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Rechtsdienstleistungsgesetz

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Das Rechtsdienstleistungsgesetz (Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen, RDG) soll das Rechtsberatungsgesetz (RBerG) ablösen. Das Gesetz wurde am 11. Oktober 2007 vom Bundestag beschlossen und soll zum 1. Juli 2008 im Kraft treten. Mit dieser grundlegenden Reform soll das geltende Rechtsberatungsgesetz aus dem Jahr 1935 vollständig aufgehoben und durch ein neues Gesetz abgelöst werden. Das Gesetz sollte ursprünglich bereits Mitte 2007 in Kraft treten.

Ziel des Gesetzentwurf ist es, Rechtsdienstleistungen durch Nicht-Anwälte zuzulassen. So sollen alle Berufsgruppen Rechtsdienstleistungen als Nebenleistungen anbieten können, beispielsweise die Beratung eines Architekten zu baurechtlichen Fragen. Ferner soll die unentgeltliche Rechtsberatung unter Anleitung eines Volljuristen erlaubt werden. Dadurch soll etwa Mietervereinen, Verbraucherzentralen und Flüchtlingshilfeorganisationen die altruistische Rechtsberatung von Bedürftigen ermöglicht werden.

Die Vorbereitungen zu dem Rechtsdienstleistungsgesetz beruhen auf einer Vorgabe des Europäischen Parlaments. Mit diesem Gesetz soll die Richtlinlie Nr. 2005/36/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. EG Nr. I. 255, Seite 22) umgesetzt werden. Die Gesetzesinitiative übernahm das Bundesministerium der Justiz durch Vorbereitung von Gesetzesentwürfen.


Inhalt des Gesetzentwurfes

Allgemeines

Das Rechtsdienstleistungsgesetz führt den neuen Begriff der Rechtsdienstleistung ein: Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremdem Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert. Das Rechtsdienstleistungsgesetz enthält keine umfassende Rechtsdienstleistungsbefugnis unterhalb der Rechtsanwaltschaft. Umfassender Rechtsrat darf auch in Zukunft nur durch einen Rechtsanwalt erteilt werden. Fälle echter Rechtsanwendung sind auch weiterhin allein dem Rechtsanwalt vorbehalten. Tätigkeiten, die sich im Auffinden, der Lektüre, der Wiedergabe und der bloß schematischen Anwendung von Rechtsnormen erschöpfen, sind keine Rechtsdienstleistungen. Dies betrifft etwas die allgemeine Aufklärung über rechtliche Hintergründe, die Geltendmachung unstreitiger Ansprüche und die Mitwirkung bei einem Vertragsschluss oder eine Vertragskündigung.

Andererseits liegt eine Rechtsdienstleistung nicht erst dann vor, wenn eine umfassende oder besonders tiefgehende juristische Prüfung erforderlich wird. Bereits die juristische Prüfung einfacher Sachverhalte stellt eine Rechtsdienstleistung dar. In diesen Fällen kann die Rechtsprüfung durch Nichtanwälte erfolgen, wenn es sich um eine zulässige Nebenleistung handelt. Rechtsdienstleistungen sind dann zulässig, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören (etwa Beratung über Fragen des Baurechts und der Sachmängelhaftung durch einen Architekten oder Beratung über Gestaltungsmöglichkeiten bei der Vermögens- oder Unternehmensnachfolge durch Banken).

Zulässig ist aurch die Rechtsdienstleistung, die nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht, sowie die rechtliche Beratung von Vereinsmitgliedern durch den Verein (etwa Rechtsberatung durch einen Automobilverein für seine Mitglieder).

Das Rechtsdienstleistungsgesetz regelt - anders als das Rechtsberatungsgesetz - nur die außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen. Durch Ergänzungen der einzelnen Verfahrensordnungen wird auch die Vertretung in gerichtlichen Verfahren geregelt, wobei die Vertretungsbefugnis nicht im gleichen Umfang freigegeben wird wie die außergerichtliche Rechtsdienstleistung. In Verfahren, in denen nicht ohnehin bereits Anwaltszwang herrscht, ist eine Vertretung nur durch Beschäftigte der Partei oder durch unentgeltlich tätige Familienangehörige, Volljuristen oder Streitgenonssen zulässig.

Kritik

Kritiker werfen dem Gesetzentwurf vor, eine qualifizierte Rechtsberatung nicht mehr sicherzustellen. Sie meinen, dass der Zweck des RDG, der auch Anlass für das RBerG war, nicht mehr erreicht werden könne: Der Ratsuchende werde nicht mehr vor „Quacksalbern“ [1] geschützt. Nach dem Gesetzentwurf sei die Befugnis zur Rechtsberatung nicht mehr an eine Ausgangsqualifikation geknüpft, sodass praktisch jedermann - unabhängig seiner Vorbildung - sich als Jurist bezeichnend tätig werden könne. Für Ratsuchende werde es damit schwieriger als bisher zu erkennen, welcher Fachmann tatsächlich Fachmann ist.

Interessenkonflikt zwischen Richteramt und altruistischer Rechtsdienstleistung

Im Regierungsentwurf zum Rechtsdienstleistungsgesetz sind einige regelungsbedürftige Fragen unbeantwortet geblieben. Nach § 6 des Entwurfes dürfen Berufsrichter und andere Volljuristen unentgeltlich Rechtsdienstleistung erbringen. Dabei macht der vorbereitete Gesetzestext keinen Unterschied zwischen amtierenden und pensionierten Richtern.

