Benutzer:Brummfuss/Warum ich nicht mehr mitspiele
Um weiteren Spekulationen keinen Vortrieb zu leisten,
- Während bei der Bearbeitung von Artikeln und die Gestaltung des Metabereichs fortwährend um Inhalt oder um die Durchsetzung von Ansichten gerungen wird, verfügt die Wikipedia über keine Richtlinien, die sich als objektivierbarer Maßstab zur Beurteilung des Verhaltens eines Benutzers eignen. Trotzdem werden Sanktionen verhängt, wenn das Verhalten eines Benutzers von „Benutzern mit erweiterten Rechten“ oder der Gemeinschaft mißbilligt wird. Diese Sanktionen lassen sich schlecht objektiv überprüfen, und es ist meist für den betroffenen schwer, dagegen vorzugehen. Dies ist ein ständiger Quell von Frustration und Ärger. Diejenigen, welche in erster Linie über die Einhaltung der Richtlinien wachen sollten, da sie für die Verhängung der Sanktionen zuständig sind, entziehen sich einer fortlaufenden Bewertung ihres Verhaltens durch die Community. Es kommen nicht nur „amtliche Sanktionen“ zum Einsatz, sondern auch Zurechtweisungen, Angeschnauze, Demütigungen. Auf längere Sicht gesehen geht von dieser Strukturlosigkeit die größte Gefahr für die Wikipedia aus.
Weil mir auch der Gesamtzustand des Projektes wichtig war, in dem meine versponnenen Schreibereien zuerst veröffentlicht werden, habe ich mich immer tiefer im Metabereich und in Themenbereichen meiner rechten Freunde verstrickt. Kurzgesagt habe ich im Verlauf dessen nicht nur komplett die Freude am Engagement hier verloren. Es ist sogar noch viel schlimmer. Immer öfter sind mir hier virtuelle Begegnungen sogar zum Ärger geworden. Klar sind inhaltliche Dispute im Artikelbereich immanent, aber damit könnte ich ganz gut leben. Das Problem ist das Wie, und das Problem ist vielmehr die Art, wie manche versuchen, ihre Vorstellung über die Gestaltung der Wikipedia im Metabereich durchzudrücken.
Jeder kommt hier mit den besten Absichten an. Und die besten Absichten sind zunächst mal die eigenen Ansichten.
- Frust und Ärger sind immanent
Aber: Erkenne dich selbst! Ich habe mich (wenigstens teilweise ;-)) selbst erkannt und festgestellt, dass das nicht mein Ding ist: Wildfremde Menschen von etwas überzeugen zu wollen, dass diese partout nicht einsehen wollen. Hier in der WP muss man das aber. Und jeder spielt ja mit, ist also auch mitgefangen im System, mich nicht ausgenommen. Warum eigentlich? Das kleine bißchen Freude über einen guten Artikel in der WP hat sich schnell gelegt, wenn die ersten Verfallserscheinungen nach längerer Zeit sich gehäuft haben. Im Großen und ganzen ist es auch sehr anregend, Themen zu recherchieren und Artikel zu verfassen - solange bis die Geduld zu Ende ist, immer schön zwischen Arroganz und Besserwisserei der Zweifler, Diskussionspartner und der eigenen. Das meist anonyme Bearbeiten von Ausdruck, Tippfehler, Satzbau usw. ist auch nach wie vor unterhaltsam.
Schließlich kam die Phase, wo ich es nicht mitansehen konnte, wie neben meinen mühsam recherchierten Artikeln auch ideologischer Schmu verbreitet wird, was mich auch dazu bewogen hat, mich weiter zu engagieren. Begehrte Mittel sind Quellenfälschung, falsche Zitate, gefärbte Darstellungen, Gliederungen bei der Arbeit an POV-Abwurfplätzen. Auch empfehlenswert ist das Löschen von Passagen mit der Begründung unlogisch oder unbelegt, wobei natürlich es bei älteren Artikeln mühsam sein kann, die Quelle aus dem Log auszulesen und als ordentliche Literaturangabe oder Einzelnachweis einzustellen. Da das kaum jemand macht, kann man hier ganz gut seine Ansicht vertreten wissen. Anstatt nach der wissenschaftlichen Prämisse vorzugehen lassen sich bekanntermaßen Mitautoren auch zu gerne von anderen Zielen dazu verleiten, nicht nach Beweisen für die andere Meinung suchen zu wollen. Hinzu kommen die altbewährten Stilmittel in Diskussionen, insbesondere sind unbegründetes Revertieren und Abkanzeleien mit Nicht-Argumenten unter den top five. Da sich letzteres auch noch in meinem originären Interessenbereich ausgebreitet hatte, ging zu guter letzt auch dort das Interesse verloren.
