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Tamilen

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Tamilische Mädchen in Kalmunai, Sri Lanka
Eine srilankische Hochlandtamilin beim Teepflücken

Die Tamilen sind ein dravidisches Volk vom indischen Subkontinent, dessen Geschichte mindestens 2000 Jahre alt ist. Die ältesten tamilischen Gemeinschaften leben im indischen Bundesstaat Tamil Nadu im Süden Indiens und im Norden Sri Lankas. Zudem leben seit mehreren Generationen zahlreiche Tamilen als Immigranten in Ländern wie Malaysia, Südafrika, Singapur oder Mauritius. Durch den Bürgerkrieg in Sri Lanka gibt es seit den 80er Jahren auch eine nennenswert große Anzahl an Tamilen in Kanada, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Norwegen und der Schweiz. Es leben schätzungsweise 77 Millionen Tamilen auf der ganzen Welt.

Die Künste und die Baukunst der Tamilen beinhalten einige der größten indischen Beiträge für die Welt der Kunst. Klassische Musik, klassische Tänze und Tempel- und Skulpturenbau der Tamilen werden noch heute gelehrt und praktiziert. Die tamilische Sprache kann auf eine eigenständige Literaturgeschichte von über 2000 Jahren zurückblicken und gilt damit als einzige indische Sprache gleichzeitig als klassisches und modernes Idiom.

Anders als viele andere Völker wurden die Tamilen meist nicht von einer einzigen politischen Macht regiert. Tamilakam, der traditionelle Name für das Gebiet der Tamilen, war nur zwischen dem neunten und zwölften Jahrhundert unter dem Chola-Reich politisch vereint. Die tamilische Identität wurde primär linguistisch definiert, obgleich in der heutigen Zeit auch die Tradition und die Kultur als Merkmal angesehen werden, da viele Emigranten die Sprache nicht mehr beherrschen, sich aber dennoch als Tamilen sehen. Tamilen sind ethnisch, sprachlich und kulturell mit den anderen dravidischen Völkern Südindiens verwandt.


Geschichte

Prähistorisches Zeitalter

Der große Tempel von Tanjavur (gebaut während der Chola Ära).

Der Ursprung der Tamilen ist, wie der der anderen dravidischen Völker, unbekannt, obwohl genetische und archäologische Hinweise auf eine mögliche Migration nach Indien während des 6. Jahrtausends v. Chr. deuten. Die ältesten eindeutigen Beweise für die Anwesenheit der Tamilen im heutigen Tamil Nadu sind die megalithischen Urnenbestattungen aus dem 1. Jahrtausend v. Chr., die an verschiedenen Plätzen Tamil Nadus gefunden wurden. Diese Urnenbestattungen finden sich in klassischen Tamiltexten wieder und werden als konkrete Beweise für die Existenz der Tamilen in dieser Zeitperiode im Süden Indiens angesehen.

Klassisches Zeitalter

Seit dem dritten Jhr. v. Chr. herrschten drei Dynastien über das tamilische Siedlungsgebiet: Chola, Chera und Pandya. Jede dieser Dynastien hatte ihr eigenes Königreich im tamilischen Gebiet. Klassische Tamiltexte und Inschriften berichten auch von kleineren autonomen Regionen, die von verschiedenen Kleinfürsten geführt wurden. Kriege zwischen den Königen und den Fürsten waren keine Seltenheit. Die Könige und Fürste waren die Förderer der tamilischen Künste und es existiert eine erhebliche Anzahl an Literatur aus dieser Epoche. Diese Literatur zeigt, dass viele kulturellen Bräuche spezifisch für die Tamilen waren.

Landwirtschaft war sehr wichtig während dieser Epoche und es gibt Beweise dafür, dass schon zu Anfang des zweiten Jhrs. n. Chr. Bewässerungsanlagen gebaut wurden. Handel mit anderen Völkern florierte zu dieser Zeit und es existieren Belege für einen intensiven Kontakt mit dem römischen Reich. Große Mengen an römischen Münzen und Spuren von der Anwesenheit der Römer wurden in der Nähe von Karur und Arikamedu gefunden. Zudem sollen von den Pandya Königen mindestens zwei Botschafter zu Kaiser Augustus geschickt worden sein. Es wurden auch Tonscherben mit tamilischer Aufschrift bei Ausgrabungen am Roten Meer gefunden, welche darauf hinweisen, dass sich dort tamilische Kaufleute befanden. Der Verfasser des altgriechischen Periplus Maris Erythraei berichtete sehr genau über die Häfen des Pandya und des Chera Reiches und nannte als Hauptexportartikel der antiken Tamilen schwarzen Pfeffer, Lorbeerblätter, Muskat, Perlen, Elfenbein, Seide, Diamanten, Saphire und Schildkrötenpanzer.