Für altruistische Richter im Ruhestand sind keine Bedenken ersichtlich. Anders liegt der Fall, wenn ein amtierender Richter in einem Rechtsstreit, den er zu entscheiden hat, vorher eine Prozesspartei beraten - oder nach dem neuen Sprachgebrauch - ihr Rechtsdienstleistung gewährt hat. Auf einen Antrag an das Bundesjustizministerium, in diesem Fall den Ausschluss von Richtern bei der Ausübung des Richteramtes durch eine Gesetzesvorlage zur Ergänzung des § 41 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu regeln, ist das Justizministerium nicht eingegangen. Auf die Einführung einer richterlichen Offenbarungspflicht ist es gleichfalls nicht eingegangen.

In einer erneuten Gegenvorstellung an das Bundesjustizministerium wurde vorgetragen, es gehöre zum System einer geordneten Rechtspflege, dass ein amtierender Richter nicht mit Ausschließungs- und Ablehnungsgründen belastet sein darf. Das ergibt sich schon aus den Regeln der 41 ff ZPO - ebenso aus der Strafprozessordnung. Wenn ein Richter künftig mit einem Rechtsfall durch altruistische Rechtsdienstleistung "vorbefasst" war, so müssen für ihn die gleichen Mitwirkungsverbote wie für Notare nach § 3 des Beurkundungsgesetzes (BeurkG) gelten, so dass er analog zu § 3 Ziffer 7 BeurkG seine "Vorbefassung" protokollarisch zu bekennen und sich ggf. des öffentlichen Amtes zu enthalten hat. Das Plenum des Deutschen Bundestages wird über den Interessenkonflikt zu entscheiden haben.

Eine Erweiterung der Ausschließungsgründe für Richter nach § 41 ZPO im vorerwähnten Sinn ist im Gesetzestext zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 11. Oktober 2007 (Drucksache 16/6634) nicht vorgesehen. Altruistischen Richtern, die unentgeltlich Rechtsdienstleistung nach § 6 RDG betreiben, sind in der außergerichtlichen Rechtsdienstleistung keine Grenzen gesetzt. Etwas anderes gilt für das Auftreten von Richter vor Gericht. Hierzu enthält die im Gesetzestext vorgesehene Neufassung des § 79 Absatz 4 der Zivilprozessordnung folgende Regelung:

"Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor einem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend."

Inhaltlich gleichlautende Regelungen gelten auch für die übrigen Gerichtszweige, und zwar im

§ 11 Absatz 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes,
§ 73 Absatz 5 des Sozialgerichtsgesetzes,
§ 67 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung,
§ 62 Absatz 5 der Finanzgerichtsordnung,
§ 13 Absatz 4 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

Gesetzgebungsverfahren

Der Bundestag hat in seiner Sitzung vom 13.10.2006 unter Punkt 16 den Entwurf des Rechtsdienstleistungsgesetzes beraten. [2]

Unter dem Stichwort "Neuregelung des Rechtsberatungsrechtes" wurde der Entwurf der Bundesregierung zum Rechtsdienstleistungsgesetz unter TOP 19 auf der Tagesordnung der 79. Sitzung des Bundestages am Donnerstag, dem 1. Februar 2007, in erster Lesung 30 Minuten lang beraten, Drs 16/3655.

Am 9. Mai 2007 fand eine Sachverständigenanhörung im Rechtsausschusses des Bundestages zum Regierungsentwurf des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechtes in Form des Rechtsdienstleistungsgesetzes statt. [3] Grundlage der Sachverständigenanhörung war nicht nur der Regierungsentwurf, sondern auch ein kurz vorher durch das Bundesjustizministerium versandter umfangreicher Änderungskatalog. Die Sachverständigen haben zahlreichen Stellungnahmen abgegeben.[4] Im Juli 2007 folgten Beratungen innerhalb des Rechtsausschusses.

Am 10. Oktober 2007 hat der Rechtsausschuss (6. Ausschuss) des Deutschen Bundestages seine Beschlussempfehlung nebst Bericht zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts in Form eines Rechtsdienstleistungsgesetzes (Drucksache 16/3655) mit einigen Änderungen in der Drucksache 16/6634 veröffentlicht. Am 11. Oktober 2007 wurde das Gesetz vom Deutschen Bundestag in zweiter und dritter Lesung abschließend beraten und beschlossen; es soll zum 1. Juli 2008 in Kraft treten. Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates.

Einzelnachweise

  1. Römermann, NJW 2006, 3025 ff.
  2. BR.Drs. 623/06 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts - 1. September 2006; 623/1/06 Beschlussempfehlung - 36 Seiten Änderungsanträge; 623/2/06 Antrag Bayern: restriktivere Regelungen zum Schutz der Verbraucher, 2 Seiten; 623/06(B) Stellungnahme des BR, 32 Seiten
  3. öffentliche Anhörung
  4. Stellungnahmen

Literatur

  • Hund: Die Neuregelung des Rechtsberatungsrechts aus der Sicht des steuerberatenden Berufs, DStR 2006, 2001
  • Römermann: Rechtsdienstleistungsgesetz - Die (un)heimliche Revolution in der Rechtsberatungsbranche, NJW 2006, 3025
  • Sabel: Umfang und Grenzen der zulässigen Unfallschadenregulierung nach dem Entwurf des Rechtsdienstleistungsgesetzes, NZV 2006, 6
  • Ring: Rechtsberatung durch Versicherungsberater nach aktuellem und künftigem Recht, WM 2007 Heft 7, 281