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Georgi Dimitroff

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Georgi Michajlow Dimitrow

Georgi Michajlow Dimitrow (bulgarisch Георги Михайлов Димитров; * 18. Juni 1882 bei Radomir; † 2. Juli 1949 in Sofia) war ein aus in bulgarischer Politiker, der durch seine Funktion in der kommunistischen Interantionale und als Antifaschist welthistorische Bedeutung besitzt.

Dimitrow wurde 1933 im Reichstagsbrandprozess in Leipzig angeklagt, jedoch freigesprochen. 1933 bis 1943 war er Generalsekretär der Komintern in Moskau. 1946 wurde er zum bulgarischen Ministerpräsident gewählt und blieb dies bis zu seinem Tode.

Jugend, Elternhaus

Georgi Dimitrow wurde am 18. Juni 1882 in Kovatschevzi, Bezirk Pernik, in Bulgarien geboren.

Schulzeit???


Lehre und politische Biographie bis 1923

1894 begann er in Sofia eine Lehre in einer Setzerei, kurz darauf wurde er Mitglied der ersten Gewerkschaft Bulgariens, der Gewerkschaft der Buchdrucker. 1902 trat er der Sozialdemokratische Arbeiterpartei Bulgariens bei. Auf deren Parteitag im Juli 1903 spaltete sich der revolutionär-marxistische Flügel ab und gab sich den Namen "Bulgarische Sozialdemokratische Arbeiterpartei – Engherzige Sozialisten" (Bylgarska Rabotnitscheska Sozialdemokratitscheska Partija – Tesnite Sozialisti). Dimitrow schloss sich 1904 den Engsozialisten an.

1909 wurde er auf Empfehlung des "Parteiführers" Dimiter Blagojeff zum Mitglied des Zentralkomitees gewählt. Er organisierte unter anderem 1906 den ersten Massenstreik in Bulgarien. Bei diesem Arbeitskampf im Gebiet der staatlichen Kohlegruben von Pernik streikten mehrere tausend Bergarbeiter, Eisenbahner und Arbeiter aus anderen Industriebreichen 35 Tage lang. Im gleichen Jahr wurde Dimitrow Sekretär des Zentralrates der revolutionären Gewerkschaften in Bulgarien. Dimitrow oranisierte trotz wiederholter Verfolgung zahlreiche Arbeitskämpfe.

Von 1913 bis 1923 gehörte er dem bulgarischen Parlament an. Die Engsozialisten änderten 1919 vor dem Hintergrund der Oktoberrevolution ihren Namen in Bulgarische Kommunistische Partei (BKP) und unterstützten die Gründung der Kommunistischen III. Internationale.

Der bulgarische Septemberaufstand 1923

Am 9. Juni 1923 wurde in Bulgarien die Regierung gestürzt und ein militärfaschistisches Regime errichtet, an dessen Spitze Alexander Zankow stand. Aus den Wahlen vom März 1920 war der Bauernvolksbund unter Führung von Alexander Stambolijski mit knapp 350.000 Stimmen (39%) als stärkste, die Bulgarische Kommunistische Partei mit fast 185.000 Stimmen (20%) als zweitstärkste Partei hervorgegangen. (Rolf Richter: Biographisches Nachwort in: Georgi Dimitrow – Ausgewählte Reden und Schriften, Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig, 1982, Seite 224) Die Stambolijski-Regierung führte eine Reihe demokratischer Reformen durch, die großkapitalistischen Interessen zuwider liefen. Eine dauerhafte Aktionseinheit zwischen BKP und Bauernvolksbund kam jedoch nicht zustande. Der militärfaschistische Umsturz vom 9. Juni 1923, der international zu den frühesten Versuchen zählt, ein faschistisches Regime zu errichten, leitete eine breite Offensive der bulgarischen Großbourgeoisie gegen die demokratischen Errungenschaften ein und führte zu einem breit angelegten Terror gegen alle demokratischen Kräfte.

