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Porphyrie

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Klassifikation nach ICD-10
E80 Störungen des Porphyrin- und Bilirubinstoffwechsels
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ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Unter den Porphyrien versteht man eine Gruppe erblicher Stoffwechselerkrankungen, die mit einer verminderten Produktion von rotem Blutfarbstoff Häm einhergehen. Betroffen sind die Enzyme der Hämbiosynthese - je nachdem, welches der acht Enzyme einen Defekt aufweist, reichern sich spezifische Zwischenprodukte der Hämsynthese in den verschiedenen Organen an und verursachen die für die jeweilige Porphyrie typischen Symptome. Der Name leitet sich von der ringförmigen Grundstruktur des Häm ab, dem Porphyrin.

Formen der Porphyrie

Es existieren sieben Formen genetisch bedingter Porphyrien: Die Häm-Gruppe (roter Blutfarbstoff) wird in acht Schritten aus einfachen Vorstufen aufgebaut, jeder Schritt wird katalysiert von einem spezifischen Enzym. Je nachdem, welches der Enzyme eine eingeschränkte Aktivität zeigt, reichert sich ein anderes Stoffwechselprodukt an und verursacht die jeweiligen Symptome. Man unterteilt die Porphyrien grob in zwei Gruppen, zwischen denen es aber Überschneidungen der Symptome gibt.

Die akuten oder akuten hepatischen Porphyrien gehen mit Attacken plötzlicher starker Bauchschmerzen einher, je nach Erkrankung und Schweregrad treten Leberprobleme und neurologische Ausfälle auf. Kutane Porphyrien zeigen eine schmerzhafte Lichtempfindlichkeit, auch die Leber kann in Mitleidenschaft gezogen werden.

Erythropoetische Porphyrien:

Hepatische Porphyrien:

Erworbene Porphyrien Vergiftungen z. B. mit Blei oder bestimmten Pflanzenschutzmitteln schädigen Enzyme der Häm-Biosynthese und verursachen die gleichen Symptome wie die jeweilige genetisch bedingte Porphyrie.

Symptome

Akute Porphyrien: Charakteristisch ist der schubweise Verlauf, folgende Symptome können, müssen aber nicht in jedem Fall auftreten:

Auslöser für Attacken sind Medikamente (!), viele Arten von chemischen Substanzen, Hormone (Menstruation, "Pille", Stress), Hungerzustände und andere Faktoren. Problematisch ist, vor allem bei undiagnostizierten Fällen, dass viele Medikamente nicht vertragen werden und zu einer Verschlimmerung des Zustandes des Patienten führen (Medikamente führen über die Aktivierung eines körpereigenen Entgiftungssystems zu einer vermehrten Hämgruppen-Synthese, was die Menge an Häm-Zwischenprodukten erhöht und damit die Symptome verschlimmert).

Eine Liste mit als sicher eingestuften Medikamenten findet sich auf der Homepage der Europäischen Porphyrie Initiative EPI. Da viele Fälle von Porphyrie nicht erkannt werden (keine sichtbare Veränderung des Abdominaltraktes!) und neurologische Ausfälle auftreten können, werden die Patienten nicht selten als psychisch krank eingestuft.

Kutane Porphyrien: Charakteristisch ist bei den kutanen Porphyrien die starke, extrem schmerzhafte Lichtempfindlichkeit der Haut gegenüber UV-A-Licht und sichtbarem Licht (Sonnencreme schützt nicht!), Hautschäden durch oxidative Gewebeschädigung führen zu:

  • Vernarbungen (Porphyria cutanea tarda (PCT)),
  • Vernarbungen, Absterben des Gewebes und Einlagerung der Porphyrine in die Zähne und Knochen (Morbus Günther (CEP), sehr selten),
  • oder aber in frühen Stadien keinerlei sichtbare Veränderungen an der Haut, bei langer Sonnenexposition Schwellungen und großflächige Verbrennungen des Gewebes (Erythropoetische Protoporphyrie (EPP))
  • Die Leber kann durch Porphyrineinlagerungen bis zur Leberzirrhose geschädigt werden.

Medikamente stellen für Patienten mit kutanen Porphyrien keine erhöhte Gefährdung dar.

Erbliche Porphyrien sind sehr seltene Erkrankungen (z. B. ist von EPP ca. 1 Mensch von 100.000 in Deutschland betroffen), die meist einen komplizierten Erbgang aufweisen (Überspringen mehrerer Generationen etc.) und daher häufig nicht erkannt werden. Als potenziell lebensbedrohliche Erkrankungen stellt dies einen nicht unerheblichen Risikofaktor für die Betroffenen dar.

Therapie

Akute Porphyrien Da der Enzymdefekt nicht zum vollständigen Fehlen funktionaler Enzyme führt, treten Schübe immer dann auf, wenn der Körper einen erhöhten Bedarf an Häm hat, beispielsweise während der Menstruation. Eine spezifische Therapie gibt es nicht. Als Vorbeugung ist Enthaltung von Noxen zu empfehlen, die einen Schub auslösen können (Expositionsprophylaxe). Eine spezielle Diät, aber auch Enthaltung von chemischen Noxen wie bestimmten Medikamenten oder Alkohol, kann das Risiko eines Schubes senken.

Porphyrieschübe können durch die Gabe hoher Kohlenhydratmengen (Glukose) oder Hämin symptomatisch therapiert werden. Hämin ( Markenname Normosang ) sollte nicht mit Hämatin verwechselt werden.

Kutane Porphyrien Vermeidung von (Sonnen)-Licht und allen leberschädigenden Substanzen (Alkohol etc.). Eine ursächliche Therapie existiert bisher nicht.

