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Mastitis (Haustiere)

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Als Mastitis wird in der Medizin eine Entzündung der Milchdrüse bezeichnet. Sie wird meist durch Bakterien verursacht und hat bei den Haustieren, die zur Milchproduktion verwendet werden (Rinder, Schafe, Ziegen), eine besondere Bedeutung für die menschliche Gesundheit. Darüber hinaus hat sie eine große wirtschaftliche Bedeutung durch Milchverluste, Behandlungskosten sowie als Ursache für das Aussondern von Tieren aus einem Milchviehbetrieb (Abgangsursache). Allein bei Milchkühen wird in Deutschland der jährliche wirtschaftliche Schaden durch Mastitiden auf 255 Millionen Euro geschätzt.

Die Mastitis ist beim Hausschwein Bestandteil des MMA-Komplexes. Bei anderen Haustieren, z. B. Hunden und Katzen, tritt eine Mastitis seltener auf.

Pathogenese

Die Infektion erfolgt vor allem als aufsteigende bakterielle Besiedlung der Milchdrüse über den Strichkanal (galaktogen). Ein Eindringen über den Blutweg (hämatogen) ist ebenfalls möglich. Die Krankheitserreger vermehren sich im Hohlraumsystem der Milchdrüse und greifen das Drüsengewebe an, so dass es zu einer entzündlichen Reaktion kommt. Meist führt bereits eine geringgradige Mastitis zu einer Atrophie des milchproduzierenden Drüsenepithels und damit zu einem Absinken der Milchleistung.

Erreger

Bei der Milchkuh sind beispielsweise spezifische Keime wie Streptococcus agalactiae (Erreger der sog. GALT-Mastitis), Streptococcus dysgalactiae und Staphylococcus aureus oder Umweltkeime wie Coliforme Keime, Pseudomonas spp. und Streptococcus uberis Auslöser einer Mastitis. Mycobacterium tuberculosis und Mycobacterium bovis und deren Ausscheidung über die Milch spielten in der Vergangenheit eine große Rolle in der Epidemiologie der Tuberkulose des Menschen.

Bei Schaf und Ziege dominieren Staphylococcus aureus und Pasteurella haemolytica, beim Schwein wird eine Mastitis vor allem durch Coliforme Keime verursacht.

Mastitisformen beim Rind

Mastitis catarrhalis

Die katarrhalische Mastitis ist gekennzeichnet durch seröse oder eitrige Exsudation. Erreger sind vor allem grampositive Keime, seltener gramnegative Keime und Hefen. Nach dem klinischen Bild werden subklinische, chronische und akute katarrhalische Mastitis unterschieden.

Mastitis catarrhalis subclinica

Diese Form ist klinisch nicht fassbar, da weder sinnfällige Sekretveränderungen noch typische Palpationsbefunde am Euter auftreten. Verdächtige Kühe fallen meist erst bei der Bestimmung des Zellgehalts im Rahmen der Milchleistungsprüfung auf (>250.000 Zellen/ml im Gesamtgemelk). Durch eine zytobakteriologische Untersuchung ist sie von einer reinen Sekretionsstörung (Zellzahlerhöhung ohne gleichzeitiges Vorhandensein von Erregern) sowie von einer latenten Mastitis (Erregernachweis bei normalem zytologischen Befund) abzugrenzen.

Mastitis catarrhalis chronica

Sie kann aus der subklinischen Mastitis hervorgehen oder sich an eine nicht oder erfolglos therapierte akute katarrhalische Mastitis (s.u.) anschließen. Typisch sind die bindegewebigen palpierbaren Veränderungen im Drüsengewebe. Das Sekret behält Milchcharakter, enthält aber feine oder grobe Eiterflocken. Betroffene Tiere zeigen ein ungestörtes Allgemeinbefinden.

Mastitis catarrhalis acuta

Am erkrankten Euterviertel sind Entzündungszeichen wie Wärme, Rötung und Schmerzhaftigkeit festzustellen. Das Tier zeigt Fieber bei ansonsten eher ungestörtem Allgemeinbefinden. Das Sekret behält Milchcharakter, enthält aber zusätzlich gelbliche Eiterflocken und/oder weißliche Fibrinflocken.

Mastitis apostematosa

Synonym wird diese Mastitis als abszedierende Mastitis, Pyogenesmastitis oder Holsteinische Euterseuche bezeichnet.

Pyogenesmastitis der Kühe

Die Pyogenesmastitis der Kühe ist meist die Folge einer schweren katarrhalischen Mastitis oder eine Spätkomplikation bei Euter- oder Zitzenverletzungen. Sie wird verursacht durch eine Sekundärinfektion mit Arcanobacterium pyogenes. Die Erkrankung verläuft meist chronisch ohne Störung des Allgemeinbefindens und geht mit Abszessbildung einher. In der Endphase geht die Mastitis apostematosa in eine phlegmonöse Mastitis (s.u.) über und führt durch Intoxikation zu Fieber, Inappetenz und Abgeschlagenheit. Durch Bakteriämie ist eine Metastasierung in andere Organe möglich (z.B. Leber, Lunge, Niere). Das Eutersekret hat einen typischen fauligen Geruch und ist je nach Krankheitsstadium breiartig oder wässrig mit eitrig-blutigen Flocken und nekrotischen Gewebsfetzen.