Am vorläufigen Höhepunkt des Widerstandes führte Dimitrow im Herbst 1923 gemeinsam mit Vassil Kolarov im Auftrag der BKP den antifaschistischen Septemberaufstand an. (Stella Blagojewa: Georgi Dimitrow – Kurze Lebensbeschreibung, Dietz Verlag Berlin, 1954, Seite 68) Der bewaffnete Aufstand wurde trotz anfänglicher Erfolge im Blut erstickt. Dimitrow musste mit seinen Anhängern ins Ausland fliehen. Das faschistische Gericht verurteilte ihn in Abwesenheit zweimal zum Tode. Von nun an wirkte und kämpfte Dimitrow in der Emigration für seine Ziele.

Georgi Dimitrow als Warner vor dem erstarkendem Faschismus

Die Jahre zwischen 1923 und 1933 waren für Georgi Dimitrow nicht weniger stürmisch als die vorhergehenden. Nach der Niederschlagung des Aufstands machte er sich daran, die Gründe der Niederlage des Aufstandes und vor allem auch die Besonderheiten und Merkmale dieser neuen Strategie des Imperialismus, des Faschismus, genau zu ergründen und zu analysieren. Bereits in diesen ersten Analysen des Faschismus in Bulgarien wurden wichtige Merkmale des Faschismus erfasst und Fragen zur antifaschistischen Strategie und Taktik aufgeworfen. Marxistisch-leninistische Quellen behaupten, dass Dimitrow die faschistische Diktatur als Mittel so genannter bürgerlicher Klassenherrschaft erkannte. Er begriff sie als die für jene Zeit typische Erscheinung und sah sie im Zusammenhang mit dem "Vorstoß des Kapitals", dem "großbourgeoisen Drang nach Gewalt" und der "Sucht nach der völligen Handlungsfreiheit" des Kapitals. Der Faschismus, bedeutet, so Dimitrow, "die völlige Verneinung jeglichen Demokratismus und aller politischen Rechte und Freiheiten der Volksmassen". (zitiert nach Rolf Richter: Biographisches Nachwort in: Georgi Dimitrow – Ausgewählte Reden und Schriften, Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig, 1982, Seite 225)

"Wer etwa annimmt, der Faschismus sei nur gegen die so genannte‚ kommunistische Gefahr gerichtet, täuscht sich gewaltig. Sie werden ihre Täuschungen und politische Kurzsichtigkeit sehr teuer bezahlen. Der Faschismus ist durchaus nicht nur antikommunistisch, er ist dabei auch volksfeindlich." (Georgi Dimitrow: Die Einheitsfront und die bürgerliche Reaktion, aus: Georgi Dimitrow – Ausgewählte Werke, Fremdsprachenverlag Sofia, 1960, Seite 24) Georgi Dimitrow wurde ab Ende 1923 als politischer Instrukteur der Kommunistischen Internationale für den Bereich der Balkanstaaten eingesetzt. Dafür hielt er sich in den 1920er Jahren wiederholt viele Monate auch in Wien auf. (Stella Blagojewa: Georgi Dimitrow – Kurze Lebensbeschreibung, Dietz Verlag Berlin, 1954, Seite 77) Da in der kleinen Kommunistischen Partei Österreichs zu Beginn 1924 die Fraktionsauseinandersetzungen eskalierten, wurde er nach dem 7. Parteitag (März 1924) vom Exekutivkomitee der Komintern kurzerhand zu ihrem Vertreter in der KPÖ ernannt. Dimitrow fungierte damit unter seinem Decknamen "Oswald" vorübergehend als De-facto-Vorsitzender der KPÖ. (Historische Kommission beim ZK der KPÖ: Die Kommunistische Partei Österreichs – Beiträge zu ihrer Geschichte und Politik, Globus Verlag Wien, 2. Auflage 1989, Seite 75)

