Verfassung
Die Verfassung eines Staates legt die rechtlichen Grundlagen des Staates fest. Sie schreibt zum Beispiel vor, welche Regierungs- und Verwaltungsform der Staat hat und garantiert den Bürgern des Staates in den meisten Fällen Grundrechte und -freiheiten.
In manchen Staaten ist die Verfassung ein schriftliches Dokument, in anderen, zum Beispiel in Großbritannien, besteht sie aus einer Reihe historisch gewachsener Gesetzestexte, die zusammen die derzeitige Verfassung darstellen, aber gleichzeitig den nichtstatischen Charakter der Verfassung betonen. Die Untersuchung verschiedener aktueller oder historischer Verfassungen bezeichnet man auch als Verfassungsvergleichung. Sie ist ein Unterfall der Rechtsvergleichung.
Allgemeines
Rechtsdogmatisch handelt es sich bei dem, was heute üblicherweise unter „Verfassung“ verstanden wird, um eine Verfassung im formellen Sinn, das heißt eine Verfassung in Gesetzesform. Dem gegenüber beschreibt der Terminus Verfassung im materiellen Sinn schlicht all jene Rechtsnormen, die Aufbau und Tätigkeit des Gemeinwesens regeln, unabhängig davon, ob sie in Gesetzesform positiviert sind (beispielsweise wenn die Ältesten eines Stammes einen Beschluss fällen). Eine Verfassung im materiellen Sinn besteht somit in jeder - wenn auch „primitiver“ - Form des menschlichen Zusammenlebens. Eine Verfassung im formellen Sinn ist hingegen eine zivilisatorische Errungenschaft, die grundlegenden Rechte und Pflichten im Gemeinwesen mit Rechtssicherheit regelt.
Am 3. Mai 1791 wurde in Polen die erste moderne Verfassung in Europa verabschiedet, die zweite auf der Welt nach den Vereinigten Staaten. Der 3. Mai ist in Polen immer noch ein nationaler Feiertag.
In zahlreichen Staaten gibt es ein Verfassungsgericht, das feststellt, ob einzelne Gesetze oder Regierungsakte in Einklang mit der Verfassung sind (siehe Bundesverfassungsgericht in Deutschland oder den Supreme Court of the United States; diese Funktion nimmt in den Ländern, beispielsweise in Bremen, der Verfassungsgerichtshof oder auch Staatsgerichtshof wahr). In der iranischen Verfassung hat der so genannte Wächterrat die Funktion eines Verfassungsgerichts mit letzter Kompetenz in allen Entscheidungen. Er trifft seine Entscheidungen gemäß der imamitischen Form der Schari'a. Siehe auch islamische Rechtsschulen.
Eine unzureichende Regelung von Zuständigkeiten und Verwaltungsabläufen kann zu einer Verfassungskrise führen.
Unter dem Schlagwort „corporate government“ gehen auch Unternehmen dazu über, sich eine Verfassung zu geben, insbesondere um eine größere Transparenz gegenüber Eigentümern und Mitarbeitern zu schaffen.
Die Präambel einer Verfassung
Üblicherweise haben Verfassungen eine Einleitung (Präambel), in welcher eine Erklärung gemacht wird oder eine höhere Macht über dem Staat bekundet wird.
Aktuell gültige Verfassungen
Deutschland
Für die Bundesrepublik Deutschland gibt es das Grundgesetz; da die einzelnen Bundesländer eigene Staaten sind (Kennzeichen: Staatsvolk, Staatsgewalt und Staatsgebiet), hat jedes Land seine eigene individuelle (Landes-)Verfassung. Jedoch muss diese Verfassung den „Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne [des] Grundgesetzes entsprechen“ – Artikel 28 Absatz 1 Grundgesetz[1].