Das klassische Zeitalter endete im vierten Jhr. n. Chr. mit der Invasion der Kalabhra. Diese Epoche wird als das dunkle Zeitalter des Tamil Landes bezeichnet und endete mit dem Aufstieg der Pallava Dynastie.

Kaiserliches und nachkaiserliches Zeitalter

Detail von einem Tempel in Chidambaram. Die tamilischen Könige waren die Schutzherren der Kunst und bauten viele kunstvolle Tempel.

Obwohl Aufzeichnungen der Pallava bis ins zweite Jhr. n. Chr. zurückverfolgt werden können, fanden sie bis zum sechsten Jhr. keine nennenswerte Erwähnung als kaiserliche Dynastie. Die Pallava waren ursprünglich keine Tamilen, jedoch übernahmen sie recht schnell die tamilische Kultur und Sprache. Sie übernahmen das Dynastiemodell der nordindischen Dynastien wie z.B. das des Maurya-Reiches oder des Gupta-Reiches. So wurden aus den ehemals königlichen Dynastien nun eine kaiserliche Dynastie und es wurde versucht große Territorien zu einem Reich zu vereinen. Ursprünglich waren die Pallavas Buddhisten, aber sie konvertierten später zum Hinduismus. Sie förderten die Bhakti Bewegung, um den wachsenden Einfluss des Buddhismus und des Jainismus entgegenzuwirken. Die Pallavas waren auch die ersten, die mit dem Bau von großen prachtvollen Tempeln begannen und legten somit den Grundstein für die dravidische Tempelbaukunst.

Die Pallava Dynastie wurde im neunten Jhr. vom wiedererstarkten Chola-Reich zu Fall gebracht. Die Chola wurden das dominanteste Reich Südasiens und ihr Reich dehnte sich über ganz Südindien, Sri Lanka, Sumatra bis hin nach Thailand und Burma aus. Ihr Ende kam mit dem Wiedererstarken der Pandya im 12. und 13. Jhr.. Die Herrschaft der Pandya endete im 15. Jhr. nach wiederkehrenden muslimischen Invasionen in Südindien.

Ruinen aus der Nayak-Zeit.

Die westlichen Tamilregionen wurden, nachdem sowohl die Chola als auch die Pandya Reiche im 13. Jhr. die Kontrolle über diese Gebiete verloren, politisch deutlich unabhängig vom Rest der Tamilregionen. Dadurch entwickelte sich im Westen Südindiens eine dem Tamil unterschiedliche Sprache mit eigener Literaturgeschichte. Dies kann als Geburtsstunde des Malayalam angesehen werden.

Nach dem Zerfall des Pandya-Reichs gab es keine größeren Reiche mehr und Tamil Nadu wurde einige Zeit nur von Lokalfürsten, wie z.B. von den Nayaks aus den heutigen Bundesstaaten Maharashtra und Andhra Pradesh, regiert. Ab dem 17. Jhr. begannen europäische Mächte Handelsposten und Niederlassen zu errichten. Es gab viele Kämpfe zwischen den Briten, den Franzosen und den Dänen im 18. Jhr. und Ende des 18. Jhr. war fast ganz Tamil Nadu unter britischer Kontrolle.


Tamilen in Sri Lanka

Der Nallur Kandaswamy Tempel in Jaffna

Es gibt wenig Übereinstimmung hinsichtlich der Geschichte des tamilsprechenden Teils Sri Lankas. Singhalesische Historiker behaupten, dass es keine organisierte Präsenz der Tamilen auf Sri Lanka gab, bis im 10. Jhr. das Chola-Reich die Herrschaft über Sri Lanka errang, wohingegen tamilische Historiker entgegnen, dass die Tamilen die ursprünglichen Bewohner der Insel seien und diese Araipadi und Elapadi genannt wurden. Historisch belegbar sind aber beide Versionen nicht.

