Nacht und Nebel (Film)
| Film | |
| Titel | Nacht und Nebel |
|---|---|
| Originaltitel | Nuit et brouillard |
| Produktionsland | Frankreich |
| Originalsprache | Französisch |
| Erscheinungsjahre | 1955 |
| Länge | 32 Minuten |
| Stab | |
| Regie | Alain Resnais |
| Drehbuch | Jean Cayrol |
| Produktion | Anatole Dauman Samy Halfon Philippe Lifchitz |
| Musik | Hanns Eisler |
| Kamera | Ghislain Cloquet Sacha Vierny |
| Schnitt | Alain Resnais |
| Besetzung | |
| |
Nacht und Nebel (Originaltitel: Nuit et brouillard) ist ein französischer Dokumentarfilm über die sogenannte Nacht-und-Nebel-Aktion des NS-Staates, bei der des Widerstandes verdächtige Personen spurlos verschwanden und heimlich in die Konzentrationslager des Dritten Reichs deportiert wurden. Der Film wurde 1955 von Anatole Dauman auf Initiative des Historikers Henri Michel produziert. Regie führte Alain Resnais. Die Filmmusik schrieb Hanns Eisler (1898-1962).
Titel
Der Filmtitel bezieht sich auf einen „Führererlass“ vom 7. Dezember 1941, der im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher als „Nacht-und-Nebel-Erlass“ bezeichnet wurde. Danach wurden Zivilisten, die von Besatzungsbehörden oder Kollaborateuren einer Straftat gegen das Deutsche Reich beschuldigt wurden, entweder sofort zum Tod verurteilt und hingerichtet oder ohne jede Information anderer aus den besetzten Gebieten nach Deutschland verschleppt. Dieses spurlose „Verschwindenlassen“ sollte mutmaßliche Saboteure, Partisanen oder Widerstandskämpfer abschrecken und sie nicht als Märtyrer erscheinen lassen.
Nach diesem Erlass inhaftierte Gefangene wurden in den Konzentrationslagern als „NN-Häftlinge“ bezeichnet und erhielten als Aufnäher auf der Häftlingskleidung die Markierung „NN“. Die Betroffenen wurden oft nachts heimlich festgenommen, entführt und abtransportiert; sie blieben in den Konzentrationslagern völlig von der Außenwelt isoliert. Die deutschen Behörden gaben ihren Angehörigen und der Bevölkerung nichts von ihrem weiteren Schicksal bekannt. Jeder Kontakt wurde unterbunden; den Verschleppten waren Empfang und Versand von Briefen verwehrt.
Künstlerische Form
Nuit et brouillard dauert 32 Minuten und kombiniert Dokumentaraufnahmen und Archivmaterial in Schwarzweiß mit farbigen Sequenzen, die die zerfallenden Vernichtungslager KZ Auschwitz-Birkenau von 1955 zeigen. Beide Darstellungsebenen sind filmtechnisch genau und kontrapunktisch aufeinander bezogen.
Die farbigen Bildsequenzen sind mit einem Text des französischen Schriftstellers Jean Cayrol unterlegt. Dieser hatte sich 1940 der französischen Widerstandsbewegung angeschlossen, war 1943 inhaftiert und in das KZ Mauthausen deportiert worden. Sein poetischer Monolog erinnert an die Alltagswelt der Konzentrationslager, die dort erlebte Quälerei, Demütigung, an Terror und Vernichtung. Die deutsche Übersetzung stammt von Paul Celan; sie weicht aus poetischen Gründen manchmal vom Original ab und blieb für Jahrzehnte die einzige gedruckte Version. Erst 1997 wurde der französische Filmtext gedruckt.
Die Musik von Hanns Eisler ist eindringlich und auf die Bildsequenzen bezogen. Eislers Beitrag wurde im damaligen Kalten Krieg kaum angemessen gewürdigt.
Aufführungsgeschichte
Im Dezember 1955 war der Film fertiggestellt. Vertreter der deutschen Botschaft sahen ihn vorab bei einer Privataufführung in Paris. Der Produzent empfand ihre Reaktion auf den Film als „eisig“. Im Januar 1956 erhielt dieser den französischen Filmpreis Prix Jean Vigo und wurde im März einstimmig als französischer Beitrag für die Filmfestspiele von Cannes im April nominiert.