Dann ist es auch zu weilen mal ganz nett, eine Idee zu formulieren, die Anklang findet und sich entwickelt. Gegenüber dieser Freude stehen die Mühen nicht enden wollender Diskussionen über unterschiedlicher Ansichten mit nicht immer einem produktiven Ergebnis, oder gar verletzten Gesprächspartnern, die frustriert sind, widerlegt worden zu sein, oder aber auch der eigene Frust, oder Frust, sich gegen schlechtere Argumente nicht durchgesetzt zu haben. Und gefrustet sein ist auch kein großer charakterlicher Makel, denn niemand lässt sich gerne widerlegen und niemand macht sich die Mühe gerne vergeblich. Sowohl im Artikelbereich als auch im Metabereich ist Frust und Ärger programmiert.
- Richtlinien und deren Einhaltung
Die Wikipedia verfügt über keine Richtlinien, die sich als objektiven Maßstab zur Beurteilung des Verhaltens eines Benutzers eignen. Trotzdem werden Sanktionen verhängt, wenn das Verhalten eines Benutzers von „Benutzern mit erweiterten Rechten“ oder der Gemeinschaft mißbilligt wird. Diese Sanktionen lassen sich schlecht objektiv überprüfen. Dies ist ein ständiger Quell von Frustration und Ärger.
Frust, Ärger oder Demütigungen, entstehen häufig bei jemanden, der etwas „falsch“ gemacht hat und dafür zurechtgewiesen wird. Diese Sanktion zählen zu den mehr oder weniger zielgerichteten Versuchen, eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Es gibt dafür Richtlinien, aber die sind vage. Die Auslegung der Richtlinien ist häufig Ansichtssache, die Beurteilung eines Verstoßes ebenso. Und was nützen die besten Richtlinien, wenn weder der Verstoß objektiv erkannt werden kann, noch eine objektiv „gerechte“ Sanktion möglich ist. Der Höhepunkt der Inkonsistenz erreicht seinen Höhepunkt leider selbst noch nicht bei der Ermunterung, Regeln zu ignorieren.
Obwohl es kaum möglich erscheint, die Richtlinien konsistent auszulegen und gerecht anzuwenden, stehen Mittel zur Verfügung, um einen „Verstoß“ zu sanktionieren. Neben den „amtlichen“ Mitteln der Artikel- oder Benutzersperrung, stehen auch Benutzern ohne „erweiterte Rechte“ verschiedene weitere Mittel zur Verfügung, wie die Androhung einer Sanktion oder Zurechtweisungen, die je nach Tonfall auch als Drohungen, Angeschnauze oder Einschüchterung gemeint oder empfangen werden können. Die aller meisten der getroffenen Sanktionen müssen aber vom unerfahrenen Delinquenten als ungerechtfertigt oder ungerecht empfunden werden, da er ja meist, sofern noch nicht genug gefrustet, tatsächlich mit gutem Vorsatz handelte, entweder in Unkenntnis von Richtlinien oder vorangegangenen Entscheidungen der Community, oder in Kenntnis von diesen, aber mir einer anderen Auslegung. Oder - zum dritten - trifft keine bereits bestehende Richtlinie auf die Aktionen zu, jedoch missfällt sie einem anderen Benutzer.
Und wo eine objektive Beurteilung nicht möglich ist, ist es auch nicht möglich, sich gegen eine falsch empfundene Sanktion zu Wehr zu setzen und eine objektive Beurteilung der Lage einzufordern. Der erste Fall ist mit einigem Aufwand konfliktarm zu lösen. Im zweiten Fall kennt der erfahrene Wikipedianer die Richtlinie, legt sie aber anders aus. Für die Lösung dieses Meinungsstreites gibt es weder verbindlichen Maßstab noch Instanz. Als Instanz wird häufig „der gesunde Menschenverstand“ genannt, welche die unklaren und unverbindlichen Richtlinien in klare und verbindliche Regeln übersetzen können soll. Der gesunde Menschenverstand ist auch hier in erster Linie der eigene Beurteilung, oder die gefühlte Mehrheit einer zufällig zusammengekommenen Gruppe, neuerdings meist auf WP:AN, wo in erster Linie sich „Benutzer mit erweiterten Rechten“ austauschen dürfen, aber das ist ja auch noch ein anderes Thema. Der Dritte Fall wird dabei noch weitaus komplizierter, hier ist die Eskalation programmiert.
