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KZ Mittelbau-Dora

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Datei:Konhstein (Brähne-Zeichnung).jpg
Kohle-Zeichnung von Werner Brähne. Abgebildet ist der Stollenausbau im Kohnstein im Herbst 1943. Brähne war Ingenieur und arbeitete bis zum Kriegsende für die Mittelwerk GmbH.

Das Konzentrationslager Dora, auch Dora Mittelbau oder Mittelwerk und als Gedenkstätte Mittelbau-Dora genannt, wurde am 28. August 1943 als Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald am Südhang des Kohnsteins bei Nordhausen in Thüringen gegründet. In dem Werk wurde vor allem die „Vergeltungswaffe 2” (V2) produziert. Die Anlage im Kohnstein war die größte unterirdische Rüstungsfabrik des Zweiten Weltkrieges. Im Mai 1945 hatten die angelegten Stollen eine Gesamtlänge von ca. 20 km. Damit zählt der Dora-Mittelbau auch heute noch zu den größten unterirdischen Anlagen der Welt.

Ursprünglich lagen Forschung und anfängliche Produktion der Rakete auf Usedom bei der dortigen Heeresversuchsanstalt Peenemünde. Nach deren Bombardierung („Operation Hydra”) durch britische Bomber in der Nacht vom 17. auf den 18. August 1943 sollte die eigentliche Produktion der V2 unter die Erde verlegt werden, um sie vor weiteren Bombenangriffen zu schützen und möglichst geheim zu halten.

Datei:Brief Wifo.jpg
Die "Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft m.b.H."trug als Trägergesellschaft des KZ Dora-Mittelbau zusammen mit der SS die Hauptverantwortung für die gnadenlose Ausbeutung der KZ-Häftlinge

Bau des Lagers

Hinter der Dienststelle F.P.-Nr.56147 verbargen sich die "Mittelwerke". Der Brief dokumentiert mit dem Fehlen jeglicher Ortsangaben die gewollte Geheimhaltung

Als Produktionsort wählte man den Kohnstein bei Nordhausen, wo bereits im Jahre 1936 eine unterirdische Anlage im Auftrag der Wifo (Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft) angelegt worden war; ursprünglich sollte hier ein unterirdisches Treibstofflager entstehen. Die bereits existierenden Stollen wurden dann ab 1943 zum Produktionsort für die V2 umgebaut. Während der gesamten Nutzungsdauer wurden Stollen von insgesamt ca. 20 km Länge in den Berg getrieben. Der erste Häftlingstransport mit 107 Häftlingen erreichte den Kohnstein am 28. August 1943, nur zehn Tage nach der Zerstörung der Anlagen in Peenemünde. Allerdings gab es zu diesem Zeitpunkt noch kein Lager. Es existierte lediglich der Stollen, der anfangs auch zur Unterkunft für die Häftlinge wurde. Es wurde nicht gleich mit der Produktion begonnen, sondern zunächst die Böden in den Stollen betoniert, Straßen gebaut, Gleise verlegt, weitere Kammern angelegt und die großen Produktionsmaschinen eingebaut. Sämtliche Arbeiten wurden durch die Häftlinge ausgeführt, meist ohne besondere Transport- oder Hilfsmittel.

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Als Koordinator zwischen den Industriewerken "Mittelwerke" und dem KZ Mittelbau-Dora fungierte Paul Figge. Die Tarnbezeichnung lautete "8716" (Feldpoststempel). Der Tarn-Poststempel diente ebenfalls der umfangreichen Geheimhaltung

In der Anfangszeit waren die Lebensbedingungen für Häftlinge extrem schlecht. In den ersten Monaten starben bereits tausende von ihnen an Entkräftung, Unterernährung, sowie an Lungenkrankheiten, hervorgerufen durch den Staub der Sprengungen. In dieser ersten Phase war auch die medizinische Versorgung für die Häftlinge unzureichend. Man hatte eine Kammer als Ambulanz eingerichtet, was jedoch nicht ausreichte, um die Kranken zu behandeln.

Die Häftlinge trieben zwei parallel laufende Stollen (genannt Tunnel A und B) in den Berg. In den Stollen waren Eisenbahnschienen verlegt, um die für die Produktion benötigten Teile in den Berg, und die fertigen Raketen hinauszutransportieren. Tunnel A und B waren jeweils ca. 1.8 km lang und hatten eine Höhe von ca. 30 m. Untereinander verbunden wurden sie von insgesamt 46 quer laufenden Tunneln. Die Gesamtlänge aller Tunnel betrug ca. 20 km, die Gesamtfläche lag bei über 250.000m².