Sommermastitis der Jungrinder und Färsen

Sie ist ätiologisch und pathogenetisch von der Pyogenesmastitis der Kühe abzugrenzen. Sie tritt vor allem im Sommer zur Hauptflugzeit bestimmter Insekten (Hydrotaea irritans) auf. Die Erreger sind neben Arcanobacterium pyogenes auch andere Bakterien. Sie gelangen nach Insektenstichen über kleine Hautläsionen in das Euter. Für den akuten und schweren Krankheitsverlauf wird eine Überempfindlichkeitsreaktion in Form des Arthus-Phänomens verantwortlich gemacht. Das erkrankte Euterviertel schmilzt innerhalb weniger Tage vollkommen ein und ist als erbsbreiartiges Sekret ermelkbar. Die Tiere zeigen hohes Fieber und Schmerzhaftigkeit.

Mastitis phlegmonosa

Synonyme sind Mastitis acuta gravis sowie Colimastitis. Letzteres trifft nicht ganz zu, da neben coliformen Keimen auch Clostridien oder Pseudomonaden als Erreger infrage kommen. Die Mastitis phlegmonosa verläuft akut bis perakut und ist häufig lebensbedrohend. Durch die Freisetzung von bakteriellen Toxinen werden Gefäßwände sowie Gewebs- und Zellmembranen geschädigt. Es kommt rasch zu einem hochgradigen Euterödem und/oder zum Absterben von Drüsengewebe. Die Tiere zeigen eine starke Störung des Allgemeinbefindens mit Apathie, Fieber und starken Schmerzen. Im Endstadium ist eine Lähmung der Hinterhand möglich. Als lokale Symptome sind Rötung, Umfangsvermehrung, Schmerz und Läsionen der Euterhaut feststellbar. Das Eutersekret besitzt keinen Milchcharakter mehr. Es ist serumartig oder wässrig und enthält evtl. Fibrinflocken. Bei perakutem Verlauf ist die Entwicklung eines Eutergangräns möglich.

Mastitis granulomatosa

Diese Erkrankungsform kommt seltener vor und wird durch Hefen, Pilze, Nocardien oder Algen (Prototheca zopfii) verursacht. Zur Granulombildung kommt es aufgrund der schlechten Phagozytierbarkeit der relativ großen Erreger und deren Mycelbildung.

Mastitisformen bei Schaf und Ziege

Die Infektiöse Agalaktie der Schafe und Ziegen ist eine durch Mykoplasmen hervorgerufene Mastitis bei der neben dem Euter auch Augen oder Gelenke befallen werden können. Sie führt zu einem Abfall der Milchleistung und damit zu wirtschaftlichen Verlusten. In der Schweiz gehört sie zu den auszurottenden Seuchen.

Behandlung

Grundsätzlich ist vor Beginn einer Therapie eine Milchprobenentnahme für die mikrobiologische Untersuchung empfehlenswert. Dieses Vorgehen sichert die Diagnose und ermöglicht eine gezielte Behandlung gegen den verursachenden Erreger.

Bei der lokalen Behandlung (intrazisternal - in die Zitzenzisterne) ist das sorgfältige Ausmelken des betroffenen Viertels vor der Medikamentenapplikation besonders wichtig. Bei unsicherer Diagnose wird zunächst ein Breitbandantibiotikum eingesetzt und nach dem Erregernachweis auf ein spezifisches Antibiotikum umgestellt.

Eine parenterale antibiotische Therapie ist aufgrund der ungestörten Blut-Euter-Schranke bei einer chronischen Mastitis nur mit Penethamathydrojodid oder Makrolidantibiotika möglich. Im Gegensatz dazu können bei der akuten Mastits aufgrund gestörter Blut-Euter-Schranke auch Antibiotika eingesetzt werden, welche diese Schranke normalerweise nicht passieren. Weiterhin kann parenteral eine fiebersenkende, schmerzlindernde und entzündungshemmende Therapie mit NSAIDs erfolgen - diese ist bei verschiedenen Erregern (wie E. coli) auch wichtig, um die von den Bakterien freigesetzten Toxine zu bekämpfen.

Die Therapie einer chronischen Mastitis kann mit durchblutungsfördernden (hyperämisierenden) Salben oder warmen Euterduschen unterstützt werden. Bei sehr starken Sekretveränderungen sind Spülungen der betroffenen Euterviertel möglich.

Prophylaxe

Oberste Priorität hat stets die Hygiene. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für den Melkvorgang sondern auch für die Haltungsbedingungen. Bezüglich der Sommermastitis der Färsen ist eine Anwendung von Repellents angebracht.

Literatur

Eberhard Grunert: Buiatrik - Bd. 1: Euterkrankheiten, Geburtshilfe und Gynäkologie, Andrologie und Besamung, 5. Aufl., Verlag Schaper, Hannover 1996