Es ist jedoch Fakt, dass seit dem 2. Jhr. v. Chr. tamilische Königreiche Indiens in srilankische Angelegenheiten involviert waren. Es gibt Beweise dafür, dass tamilische Kaufleute im 1. Jhr. v. Chr. in Anuradhapura waren und sich dort auch niedergelassen haben. Mit der Annexion Sri Lankas im 10. Jhr. durch das Chola-Reich gab es eine nennenswerte Anzahl von Tamilen auf der Insel. Nach dem Ende der Chola-Besetzung Ende des 11. Jhr. stellte sich die Polonnaruwa Monarchie wieder her. 1215 gründete die Arya Chakaravarthi Dynastie ein unabhängiges Königreich auf der Halbinsel Jaffnas und Teilen Nord Sri Lankas. Die Arya Chakaravarthi Dynastie herrschte über große Teile Nord und Ost Sri Lankas, bis im Jahre 1619 die Portugiesen große Teile der Insel besetzten. 1796 wurde die ganze Insel Teil des Britischen Imperiums.

Modernes Zeitalter

Tamilisches Brahmanenehepaar aus der Kolonialzeit.

Die britischen Kolonialherren fassten die verschiedenen tamilischen Gebiete Südindiens mit anderen Gebieten zur Madras Presidency zusammen, welche zu Britisch-Indien integriert wurden. Gleichzeitig wurde der tamilische Teil Sri Lankas mit dem Rest der Insel zur Ceylon Colony ernannt und ebenfalls zu Britisch-Indien integriert. Auch nach der Unabhängigkeit Indiens 1947 respektive Sri Lankas 1948 blieben die beiden Zusammenfassungen in ihrer Form bestehen. Im Fall Sri Lankas sollte dies später einer der Gründe für den Bürgerkrieg sein.

Als Indien 1947 unabhängig wurde, wurde aus der Madras Presidency der Bundesstaat Madras und nahm 1956 im Rahmen des States Reorganization Act die Form des heutigen Tamil Nadus an. Der neue Bundesstaat wurde linguistisch getrennt und ermöglichte so eine weitestgehende Zusammenfassung der indischen Tamilen in einem Staat. 1968 bekam der Bundesstaat seinen heutigen Namen Tamil Nadu.

Anfänglich wurden Stimmen laut für einen unabhängigen Tamilenstaat in Südindien. So gab es unter anderem auch Demonstrationen gegen die Einführung von Hindi als Nationalsprache Indiens. Die Tamilen führten an, dass man durch die britische Besetzung in der englischen Sprache schon längst eine Art Nationalsprache für Indien hätte und dass die Einführung Hindis als Amtssprache viele Tamilen zu Analphabeten machen würde. Durch die ansteigenden Unruhen im Süden Indiens beschloss das Parlament die sogenannte three language formula. Diese besagt, dass es keine offizelle Nationalsprache Indiens gibt, sondern dass jeder Bundesstaat offizielle Amtssprachen hat. Englisch ist automatisch Amtssprache, hinzu kommt noch die vorherrschende Sprache des Bundesstaates und optional Hindi. Dies führte dazu, dass jeder Bundesstaat Englisch, Hindi und seine vorherrschende Sprache als Amtssprache einführte und hierdurch gibt es nun 27 offizielle Amtssprachen in Indien mit Englisch als De-Facto-Verkehrssprache und Hindi Quasi-de-Facto-Verkehrssprache. Einzig Tamil Nadu hat als offizielle Amtssprache nur Englisch und Tamil gewählt. Durch die föderale Struktur Indiens und der three language formula gibt es heutzutage kaum Bestrebungen nach einem unabhängigen Tamilenstaat.

In Sri Lanka führte die Vereinigung der Insel nach der Unabhängigkeitserklärung zu Diskriminierungen der Tamilen durch die singhalesische Mehrheit. Da die srilankischen Tamilen trotz ihrem Minderheitenstatus unter der britischen Herrschaft hinsichtlich Bildung und Profession bevorzugt wurden, machte sich nach der Unabhängigkeit Sri Lankas eine Art Missstimmung in der singhalesischen Bevölkerung breit, welche zur Unterdrückung und Negation der Tamilen führte. Hierdurch wuchs bei den Tamilen in den 70er Jahren der Wunsch nach Autonomie und Selbstbestimmung, was seit Anfang der 80er zu einem Bürgerkrieg zwischen der Regierung und den Rebellen der LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam) führte, der noch heute anhält. Zwar gab es 2002 ein Waffenstillstandsabkommen mit vielversprechenden Annäherungen beider Parteien, dieses wurde jedoch im August 2006 von beiden Seiten gebrochen.

