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Trichoplax adhaerens

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Placozoa
Vorlage:Taxonomy
Klassifikation: Lebewesen
Domäne: Eukaryoten (Eucaryota)
Vorlage:Regnum: Tiere (Animalia)
Vorlage:Subregnum: Vielzeller (Metazoa)
Vorlage:Divisio: Gewebelose (Parazoa)
Vorlage:Phylum: Placozoa
Arten
  • Trichoplax adhaerens

Die Placozoa sind die strukturell einfachsten aller vielzelligen Tiere (Metazoa) und bilden mit nur einer einzigen Art, Trichoplax adhaerens, einen eigenen Tierstamm, der hier mit den Schwämmen (Porifera) zu den Gewebelosen (Parazoa) gezählt wird. Die Art wurde erst 1883 in einem Aquarium in Graz entdeckt und wurde lange für eine Planula-Larve, eine Larvenform der Hohltiere, gehalten. Erst die Arbeiten insbesondere des Tübinger Zoologen Karl G. Grell in den 1970er Jahren klärten den Entwicklungsgang des Tieres auf und trugen maßgeblich zur Errichtung des Tierstamms bei. Bis heute existiert kein deutscher Name. Placozoa heißt wörtlich übersetzt "flache Tiere".

Die Zuordnung zu den Parazoa folgt der in der Wikipedia praktizierten klassischen Systematik. Nach der heute von vielen Biologen vertretenen phylogenetischen Systematik gelten die Placozoa als Schwestergruppe der Gewebetiere (Eumetazoa), sind mit diesen also näher verwandt als mit den Schwämmen, da die Gemeinsamkeiten mit letzteren vermutlich "primitive Merkmale", so genannte Symplesiomorphien, sind, die ursprünglich allen Tieren eigen waren. Für das Schwestergruppenverhältnis von Placozoa und Gewebetieren spricht hingegen das Vorhandensein von speziellen Zell-Zell-Verbindungen, so genannten Desmosomen, die nicht nur bei den Placozoa, sondern bei allen Tieren außer den Schwämmen vorkommen sowie das Vorhandensein von Drüsenzellen. Diese abgeleiteten gemeinsamen Merkmale (Synapomorphien) legen das Taxon Epitheliozoa fest.

Fossil sind Placozoa nicht erhalten, Funde sind aufgrund des weichen Körpers auch nicht zu erwarten.

Aufbau

Wie die Zuordnung zu den Gewebelosen schon andeutet, fehlen den Placozoa Gewebe und Organe. Es gibt auch keine ausgeprägte Symmetrie, so dass es bei Trichoplax adhaerens kein vorne oder hinten, links oder rechts gibt.

Die gräulich gefärbten, im Gegenlicht transparenten Tiere sehen oberflächlich wie etwas zu groß geratene Amöben aus und ändern auch beständig ihre äußere Form. Sie bestehen aus bis zu tausend Zellen, die vier verschiedenen Zelltypen zugeordnet werden können und die an der Körperoberfläche nahezu ausnahmslos bewimpert sind. Unterscheiden lassen sich eine Rücken- oder Dorsalseite und eine Bauch- oder Ventralseite. Die Zellen der Rückenseite sind etwas abgeflacht und enthalten kleine Fettkörperchen, diejenigen der Bauchseite dagegen sind langgestreckt und sehr gleichmäßig mit Geißeln bedeckt. Daneben kommen auf der Bauchseite auch noch unbewimperte Drüsenzellen vor. Zwischen den beiden Seiten befindet sich ein mit sternförmigen so genannten Faserzellen durchsetzter Zwischenraum, der flüssigkeitsgefüllt ist. Die Faserzellen können sich entspannen oder zusammenziehen und wirken so an der Formbildung von Trichoplax adhaerens mit.

Alle Körperzellen enthalten zwölf nur etwa einen Mikrometer große Chromosomen, die Faserzellen sind allerdings eventuell tetraploid, enthalten also einen vierfachen Chromosomensatz. Der DNA-Gehalt des Zellkerns ist der kleinste jemals für ein Tier festgestellte und entspricht eher einem Bakterium als einem vielzelligen Eukaryoten.