Die Produktion

Die eigentliche Produktion der V2 begann erst ein halbes Jahr nach der Gründung des Lagers, im Januar 1944. Der Raketeningenieur Arthur Rudolph setzte die Zwangsarbeiter des KZ zum Bau der V2 ein. Erst im Nachhinein wurde ein Lager für die Häftlinge errichtet, die dieses im Frühjahr beziehen konnten. Durch den Umzug der Häftlinge aus den Stollen in das Lager verbesserten sich die Lebensbedingungen etwas.

Im Sommer 1944 kam zusätzlich noch die Produktion der V1 Flügelbombe hinzu. Des Weiteren produzierte die Firmen Heinkel und Junkers in den unterirdischen Stollen Flugzeuge bzw. Flugzeugmotoren.

Das Konzentrationslager Mittelbau

Datei:KZ Dora-Mittelbau.jpg
Postkarte eines Häftlings aus dem KZ Dora-Mittelbau

Im Herbst 1944 wurde das Außenlager Dora organisatorisch vom Stammlager Buchenwald abgetrennt und umbenannt in „Konzentrationslager Mittelbau”. Bis zum April 1945 wurde in der umgebenden Region ein dichtes Netz von insgesamt ca. 40 Außenlagern aufgebaut. Jedes dieser Lager hatte in dem Komplex seine Funktion, wobei Mittelbau als Zentrale funktionierte.

Datei:Albert Kuntz.jpg
Der deutsche Antfaschist Albert Kuntz war im Häftlingswiderstand. Er wurde im KZ Mittelbau-Dora von der SS ermordet

Hierbei gab es drei verschiedene Arten von Lagern: Produktions-, Bau- und Sterbelager. Häftlinge, die in Produktionskommandos (z.B. Lager Rottleberode, Lager Kleinbodungen, usw.) „abgearbeitet” waren, wurden in die Baulager (z.B. Lager Ellrich, Lager Harzungen, usw.) verlegt und mussten dort Schwerstarbeit auf den einzelnen Baustellen leisten, z.B. beim unvollendeten Bau der Helmetalbahn, mit der der überregionale Verkehr der Südharzstrecke um den Bereich des KZ herum geführt werden sollte. Aufgrund der schweren körperlichen Arbeit wurden die Häftlinge auch hier sehr schnell „unbrauchbar” und wurden anschließend in sogenannte Sterbelager (z.B. Lager Boelcke-Kaserne) abgeschoben, wo sie zum größten Teil ohne medizinische Betreuung sich selbst überlassen wurden.

Die Befreiung des Lagers

Das Lager wurde schließlich am 11. April 1945 durch die 1. US-Armee befreit. Allerdings kam für die Mehrheit der Häftlinge die Hilfe zu spät, da sie bereits auf Evakuierungstransporte und sogenannte Todesmärsche geschickt worden waren. Lediglich die Kranken und Sterbenden wurden zurückgelassen. Diese Todesmärsche führten zu den Konzentrationslagern Bergen-Belsen, Sachsenhausen (Oranienburg) und auch in die Lübecker Bucht (siehe Cap Arcona), wo zahlreiche Lagerinsassen bei der Versenkung der dortigen Schiffe durch alliierte Bombardierungen ums Leben kamen. 1.016 Häftlinge wurden in einer Scheune bei Gardelegen bei lebendigem Leib verbrannt.

Während der 18 Monate, die das Lager existierte, haben etwa 60.000 Häftlinge aus 21 Nationen den Komplex Mittelbau passiert; 20.000 von ihnen sind in dem Lager gestorben.

Viele Technikbegeisterte sehen in der Raketenproduktion in Dora-Mittelbau eine technische Meisterleistung. Bei Betrachtung der Opferzahlen wird jedoch deutlich, dass hier Entwicklung und Fortschritt rücksichtslos mit dem Leben und der Gesundheit von Menschen bezahlt wurden. Unter normalen – menschlichen – Umständen hätten sich die ehrgeizigen „Raketenpioniere” kaum ihren „zehnjährigen technischen Vorsprung” verschaffen können. Dieser Schatten wird für immer über der „Wiege der Raumfahrt” liegen.

