Seele
Der Begriff Seele wird in unterschiedlichen Zusammenhängen mit verschiedenen Bedeutungen benutzt, u.a.:
- die Gesamtheit aller Gefühle und Gefühlsäußerungen eines Menschen oder eines Tieres. Nach diesem Verständnis ist die Seele ein Teilbereich des Geistes, wobei die reine Informationsverarbeitung des Gehirns ausgeklammert wird. Tieren wird herbei aufgrund ihrer Gefühle auch eine Seele zugesprochen.
- die Gesamtheit aller Erlebnisse eines Menschen oder eines Tieres d.h. die Persönlichkeit, die individuelle Erlebnisgeschichte. In diesem Sinne benutzt überlappt sich die Seele mit unserem Gedächtnis.
- die Gesamtheit aller vererbten Charakterzüge eines Individuums.
- in der Bibel und in den Klassikern wird Seele als Synonym für Mensch gebraucht ("Ein Dorf hat 300 Seelen.)
Im übertragenen Sinne gebraucht man das Wort Seele auch bei unbelebten Objekten (die Seele eines Kabels oder eines Seilzuges) oder bei sozialen Gruppierungen (die Seele des Betriebes).
Der Gebrauch 'eine Seele von Mensch' soll vorteilhafte Charaktereigenschaften des Betreffenden betonen.
Definitionen
Traditionell wird das Wort Seele gebraucht, um menschliche Eigenschaften und Verhaltensweisen einzuordenen, die man bei Tieren selten, nur nach genauer wissenschaftlicher Untersuchung oder gar nicht findet, wie z.B. Gefühle, Gedanken, Bewusstsein, (intellektuelles) Denken. Anmerkung: rho : Diese menschenzentrierte Ansicht ist umstritten, denn auch Tiere haben ein sehr intensives Gefühlsleben.
Eng mit dem Begriff der Seele ist die Einmaligkeit des Individuums, die Persönlichkeit, verknüpft.
Wissenschaftlich
In der materialistischen oder reduktionalistischen wissenschaftlichen Behandlung der Seele geht man davon aus, dass alle oben genannten Vorgänge sich letztendlich auf das komplexe Zusammenspiel biochemischer Prozesse zurückführen lassen. Die Seele existiert nicht als eigenes Objekt, und die Frage nach der Sterblichkeit der Seele wird an die Theologen weitergereicht.
Vom griechischen Wort für Seele, Psyche, leiten sich Begriffe wie 'Psychiatrie' oder 'Psychologie' ab. Letztere befasst sich u.a. mit Lernen, Gedächtnis, Vergessen, Wahrnehmung, Sprache, Intelligenz, Motivation, Wille, Gefühl (Emotion), Triebe (Hunger, Durst, Sexualität), Stress, Gruppendynamik, Liebe und Sympathie, Aggression, Bewusstsein, Kreativität, Neurosen, Psychosen.
Weitere in dieser Richtung arbeitende Wissenschaften sind die Verhaltensforschung, Kognitionsforschung, Neurowissenschaften, Anthropologie, Endokrinologie (Hormonforschung).
Theologisch
Viele Religionen, wie z.B. der Hinduismus, der Buddhismus, das Judentum, das Christentum oder der Islam kennen den Begriff der Seele, und haben unterschiedliche Vorstellungen davon entwickelt. Gemeinsam ist jedoch oft, dass die Seele mehr als 'nur' der Körper, sondern etwas besonderes, oft unsterbliches, ist. Die Seele wird als der innerste Kern, das geistige, lebenspendende Prinzip im Menschen angesehen. Sie gilt als gottgeschaffen, und bestimmt die unverwechselbare Individualität jedes Menschen.
Zitate
"Verzichten wir auf die Illusion, in der Seele eine immaterielle 'Substanz' zu sehen, dann leugnen wir nicht deren Existenz, sondern wir beginnen im Gegenteil, die Komplexität, den Reichtum und die unergründliche Tiefe des genetischen und des kulturellen Erbes wie auch der bewussten und unbewussten persönlichen Erfahrung zu erkennen, die zusammen das Wesen ausmachen, das sich in uns einmalig und unwiederbringlich bezeugt." -- Monod, J., Zufall und Notwendigkeit, Philosophische Fragen der modernen Biologie)
So wie wir akzeptiert haben, daß die Schönheit einer Musik, die ja unsere Seele sehr direkt und averbal beeinflussen kann, in der Informationsabfolge von Noten oder von 0 und 1 auf einer CD Platte steckt, so müssen wir akzeptieren, daß die Vielfalt und Einmaligkeit jedes einzelnen Menschen, seine Persönlichkeit und damit seine Seele in der Struktur unseres Nervensystems verborgen ist. Diese Struktur ist allerdings nicht ein für alle mal festgelegt, sondern wandelt sich von Tag zu Tag.
