Drehimpuls
Physikalische Größe | |||||||
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Name | Drehimpuls | ||||||
Formelzeichen | L | ||||||
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Der Drehimpuls ist eine physikalische Größe, welche Richtung und Geschwindigkeit einer Drehbewegung um einen Referenzpunkt beschreibt und im alltäglichen Sprachgebrauch auch Drall, oder Schwung genannt wird.
Bei einem sich drehenden starren Körper ist der Drehimpuls das Produkt aus der Winkelgeschwindigkeit und dem Trägheitsmoment um die Rotationsachse. Wenn keine äußeren Drehmomente wirken, bleibt sein Betrag erhalten, was in Naturwissenschaften, Technik und Sport eine große Rolle spielt (siehe Drallsatz und Stabilisierung).
Der Drehimpuls eines Massenpunktes ist definiert als Kreuzprodukt zwischen Ortsvektor und physikalischem Impuls:
wobei den Ort, die Geschwindigkeit, den Impuls und die Masse bezeichnet. In abgeschlossenen Systemen ist der Drehimpuls aufgrund der Isotropie des Raumes eine Erhaltungsgröße - siehe Drehimpulserhaltungssatz.
Anschauliche Beschreibung

Man kann sich den Drehimpuls als Pfeil vorstellen, dessen Richtung die Drehachse angibt und dessen Länge den Schwung der Drehung angibt: Je länger der Pfeil, desto mehr Schwung. Mehr Schwung kann dabei realisiert werden durch
- eine höhere Geschwindigkeit (raschere Drehung)
- eine größere Masse (größeres Trägheitsmoment)
- einen größeren Abstand von der Drehachse.
Intuitiv ist man versucht, den Drehimpuls als Vektor aufzufassen, weil ja Ort und Geschwindigkeit vektorielle Größen sind. Diese Vorstellung ist nicht ganz korrekt, was im nächsten Abschnitt näher erläutert wird. Ein Diskuswerfer spürt diesen Unterschied zwischen Vektor und Impuls "handgreiflich".
Die Skizze zeigt exemplarisch den Zusammenhang von Ort, Geschwindigkeit und Drehimpuls für die Kreisbewegung. Man beachte, dass der Drehimpuls senkrecht auf der Ebene steht, in der die Bewegung stattfindet. Seine Länge ist in diesem Fall gleich dem Produkt aus Radius und Geschwindigkeit.
Seine Richtung ist so zu wählen, dass er zusammen mit Ort und Geschwindigkeit eine sogenannte Rechtsschraube bildet. Man kann dies mit der Rechte-Hand-Regel veranschaulichen: wenn die gekrümmten Finger der rechten Hand die Richtung der Drehung angeben, so zeigt der Daumen in Richtung des Drehimpulses.
In vielen Fällen (streng in jedem geschlossenen System) ist der Drehimpuls eines physikalischen Systems eine Erhaltungsgröße, er ändert sich also nicht. Dies hat viele weit reichende Konsequenzen, die weiter unten diskutiert werden.
Physikalische Beschreibung
Der Drehimpuls als Kreuzprodukt von Ort und Geschwindigkeit spielt eine wichtige Rolle bei der Beschreibung von Drehbewegungen. Er ist dort äquivalent zum Impuls bei Translationsbewegungen. Dort gilt nämlich:
: Die zeitliche Änderung des Impulses ist gleich der Kraft.
Für Drehbewegungen gilt die analoge Formel: : Die zeitliche Änderung des Drehimpulses ist gleich dem Drehmoment.
Dabei ist das Drehmoment definiert als Kreuzprodukt von Ortsvektor und Kraft. Dies folgt, indem man explizit die Zeitableitung des Drehimpulses bestimmt:
Da Geschwindigkeit und Impuls parallel sind, folgt mit den Eigenschaften des Kreuzproduktes und der Identität die Formel für das Drehmoment.
Findet die Bewegung nur in einer bestimmten Ebene statt, so kann man in dieser Ebene Polarkoordinaten einführen. Dann ist der Drehimpuls beschrieben durch , wobei wieder die Teilchenmasse bezeichnet. und sind die Polarkoordinaten.
Für die Beschreibung des Drehimpulses ist es wichtig, einen Referenzpunkt anzugeben, von dem aus der Ortsvektor gemessen wird. Der Drehimpuls gibt dann an, mit welcher Stärke der Massenpunkt um diesen Referenzpunkt rotiert. Dabei kann sich der Massenpunkt auch auf einer Gerade bewegen, seine Bahn muss nicht zwangsläufig gekrümmt sein.