Geographische Verbreitung

Indische Tamilen

Die meisten indischen Tamilen leben im Bundesstaat Tamil Nadu. Zudem sind sie die Bevölkerungsmehrheit im Unionsterritorium Pondicherry. Pondicherry ist eine ehemalige französische Kolonie, die heute eine subnationale Enklave in Tamil Nadu bildet. Es gibt auch nennenswerte Anteile von Tamilen in den größten Städten Indiens, die durch die nationale Wirtschaft ohnehin multiethnisch sind. Hinzukommen die Tamilen, die seit Jahrhunderten auf den Gebieten von Kerala und Maharashtra leben.


Sri Lanka Tamilen

Es gibt heute in Sri Lanka zwei Gruppen von Tamilen. Zur ersten Gruppe gehören die sogenannten Sri Lanka Tamilen (auch Ceylontamilen genannt), welche seit Jahrhunderten im Norden und Osten der Insel leben. Die zweite Gruppe bezeichnet man als Indische Tamilen oder Hochlandtamilen, welche im 19. Jhr. unter der britischen Kolonialmacht aus Indien ins Hochland im Herzen Sri Lankas gebracht wurden, um dort auf den Teeplantagen zu arbeiten. Ceylontamilen trifft man vorwiegend in den nördlichen und östlichen Provinzen Sri Lankas, sowie in und um Colombo, wohingegen Hochlandtamilen fast ausschließlich im zentralen Hochgebirge des Landes zu finden sind. Sowohl die Hochlandtamilen als auch die Ceylontamilen sahen sich als seperate Gemeinschaften. Durch ein Abkommen zwischen der srilankischen und der indischen Regierung erlangten 40% der Hochlandtamilen die srilankische Staatsbürgerschaft. Die restlichen Hochlandtamilen wurden wieder in Indien repatriiert. Durch den ethnischen Konflikt haben sich Ceylontamilen und Hochlandtamilen angenähert und dadurch ein gemeinsames Bewusstsein ihrer tamilischen Identität entwickelt.

Es gibt einen erwähnenswerten Anteil an Tamil sprechenden Muslimen (auch Moors genannt), jedoch sehen sich diese im Gegensatz zu den tamilischen Muslimen Indiens nicht als ethnische Tamilen und werden daher in offiziellen Statistiken als seperate ethnische Gruppe gelistet.


Tamilen in der Diaspora

Seit dem 18. Jahrhundert gab es größere Emigrationswellen unter den Tamilen, da die britische Kolonialregierung viele arme Tamilen als sogenannte "indentured labourers" in abgelegene Teile des britischen Empires brachten. Hieraus resultierte, dass Tamilen seit Generationen in Malaysia, Singapur, Südafrika, Fiji, Mauritius und der Karibik zu finden sind. Zur selben Zeit emigrierten tamilische Kaufleute auch in andere Teile des Imperiums, wie etwa Burma oder Ostafrika. Noch heute leben Tamilen in diesen Ländern und haben sich einen Großteil ihrer Kultur, Identität und Sprache bewahrt. So gibt es in Ländern wie Malaysia, Mauritius und Reunion Schulen, die ihren kompletten Unterricht in Tamil halten. In Singapur wird aufgrund der Multiethnizität Englisch als Unterrichtssprache benutzt, jedoch lernen viele tamilische Kinder Tamil als Zweitsprache an ihrer Schule. Um die tamilische Sprache zu bewahren wurde sie zu einer der Nationalsprachen Singapurs erklärt, obwohl die Tamilen nur etwas 10% der Bevölkerung ausmachen. Andere tamilische Gemeinschaften, wie diejenigen in Fiji und Südafrika, beherrschen teilweise das Tamil nicht mehr, jedoch verstehen sie es noch und haben sich nach wie vor einen starken Bezug zu ihrer tamilischen Identität bewahrt.