Literatur
- Zimmer, Dieter E.; Die Vernunft der Gefühle.
- Schwartz, Steven; Wie Pawlow auf den Hund kam.
- P.G.Zimbardo; Psychologie, Springer Verlag, Ein Lehrbuch der Psychologie.
- Reinhard Breuer; Das Rätsel von Leib und Seele; über das Verhältnis von Geist u. Körper. Aus der Reihe »Bild der Wissenschaft«.
- Gerd Jüttemann; Die Seele - Ihre Geschichte im Abendland.
Links
- http://www.gesundheit-psychologie.de/psychologie.htm
- http://www.psychologie.de/katalog/index.html
- http://www.sprachkritik.de/drop/seele.html
- http://omnibus.uni-freiburg.de/~manfrin/lsp.html
- Zum Leib-Seele-Problem
- http://www.cx.unibe.ch/psy/ukp/langpapers
- http://www.cx.unibe.ch/psy/ukp/langpapers/pap1990-93/1990_seele_comic_%26halter.htm
- Wie zeichnet man die Seele
- http://www.hans-hass.de/Energon/427_431_Ueber_das_Wort_Seele.html
- Eine energische Sicht der Seele
- Gerd Jüttemann http://people.freenet.de/juettemann/gerd.htm
Was verstand man 1888 unter der Seele ?
aus Meyers Konversations-Lexikon
Seele (griech. Psyche, lat. Anima), im gewöhnlichen Sprachgebrauch das innere Thätigkeitsprinzip eines lebendigen Wesens, wird in diesem Sinn sowohl
- von dem leblosen Körper als
- von dem vernünftigen Geist (pneuma) unterschieden.
Im wissenschastlichen Sprachgebrauch und zwar sowohl derjenigen, welche die Existenz der Seele leugnen, als jener, welche sie zulassen, bedeutet das Wort den einheitlichen, realen, aber immateriellen Träger der psychischen (oder Bewusstseins- ) Phänomene (Vorstellen, Fühlen, Begehren und Wollen), der sich zu diesen verhält wie die Materie (s. d.) zu den physischen (oder Natur-) Phänomenen (physikalischen, chemischen und biologischen Prozessen).
Gegenstände, an welchen Bewusstseinserscheinungen wahrzunehmen sind (wie der Mensch, das Tier, nach einigen, z. B. Fechner, auch die Pflanze), werden beseelt genannt.
Diese Bezeichnung wird auch aus an sich leblose Dinge (Berge, Flüsse, Ouellen, Gesteine, ja auf das ganze Weltgebäude) übertragen, wenn denselben, wie in den dichterischen, phantastischen und schwärmerischen Weltanschauungen der Mythologie, des Animismus und Fetischismus sowie des Spiritismus geschieht, fälschlich Bewusstseinsakte (Intelligenz, Gemüt, Wille) angedichtet werden (Berg- und Quälgeister, Astral- geister, Weltseele etc.).
Durch das Merkmal der Immaterialität wird die Seele von jedem (angeblichen) materiellen Träger von Bewusstseinsvorgängen, dergleichen der Materialismus (nach dem Grundsatz, daß man der Seele so viel Boden entreißen müsse wie möglich) an deren Stelle zu substituieren sich bemüht (z. B. dem Gehirn oder dem gesamten Nervensystem), unterschieden.
Als einheitlich -realer Träger psychischer Prozesse erscheint die Seele dem gleichfalls einheitlichen, aber nur idealen Träger von solchen (der Ichvorstellung, dem Selbstbewusstsein), welchen der Idealismus an deren Stelle setzen möchte, entgegengesetzt.
Dieselbe kann als immaterielles (nichtsinnliches) Wesen weder ihrer Existenz noch ihrer Natur nach ein Gegenstand der sinnlichen) Erfahrung sein; wohl aber kann auf beide aus (innern) Erfahrungstatsachen geschlossen werden.
Der "Kampf um die Seele" nahm schon im Altertum seinen Anfang und wird bis zum heutigen Tag mit wenig abweichenden Gründen fortgeführt. Die griechischen Psychologen leugneten zwar nicht die Existenz, aber fast durchgehends die Immaterialität der Seele, welche von dem einen für einen lustartigen, von dem andern für einen feuerähnlichen, von den Atomistikern für einen aus kugelförmigen Atomen zusammengesetzten (feinern) Körper und selbst von den ihrem Begriff am nächsten kommenden Denkern (Platon und Aristoteles) für zusammengesetzt aus mehreren (nach dem einen allerdings untrennbaren, nach dem andern aber selbst trennbaren) Teilen erklärt wurde.