Aufgrund seiner Definition als Kreuzprodukt ist der Drehimpuls kein Vektor von der Art, wie Ort und Geschwindigkeit es sind (so genannte polare Vektoren). Es handelt sich vielmehr um einen axialen Vektor. Auch die Bezeichnung Pseudovektor ist gebräuchlich. Vereinfacht gesprochen zeichnet sich so ein Vektor dadurch aus, dass sich sein Vorzeichen bei einer Spiegelung aller Ortskoordinaten nicht ändert. Da bei einer solchen Spiegelung sowohl der Orts- als auch der Impulsvektor ihr Vorzeichen ändern, folgt diese Eigenschaft direkt aus der Definition des Drehimpulses.
Drehimpuls eines mechanischen Systems
Für ein mechanisches System mit Teilchen (bzw. Massenpunkten) ist der Gesamtdrehimpuls definiert durch
Ist das mechanische System abgeschlossen, ist der Gesamtdrehimpuls erhalten. In guter Näherung gilt dies beispielsweise für unser Sonnensystem, aber auch für ein Elektron, das an einem Atomkern gestreut wird.
Der Drehimpuls eines starren Körpers
Der Drehimpuls eines starren Körpers (z.B. ein idealisierter Kreisel oder ein langsam rotierender Asteroid) wird durch seine Drehgeschwindigkeit und den Trägheitstensor seiner Massenverteilung bestimmt; in diesem Tensor stehen die Trägheitsmomente um die möglichen Drehachsen. Rotiert der starre Körper mit der Winkelgeschwindigkeit , so ist der Drehimpuls durch
gegeben. Der Trägheitstensor ist eine Matrix, die für die Drehbewegung dieselbe Bedeutung hat, wie die Masse für die Translationsbewegung. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Winkelgeschwindigkeit und Drehimpuls im Allgemeinen nicht parallel zueinander sind.
Drehimpulserhaltung
Ohne äußere Einwirkung verändert sich der Drehimpuls eines abgeschlossenen Systems nicht. Diese Eigenschaft wird Drehimpulserhaltungssatz genannt. Mit seiner Hilfe kann das Verhalten von Teilchen und starren Körpern gedeutet werden, ohne dass jede einzelne Komponente betrachtet werden muss.
Drehmoment
Um den Drehimpuls eines Körpers zu ändern, muss eine Kraft an einem geeigneten Hebelpunkt angreifen. Solch eine Hebelkraft nennt man Drehmoment. Definiert ist das Drehmoment durch
wobei der Verbindungsvektor von Referenzpunkt und Angriffspunkt der Kraft ist und die angreifende Kraft ist.
Einige Herleitungen
Drehimpuls des starren Körpers
Wir betrachten den inneren Drehimpuls eines starren Körpers und wählen den Schwerpunkt als Koordinatenursprung. Der gesamte Drehimpuls ist dann die Summe der Drehimpulse jedes einzelnen Massenpunktes des Körpers. Der Körper habe Massenpunkte mit den Massen und den relativ zum Schwerpunkt gemessenen Koordinaten . Dann lautet der Gesamtdrehimpuls
. Die Geschwindigkeit einer Rotationsbewegung ist gleich
, also das Kreuzprodukt aus Winkelgeschwindigkeit und Ortsvektor. Eingesetzt erhalten wir also
Gemäß der BAC-CAB-Formel für das doppelte Kreuzprodukt ist dies
Das lässt sich in beiden Fällen ausklammern und aus der Summe ziehen:
stellt die Einheitsmatrix dar und bei handelt sich um ein dyadisches Produkt zwischen den beiden Ortsvektoren. In Komponentenschreibweise:
Hierbei wird die Einsteinsche Summenkonvention verwendet.
Die Summe ist gerade die Definition des Trägheitstensors , so dass der Drehimpuls letztendlich geschrieben werden kann als:
mit
Für eine kontinuierliche Massenverteilung ersetze man die Summe durch ein Integral über das Volumen und die Massen durch die Dichtefunktion .
Siehe auch
- Bahndrehimpuls, Pirouetteneffekt, Selbststeuerung
- Spin (Drehimpuls in der Quantenmechanik)