Heute steht das Konzentrationslager Mittelbau als Paradigma für die Zwangsarbeit, die während der Zeit des Nationalsozialismus geleistet wurde.

Nutzung nach dem Krieg

Nach der Räumung des Inventars durch US- und Sowjet-Kräfte und der kurzzeitigen Nutzung als Flüchtlingsunterkunft und Lazarett blieb Mittelbau-Dora lange Jahre unbeachtet. Lediglich am 11. April 1946 wurde am Krematorium von der sowjetischen Besatzungsmacht ein Mahnmal errichtet, sowie 1954 das Krematorium selbst als Ehrenmal eingeweiht.

Nachdem die Sowjets die Demontage der Anlagen beendet hatten, versuchten sie, das komplette Stollensystem von Mittelbau-Dora mit 196 Waggonladungen Altmunition und Sprengstoff zu sprengen. Dies scheiterte zum Teil, da der Explosionsdruck durch die Lüftungsschächte entwich und nur die Stollenauskleidungen einstürzten, in denen die Sprengladungen gezündet wurden. Daraufhin sprengte man nur die vier Nord- und Südeingänge der Hauptstollen A und B, sowie die Nordstollen C, C1, D und D1. Die C und D - Bereiche wurden in den 70er Jahren wieder aufgefahren, die C-Stollen dienten als belüftetes, später 3 Räume als zwangsgekühltes Gemüselager. Die Bergtemperatur: 8 °C, die rel. Luftfeuchte: 60 % erlaubte Getreidelagerung und Lagerung von Schrauben etc. für das Fernmeldewerk. Der D-Stollenbereich diente als Kartoffelllager. Vom C- Bereich über den Lüftungsschacht war der A - B-Bereich völlig trocken und begehbar. Die 160 m langen ehemaligen Produktionskammern waren teils eingestürzt (Von 9 m Firsthöhe war etliches herabgestürzt - die Schwärzung durch Pulverdampf war in großen Teilen durch helles Anhydritgestein beseigt). Nach den Demontagen waren nur Luftkanäle, Werkbänke und z.B. ein Glühofen auffällig.

Datei:Mahnung.jpg
Das von der DDR errichtete Mahnmal
Platz und Denkmal vor dem Krematorium des KZ Mittelbau-Dora bei Nordhausen, hier bei einer Gedenkveranstaltung
wieder aufgebaute Baracke
Krematorium
Waggon in denen die Häftlinge transportiert wurden

Erst 1966 wurde die „Mahn- und Gedenkstätte Mittelbau-Dora” eröffnet. Die Ausstellungen im zum Museum umgebauten Krematorium fokussierten sich jedoch auf das Thema des 'antifaschistischen Widerstand' und überdeckten damit andere, nicht-politische Schicksale. Zum 50. Jahrestag 1995 wurde die Gedenkstätte mit einem neuen Konzept, welches allerdings bewusst auch weiter Elemente aus der DDR-Zeit enthält, wieder eröffnet. Durch einen neu angelegten Zugang, mit dessen Bau bereits 1988 begonnen worden war, ist seitdem auch ein sehr kleiner Teil des Stollensystems mit Schlaf- und Produktionsräumen wieder für die Öffentlichkeit im Rahmen von Führungen zugänglich.

Im Frühjahr 2005 wurde das neue Hauptgebäude eingeweiht, in dem im September 2006 eine neue Dauerausstellung eröffnet wurde.

Von den oberirdischen Gebäuden ist mit Ausnahme des Krematoriums, eines Feuerwehrhauses und einer Baracke nichts oder nur noch die Grundmauern zu sehen. Die Stollenanlage selbst ist in weiten Bereichen vom Grundwasser geflutet und möglicherweise in Folge des industriellen Bergbaus der näheren Umgebung eingestürzt.

Die heute sichtbare Baracke wurde aus Teilen mehrerer Originalgebäude wiedererrichtet. In den 1950er Jahren wurden zwei Baracken auf dem ehemaligen KZ-Gelände abgebaut und auf dem Gelände einer nahegelegenen Zigarettenfabrik wieder aufgebaut, wo sie lange Zeit als Betriebskindergarten bzw. Kegelbahn dienten. Erst Anfang der 90er Jahre wurden die Baracken wieder an ihren Ursprungsort zurückgebracht, wo dann aus beiden eine möglichst originalgetreue Baracke zusammengebaut wurde.