Dimitrow warnte in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre immer wieder vor der ansteigenden faschistischen Gefahr und beobachtete genau die politischen Entwicklungen in den faschistischen Staaten Bulgarien und Italien, und analysierte nach dem militärfaschistischen Staatsstreich in Jugoslawien (1929) auch die dortige Situation. Die Erfahrungen Dimitrows in diesem antifaschistischen Kampf bildeten die Grundlage seines Referats über den Faschismus, das er 1928 auf dem 4. Weltkongress der Roten Gewerkschaftsinternationale hielt. Dort sagte er: "Wir müssen uns völlig klar darüber sein, dass der Faschismus keine orts- oder zeitgebundene, vorübergehende Erscheinung ist. Er ist ein ganzes System der Klassenherrschaft der Bourgeoisie und ihrer Diktatur im Zeitalter des Imperialismus... Der Faschismus ist für die Freiheit des Proletariats und für die klassengebundene Gewerkschaftsbewegung eine fortwährende und stetig wachsende Gefahr..." (Stella Blagojewa: Georgi Dimitrow – Kurze Lebensbeschreibung, Dietz Verlag Berlin, 1954, Seite 79)

Der "Held von Leipzig"

Am Abend des 27. Februar 1933 brannte das Reichstagsgebäude in Berlin. Dass eine politische Brandstiftung vorlag, stand außer Zweifel. Der Brandanschlag lieferte dem deutschen Faschismus den Vorwand, den Terror gegen die politischen Gegner, vor allem gegen die Arbeiterbewegung und hier in erster Linie gegen die Kommunisten zu verschärfen und zu legitimieren. Hitler selbst erklärte vor ausländischen Journalisten: "Das ist ein Wink Gottes! Jetzt werden wir die Kommunisten zerschmettern!" (Stella Blagojewa: Georgi Dimitrow, Seite 90)

Georgi Dimitrow wurde am 9. März 1933 in Berlin verhaftet. Ihm war eine Schlüsselrolle in dem minutiös geplanten und großangelegten Schauprozess vor dem Reichsgerichtshof in Leipzig angelastet, verbanden ihn doch enge politische Beziehungen mit der Arbeiterbewegung und namentlich mit Wilhelm Pieck. Einige Zeit hatte Dimitrow in Berlin gewirkt und war hier, in der Regel konspirativ arbeitend, in Führungsorganen der Komintern tätig gewesen. Als Leiter des Westeuropäischen Büros des Exekutivkomitees der Komintern hatte er auch am 12. Parteitag der KPD 1929 teilgenommen. (Rolf Richter: Biographisches Nachwort in: Georgi Dimitrow – Ausgewählte Reden und Schriften, Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig, 1982, Seite 231)

Der einzige Mensch, dessen man im Reichstagsgebäude habhaft wurde, war Marinus van der Lubbe, ein geistig verwirrter Niederländer, dem man sofort unterstellte, ein Kommunist zu sein. Ein kommunistisches Mitgliedsbuch sei bei ihm gefunden worden, meldete die Polizei. Später allerdings kamen die Polizeibehörden im Kreuzverhör durch Dimitrow in die peinliche Lage, zugeben zu müssen, dass dem nicht so war. (Georgi Dimitrow: Reichstagsbrandprozess, Dietz Verlag Berlin, 6. Auflage, 1978, Seite 134) Am zweiten Tag nach dem Brand schrieb eine noch nicht gleichgeschaltete bürgerliche deutsche Zeitung, dass das Reichstagsgebäude nur einen einzigen unterirdischen Zugang, durch den allein die Brandstifter sich hätten Zutritt verschaffen können, hätte und dieser Zugang führe zur Wohnung des Reichstagspräsidenten Hermann Göring. (Stella Blagojewa: Georgi Dimitrow – Kurze Lebensbeschreibung, Dietz Verlag Berlin, 1954, Seite 91)

