenüber allen Nichtwahhabiten (auch innerhalb des Islam) aus und waren bestrebt, den Islam zu seinen Wurzeln aus dem siebten Jahrhundert zurückzuführen. In diesem Sinne spricht man auch von Fundamentalisten. Anderen Analysen zufolge gehören die Taliban der ideologischen Schule der Deobandis an, einer fundamentalistischen Gruppe mit Hauptsitz in Deoband, Indien. Im Gegensatz zu den Wahhabiten, die sich aus dem hanbalitischen Islam entwickelten, haben die Deobandi ihre Wurzeln im hanafitischen Sunnismus.
Im Einklang mit diesem Hintergrund wurde in Afghanistan die Schari'a, das islamische Gesetz, eingeführt, das die Taliban sehr streng auslegen und aus dem sie unter anderem folgende Verbote und Richtlinien ableiteten:
- Verbot von Kameras
- Verbot von Kino, Fernsehen und Videorekorder
- Verbot von Internet
- Verbot von Zeremonien und Feierlichkeiten aus Anlass des auf dem solaren Kalender bzw. dem Sonnenjahr beruhenden Neujahrsfestes (Nauroz).
- Der offizielle Staatskalender gemäß dem Sonnenjahr wurde für ungültig erklärt. Stattdessen Einführung der Islamischen Zeitrechnung bzw. des Mondjahres.
- Verbot weltlicher Musik (gesungene Koranverse sind erlaubt)
- Frauen hatten ihren ganzen Körper mit der Burka zu bedecken
- Verbot jeglicher Frauenarbeit außerhalb des eigenen Hauses
- Frauen war ärztliche Behandlung nur in Begleitung eines Mannes erlaubt und nur durch weibliche Ärzte. Da für Frauen faktisch ein Berufsverbot bestand, gab es keine Ärztinnen und somit auch keine Behandlung für Frauen.
- Frauen war das Verlassen des Hauses nur in Begleitung männlicher Verwandter erlaubt; die Fenster der Häuser waren teilweise als Sichtschutz mit Farbe bemalt, so dass sie nur durchscheinend, aber nicht mehr durchsichtig waren.
- Verbot des Besuches jeder Art von Bildungseinrichtung (Schule, Hochschule) für Mädchen und Frauen.
Praktiken in Afghanistan unter den Taliban:
- Amputation von Körperteilen bei mutmaßlichen Verbrechern
- öffentliche Hinrichtungen (z. B. Steinigungen oder Erschießungen)
- Zerstörung von Götterbildnissen (etwa der riesigen Buddha-Statuen von Bamiyan aus der Gandhara-Kultur)
- das offizielle Verbot des Anbaus von Opium im Jahr 2000, was auch tatsächlich die geerntete Menge für die Kleinbauern drastisch reduzierte, wodurch der internationale Marktpreis explodierte.
- Prügelstrafe oder Inhaftierung von Männern, deren Bärte zu kurz waren.
Den UN zufolge begingen die Taliban während ihrer Gewaltherrschaft schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen. Nachdem sie die Kontrolle über Afghanistan erkämpft hatten, erließen die Taliban Edikte, die die Rechte der Frauen stark einschränkten. Sie betrafen die Bereiche Bildung, medizinische Versorgung, Kleidung und Verhalten in der Öffentlichkeit.
