Tsunami
Ein Tsunami besteht aus Wasserwellen, die zumeist durch Seebeben ausgelöst werden, sich in Ozeanen mit hoher Geschwindigkeit über weite Entfernungen (viele 1000 km) ausbreiten, in Ufernähe auf beträchtliche Höhe (oft 10 m oder mehr) ansteigen und katastrophale Schäden (Naturkatastrophe) verursachen können.
Etymologie
Der Begriff "Tsunami" (jap. 津波, dt. Hafenwelle) wurde durch japanische Fischer geprägt, die vom Fischfang zurückkehrten und im Hafen alles verwüstet vorfanden, obwohl sie auf See keine Welle gesehen oder gespürt hatten. Eine Reihe verheerender Tsunamis in den 1950er Jahren machte dieses Naturphänomen weltweit bekannt; in der wissenschaftlichen Debatte der folgenden Jahre setzte sich die japanische Bezeichnung als Internationalismus durch.
Entstehung
Etwa 86% aller Tsunamis werden durch unterseeische Beben (Seebeben) verursacht; die übrigen 14% entstehen, wenn durch Vulkanausbrüche, Meteoriteneinschläge oder Unterwasserlawinen große Wassermassen abrupt verdrängt werden. Auch Nuklearexplosionen können Tsunamis auslösen.
Tsunamis treten am häufigsten im Pazifik auf: Am Rand des Pazifiks, in der Subduktionszone des Pazifischen Feuerrings, kollidieren Kontinentalpatten, wodurch Seebeben, Erdbeben und Vulkanausbrüche verursacht werden.
Ein Seebeben kann nur dann einen signifikanten Tsunami verursachen, wenn
- sein Hypozentrum nahe der Erdoberfläche hat,
- es eine kritische Größe von Stärke 7 oder mehr auf der Richterskala erreicht und
- eine vertikale Erdbewegung beinhaltet.
Nur ein Prozent der Erdbeben zwischen 1860 und 1948 verursachten messbare Tsunamis.
Ausbreitung

Tsunamis unterscheiden sich grundlegend von Wellen, die durch Stürme entstehen, denn bei diesen kann das Wasser zwar unter außerordentlichen Bedingungen bis zu 30 m hoch aufgeworfen werden, die tieferen Wasserschichten bleiben dabei jedoch unbewegt. Bei einem Tsunami bewegt sich dagegen das gesamte Wasservolumen.
Die Wellenhöhe (Amplitude) hängt vom Energiegehalt des Tsunamis und der Wassertiefe ab. Auf dem offenen Ozean beträgt sie selten mehr als einige 10 cm. Die Wellenlänge (das ist die Entfernung von einem Wellenberg zum nächsten) kann hingegen mehrere 100 km betragen. Der Wasserspiegel wird somit nur sehr langsam und nur um einen geringen Betrag angehoben und wieder abgesenkt, weshalb das Auftreten eines Tsunamis auf offener See meist gar nicht bemerkt wird.
Aus physikalischer Sicht ist Wellenausbreitung immer dann möglich, wenn eine Auslenkung aus einer Gleichgewichtslage (in unserem Fall ein Anstieg oder Abfall des Wasserspiegels) eine entgegengerichtete Rückstellkraft zur Folge hat. Bei Ozeanwellen wirkt als Rückstellkraft die Schwerkraft, die auf eine möglichst horizontale Wasseroberfläche hinarbeitet. Aus diesem Grund werden Tsunamis zu den Schwerewellen gezählt. Ein Tsunami ist also insbesondere keine Druck- und keine Schallwelle; Kompressibilität, Viskosität und Turbulenz sind nicht relevant (um die Physik eines Tsunamis zu verstehen, genügt es, die Potentialströmung einer idealen (d.h. reibungsfreien), inkompressiblen, wirbelfreien Flüssigkeit zu betrachten).