Das Tunnel-System war nach der Wiedervereinigung Deutschlands Schauplatz zahlreicher Plünderungen durch Schatzsucher und Trophäensammler, die sich Einlass über den ungesicherten Zugang des Bergwerkes im nördlichen Teil des Kohnstein verschafften. Willi Kramer, ein deutscher Archäologe, der 1992 und 1998 Tauchgänge im Tunnelsystem absolvierte, schätzt, dass bisher ca. 70 Tonnen Material gestohlen wurden. Erst 2004, als der Betreiber des Bergwerkes Konkurs anmeldete, konnte auch der Hintereingang versperrt werden.[1]

Das Dora-Komitee

Im Sommer 1990 gründeten ehemalige Dora-Häftlinge aus Frankreich, Belgien und Tschechien auf Initiative von Jacques Brun (* 20. November 1921 in Paris, † 8. Juli 2007 ebenda) das europäische Komitee Dora, Ellrich, Harzungen et Kommandos „Pour la Mémoire“. Bis 1996 stand Brun als Generalsekretär an der Spitze des Komitees, das gegründet wurde, um die Erinnerung an die im KZ Mittelbau-Dora begangenen Verbrechen international wach zu halten. 1995 initiierte Jacques Brun die Gründung des Vereins „Jugend für Dora“ und rief die Jugendlichen dazu auf, die Erinnerungsarbeit gegen das Vergessen der nationalsozialistischen Verbrechen fortzusetzen. Jacques Brun war als junger Mann von den Nationalsozialisten festgenommen und im August 1944 in das KZ Buchenwald eingeliefert worden. Von dort hatte ihn die SS im September 1944 in das KZ Mittelbau-Dora überstellt. Später war er in das KZ-Außenlager Ellrich verlegt worden, von wo ihn die SS Anfang April 1945 auf einen Todesmarsch schickte, den er überlebte. [2]

Quellen

  1. Sebastian Christ: Überreste eines Mordregimes Spiegel Special, 03/2006
  2. www.dora.de Pressemitteilung der Gedenkstätte Mittelbau-Dora vom 8. Juli 2007

Siehe auch

Literatur

  • Jens-Christian Wagner: Produktion des Todes. Das KZ Mittelbau-Dora, Wallstein 2001
  • Frank Baranowski: Die verdrängte Vergangenheit. Rüstungsproduktion und Zwangsarbeit in Nordthüringen, Mecke, Duderstadt 2000, 192 Seiten
  • Joachim Neander: „Hat in Europa kein annäherndes Beispiel”, Metropol 2000
  • Rainer Eisfeld: Mondsüchtig. Wernher von Braun und die Geburt der Raumfahrt aus dem Geist der Barbarei, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2000, 285 Seiten
  • Manfred Bornemann: Geheimprojekt Mittelbau, Bernard & Graefe Verlag, Bonn 1994, 238 Seiten
  • André Sellier Zwangsarbeit im Raketentunnel. Geschichte des Lagers Dora Lüneburg: Zu Klampen, 2000 ISBN 3924245959 (Sellier war selbst Häftling in D-M.) Aus dem Franz.(1998)- Engl. A History of the Dora Camp Chicago: Dee, 2003 ISBN 156663511X
  • dsb. und Yves le Maner Bilder aus Dora: Zwangsarbeit im Raketentunnel 1943-1945 Hg. Deutsches Museum, München, Übers. Waltraud Gros; Bad Münstereifel: Westkreuz, 2001 (Images de Dora, dt.) ISBN 3929592592
  • Angela Fiedermann, Torsten Hess, Markus Jäger: Das Konzentrationslager Mittelbau Dora. Ein historischer Abriss Westkreuz-Verlag, Bad Münstereifel 1993, 112 Seiten
  • Alvin Gilens: Discovery and despair: Dimensions of Dora. Aufbruch und Verzweiflung: Dimensionen von Dora Westkreuz-Verlag, Bad Münstereifel 1995

Filme

  • Eberhard Görner: KZ Mittelbau-Dora – Erinnerung an die Hölle (Doku)
Commons: Mittelbau-Dora – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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