- Andere Sanktionen und Demütigungen
Vorschläge und stärker Hinweise auf Missstände auf Wikipedia-Diskussionsseiten bieten Anlass, ganz unterschiedliche Kommentare loszuwerden. Z.B. ist Zynismus und Unfairness ein probates Mittel: Es wird jemanden widersprochen und ihm dann im selben Beitrag vorgeworfen, dass er immer das letzte Wort haben will. Ein Beitrag wird ins lächerliche gezogen. Wenn du eine Rechnung offen hast, und das ist anscheinend öfter der Fall, ziehe überhaupt alles ins Lächerliche und versuche möglichst, verletzend zu sein, dass wird dir Genugtuung verschaffen und Luft zum Atmen geben, für Gerechtigkeit sorgen. Wenn jemand ausgeschieden ist, und seine Gründe dafür hinterlassen hat, lege ad hoc eine Seite mit einem hämischen Titel an „wir müssen, ach, nun scheiden“ und verlinke die Stellungnahme dort als „Abschiedsbrief“. Spare überhaupt nie mit Stilmitteln wie Zynismus und Häme, wenn sich jemand verletzt fühlt, verspotte ihn für die Übernahme der Opferrolle (besonders wirkungsvoll bei Benutzersperrungen). Führe andere Beiträge des Benutzers an, die seine Glaubwürdigkeit in Frage stellen sollen, das gesamte Repertoire von ad hominem-Angriffen.
Anfängern sei besonders empfohlen, sich in der zentralen Disziplin des Wort-im-Munde-verdrehen zu üben. Tausche Adverben oder Adjektive aus und füge scheinbar harmlose, aber diktumsgraduierende Füllwörter in die indirekt widergegeben Rede ein. Da viele nicht sehr sorgfältig lesen, fällt es ungeübten oder unachtsamen Wikipedianern nicht auf, wenn in ihrer verdrehten Aussage ein „logischer Fehlschluss“ entdeckt wird. Das Austauschen von Buchstaben, um ganz neue Wörter entstehen zu lassen, empfiehlt sich dagegen nicht, da schnell als humoristisch entlarvt. Und, besonders wichtig: sei nachtragend und zitiere stark verkürzt die Fehlleistungen deines Gegners auch in einem ganz anderen Zusammenhang. Wenn du gerade einen kreativen Hänger hast oder verkatert bist, kannst du dich dumm stellen (fällt leicht ;-)): fange deinen Gesprächspartner mit einem Fragenlasso ein, welche eine andere (absurde) Bedeutung des Gesagten unterstellen. Als gutwilliger Diskutant muss er darauf antworten und wird damit mit etwas Glück implizit diese unterstellte absurde Bedeutung bestätigen. So kannst du ihm auch eine absurde und lächerliche Bedeutung unterstellen.
Diese Kategorie von Sanktionen haben weniger eine bewußt zielgerichtete Verhaltensänderung zum Ziel, führen aber, wenn sie erfolgreich ausgeführt werden, zum Verstummen desjenigen mit anderer Ansicht oder zu einer gesteigerten Selbstschätzung des Sanktionierenden.
Universal sind die Motivationen für solche Kommentare anderer Diskussionsbeiträge. Manche dieser Beiträge geschehen zunächst aus Unachtsamkeit, und manche Beiträge setzen sich auch mit dem Inhalt auseinander. Besonders menschlich ist das Kommunikationsbedürfnis, welches häufig zu assoziativen Kommentaren führt, die irgendwo zwischen dem Vorsatz guter Beteiligung und Profilneurose schwanken. Warum diese dann ins Verletzende abgleiten, dafür sind Kompensationen von Verärgerung, Frustration und Demütigung als häufige Phänomene in der Wikipedia die wahrscheinlichsten Motivationen. Schließlich ist der Wikipedianer lernfähig und kann sich auch mehr oder weniger bewußt und gezielt diesen Angriffen bedienen, um mißliebige Personen zu beharken, was nicht selten von einigen Benutzern der Wikipeida auch schon als Mobbing empfunden wurde.