Placozoa haben oft einen Durchmesser von weniger als einem halben, selten von bis zu drei Millimetern und sind mit bloßem Auge meist gerade noch zu erkennen. Nur sehr kleine Tiere schwimmen aktiv, alle anderen nutzen entweder ihre Geißeln zur Fortbewegung auf festen Oberflächen oder verändern amöbenartig ihre Lage. Die Bewegungen sind naturgemäß nicht zentral koordiniert, da keinerlei Muskel- oder Nervengewebe existiert.

Ernährung

Trichoplax adhaerens ernährt sich von kleinen Algen oder abgestorbenen Teilen anderer Organismen. Dazu bildet sich auf der Bauchseite um die Nahrungspartikel eine kleine Tasche aus, in die Verdauungsenzyme abgegeben werden. Die dadurch freigesetzten Nährstoffe werden dann über die Zellmembranen aufgenommen. Placozoa entwickeln also einen vorübergehenden "Außenmagen".

Verbreitung

Die Verbreitung der Placozoa ist weitgehend unbekannt. Sie sind in zahlreichen Aquarien, beispielsweise in Plymouth (Südengland) oder Miami (Florida) gefunden worden; auch aus dem Roten Meer, der Karibik, dem Mittelmeer, von Hawaii, Guam, Japan und Vietnam wurden Funde gemeldet.

Fortpflanzung

Die einfachste Möglichkeit der Fortpflanzung ist ungeschlechtlich: Das Tier schnürt sich einfach in der Mitte durch, so dass zwei etwa gleich große Tochtertiere entstehen. Knospung kommt dagegen seltener vor.

Die geschlechtliche Fortplanzung wird vermutlich durch eine zu große Populationsdichte ausgelöst. Die Zellen der Bauchseite bilden dann im geschützten Innenraum eine von einer speziellen Hülle, der Befruchtungsmembran, umgebene Eizelle, der Rest des Tieres degeneriert. Die Existenz der Befruchtungsmembran wird als Beweis für die Befruchtung selbst angeführt, auch wenn diese wie auch die Spermien bisher nicht beobachtet werden konnte. Die Eizelle beginnt anschließend mit Furchungsteilungen, bei denen sie sich vollständig in der Mitte durchschnürt. Auf diese Weise entsteht schließlich eine für Tiere charakteristische Zellkugel, die Blastula. Die spätere Entwicklung ist derzeit unbekannt.

Regeneration

Eine bemerkenswerte Eigenschaft der Placozoa ist, dass sie sich aus kleinsten Zellbeständen regenerieren können. Werden im Experiment selbst große Teile des Organismus entfernt, entwickelt sich aus dem Rest dennoch wieder ein vollständiges Tier. Es ist möglich, Trichoplax adhaerens durch ein Passiersieb zu streichen, so dass die Einzelzellen zwar nicht zerstört, aber weitgehend voneinander getrennt werden. Im Reagenzglas finden sie sich dann wieder zu kompletten Organismen zusammen. Wird diese Prozedur mit mehreren Tieren gleichzeitig vollzogen, die man vorher angefärbt hat, passiert das Gleiche, nur dass es diesmal vorkommen kann, dass Zellen, die vorher zu einem Tier gehörten, plötzlich als Teil eines zweiten wiederauftauchen!

Systematik

Da derzeit nur eine einzige Art anerkannt wird, erübrigt sich eine Systematik eigentlich. Allerdings ist noch eine zweite Art historisch beschrieben worden, Treptoplax reptans, die jedoch seit 1896 verschollen ist und deren Existenz daher von vielen Zoologen angezweifelt wird. Daneben ist aufgrund des unklar umrissenen Verbreitungsgebietes umstritten, ob nicht die bisher einzige Art eventuell in zahlreiche verschiedene Arten aufgeteilt werden sollte.