Eine weitere große Emigrationswelle begann in den 80er Jahren des 20. Jhr., da viele Sri Lanka Tamilen aufgrund des ethnischen Konflikts das Land verlassen haben. Die meisten flohen nach Australien, Europa, Nordamerika und Südostasien. Die größten Gemeinschaften außerhalb Südasiens sind heute in Durban, Toronto, London und Paris zu finden. Zudem sind heutzutage viele junge tamilische Berufstätige aus Indien ebenfalls nach Europa oder in die USA ausgewandert, da sie sich dort bessere berufliche Perspektiven erhoffen.

Kultur

Sprache und Literatur

Statue einer Göttin, die die tamilische Sprache repräsentiert; die Inschrift am Fuß der Statue bedeutet Tamil Annai ("Mutter Tamils").

Tamilen haben generell eine starke Bindung zur tamilischen Sprache, welches sich auch dadurch zeigt, dass die Sprache in der Literatur als "Tamil̲an̲n̲ai" ("Mutter Tamils") bezeichnet wird. Tamil gehört wie die anderen Sprachen Südindiens zu den dravidischen Sprachen und ist nicht verwandt mit den indoarischen Sprachen Nordindiens. Zudem hatte Tamil durch die geographische Lage kaum Kontakt zu Sanskrit und hat viele seiner urdravidischen Eigenschaften beibehalten.

Schöpfungsgeschichte aus einer tamilischen Bibel (1723)

Jedoch hat das heute gesprochene Tamil eine große Menge an Lehnwörtern aus dem Sanskrit und dem Englischen. Durch diese Eigenschaft gehört Tamil zu den Sprachen mit Diglossie, da das schriftliche Tamil sich seit Beginn der tamilischen Schriftsprache kaum verändert hat. Dies war auch der Grund dafür, dass die indische Regierung Tamil als erste Sprache überhaupt in den Rang einer klassischen Sprache gehoben hat.

Es gibt unter den Tamilen eine große Anzahl an regionalen Dialekten und diese unterscheiden sich meist durch Lautverschiebungen. Obwohl die meisten Dialekte sich nicht im Vokabular unterscheiden, gibt es ein paar Ausnahmen. So wurde das gesprochene Tamil in Sri Lanka stark durch das Portugiesische und das Niederländische beeinflusst und es gibt unterschiedliche Bezeichnungen für Wörter des Alltagsgebrauches. Auch die Sprache der muslimischen Tamilen ist hervorzuheben, da diese stark vom Arabischen und von Urdu beeinflusst worden ist.


Die klassische Tamilliteratur (Sangam genannt - 3. Jhr. v. Chr. bis 1. Jhr. n. Chr.), welche von Lyrik bis hin zu Werken über Poetik und ethischer Philosophie reicht, unterscheidet sich deutlich von anderen zeitgenössischen und späteren Schriften Indiens und repräsentiert die älteste, säkulare Literatur Südasiens. Zu den bemerkenswerten Werken klassischer Tamilliteratur gehören das "Tirukkaral", die "Fünf großen Epen" und die Schriten des "Auvaiyar". Diese Werke sind trotz ihres Alters durch die Diglossiesituation im Tamil für die heutigen Tamilen leicht zugänglich. Moderne tamilische Literatur ist vielfältig. Sie beinhaltet Werke zum Indischen Nationalbewusstsein, zur historischen Romantik, zum Sozialrealismus und zum Feminismus. Unter den bekannteren Literaten der heutigen Zeit sind Sujatha, dessen Werke von Romantik bis zu Science Fiction reichen, und Cho, welcher für politische Schriften und als Publizist des politischen Magazins Thuglak bekannt ist. Srilankische Literatur von heute wird vorwiegend durch Werke vertreten, die den Bürgerkrieg reflektieren.

Kunst und Architektur

Malerei aus Tanjore, welches den Hindugott Krishna darstellt.

Traditionelle tamilische Kunst bezieht sich meist auf den Hinduismus. Jedoch wird die Religion nur als Metapher benutzt, um universelle und humanistische Themen darzustellen. Die Darstellung der klassischen Kunst ist als "lebende Tradition" zu verstehen, welche zu dieser Zeit praktiziert wurde.

Elfenbeinrelief aus der Nayak Epoche.