Zum anderen verstärkt sich dieses Kompensationsgeschnauze von selbst. Denn Frustration oder Verärgerungen sind hier ebenso an der Tagesordnung, haben hier ihre Ursache und schaffen sich hier ihr Ventil. Nun haben wir auch dafür eine Regel, die Wikiquette. Aber mit der ist es nicht weit her. Schon längst hat der geübte Wikipedianer einen Weg gefunden, fieseste Sticheleien wikiquettekonform ungestraft zu veröffentlichen. Und es reichen auch nur Missverständnisse, um hier und da mal eine wikiquettekonformes Angschnäuzchen oder eine kleine Zurechtweisung auszustoßen. Und ja, es ist auch menschlich, wenn Zurechtweisungen als demütigend empfunden werden, oder mindestens ist es nicht verwunderlich. Von Missinterpretationen, Unterstellungen oder Behauptungen braucht es aber wenig, und schon ist das Stress-O-Meter wieder gestiegen.
- Gewaltausübung und ihre Rechtfertigung
Hin zu kommen „Verstöße“, nicht die offensichtlichen, sondern die alltäglichen, die mit, tu dieses oder jenes (mit oder ohne Drohung) "...sonst kassierst du dir gleich eine Sperre..." etc. geahndet werden und die im Getriebe der WP allein wegen ihrer Vielzahl einfach nicht mehr beachtet werden, aber das leben erst „schön“ machen. Wo also jemand mit der Ausübung oder Androhung der Ausübung von Macht in seinem Verhalten gegen seinem Willen manipuliert wird, spricht man von Gewaltanwendung. In der Wikipedia ist diese Gewaltanwendung doch schon längst alltäglich geworden. Ich nehme mich da nicht aus, auch hin und wieder mal daneben gelangt zu haben. Allerdings habe ich es ab und an vorgezogen, lieber mal deutlich jemanden zu sagen, was man von ihm/ihr hält, nachdem die ach-so-heilige Wikiquettendiplomatie mal wieder versagt hatte.
Die Aufgabe, all die unterschiedlichen Meinungen und Absichten im Sinne der Richtlinien zu beurteilen und zu moderieren, ist eine schwierige Aufgabe, meint man einzuwenden. Sie ist wesentlich Aufgabe der „Benutzer mit erweiterten Rechten“. Um dieser edlen Bürde für das hehre Ziel gerecht zu werden, sind zu weilen drastische Mittel nötig. Diese drastischen Mittel sind auch moralisch zu rechtfertigen: Diese Sanktionierungen geschehen nicht etwa aus Bosheit, sie geschehen in der tiefen Überzeugung, im Recht zu sein. Man kann das also noch nicht mal zum Vorwurf machen, denn Gutes tun zu wollen ist edel. Administrator zu sein ist also eine gewisse Ehre, denn die Gemeinschaft spricht ihnen das Vertrauen aus, diese Bürde tragen zu können.
- Erhaltung des positiven Selbstbildes
Und damit der durchschnittliche „Benutzer mit erweiterten Rechten“ auch gar nicht erst auf die Idee kommt, dass dies nicht so sein könnte, an der Rechtfertigung für sein Tun zu zweifeln, wird alles abgewehrt, was die Erhaltung des positiven Selbstbildes in Frage stellt oder gar nach außen ein weniger positives Bild abgibt. Sei dies persönliche kritik oder strukturelle Initiativen; eine Feedbacksammlung wird meist abgelehnt.
Einzelne Beschwerden kann man leichter verdrängen, das tut nicht so weh. Wenn jemand sich beschwert, dass er sich verletzt oder unwirsch behandelt fühlt, entgegne, dass er zu empfindlich oder dünnhäutig sei, zuweilen ein etwas rauer Ton herrsche, und dass das auch okay sei, solange andere im übrigen auch der selben Meinung seien, er selbst sich irre, und die Wikiquette eingehalten wird, dass er das falsch verstanden hat. Schließlich entschuldigst du dich, damit der Benutzer nicht gleich wieder abhaut. Denn normalerweise könnte man sich sicher sein, dass solch angegriffene Benutzer hier nicht wieder gesehen werden. Also gebe ihnen auch die Möglichkeit, ihre Gefühle darüber zu verarbeiten, z.B. in dem sie sich mit Artikelschreiben ablenken... („Sei doch zur Abwechslung mal produktiv...“ „wir schreiben hier eine Enzy...“ sind unter den top ten, wenn es darum geht, Probleme dann wegzuschieben). Daher hat sich der geübte Wikipedianer auch abgewöhnt, sich darüber zu beschweren. Früher oder später hat er gelernt, dass es das beste ist, mit gleichen Mitteln zu antworten. Im gewissen Maße siehst du schmunzelnd zu, wie auch er für Gerechtigkeit sorgen möchte, in dem er versucht, dich im Gegenzug ein halbes Jahr später zu verletzen. Genugtuung und Rache sind hier Motivationen, denn wenn jemand dir „Leid“ zu fügt, ist es nur gerecht, wenn er selber leidet.