Daraufhin verlangte die Bundesregierung mit einem Brief der deutschen Botschaft in Paris an den französischen Außenminister Pineau die Absetzung der Kandidatur: Man habe im Prinzip nichts gegen die filmische Darstellung von NS-Verbrechen einzuwenden; aber die Festspiele von Cannes sollten zur Freundschaft zwischen den Völkern beitragen und seien daher nicht das geeignete Forum für einen solchen Film. Dieser werde die Atmosphäre zwischen Franzosen und Deutschen vergiften und dem Ansehen der Bundesrepublik schaden; denn gewöhnliche Zuschauer seien nicht fähig, zwischen den verbrecherischen Führern des NS-Regimes und dem heutigen Deutschland zu unterscheiden.
Daraufhin strich das französische Auswahlkommitee für die Filmfestspiele den Film am 7. April 1956 von seiner Vorschlagsliste. Dies löste anhaltende Proteste in Frankreich ebenso wie in der Bundesrepublik aus. Es kam zu einer monatelangen leidenschaftlichen öffentlichen Debatte. In Frankreich nahmen Organisationen der Widerstandskämpfer und Deportierten und Persönlichkeiten des kulturellen Lebens wie Jean Cayrol kritisch Stellung; in der Bundesrepublik protestierten viele prominente Autoren, darunter Alfred Andersch, Heinrich Böll, Hans Georg Brenner, Walter Dirks, Wolfgang Hildesheimer, Eugen Kogon, Ernst Kreuder, Erich Kuby, Hans Werner Richter, Paul Schallück gegen das Vorgehen der Bundesregierung. Der NDR sendete ihre Stellungnahme während der begonnenen Festspiele am 16. April.
Im Deutschen Bundestag verlangte die SPD eine aktuelle Fragestunde zu dem Vorgang. Befragt nach den Gründen der Intervention, antwortete Staatssekretär Hans Ritter von Lex am 18. April, Cannes sei nicht „der rechte Ort...um einen Film zu zeigen, der nur allzuleicht dazu beitragen kann, den durch die nationalsozialistischen Verbrechen erzeugten Hass gegen das deutsche Volk in seiner Gesamtheit wieder zu beleben.“ Am 29. April wurde der Film jedoch in Cannes gezeigt, aber außerhalb des eigentlichen Wettbewerbs.
In ausländischen wie bundesdeutschen Medien wurde das Verhalten der Bundesregierung und des französischen Auswahlkomitees fast einhellig abgelehnt. Die Londoner „Times“ schrieb am 2. Juni 1956:
- Es ist schwer, etwas anderes als Zorn denjenigen gegenüber zu empfinden, die diese feierliche und schreckliche Elegie zurückzogen.
Am 29. Juni wurde der Film in Bonn vor insgesamt 700 eingeladenen in- und ausländischen Pressevertretern, Bundestagsabgeordneten, Beamten und Angestellten einiger Ministerien und Studenten gezeigt. Die Initiative dazu ergriff die Europäische Zeitung, das Organ der deutschen Sektion der europäischen Bewegung der Jugend. Die Besucher erhielten Fragebögen mit Bewertungsmöglichkeiten:
- ob der Film als objektiv, tendenziös und antideutsch empfunden werde
- ob die Erinnerung an die Naziverbrechen dringend notwendig, überflüssig oder schädlich sei
- ob der Film einen heilsamen Schock auslöse, die Zuschauer gleichgültig lasse oder abstoße
- ob er möglichst vielen, nur ausgewählten Kreisen oder überhaupt nicht zugänglich gemacht werden solle.
Am 4. Juli schrieb der „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu den von seinem Korrespondenten beobachteten Publikumsreaktionen, darunter vielen ehemaligen KZ-Häftlingen:
- Wenn irgendwo, so hätte es hier zu einer antideutschen Demonstration kommen müssen. Man hätte es sogar kaum übelnehmen können. Aber nichts dergleichen geschah. Die französischen Besucher machten nicht den Fehler, den ihnen die Bundesrepublik Deutschland eigentlich empfohlen hatte, als sie durch den Protest die Darstellung der Greueltaten des Dritten Reiches als aktuellen Vorwurf gegen Deutschland überhaupt betrachtete.