Die Theorie der Schwerewellen vereinfacht sich in den beiden Grenzfällen der Tiefwasserwelle und der Flachwasserwelle. Normale, durch Wind, fahrende Schiffe oder ins Wasser geworfene Steine verursachte Wellen sind Tiefwasserwellen. Ein Tsunami hingegen ist auch im tiefsten Ozean eine Flachwasserwelle, da seine Wellenlänge deutlich größer als die Wassertiefe ist. Die Geschwindigkeit u einer solchen Welle ergibt sich aus der Wurzel des Produkts von Erdbeschleunigung g und Wassertiefe h; also
Bei einer durchschnittlichen Wassertiefe der Ozeane von 4100 m und mit g = 9,81 m/s2 ergibt sich eine Geschwindigkeit der Größenordnung 200 m/s oder 700 km/h. Das ist vergleichbar mit der Reisegeschwindigkeit eines Flugzeugs; Tsunamis können somit binnen einiger Stunden ganze Ozeane durchqueren, ohne dabei unmittelbar beobachtet zu werden.
Die Geschwindigkeit der Welle ist jedoch nicht gleichzusetzen mit der Geschwindigkeit der einzelnen Materieteilchen, aus denen sich die Welle letztlich zusammensetzt. Die Vorwärtsbewegung vx des Wassers an der Wasseroberfläche ist um einen Faktor ζ/h kleiner als die Wellenausbreitungsgeschwindigkeit u. Dabei steht ζ für die Amplitude. Für einen großen Tsunami mit ζ=0,4 m bei einer Wassertiefe von h = 4100 m wie oben beträgt dieser Faktor 10-5; während sich die Welle mit u = 200 m/s ausbreitet, bewegt sich das Wasser mit nur vx = 2 mm/s, was gegenüber Strömungen und Windwellen völlig vernachlässigbar und nicht direkt beobachtbar ist.
Auftreffen auf die Küste
In Küstennähe dagegen wird das Wasser flach, und die Energie wirkt auf eine sehr viel kleinere Wassermenge. Man kann es mit einem Swimmingpool und einem Wasserbecher vergleichen: Tritt jemand gegen den Pool, passiert fast gar nichts. Tritt er mit der gleichen Kraft gegen den Wasserbecher, fliegt dieser durch die Gegend. Im offenen Meer wirkt sich daher die Kraft der Stoßwelle des Seebebens kaum aus. Konzentriert sie sich aber in Küstennähe auf viel weniger Wasser, kann sie es zu einem unter Umständen gewaltig hohen Berg anheben.
Ein Tsunami kann beachtlich anwachsen und auf dem Flachland eine Rekordhöhe von 85 m (am 24. April 1971 in der Nähe von Ishigaki Island bei Japan) - beinahe so hoch wie die Freiheitsstatue – annehmen. Läuft ein Tsunami in einen Fjord, so kann sich die Welle auf weit über 100 m aufstauen.
Allerdings muss man sorgfältig unterscheiden, welche Ursache eine Flutwelle solcher Höhe hat. In einem Fjord in Alaska wurden mehrere Wellen mit rund 150 m und eine mit sogar bis zu 530 m Höhe nachgewiesen (Mega Tsunami). Diese gigantischen Wellen entstanden, weil heftige Erdbeben Berge in den Fjord rutschen ließen und diesen schlagartig zum Überlaufen brachten. Hier handelt es sich auch aus anderen Gründen um eine andere Form von Tsunami: In solchen Fällen handelt es sich tatsächlich um Wasserverdrängung, während ein durch ein Seebeben verursachter Tsunami auf einer Energiewelle basiert. Würde bei einem starken Seebeben der Meeresboden ruckartig angehoben und dann wieder genau an seinen alten Platz abgesenkt, gäbe es den Tsunami trotzdem, weil das Wasser die Kraft der Meeresbodenbewegung als Stoßwelle weiterleitet.
Wenn eine Tsunami-Welle ins flache Uferwasser läuft, legt sie zunächst den Meeresboden auf großer Strecke trocken. Wenig später folgen Flutwellen, die zu zwischen 2 und 10 m, selten (in sich verengenden Flussmündungen oder Fjorden) auch zu über 100 m hohen Wasserbergen anwachsen können.
Auswirkungen und Schutzmaßnahmen
Tsunamis zählen zu den verheerendsten Naturkatastrophen, mit denen der Mensch konfrontiert werden kann, denn ein mächtiger Tsunami kann seine zerstörerische Energie über Tausende von Kilometern weit mitführen oder sogar um den ganzen Erdball tragen. So wird ein Tsunami als Auslöser für die biblische Sintflut vermutet. Ohne schützende Küstenfelsen können schon 3 m hohe Wellen mehrere hundert Meter tief ins Land eindringen. Die Schäden, die der Tsunami beim Vordringen verursacht, werden noch vergrößert, wenn die Wassermassen wieder abfließen.