Den wichtigsten Einfluss für die tamilische Malerei hatte die Tanjavur Kunst aus dem neunten Jhr. n. Chr.. Die Grundlage für die Malereien bildeten mit Zinkoxid versetzte Ganzleinen, auf denen mit Färbemittel gezeichnet wurde. Hiernach wurde die Malerei mit Edelsteinen, Silber und Gold verziert. Eine ähnliche Technik wurde für die Wandmalereien in den zahlreichen Tempeln Tamil Nadus benutzt; ein sehr erwähnenswertes Beispiel ist der Minakshi-Tempel in Madurai. Generell ist tamilische Kunst für ihre stilistische Eleganz, ihr Farben- und Detailreichtum bekannt.

Ein Gopuram des Minakshi-Tempels in Madurai.

Tamilische Skulpturen reichen von eleganten Steinmeißelungen bishin zu detailreichen Bronzeikonen. Die Bronzestatuen der Chola-Ära werden als eine der größten indischen Beiträge für die Welt der Kunst angesehen. Das Material für die tamilischen Skulpturen hat die Form derer nicht beeinflusst. Stattdessen hat der Künstler sein Werk so erschaffen, dass der Betrachter im Nachhinein nicht sofort wissen konnte aus welchem Material das Werk geschaffen wurde. So wirken die Höhlenmalereien in Mamallapuram, als ob sie mit Edelsteinen besetzt wären. Ein populäres Motiv für Bronzeskulpturen waren vornehmlich die Darstellungen von Shiva in einer seiner Erscheinungsformen des Nataraja.

Tamilische Tempel wurden wie Skulpturen in größerer Dimension betrachtet und behandelt. Diese Tempel sind besonders bekannt für ihre hohen Tempelspitzen, die Gopuram genannt werden. Ein Gopuram besteht aus mehreren Ebenen, welche mit dem sogenannten Vimanam (Himmel) abschließen. Während der Chola-Ära stachen bei einem Tempel besonders die Vimanam hervor. Ein prominentes Beispiel ist der Brihadisvara-Tempel in Tanjavur. In der Nayak-Ära trat der Vimanam in den Hintergrund und es wurde mehr Wert auf die Ebenen gelegt. So wurden diese Ebenen sehr detailreich mit Hindugottheiten ausgeschmückt. Dies ist gut am Minakshi-Tempel in Madurai zu sehen. Weitere bekannte Tempel sind in Chidambaram und in Srirangam.

Wie in der indischen Kunst auch spielen bei der tamilischen Kunst Porträtierungen oder Realismus kaum eine Rolle. Es wird mehr auf Wert auf die Darstellungen von idealistischen Prototypen und Symbolen gelegt. So wird durch die Idealisierung des Dargestellten Kritik an der Realität geübt.

Darstellende Kunst

Religion

Geschmückter Ganesha an Diwali

Ca. 90% der Tamilen sind Hindus. Tamilischer Hinduismus hat, wie viele andere regionalen Versionen des Hinduismus, spezifische Eigenheiten. So spielt der Hindu-Gott Murugan eine große Rolle im täglichen Leben eines gläubigen, tamilischen Hindus. Christen und Muslime machen jeweils etwa 5% aus. Ein Großteil der Christen sind römisch-katholisch geprägt. Muslime gehören vorwiegend der Gruppe der Sunniten an.

Zu den größten tamilischen Festen gehören Pongal, eine Art indisches Erntedankfest, welches Mitte Januar stattfindet, und das Varudapirappu, das tamilische Neujahr (findet Mitte April statt). Ein weiteres sehr großes Fest ist das Diwali.

In ländlichen Gebieten Tamil Nadus spielen neben dem Hinduismus auch sogenannte Ayyanars einge große Rolle. Ayyanars sollen den Geist von lokalen Helden darstellen, die das Dorf vor Unheil schützen. Den Ursprung dieser Tradition findet sich in der Zeit der Dynastien, als Statuen zu Ehren von gefallenen Lokalhelden aufgestellt wurden. Diese Form der Anbetung wird regelmäßig in klassischer Tamilliteratur erwähnt.

Das Christentum soll mit der Ankunft des Apostels Thomas nach Tamil Nadu gekommen sein, jedoch hat sich erst mit der britischen Kolonialherrschaft das Christentum unter den Tamilen ausgebreitet.