Chemie der Porphyrine

Porphyrine bezeichnen eine chemische Stoffklasse von farbigen Molekülen (griechisch πορφυρ[ί]α, porfir[í]a, nach der chemischen Stoffklasse der Porphyrine, diese nach griechisch πορφυρά, porphyrá, dem Purpurfarbstoff). Das in roten Blutkörperchen vorkommende, sauerstoff-transportierende Protein Hämoglobin (der rote Blutfarbstoff) enthält als prosthetische Gruppe das Häm, ein Eisen(II)-Porphyrin, das aus Tetrapyrrol als Grundkörper aufgebaut ist. In seinem Zentrum ist ein Eisenion, das für die Sauerstoffbindung unabdingbar ist, komplexiert. Bei Störungen der Hämsynthese entstehen stattdessen regelwidrig andere Porphyrine, die Namensgeber der Porphyrie. Bei diesen Porphyrinen ist kein Eisenion im Stickstoffring verankert. Da Häm auch Bestandteil von vielen weiteren Proteinen wie Cytochromen oder Myoglobin ist, bedingt dieser zentrale Ort der Störung der Biosynthese eine Fülle unterschiedlichster Symptome bei Porphyrie in den verschiedenen Systemen: Nerven- und Verdauungssystem, innere Atmung, Haut und Psyche.

Historische Persönlichkeiten, die vermutlich an einer Porphyrie litten:

  • Friedrich Wilhelm I. (1688–1740), König in Preußen. Angesichts der Wutanfälle (z. B. gegenüber seinem Sohn Friedrich), für die der „Soldatenkönig“ geschichtlich berüchtigt war, wird bei Friedrich Wilhelm I. Porphyrie vermutet.
  • Georg III. (1738–1820), König von England. Anscheinend litt er an Porphyrie. Die Medikamente, die ihm vom königlichen Leibarzt meist unter Zwang verabreicht wurden, enthielten vermutlich Arsen-Verunreinigungen. Dies würde die langen und ausgeprägten Wahnsinnsanfälle erklären.[1]
  • Jean-Jacques Rousseau (1712–1778), französisch-schweizerischer Philosoph, litt laut Christoph Kunze neueren Forschungen zufolge an Porphyrie (siehe Nachwort von Christoph Kunze, in: Jean-Jacques Rousseau Die Bekenntnisse / Die Träumereien des einsamen Spaziergängers, Artemis & Winkler Dünndruckausgabe, S. 766).
  • Auch bei Vincent van Gogh wird vermutet, dass er sich in einem Porphyrieanfall befand, als er sich das rechte Ohr abschnitt und es zu einer Prostituierten brachte.
  • Werwolf- und Vampirlegenden werden manchmal auf Porphyrien zurückgeführt, was aber sehr spekulativen Charakter hat und nicht belegt ist. Die Symptome wie Lichtempfindlichkeit, krampfartige Anfälle und das Zurücktreten von Lippen (das zur Annahme des Hervorstehens der Eckzähne führt), passen nur theoretisch. Die von dem kanadischen Biochemiker David Dolphin aufgestellte Behauptung, Porphyrieerkrankte hätten früher zur Eigntherapie Blut getrunken, ist von der Fachwissenschaft als absurd zurückgewiesen worden, findet sich aber häufig in schlecht recherchierten Handbüchern und auf Websites zum Thema Vampire. Manche Porphyrieerkrankte halten sich außerdem selbst für Vampire und verhalten bzw. kleiden sich auch dem entsprechend.

Literatur

Fachliteratur

  • Die Erstbeschreibung der Porphyrie geschah durch Günther, Hans: Die Hämatoporphyrie. In: Dtsch. Arch. f. Klin. Med., 1912, 105, S.en 89-146.
  • Gutiérrez, Pamela Poblete et al. (2004): Diagnostik und Therapie der Porphyrien: Eine interdisziplinäre Herausforderung. Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 18 vom 30.04.2004[1]
  • Vetter, Christine (2006): Porphyrien- Erhebliche Dunkelziffer. Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 38 vom 22.9.2006 [2]
  • Günther, Hans: Die Bedeutung der Hämatoporphyrine in Physiologie und Pathologie. In: Ergebnisse der allgemeinen Pathologie u. pathologischen Anatomie 1922. Jg. 20, Abt. 1. S. 608-764. München u. Wiesbaden 1922.
  • Waldenström, Jan: Studien über Porphyrie. Stockholm 1937. In: Acta med. scand., 1937, Suppl. 82.
  • Macalpine, Ida und Richard Hunter: The insanity of King George III, a Classic Case of Porphyria. British Medical Journal (BMJ) (1966), S. 65-71.
  • Macalpine, Ida; Hunter, Richard; Rimington, C.: Porphyria in the Royal Houses of Stuart, Hanover, and Prussia - A Follow-up Study of George III's Illness. In: Brit. med. Journal. 1968, 1, 7-18.
  • Macalpine. I. and R. Hunter: Georg III and the Mad Business. Penguin, London 1969.
  • Claus A. Pierach und Erich Jennewein: Friedrich Wilhelm I. und die Porphyrie. Sudhoffs Archiv. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte. Bd. 83 (1999), Heft 1. S. 50-66.
  • John C.G. Röhl, Martin Warren & David Hunt: Purple Secret. Genes, Madness’ and the Royal Houses of Europe. London 1998 und 1999.

Literarische Verarbeitung

Isabel Allende: Paula, Chile 1994 -- Buch über die Tochter Paula, die an Porphyrie litt, der Schriftstellerin Isabel Allende.

Fußnoten

  1. Martin Warren (Universität Kent) et al.: The Lancet, Bd. 366, Seite 332 kurzer Bericht darüber