Die Untersuchungsbehörde hatte Georgi Dimitrow entgegen jede rechtliche Bestimmung fünf Monate lang Tag und Nacht in Ketten gelegt. Mit gefesselten Händen musste er sich auf die Verteidigung vorbereiten, Eingaben, Proteste und Briefe schreiben. Während die faschistischen Ankläger 65 Belastungszeugen namhaft machten, lehnten sie Dimitrow die von ihm genannten Zeugen ab und verweigerten ihm die Zulassung eines Wahlverteidigers. Trotz dieser physischen und psychischen Torturen bereitete sich Georgi Dimitrow mit wissenschaftlicher Gründlichkeit auf den Prozess vor, den er als eine Klassenschlacht gegen den Faschismus ansah. Er überraschte das Reichsgericht mit seiner Kenntnis der deutschen Prozessordnung und frappierte Ankläger wie Zeugen mit vielen Einzelheiten des Geschehens um den Reichstagsbrand, die er sich mühselig aus der Presse zusammengetragen hatte. (Walter Bartel: Deutschland in der Zeit der faschistischen Diktatur, Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin, 1955, Seite 31)

Während der polizeilichen Verhöre weigerte sich Dimitrow, die Untersuchungsprotokolle zu unterschreiben, wobei er erklärte, dass er nicht das geringste Vertrauen zur deutschen Polizei habe und dass er alles, was er zu sagen für notwendig finde, in einer von ihm selbst aufgesetzten Erklärung niederlegen werde. (Georgi Dimitrow: Reichstagsbrandprozess, Seite 10) Vom 21. September bis zum 23. Dezember 1933 stand Dimitrow vor den Schranken des Reichsgerichts in Leipzig. Vor den Richtern standen neben Dimitrow die beiden bulgarischen Kommunisten B. Popow und W. Tanew, der Vorsitzende der KPD-Reichstagsfraktion Ernst Torgler und eben der Niederländer M. van der Lubbe.

Die Naziregierung verfolgte mit diesem Prozess das Ziel, vor der Welt die faschistischen Brandstifter und Henker zu rehabilitieren. Das verbreitete Gerücht, die Naziregierung hätte den Reichstagsbrand organisiert, sollte mit dem Blute der Angeklagten ein für allemal erstickt werden. Dem Gericht wurde die Aufgabe gestellt, die Grausamkeit des Kampfes gegen die Arbeiterbewegung insbesondere gegen die Kommunisten zu rechtfertigen, indem es "gerichtsnotorische" Beweise für die angeblichen Aufstandsabsichten und den Massenterror der KPD schaffen sollte. (Walter Bartel: Deutschland in der Zeit der faschistischen Diktatur, Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin, 1955, Seite 31)

Der Prozess und die Verurteilung der Angeklagten nach bürgerlicher Rechtspraxis sollte der Welt dokumentieren: Die Naziregierung ist der sicherste Garant im Kampf gegen den Weltkommunismus, es lohnt sich, ihr Kredite einzuräumen und ihr als einem Bollwerk gegen den Bolschewismus militärische Aufrüstung zu bewilligen. Die klare Absicht der Hitlerregierung war, dem Dimitrow-Prozess einen Schauprozess gegen den inhaftierten Führer der KPD, Ernst Thälmann, folgen zu lassen, um den Marxismus "für alle Ewigkeit" zu beseitigen. (Zitiert nach: Walter Bartel: Deutschland in der Zeit der faschistischen Diktatur, Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin, 1955, Seite 31)

Vom Angeklagten zum Ankläger

Bei den Gerichtsverhandlungen waren 82 ausländische und 12 deutsche Korrespondenten anwesend. Korrespondenten kommunistischer, sozialdemokratischer und selbst linksbürgerlicher Zeitungen wurde die Teilnahme nicht gestattet. Die Korrespondenten der Sowjetpresse wurden anfangs ebenfalls nicht zugelassen. Erst nachdem von der Sowjetregierung gegenüber deutschen Korrespondenten in der Sowjetunion Gegenmaßnahmen ergriffen worden waren, erhielten die sowjetischen Journalisten die Möglichkeit, den Gerichtsverhandlungen beizuwohnen.