Am 1. August berichtete die Zeitschrift Le Monde ausführlich über den Brief der deutschen Botschaft und das Ergebnis der Umfrage von der Bonner Vorführung:
- 376 der 412 Zuschauer hielten den Film für objektiv und gerecht; 14 empfanden ihn als tendenziös und sieben als antideutsch.
- 347 Zuschauer hielten es für dringlich, ihn in Deutschland zu zeigen, 40 für unnütz und neun für schädlich.
- 222 glaubten, daß er in Deutschland begrüßt würde, 41 an eine zurückhaltende, 38 an eine gleichgültige Aufnahme, 37 an Ablehnung.
- 263 Zuschauer sprachen sich für eine weite Verbreitung des Films aus, 106 für eine eingeschränkte; lediglich 11 waren gegen jede Vorführung.
Die „Neue Zürcher Zeitung kommentierte die Gründe der Bundesregierung am 8. August als Ausdruck einer „überängstlichen und jedenfalls schwer verständlichen Sorge“. Daraufhin wurde der Film in weiteren deutschen Städten, darunter Berlin-West, Hamburg, München, Düsseldorf und Hannover, vor geladenem Publikum gezeigt. Überall waren die Aufführungssäle überfüllt, und der Film löste tiefe Bewegung aus. Die Rhein-Neckar-Zeitung schrieb dazu am 12. Februar 1957: Man wird diesen Film nie vergessen. Jeder sollte ihn sich ansehen.
Im Herbst 1956 führten die Voraufführungen und Umfragen dazu, dass sich das Presse-und Informationsamt der Bundesregierung und die Bundeszentrale die Rechte für die nichtgewerbliche Nutzung sicherten und über 100 Kopien kostenlos zur Verfügung stellten. Seit Dezember 1956 wurde der Film auch kommerziell verliehen und u.a. in über 60 Theatern Berlins sowie ungezählten Matinee- und Sonderveranstaltungen gezeigt.
In der Bundeswehr wurde der Film bisweilen als pauschale Anklage gegen die Wehrmacht aufgefasst und deswegen abgelehnt. So schrieb die „Deutsche Soldatenzeitung“ im April 1957:
- Der deutsche Soldat des letzten Krieges..., der für den Bestand und für die Ehre seines Vaterlandes oft bis zur Selbstaufopferung seine Pflicht erfüllte, hat mit den Akteuren unentschuldbarer Exzesse nichts gemein.
Anfang Mai 1957 beschloss die Landesbildstelle Baden-Württemberg, den vom Kultusministerium zur Vorführung an höheren Schulen empfohlenen Film abzulehnen. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete darüber am 3. Mai:
- Das Gremium war der Auffassung, daß der Film aus pädagogischen Gründen den Jugendlichen, die den Krieg selbst nur in vager Erinnerung haben, nicht zugemutet werden könne.
De „Allgemeine Wochenzeitung der Juden in Deutschland“ schrieb dazu am 17. Mai:
- Gerade weil die eigenen Erinnerungen so 'vage' sind wie der Stuttgarter Gutachterausschuß betonte, muß konkretes Wissen vermittelt werden - nicht um die Sünden der Väter zu enthüllen, sondern um die Kinder davor zu bewahren, den gleichen Weg des Unrechts und der Menschenverachtung zu gehen.[1]
Preise und Auszeichnungen
- 1956: Prix Jean Vigo, Kategorie Kurzfilm
- 1956: Grand prix du cinéma français
- 1961: Nominiert für den UN Award der BAFTA
Referenzen
Siehe auch
- Vorlage:IMDb Titel
- Filmkanon der Bundeszentrale für politische Bildung
- Jan-Frederik Bandel: Mit Moos bewachsen. Eine kleine Rezeptionsgeschichte von Alain Resnais' Film "Nacht und Nebel"
- Französische Originalversion auf der Website von Stéphane Zagdanski
- Nuit et brouillard - Nacht und Nebel - Essay auf www.gegenfeuer-produktionen.de (PDF)