Die zuerst von der indischen Sankhyaphilosophie des Kapila ausdrücklich gelehrte Immaterialität der Seele bildete seit Descartes den Gegenstand des Streits zwischen den Spiritualisten, welche die Seele für eine schlechterdings geistige (einfache), mit dem Körper nur während der irdischen Existenz vereinigte Substanz, und den Materialisten, welche dieselbe für eine körperliche (aus Teilen bestehende) und daher mit dem Zerfall des Leibes selbst zerfallende (wenn auch noch so verfeinerte) Stoffmasse gehalten wissen wollten.
Zu beiden kam, nachdem Kant den Schluß von der Einheit des Bewusstseins auf die Einheit der Seele für einen (zwar Unvermeidlichen) Fehlschluß und dadurch Dasein und Wesen der Seele für unerkennbar erklärt hatte, eine dritte Partei, die der Idealisten, hinzu, die an der Stelle der Seele das Ich (das Selbstbewusstsein) für den Träger der Bewusstseinserscheinungen ausgaben.
Die Gründe, welche seitdem gegen und für die Annahme der Seele vorgebracht zu werden pflegen, sind in kurzem folgende.
Gegen dieselbe spricht:
1) daß allerlei angeblich durch Bewusstseinsakte (Vorstellung und Willen) hervorgebrachte Bewegungen (welche sonach auf eine Seele schließen lassen) bei näherer Betrachtung sich als bloß mechanische Vorgänge (sogen. Reflexbewegungen) erwiesen haben (Einwurf des Mechanismus);
2) daß sich sämtliche angeblich psychische Phänomene als physische aus einem materiellen Substrat (das Denken als "Funk- tion" des Gehirns [wie das Verdauen als Funktion des Magens]; die Einheit des Bewusstseins als "Resultierende" aus den in verschiedenen Teilen des [ausgedehnten] Substrats vor sich gehenden Prozessen) erklären lassen, wodurch die Annahme der Seele überflüssig wird (Einwurf des Materialismus);
3) daß es zur Erklärung sämtlicher psychischer Phänomene zwar eines idealen Trägers (des Ichs), aber keines realen (der Seele) bedürfe (Einwurf des Idealismus).
Für dieselbe sprechen a) als negative Gründe:
1) daß, solange nicht alle für psychisch gehaltenen Phänomene als physische (nicht alle angeblich 809 willkürlichen Bewegungen als bloße Reflexbewegungen) erwiesen sind, der Unterschied zwischen beseelten und seelenlosen Dingen fortbesteht (gegen den Me-chanismus);
2) die Einheit des Bewusstseins ist eine Thatsache, die sich aus einem materiellen Substrat desselben als "Resultierende" nicht erklären läßt, da ihr zu dieser Vergleichung unter obiger Annahme der hauptsächlichste Vergleichungspunkt, ein gemeinschaftlicher Angriffspunkt der "Komponenten", fehlen würde (nach Lotze; gegen den Materialismus);
3) der ideale angebliche Träger sämtlicher Bewusstseinsphänomene, das Ich, ist selbst nichts weiter als ein Bewusstseinsphänomen (Ichvorstellung, Selbstbewusstsein), das zu seiner Existenz eines realen Trägers des Bewusstseins (einer Seele) und der Wechselwirkung der innern Zustände desselben (der elementaren psychischen Vorgänge: Empfindungen etc.) bedarf (gegen den Idealismus).
b)Als positive Gründe: 1) die Sinnesempfindungen (des Gesichts, Gehörs etc.) als intensive und die in den Sinnesnerven (des Auges, des Ohrs) vor sich gehenden Bewegungen als extensive Vorgänge sind untereinander (ihrem Inhalt nach) völlig unvergleichbar;
2) dieselben korrespondieren einander zwar, so daß dem psychischen Vorgang (Empfindung) ein gewisser physischer (Bewegung, Nervenreiz) entspricht; aber sie sind weder identisch (Empfindung = Bewegung) noch verschiedene "Seiten" eines Dritten und lassen sich daher auch nicht auf ein und dasselbe Substrat zurückführen;
3) die Einheit des Bewusstseins ist eine Thatsache, welche nur unter Annahme eines atomistisch beschaffenen Seelenwesens (Seelenatom, Monade, einfaches Reale) begreiflich wird. Die Verwertung des auf diesem Wege gewonnenen Begriffs der Seele, um die erfahrungsmäßig gegebenen Bewusstseinsphänomene zu erklären und allgemein gültigen Gesetzen zu unterwerfen, ist Sache der Psychologie (s. d.).
Vgl. E. Kuhn, Die Vorstellungen von Seele und Geist in der Geschichte der Kulturvölker (Berl. 1872); Flügel, Die Seelenfrage (Köthen 1878); Witte, Das Wesen der S. (Halle 1888).