In den letzten zehn Jahren wurden weltweit 82 Tsunamis registriert, wobei 10 von ihnen zusammen mehr als 4.000 Menschenleben kosteten.
In Japan richteten in den letzten 100 Jahren nur 15% der 150 registrierten Tsunamis Schäden an oder kosteten Menschenleben. Hier gibt es ein effektiv funktionierendes Frühwarnsystem und regelmäßig Trainingsprogramme für die Bevölkerung. Japan mußte jedoch aufgrund seiner geografischen Lage in den letzen tausend Jahren die meisten Menschenopfer durch Tsunamis beklagen: über 160.000 Menschen starben.
In Indonesien dagegen wirkt noch heute die Hälfte der Tsunamis katastrophal, denn die meisten der Küstenbewohner sind über Warnsignale, die einen Tsunami androhen, nicht informiert. Meistens ist auch das Land sehr flach und die Wassermassen fließen bis ins Landesinnere.

Nicht nur die Anrainerstaaten der Pazifikküste sind von Tsunamis betroffen. Auch an den europäischen Küsten treten diese Riesenwellen auf, wenn auch wesentlich seltener. Da die Afrikanische Platte sich nach Norden unter die Europäische Platte schiebt, entstehen Seebeben im Mittelmeer und im Atlantik.
Um die Tsunamischäden einzuschränken, wurden überall auf der Erde Seismographen unter Wasser installiert, bisher jedoch kaum im Indischen Ozean. Eine wichtige Rolle bei der Auswertung der Daten spielt das Pacific Tsunami Warning Center (PTWC) in Honolulu auf Hawaii. Fehlalarme können hohe Kosten bei einer unnötigen Evakuierung auslösen. Viele japanische Städte schützen sich durch das Errichten riesiger Deiche.
Die größten Tsunamis
- Am 26. Dezember 2004 ereignete sich eine der bisher schlimmsten Tsunamikatastrophen in Südostasien durch ein Seebeben der Magnitude von 9,0 auf der Richterskala vor der Insel Sumatra. Über 70.000 Menschen (vorläufig/DLF 29.12.04, 7 Uhr) in 10 Ländern (insbesondere: Indien, Malediven, Sumatra (Indonesien), Sri Lanka, Thailand) wurden getötet.
- AKTUELL (28.12.04, 19:00): Die verheerende Flutkatastrophe in Asien hat möglicherweise noch erheblich mehr Opfer gefordert als zunächst angenommen. Rechnet man die Schätzungen aus den einzelnen Ländern zusammen, könnten 80.000 Menschen gestorben sein. Die indonesische Regierung befürchtet allein in dem Inselstaat rund 25.000 Tote. Nach offiziellen Angaben starben in Sri Lanka mehr als 18.500 Menschen. In Indien sind nach Angaben des staatlichen Fernsehens rund 9.500 Todesopfer zu beklagen. Allein auf den indischen Inselgruppen der Andamanen und Nikobaren in der Bucht von Bengalen werden noch 30.000 Menschen vermisst. Die Vereinten Nationen sprechen von einer „Katastrophe ohne Beispiel”.
- Die Flutwelle bewegte sich mehrere tausend Kilometer bis nach Ostafrika; Opfer sind auch in Somalia, Kenia und Tansania gemeldet worden.
- 17.7.1998: An der Nordküste von Papua-Neuguinea werden 2.000 Menschen von einer Flutwelle getötet, die von einem Beben ausgelöst wurde.
- 16.8.1976: Ein Tsunami im Morogolf kostet auf den Philippinen mehr als 5.000 Menschenleben.
- 28.3.1964: Am Karfreitag löst ein Erdbeben vor Alaska an der gesamten Westküste der USA eine Flutwelle aus. In Alaska kommen 107, in Oregon vier und in Kalifornien elf Menschen ums Leben.
- 22.5.1960: Eine elf Meter hohe Welle im Pazifik tötet in Chile 1.000 Menschen, weitere 61 kommen auf Hawaii ums Leben.