Geschickter ist es aber noch, eine Bewertungsseite anzulegen, und dann dort unangenheme Kritik zu löschen. Ein besonderer Tipp: Falls sich jemand über Umgang mit dieser Bewertungsseite beschwert, wirft man ihm Manipulation, Einmischung, Einflussnahme, (der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt) vor, irgendwann hat er sicherlich die Schnauze voll und verschwindet. Zusätzlich werden Initiativen bekämpft, welche das positive Selbstbild tendenziell in Frage stellen könnten - und je stärker die Furcht vor dem Verlust des Selbstbildes, desto stärker scheint das Engagement gegen diese Initiativen [3]. Weitere Beispiele sind die Diskussionen über periodische Adminwahlen etc., über die Vereinfachung der Abwahlen oder die Beschränkung der „erweiterten Rechte“, welche bislang vorwiegend zu keiner Änderung der immer wieder kritisierten Verhältnisse geführt haben.
Damit aber offiziell Kritik möglich ist, denn ganz so offensichtlich kann man sie doch nicht wegdrücken, und gleichzeitig das positive Bild nach außen aufrecht zu erhalten, gibt es eine Beschwerdeseite. Welche Anliegen hier als berechtigte Beschwerden zugelassen werden, entscheiden „erfahrene Benutzer“. Als dann erfolgt eine Diskussion, in denen die bereits erwähnten Stilmittel zur Anwendung kommen können. Selten steht am Ende eine Abstimmung über eine Sanktion, und noch seltener wird eine Sanktion beschlossen.
Während also eine objektive Beurteilung des Verhaltens des Einzelnen beständig die Quelle für Unmut sein wird und die Klärung der damit verbundenen Fragen und Probleme inneffektiv oder unmöglich ist, entziehen sich diejenigen, welche in erster Linie für die Verhängung der Sanktionen und die Klärung dieser Probleme zuständig sein sollen, nämlich die Administratoren, der fortlaufenden Bewertung ihres eigenen Verhaltens. Eine Neuwahl ist nur mit erheblichen Vorwürfen durchzusetzen und erzeugt weiteren Streit.
Jaron Lanier schreibt aber, dass der Einzelne die größte Dummheit entwickelt, wenn er sowohl erhebliche Macht erhält und gleichzeitig von den Folgen seiner Taten abgeschirmt werden kann. [1] Diese Abschirmung scheint in der Wikipedia gut zu funktionieren. Seiten werden gelöscht, ohne dass Löschdiskussionen nachvollziehbar ausgewertet werden. Wiederherstellung muss "beantragt" werden. Benutzer werden gesperrt, und eine lapidare „Begründung“ kommt aus dem Drop-Down-Menü (z.B. kein Wille zur enzyklopädischen Mitarbeit erkennbar o.ä.). Mit der Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen sind Bildung, Lebenserfahrung und intellektuelle Leistungsfähigkeit direkt korreliert. Wie auch immer, egal wie der Admin eine Entscheidung trifft, dürfte in den meisten Fällen mehr als einen Zweifler der Beurteilung geben. Trotzdem, ungeachtet ob die Zweifel berechtigt sind oder nicht, wird durch die herrschende Praxis von vornherein das Äußern von Zweifeln weitgehend verhindert und die effektive Problembearbeitung erschwert, ja selbst unfähige Zeitgenossen dürfen hier länger unentdeckt schalten und walten. Eine Verbesserung der Entscheidungen im Sinne des Projekts wird damit stark gebremst.
Benutzer, die wiederholt oder zu deutlich dieses positive Selbstbild der Wikipedia und ihrer Benutzer in Frage stellen, werden zunächst gemieden. Schließlich findet sich immer jemand, der mit den genannten nicht so netten Mittelchen den Benutzer bekämpft, und wenn die Kritik dann verstummt, sich vielleicht totläuft, wird auch das als ein Indiz für das funktionierende positive Selbstbild gesehen. Je länger sich die kritisierten Praktiken unverändert halten können, als desto gesicherter gelten sie als Konvention.
