Kunstflug
Der Kunstflug ist eine mit einem hierfür geeigneten und zugelassenen Motorflugzeug, Segelflugzeug oder Hubschrauber ausgeführte Flugbewegung oder -figur, die für den Normalflug nicht erforderlich ist. Damit verbunden sind oft anomale Fluglagen und Fluggeschwindigkeiten sowie spezielle Flugmanöver wie beispielsweise Formationsflüge.
Mit dem Wort „Kunstflug“ wurden in der Frühzeit der Fliegerei alle durch den Menschen unternommene Flugversuche bezeichnet, als Gegensatz zum natürlichen Flug der Vögel. Siehe dazu Geschichte der Luftfahrt.
Die lizenzrechtlichen Voraussetzungen für Kunstflug sind nicht Bestandteil der JAR-Richtlinien, d.h. Ausbildung und Lizenzierung für Kunstflug sind in jedem Land anders geregelt. In Deutschland bedürfen Flugzeug-, Hubschrauber- und Segelflugzeugführer zur Durchführung von Kunstflügen nach § 81 der deutschen LuftPersV der entsprechenden Kunstflugberechtigung, zu deren Erteilung eine Ausbildung und Prüfung zu absolvieren sind.
Kunstflug wird auch mit geeigneten ferngesteuerten Flugmodellen durchgeführt.
Motorkunstflug

Der Kunstflug wird von Sportfliegern als eigene Sportart betrieben, mit Meisterschaften nach Regeln der FAI und der CIVA, mit nationaler und internationaler Wertung.
Kunstflugfiguren und komplette Programme werden mit einem speziellen System von Symbolen, benannt nach dem Erfinder, dem spanischen Grafen J. Aresti, dargestellt. Jeder Figur ist dabei auch ein Schwierigkeitsgrad (der K-Wert) zugemessen, der bei einem Wettbewerb in die Bewertung einfließt. Der Aresti-Katalog enthält aber nur Figuren, die im Kunstflugwettbewerb zugelassen sind. Reine Show-Figuren wie z.B. der an Flugschauen gern gezeigte Lomcovák sind nicht im Aresti-Katalog enthalten (und folglich im Wettbewerb auch nicht zugelassen).
Zu den Kunstflugfiguren gehören unter anderem: Immelmann, Looping, Trudeln, Rolle, gerissene Rolle, Rückenflug, Turn, Rollenkreis, Torquen sowie Loopingacht, auch Kubanische Acht oder Kubanacht genannt. Um ein Kunstflugprogramm zu fliegen, werden verschiedene Figuren miteinander kombiniert. So kann beispielsweise eine Figur aus den folgenden Elementen bestehen: Vertikalflug, Rolle, gerissene Rolle, Turn, und dann im senkrechten Flug nach unten zwei gerissene Rollen.
Auf internationaler Ebene dominieren seit vielen Jahren Piloten aus Osteuropa und Russland die Wettbewerbe. In den letzten Jahren hat der deutsche Kunstflieger Klaus Schrodt einige Erfolge erzielt, meist mit Flugzeugen von Walter Extra.
Segelkunstflug

Beim Kunstflug mit Segelflugzeugen ist die Ausgangshöhe ein wesentlicher Faktor: Die 1.000 Höhenmeter der Box (Luftraum, in der die Flugfiguren ausgeführt werden) müssen ausreichen, um das Programm von in der Regel 10 Figuren abzufliegen. Das Energiemanagement spielt beim Segelkunstflug damit eine zentrale Rolle.
Daher wird das Flugprogramm so zusammengestellt, dass sich die Figuren möglichst flüssig aneinander reihen lassen. Im Idealfall ist dann die Endgeschwindigkeit jeder Figur gleich der gewünschten Anfangsgeschwindigkeit der nächsten. Neigungsänderungen zwischen den Figuren zur Korrektur der Geschwindigkeit wird im Wettbewerb mit Abzügen bestraft. Der Pilot muss auch beachten, nicht durch unsauberes Fliegen, zu hohe Geschwindigkeiten oder unnötig hohe G-Belastungen (Fliehkräfte beim Aufziehen bzw. im Abfangbogen) Energie zu verschenken. Zu hohe G-Belastung kann zudem im Wettbewerb zu Abzügen führen, da beim Segelkunstflug eine harmonische Bewegung angestrebt wird. In die Bewertung fliesst schliesslich auch noch eine allgemeine Harmonienote ein.