- Am 9 Juli 1958 entstand im Lituya Bay (Alaska) eine 524 m hohe Welle durch einen Erdrutsch. BiggestWave, Lituya Bay
- 1.4.1946: Vor Alaska reißt eine Springflut infolge eines Erdbebens die fünfköpfige Besatzung eines Leuchtturms in den Tod. Stunden später erreicht die Welle Hawaii (fast 3.700 km entfernt), wo 159 Menschen sterben.
- 31.1.1906: Die Küsten Kolumbiens und Ecuadors werden von einer verheerenden Flutwelle überschwemmt, 500 bis 1.500 Menschen kommen ums Leben.
- 15.6.1896: Der so genannte Sanriku-Tsunami, eine Wasserwand von 23 m Höhe, überrascht Japan inmitten religiöser Großfeierlichkeiten. 26.000 Menschen ertrinken.
- Der Vulkan Krakatau explodierte in einer gewaltigen Detonation am 27. August 1883, eine unglaubliche Druckwelle entstand und flog sieben Mal um die Erde. Die Druckwelle löste einen Mikrotsunami in dem 8.000 km entfernten Lake Taupo in Neuseeland aus, und im nahen Umkreis 40 m hohe Tsunamis, die 36.000 Menschen töteten. Selbst in Großbritannien stieg der Meeresspiegel um ca. einen halben Meter.
- Am 1. November 1755 wurde die portugiesische Hauptstadt Lissabon von einem Brand zerstört, der in Folge eines Erdbebens auftrat. Als die Einwohner vor den Flammen an das Tejoufer flüchteten, wurden sie von haushohen Flutwellen überrascht. Zwei Drittel der Stadt wurden zerstört, 60.000 Menschen starben. Der Tsunami war noch in Irland und jenseits des Atlantiks auf den kleinen Antillen zu spüren, Madeira wurde von 15 m hohen Wellen erreicht. Das Erdbeben war noch in Venedig deutlich zu spüren (siehe Memoiren von G. Casanova).
- Als 1628 v. Chr. auf Santorin ein Vulkan explodierte, sendete er Tsunamiimpulse aus, die im gesamten östlichen Mittelmeer spürbar waren - in Form von 60 m hohen Wellen. Man nimmt an, das habe zur Auslöschung der minoischen Kultur geführt.
Andere Riesenwellen
Riesenwellen, deren Ursprung nicht durch tektonische Aktivitäten verursacht wurden, werden z.B. am Kap Hoorn oder in anderen Regionen regelmäßig beobachtet; sie werden in der Seemannsprache auch Kaventsmann genannt. Sehr lange wurden sie als Seemannsgarn belächelt, bis Satellitenaufnahmen und andere Messungen ihre Existenz bewiesen. Etwa jede 3.000. Welle ist doppelt so hoch wie der Durchschnitt der anderen Wellen. Etwa alle 20 Jahre, so die statistische Wahrscheinlichkeit, kann ein Schiff von einer Riesenwelle oder Monsterwelle (25 bis 35 m hoch) überrascht und schwer beschädigt oder gar zerstört werden. Der letzte bekannt gewordene Fall betraf das Kreuzfahrtschiff Bremen, das nur knapp einer Katastrophe entkam. Große Aufmerksamkeit erregte um Weihnachten 1978 der Fall des deutschen Containerschiffs München, das fast spurlos samt 28 Mann Besatzung im Atlantik nördlich der Azoren verschwand. Die Seeamtsverhandlung ergab, dass vermutlich eine Riesenwelle das Schiff zunächst manövrierunfähig machte und dann untergehen ließ.
Siehe auch
Weblinks
- Kein Warnsystem in Südasien: Vorschlag.
- Tsunami-Katastrophe in Asien
- Tsunami
- Tsunami
- Das Pacific Tsunami Warning Center
- Aktuelle Tsunamiwarnungen
- Artikel zur Havarie der Bremen
- Forum Naturphänomene
- Holger Kroker: Mega-Tsunamis bedrohen Amerika.
- Dieter Lohmann: Das Geheimnis der Riesenwellen.
- Thomas Lehmann: Die zerstörerische Kraft des Tsunami.