- Die Wiki-Apologetik und wer sie braucht
Diese Muster, sowohl die Motivation der Stichelei oder Verletzung und Demütigung, als auch das Muster des Erhaltens des Zustands mit dem Abwehren von Kritik, können wir rechtfertigen, denn selbstverständlich trifft die beste Auslegung für einen selbst zu, die schlechte eher für andere, denn jeder handelt ja per Dekret WP:AGF im guten Willen, oder benutzt die universale Rechtfertigung, gegen Richtlinien zu verstoßen. Und Jimbo selbst hat ja angeblich geäußert, dass die Wikipedia sich ständig im selbstkritischen Dialog befände. Und wenn selbst der das sagt, und die Mehrheit der Hiergebliebenen ihm dabei zustimmt, der Rest verstummt, oder auf die eine oder andere Weise gegangen wurde, wird dies zur unbestrittenen Wahrheit. Also liegen die Probleme an dem, der das nicht so sieht. Dieses Erklärungsmuster ist überhaupt universell einsetzbar. Inkonsistenzen, Widersprüche, Willkür sind tatsächlich Phänomene, die man tolerieren muss, das ist der wiki way. In dieser Weise haben die archaischen Verhaltensweisen wie das Anwenden von Gewalt und Motive wie Rache, mithin Funktionsweisen frühester Gesellschaften, hier eine neuzeitliche Ausprägung gefunden, und mit dem wiki way auch gleich ihre Apologetik.
Nur, wer um alles in der Welt stichelt, raunzt, schnauzt, droht, sperrt, beschwert, klagt an, verteidigt, schlichtet, moderiert auf Dauer eigentlich freiwillig? Übertragen: besteht vielleicht doch ein Zusammenhang mit der Faszination, die von der Überwindung von überkommenen Konventionen in einer neuen elitären oder verschworenen Gemeinschaft ausgeht, die sich berufen fühlt, etwas ganz besonderes und großes zu schaffen?
Durch die Verkettung von vagen Regeln mit dem Fehlen einer Entscheidungsinstanz für die Tatbestände, zuzüglich dem Fehlen einer effektiven Kontrolle, in Ermangelung einer effektiven Möglichkeit, dagegen etwas zu unternehmen, zieht die Wikipedia tendenziell Leute an, die hier andere Defizite kompensieren können. Laut Lanier: Der Aufbau des dümmsten Kollektivs ist ebenso der [passende] Aufbau für die dümmsten Individuen.[1] Leute, die Freude daran empfinden, regelmäßig zu sticheln, raunzen, schnauzen zu drohen und zu sperren, geht es hier sicherlich schon mal ganz gut. Wer um alles in der Welt sanktioniert andere Menschen auf Dauer freiwillig - wohl nur der, der daran Freude empfindet. Auch dieses Versagen auf menschlicher Ebene ist also zunächst Wiki-immanent.
- Die Folgen
Wer um alles in der Welt lässt sich auf Dauer freiwillig anraunzen, anschnauzen, bedrohen, sperren, anklagen, wenn es nicht unbedingt sein muss? Auf der anderen Seite wird auch die Gruppe der unbezahlten Fachleute dabei nicht größer, denn eine echte Koriphäe ließe sich das auf Dauer kaum gefallen.[2][3] Auch der Mangel an kompetenten Autoren ist dauerhaft immanent. Die Artikelanzahl steigt weiter, und die Hiergebliebenen werden den Artikelbestand nicht mehr pflegen können, weil sie entweder keine Ahnung von der Materie oder nicht ausreichende zeitliche Kapazitäten haben. Ein schier unübersehbarer Bestand schlechter Artikel ist aber nicht gerade ein Anreiz, sich hier zu engagieren. Insbesondere werden Artikel angelegt und schwer überprüfbar sein von Leuten, die kommerzielle Ziele verfolgen und von einer prominente Verlinkung profitieren möchten, sei es auch nur in der Literaturliste. Auch eine politische oder kulturelle, religiöse Drift ist nicht ausgeschlossen. Bei rechtsextremistischen Äußerungen wird dies auch immer öfter offensichtlich[4] und auch neo-evangelikal gefärbte Aufsätze dürfen in der WP erscheinen. Ich würde keine Artikel anlegen wollen, in einem von Konservativismus oder dogmatischen Bias verpesteten etwas. Am besten sind doch Aushängeschilder, ein solider Grundbestand an naturwissenschaftlichen Artikeln, um seinen eigenen Schmarrn prominent ins Web zu schmieren. Ist gegen Vandalismus und Ideologietrollen kein besseres Mittel parat, werden Artikel gesperrt, ebenso kein Anreiz zur Mitarbeit, oder Benutzer fliegen in den aufwändigsten und schmutzigsten Kampagnen raus, ebenso nicht gerade ein Pluspunkt für eine funktionierendes Autorenkollektiv kompetenter und selbstloser Leute.