Ein weiterer Unterschied zum Motorkunstflug ist das Fehlen des Propellerwindes, wodurch manche Figuren schwieriger zu fliegen sind. Weiterhin können keine Figuren geflogen werden, die auf der Kreiselwirkung des Propellers beruhen.
Militärischer Kunstflug


Militärpiloten trainieren regelmäßig verschiedene Flugmanöver, die heute dem Kunstflug zuzurechnen sind. Während aber der zivile, als Sport betriebene Kunstflug zweckfrei ist und zum Ziel hat, möglichst präzise bestimmte vorgegebene Figuren zu fliegen, dient der militärische Kunstflug dazu, die Fähigkeit von Mensch und Maschine zu erproben sowie im Luftkampf ein gegnerisches Flugzeug auszumanövrieren. Daher zählt hier weniger die korrekte Ausführung einer bestimmten Figur, sondern schnelle, zweckmäßige Entscheidungen und deren prompte Umsetzung („Get the job done“). Ein weiterer Unterschied ist, dass in der militärischen Kampffliegerei negative (zum Kopf gerichtete) G-Belastungen vermieden werden, da der Pilot solche schlechter erträgt als positive.
Darüber hinaus unterhalten viele Nationen eigene Kunstflugstaffeln innerhalb ihrer Luftstreitkräfte, die auch auf Flugshows auftreten. Militärische Kunstflugstaffeln nutzen mehrheitlich düsengetriebene Kampfflugzeuge für ihre Vorführungen, meist leichte Trainingsflugzeuge wie die BAE Hawk oder die Aermacchi MB 339. Einige Staffeln setzen auch schwerere Kampfflugzeuge wie die F-18 ein. So wie der Flugzeugtyp variiert auch die Anzahl der Maschinen zwischen den Staffeln, meist zwischen fünf und acht Flugzeugen. Ausnahmen bilden hier die Red Arrows mit neun und die Frecce Tricolori mit zehn Maschinen.
Der Formationsflug spielt beim militärischen Kunstflug eine deutlich größere Rolle als im zivilen Bereich. Die Dauer der Flugvorführungen variiert sehr stark zwischen den verschiedenen Staffeln. Während das Programm der Patrouille Suisse ca. 18 Minuten dauert, sind es bei den Red Arrows bis zu 30 Minuten. Generell werden bei schlechtem Wetter, insbesondere starker Bewölkung und Regen, verkürzte Displays geflogen. Im Normalfall spricht man von drei Programmvarianten im militärischen Verbandskunstflug: Vom Schönwetterprogramm oder Fulldisplay, vom Rollingdisplay bei Bewölkung, und vom Flatdisplay oder aber auch Schlechtwetterprogramm bei ungünstigsten Wetterbedingungen, die gerade noch eine Vorführung erlauben.
Nach dem Unfall von 1988 auf dem Flugtag von Ramstein mit 70 Opfern sind deutsche Flugshows fast nicht mehr an der Tagesordnung und vor allem strengen Auflagen unterlegt worden, die den Abstand zum Publikum, Flugrichtung und Figuren stark einschränken bzw. militärischen Verbandskunstflug in seiner vollen Entfaltung nicht zulassen.
Zu den bekanntesten militärischen Kunstflugstaffeln zählen die britischen Red Arrows, die französische Patrouille de France, die schweizer Patrouille Suisse, die italienische Frecce Tricolori, die US-amerikanischen Blue Angels und Thunderbirds, die russischen Russian Knights sowie auch die türkische Türk Yıldızları.
Hubschrauberkunstflug
Flugvorführungen mit Hubschraubern sind eine jüngere Form des Kunstfluges. Zu den ersten Staffeln, die den Hubschrauberkunstflug professionell betrieben, gehörten 1968 die britischen Blue Eagles. Die Flugmanöver unterscheiden sich deutlich von denen der Flugzeuge, was vor allem an der größeren Wendigkeit der Hubschrauber liegt. So gehören der Rückwärtsflug oder der Schwebeflug zum Standardrepertoire bei Flugvorführungen mit Hubschraubern. Solche Vorführungen werden oft auch als Helikopterballett bezeichnet.
Hängegleiter und Gleitschirme
Eine ebenso junge Form des Kunstfluges ist die Akrobatik mit Hängegleitern und Gleitschirmen. Ab 2006 werden auch Weltmeisterschaften in Hängegleiter- und Gleitschirm-Akrobatik durchgeführt.
Risiken

Grundsätzlich gilt es zu unterscheiden zwischen dem als Sport betriebenen „reinen“ Kunstflug und den Vorführungen an Flugschauen. Der Unterschied ist vergleichbar zu dem zwischen Kunstturnen und Zirkusakrobatik.