Mädchen war es verboten, zur Schule zu gehen. Viele Schulen wurden geschlossen, worauf die Mädchen, wenn überhaupt, nur noch im Privaten unterrichtet wurden. Frauen in Kabul durften nicht mehr ihre Berufe ausüben und saßen immer häufiger als Bettlerinnen in Burkas auf der Straße. Da durch die Wirren des Krieges allein in Kabul ca. 30.000 Frauen als Witwen ohne jegliche männliche Verwandtschaft lebten, hatten diese Frauen meist keine andere Chance, als zu betteln, um ein wenig Geld zum Überleben aufzutreiben. Dass die Restriktionen lebensbedrohend waren, verdeutlicht folgendes:
Laut den Physicians for Human Rights bekamen 53 % der ernsthaft Kranken keine Behandlung. Zugang zu medizinischer Versorgung war vor allem den Frauen fast unmöglich. Es gab zur Zeit der Talibanherrschaft in Kabul ein einziges Krankenhaus, in dem Frauen behandelt werden durften. Allerdings war die Grundausstattung mangelhaft, Röntgen- oder Sauerstoffgeräte und Medikamente fehlten, fließendes Wasser war nicht vorhanden. Um überhaupt behandelt werden zu können, galt es für die Frauen, verschiedene Probleme zu meistern. Ohne männlichen Begleiter durfte eine Frau nicht behandelt werden. Da es männlichen Ärzten generell verboten war, Frauen anzuschauen oder zu berühren, konnten Frauen nur noch sehr eingeschränkt untersucht werden. Das Tragen der Burka war auch während der Behandlung Pflicht. Eine einfache Untersuchung oder ein Zahnarztbesuch war fast unmöglich, da der Schleier nicht hochgehoben werden durfte. Um die Einhaltung der Gesetze zu wahren, waren regelmäßig Taliban-Mitglieder in den Krankenhäusern anwesend. Falls sich Afghanen den Taliban-Gesetzen dennoch widersetzten, wurden schwere Strafen verhängt. Ärzten drohten Schläge, Berufsverbot und Gefängnisstrafen.
Sowohl in den Städten als auch auf dem Lande waren die hygienischen Verhältnisse auf niedrigstem Niveau. Öffentliche Bäder waren, soweit noch vorhanden, Frauen generell nicht mehr zugänglich.
In den Städten trafen die Gesetze die Frauen besonders hart, da dort die westliche Orientierung vor der Taliban-Gewaltherrschaft am ausgeprägtesten gewesen war, Frauen in vielen Fällen regelmäßig gearbeitet und westliche Kleidung getragen hatten.
Jedoch war nicht nur die Religion ein Hauptpfeiler der Taliban-Herrschaft, sondern auch paschtunischer Nationalismus. Denn die Taliban-Gesetze variierten von Gegend zu Gegend, waren aber besonders streng in den Gebieten, in denen Nicht-Paschtunen wohnen, also Ethnien, die sich von den Taliban unterscheiden. Am stärksten waren die Hazara betroffen, gegen die es mehrfach zum Völkermord kam. Jedoch blieb dies in der Presse vollkommen unbeachtet.
Literatur
- Ahmed Raschid: Taliban. Afghanistans Gotteskrieger und der Dschihad. Droemer, München 2001, ISBN 3-426-27260-1
- Alberto Masala: Taliban. Trente-deux preceptes pour les femmes, N&B, Collection Ultima Verba, ASIN 2911241304
- Marc Epstein: «Afghanistan. Voyage au coeur de la barbarie», dans 'L'Express, 28/06/2001
- Michael Barry: Le Royaume de l'insolence, l'Afghanistan : 1504-2001, Flammarion, 2002, ISBN 2082101029
- Bernard Dupaigne, Gilles Rossignol: Le carrefour afghan, Gallimard (folio, le Monde actuel), 2002, ISBN 2070425959
- Gilles Dorronsoro: La Révolution afghane, des communistes aux tâlebân, Khartala, 2000
- Sylvie Gelinas: L'Afghanistan, du communisme au fondamentalisme, L'Harmattan, 2000
- Ahmed Rashid, L'Ombre des Taliban, Autrement, 2001, ISBN 2746701731
- Asne Seierstad, „le libraire de kaboul“
Quellenangaben
- ↑ IRANIAN-AFGHAN TENSIONS
- ↑ Süddeutsche Zeitung: Taliban-Entführung – Die bisher bekannten Fakten
- ↑ Afghanistan plant offenbar Befreiungsaktion für Koreaner
- ↑ NZZ: Geschlagen und bedroht 12. September 2007
Weblinks
- „Die Taliban“ von Stephan Massing, suedasien.info
- Intelligence Brief: Islamabad Assesses that the Taliban Will Not be Defeated (Power and Interest News Report, 15. November 2006)
- Die Freunde der Taliban. Ausländische Interessen in Afghanistan. Eine Analyse der Gesellschaft für bedrohte Völker.
- Die letzte Grenze: Die paschtunischen Stammesgebiete zwischen Taliban und NATO
- Einige der Einschränkungen, die von den Taliban über Frauen in Afghanistan verhängt worden sind