Daher wird die Wikipedia sich eines Tages vermutlich selbst erledigt haben.
Natürlich sind dies nicht die einzigen Aspekte der WP, aber für mich waren deren negativen die Auswirkung dann doch schwerwiegend. Dies sind aber andererseits auch noch bei weitem nicht alle negativen Bereiche, aber das wird mir jetz zu viel... Ich möchte meine Zeit mit Beschäftigungen verbringen, die mir Freude bereiten, mit Menschen die freundlich sind. Und Artikel schreiben kann ich auch anderswo.
Wikipedias Eigendarstellung

Seit kurzem ruft Wikimedia wieder zu Spenden auf. Interessanterweise geht es nicht mehr wie sonst um den gespendeten Betrag, wie bei den vorherigen Spendensammelaktionen, sondern diesmal wird die Zahl der Spender in den Vordergrund gehoben. In der Botschaft von Jimmy Wales wird Bildung als „Zunkunftsressource“ in den Mittelpunkt gerückt, und mit einem freien Zugang zur Bildung sollen gemäß Wikimediawerbung globale Probleme wie AIDS, Artensterben [5] etc. gelöst oder verringert werden. Die Verbreitung der Wikipedia wird damit zu einem universellen Heilmittel. Wenn gleich der gemmeinnützige Aspekt der Wikimediaprojekte tatsächlich nachweisbar zu sein scheint (z.B. bei der Nutzung der Projekte durch SOS-Kinderdörfer[6], wird zu Werbebotschaften wie „Continue enlighting the world!“ oder „Thanks for improving civilization“ gegriffen. Es ist nicht etwa eindeutig ironisch gemeint, dass Wikipedia die Welt erhellen soll (man könnte es auch mit erleuchten übersetzen [4]). Mit dem Duktus von Parolen „Vive auto-organisation“[7] wird auch das programmatische Chaos bei der Ausnutzung der Ressource Bildung der Projekte in die Nähe von Graswurzelbewegungen gebracht. Das vieldeutigere improving civilization unterstreich einen beinahe hegemonialen Anspruch, Zivilisation zu „verbessern“. Wikimedia: „Wir benötigen Ihre Hilfe, um noch mehr zu erreichen“.[7]
- „The benefit of education to the entire planet is immeasurable.“[7]
Fußnoten, Einzelnachweise
- ↑ a b Jaron Lanier: Digital Maoism: The Hazards of the New Online Collectivism [1]
- ↑ Vgl. auch die Meinung von Günter Schuler: Günter Schuler, 11. Oktober 2007: „(...) daß die seit Ende 2006 praktizierte Methode des “Durchadministrierens nach Gutsherrenart” einen Exodus an Artikelschreiber(inne)n zur Folge hat, dessen Folgen sich wohl erst mittel- bis langfristig abschätzen lassen. Resignation, Angst und verbissenes Zähne-zusammenbeißen kennzeichnen die derzeitige Stimmung vieler projektkritischer Wikipedianer.“
- ↑ vgl. Meinung von Günter Schuler, 22. September 2007: „Diskussionen, die Spielregeln zu verändern, begünstigen bislang eher die Verwaltungsebene – den bürokratischen Wasserkopf also, an dem Wikipedia sowieso bereits krankt. Daß derartige Entscheidungsstrukturen nicht unbedingt einladend wirken auf potenzielle Artikelschreiber, liegt auf der Hand.“[2]
- ↑ Patrick Gensing im Gespräch mit Günter Schuler: Rechtsextremismus im Netz: "Beharrlich und manchmal klug". ZEIT online, 41 / 2005
- ↑ Wikimediawerbung: For tripling the number of elephants in Africa!
- ↑ Wikimedia Fundraising - SOS Children's Village
- ↑ a b c Wikimedia Fundraising