Beim als Sport betriebenen (reinen) Kunstflug versucht ein Pilot, vorgegebene Figuren möglichst präzise zu fliegen. Dabei gibt es für jede Abweichung von der Idealform Abzüge, wobei diese Abweichungen nur für Fachleute zu erkennen sind, was diese Form des Kunstflugs für Laien weniger interessant macht. Der an Flugschauen gezeigte Kunstflug ist dagegen meist auf ein Laienpublikum zugeschnitten: Im Vordergrund steht die spektakuläre Schau, die fliegerische Technik tritt in den Hintergrund. Im Englischen haben sich für diese zwei Arten der Fliegerei auch zwei veschiedene Wörter herausgebildet: "Aerobatics" und "Stuntflying". Auf Deutsch gibt es diese Unterscheidungsmöglichkeit nicht.
Sportlicher Kunstflug ist nicht gefährlicher als normales Fliegen, wenn der Pilot für den Kunstflug ausgebildet ist und sich an die Grenzen seiner Fähigkeiten und die des Flugzeugs hält. Während der Kunstflugausbildung beschäftigt er sich intensiv mit diesen Grenzen und lernt, auch außergewöhnliche Flugzustände zu beherrschen. Eine Kunstflugausbildung wird daher von vielen Piloten auch als nützliches Sicherheitstraining angesehen. Die gesetzliche Mindestflughöhe beim Kunstflug, in Deutschland 450 Meter, reicht zudem aus, um ein Flugzeug wieder abzufangen, sollte es einmal „aus einer Figur herausfallen“, was vor allem während der Ausbildung oder beim Einüben einer neuen Figur immer wieder einmal vorkommt. Daher sind Unfälle beim Kunstflug sehr selten. (Bei Wettbewerben der fortgeschrittenen Klassen gilt eine niedrigere Mindestflughöhe.)
Bei Flugschauen hingegen fliegen die Piloten zum Teil erheblich tiefer, um eine spektakuläre Schau zu bieten. Misslingt auf dieser Höhe ein Manöver, so bleibt kaum noch Zeit und Raum, den Fehler zu korrigieren. Eric Müller bringt es in seinem 1983 geschriebenen Buch "Flight Unlimited", einem Kunstflug-Lehrbuch, das noch heute als Standardwerk gilt, auf den Punkt: "Seit sechzig oder so Jahren Jahren scheint es an Flugschauen einen permanenten Wettbewerb zu geben, wer im Rückenflug am tiefsten fliegen kann. Dieser Wettbewerb wurde noch jedes Mal von jenem Piloten gewonnen, dessen Rückenflug im Boden endete" (aus dem Englischen übersetzt). Ebenso birgt der Formationsflug nicht zu unterschätzende Gefahren.
Folgende zwei Unglücke sind denn auch auf diese beiden Ursachen zurückzuführen: Zusammenstoß beim Formationsflug beim Unglück in Ramstein, zu niedrige Flughöhe um einen Pilotenfehler zu korrigieren beim Unglück in der Ukraine:
- In Deutschland gerieten öffentliche Flugshows in die Kritik, als am 28. August 1988 bei einem Unglück während einer Flugschau im rheinland-pfälzischen Ramstein drei Militärflugzeuge der Frecce Tricolori in ca. 40 m Höhe zusammenprallten. Eines der Flugzeuge stürzte brennend in die Zuschauer, wobei 70 Menschen getötet und ca. 1000 verletzt wurden, davon 450 schwer mit lebenslänglichen Folgen.
- Das bislang schwerste Unglück bei einer Flugschau ereignete sich am 28. Juli 2002 auf einem Militärstützpunkt in der Nähe von Lemberg in der Ukraine. Während einer Flugvorführung stürzte eine russische Su-27 in die Zuschauermenge und zerschellte. Bei dem Unglück wurden 86 Menschen getötet und über 500 zum Teil schwer verletzt.
Weblinks
- Airshow Pilot
- Spinninghawks --> Die Kunstflug Adresse in Oesterreich
- Salzmann-Cup
- Segelkunstflug in der Region Köln/Düsseldorf
- Patrouille Suisse
- Umfangreiche Übersicht über verschiedene Segelflugzeugtypen für den Kunstflug der Swiss Aerobatic Gliding Association
- Organisation der deutschen Meisterschaften im Motorkunstflug in Cochstedt
- Lo-100 Klassischer Segelkunstflug
- Yak-52 von The Blue www.yak52.eu