- Verfassungen deutscher Bundesländer
Hauptartikel: Landesverfassung
- Baden-Württemberg: Verfassung des Landes Baden-Württemberg
- Bayern: Verfassung des Freistaates Bayern
- Berlin: Verfassung von Berlin
- Brandenburg: Verfassung des Landes Brandenburg
- Bremen: Verfassung der Freien Hansestadt Bremen
- Hamburg: Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg
- Hessen: Verfassung des Landes Hessen
- Mecklenburg-Vorpommern: Verfassung (Mecklenburg-Vorpommern)
- Nordrhein-Westfalen: Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen
- Niedersachsen: Niedersächsische Verfassung
- Rheinland-Pfalz: Verfassung für Rheinland-Pfalz
- Saarland: Verfassung des Saarlandes
- Sachsen: Verfassung des Freistaates Sachsen
- Sachsen-Anhalt: Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt
- Schleswig-Holstein: Verfassung (Schleswig-Holstein)
- Thüringen: Verfassung (Thüringen)
Liechtenstein
Österreich
- Verfassungen der österreichischen Bundesländer
siehe auch: Österreich, Zweite Republik Österreich (seit 1945)
Schweiz
Europäische Union
- Europäische Union: Vertrag über eine Verfassung für Europa (nicht in Kraft)
- Mitgliedsstaaten
- Irland: Verfassung von Irland
- Lettland: Verfassung Lettlands
- Schweden: Verfassung von Schweden
- Spanien: Verfassung des Königreiches Spanien
- Aufnahmekandidaten und assoziierte Staaten
Weitere Verfassungen
- Chile: Verfassung Chiles
- Ghana: Verfassung Ghanas
- Irak: Irakische Verfassung
- Japan: Japanische Verfassung
- Kanada: Verfassung von Kanada
- Russland: Verfassung Russlands
- Ukraine: Verfassung der Ukraine
- Vatikanstadt: Verfassung der Vatikanstadt
- Vereinigte Staaten von Amerika: Verfassung der Vereinigten Staaten
Historische Verfassungen
Preußen
Deutscher Bund
Deutsches Reich
- Verfassung der Paulskirche (Verfassung des Deutschen Reichs, 1849)
- Bismarcksche Reichsverfassung (Verfassung des Deutschen Reiches, 1871)
- Weimarer Verfassung (Verfassung des Deutschen Reiches, 1919–1945)
DDR
- Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (1949, neu 1968, revidiert 1974)
Österreich
- Oktroyierte Märzverfassung
- Februarpatent
- Silvesterpatent
- Oktoberdiplom
- Dezemberverfassung für Cisleithanien vom 21. Dezember 1867; Österreich-Ungarn (1867-1918) hatte keine Verfassung
- Maiverfassung 1934 des Ständestaates; siehe auch: Erste Republik Österreich (1918–1938)
Weitere historische Verfassungen
- Dritte Republik Polen
- Erste Französische Republik, Zweite Französische Republik, Dritte Französische Republik, Vierte Französische Republik, Fünfte Französische Republik
- Erste Spanische Republik, Zweite Spanische Republik
- Erste Portugiesische Republik
Siehe auch
Literatur
Verfassungsgeschichte:
- Ernst Rudolf Huber (Hrsg.): Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, 5 Bde., Stuttgart, Berlin, Köln 1978-1997.
Verfassungstexte:
- Albert P. Blaustein et al., Constitutions of the Countries of the World, Oceana, New York, ISBN 0-379-00467-4
Sekundärliteratur:
- Kenneth Robert Redden, Modern Legal Systems Cyclopedia, Buffalo, New York, ISBN 0899413005
- Gerhard Robbers (Hrsg.): Encyclopedia of World Constitutions, 3 Bde., Facts on File Publ., New York 2006 (englisch).
Zeitschriften:
- Peter Häberle (Hrsg.): Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Mohr-Siebeck, Tübingen (auch deutsch).
- Brun-Otto Bryde et al. (Hrsg.): Verfassung und Recht in Übersee. Law and politics in Africa, Asia and Latin America, Nomos, Baden-Baden (auch deutsch).
- Michel Rosenfeld et al. (Hrsg.), International Journal of Constitutional Law, Oxford University Press, ISSN 1474-2659 (englisch)
Weblinks
- Gegenwärtige und historische nationale und internationale Verfassungstexte – verfassungen.de
- Historische deutsche Verfassungen – documentArchiv.de
- Internationale Verfassungsrechtstexte – Uni Bern (englisch)
- Institut für Europäisches Verfassungsrecht der Universität Trier, Verfassungen weltweit (deutsch, englisch, französisch)
- Constitution Finder, Verfassungen weltweit