Tamilische Küche

Traditionelles tamilisches Gericht serviert auf einem Bananenblatt

Die tamilische Küche ist eine der ältesten vegetarischen Kochkünste der Welt. Ein traditionelles Gericht besteht aus Reis als Hauptbestandteil mit zwei bis sechs verschiedenen Beilagen. Die Beilagen beinhalten meist Currys, Rasam (eine Art Gemüse- oder Fleischbrühe, Thayir (eine gewürzte Joghurtsoße), ein Chutney und etwas frittiertes Gemüse. Bei Festen oder wichtigen Ereignissen wird das Essen auf einem Bananenblatt serviert. Hauptbestandteil von Tiffins, Frühstück oder Zwischenmahlzeiten sind Pongal, Dosai, Idli, Vadai zu denen entweder Sambar (sehr scharfes Kokosgericht) oder Chutney gereicht wird. Neben der reichhaltigen vergetarischen Küche gibt es auch viele typische Fleisch- und Fischgerichte.

Hauptmerkmal der tamilischen Küche ist ihre Schärfe. Nirgendwo sonst in Indien wird so scharf gegessen wie in Tamil Nadu. Zum Schärfen des Gerichts werden wahlweise trockene oder frische Chillis benutzt.

Kampfkünste

Datei:Urmi-Payattu.jpg
Die tamilische Kampfkunst Kalarippayat

Eine ganze Reihe von traditionellen Kampfkünsten werden noch heute praktiziert. Entstanden sind diese Kampfkünste während der Chola-Ära und dienten dem militärischem Kampf. Heutzutage werden sie für die körperliche Ertüchtigung genutzt. Zu den bekannteren Kampfkünsten gehört das Kalarippayat, das Kuttu Varisai und das Maankombukkalai. Die typischen Waffen sind z.B. das Silambam (langer Stab), Vaal (einfaches Schwert), Vettarival (Machete), Maduvu (Hirschhörner).

Ein sehr beliebtes Ereignis ist der unbewaffnete Stierkampf, Jallikattu genannt, während des jährlichen tamilischen Pongalfestes. Im Gegensatz zum spanischen Stierkampf geht es hierbei nicht um die Tötung des Tieres. Es geht darum, dass der Kämpfer den Stier unter Kontrolle bringt ohne ihm physisch zu schaden.

Organisationen

Durch die globle Ausbreitung der tamilischen Diaspora erschwerte eine Gründung einer Pantamilischen Organisation. Die wichtigsten nationalen Instituitionen für Tamilen sind die der Regierung Tamil Nadus und der Sri Lankas.

Datei:Tamil-flag.gif
Die Flagge der World Tamil Confederation um Tamilen auf der ganzen Welt zu repräsentieren. (keine offizielle Flagge)

Die Politik Tamil Nadus wird von der sogenannten dravidischen Bewegung dominiert. Ziel der dravidischen Bewegung ist es, den Selbstwert und den Rationalismus zu fördern und das Kastensystem sowie die Unterdrückung der unteren Kasten zu bekämpfen. Jede größere Partei in Tamil Nadu hat ihren Ursprung in dieser Bewegung.

In Sri Lanka wurde die tamilische Politik bis zu den 80er Jahren von föderalistischen Bewegungen bestimmt. In den 80ern wurde dies durch gewaltsame, militärische Unabhängigkeitsbewegungen abgelöst. Es formten sich mehrere Rebellenorganisationen aus denen die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) als stärkste und dominanteste hervorging. Zwar gab es zwischendurch immer wieder vielversprechende Gespräche zwischen der Regierung Sri Lankas und der LTTE, doch scheiterten diese Gespräche oft durch innenpolitische Differenzen auf beiden Seiten. Die LTTE wurde in der EU, den USA, Kanada und Indien als terroristische Vereinigung eingestuft. Im Gegensatz hierzu hat die UN die LTTE nicht in dieser Kategorie eingestuft.

In den 60er Jahren hielt die Regierung Tamil Nadus eine World Tamil Conference ab und entschloss sich, diese regelmäßig abzuhalten. Hieraus entwickelte sich 1999 die World Tamil Confederation und ihre Hauptziele sind die Erhaltung und Festigung der tamilischen Kultur und Sprache, sowie das Zusammengehörigkeitsgefühl in den verschiedenen Ländern. Die Organisation hat sowohl eine Flagge, als auch eine Hymne entwickelt, die für alle Tamilen der Welt stehen sollen.

Siehe auch


Quellen

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