Da sich der Propagandaminister Goebbels von dem Prozess eine propagandistische Wirkung versprach, wurden die ersten zwei Sitzungen durch den Rundfunk übertragen. Nach dem Auftreten Dimitrows wurden diese Übertragungen am 23. September jedoch eingestellt. (Georgi Dimitrow: Reichstagsbrandprozess, Dietz Verlag Berlin, 6. Auflage, 1978, Seite 67)

Die ganze Anklage der faschistischen Behörden gegen Dimitrow und seine Mitangeklagten stützte sich auf die These, dass die Reichstagsbrandstiftung als Signal für den bewaffneten Aufstand im ganzen Land dienen sollte, den angeblich die KPD zum Sturz der bestehenden Staatsordnung vorbereitet habe. Dimitrow führte durch seine Fragen an sogenannte Zeugen und an die anwesenden Göring und Goebbels den Nachweis, dass niemand in den regierenden Kreisen Deutschlands wirklich einen Aufstand erwartet hatte und dass daher auch keine Maßnahmen zu seiner Vereitelung getroffen worden waren. Damit war die völlige Haltlosigkeit dieser These der Anklage bewiesen. (Aus den Prozess-Stenogrammen der Vernehmungen der Zeugen Lösche, Göring, Goebbels, aus: Georgi Dimitrow: Reichstagsbrandprozess, Dietz Verlag Berlin, 6. Auflage, 1978, Seiten 105f, 132f, 137f)

In dramatischen Rededuellen mit Göring und Goebbels blieb der Mann in der Anklagebank, dessen Muttersprache nicht Deutsch war, Sieger. Der Gerichtsvorsitzende Dr. Bünger gestand seine Ohnmacht, als er eines Tages Dimitrow zurief: "Im Ausland ist man schon der Meinung, dass nicht ich, sondern Sie die Verhandlung leiten!" (Walter Bartel: Deutschland in der Zeit der faschistischen Diktatur, Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin, 1955, Seite 31)

Um die Anklage endgültig zu erschüttern, beantragte Dimitrow, den eingekerkerten KPD-Vorsitzenden, Ernst Thälmann, als Zeugen zu vernehmen. Dieser Antrag wurde, wie auch die meisten anderen Anträge Dimitrows, vom Gericht abgelehnt. Dimitrow bewies mit seinen so gefürchteten Fragen an die Zeugen, dass weder er noch seine Mitangeklagten, noch die KPD die Urheber des Reichstagsbrandes waren. Am 1. Dezember beschloss das Gericht schließlich, Dimitrow zu verbieten, mündlich Fragen an die Zeugen zu stellen. Alle seine Fragen mussten zuerst dem Gericht vorgelegt werden, und das Gericht entschied nach Ermessen darüber, ob diese Fragen überhaupt gestellt werden dürfen.

Dimitrows Schlussrede vor dem Reichsgericht Leipzig

Der Prozess endete jedoch mit einer schweren politischen Niederlage des Nazi-Regimes. In seinem Schlusswort erklärte Dimitrow: "Ich gebe zu, meine Sprache ist scharf und hart. Mein Kampf und mein Leben waren auch immer scharf und hart. Diese Sprache ist aber eine offene und aufrichtige Sprache. Ich pflege die Dinge beim rechten Namen zu nennen. Ich bin kein Rechtsanwalt, der hier seinen Mandanten pflichtgemäß verteidigt. Ich verteidige meine eigene Person als angeklagter Kommunist. Ich verteidige meine eigene kommunistische, revolutionäre Ehre. Ich verteidige meine Ideen, meine kommunistische Gesinnung. Ich verteidige den Sinn und den Inhalt meines Lebens..." (Georgi Dimitrow: Schlussrede vor Gericht, aus: Georgi Dimitrow – Ausgewählte Werke in 2 Bänden, Verlag Marxistische Blätter Frankfurt/Main, 1972, Band 1, Seite 70) Dimitrow zeigte auf, wie die Kommunisten für ihre Ziele kämpfen: "Massenkampf, Massenarbeit, Massenwiderstand, Einheitsfront, keine Abenteuer – das ist das Alpha und Omega der kommunistischen Taktik..." (Georgi Dimitrow: Schlussrede vor Gericht, Seite 80)

Er zitierte abschließend den großen Deutschen Dichter Goethe: "Lerne zeitig klüger sein. Auf des Glückes großer Waage Steht die Zunge selten ein; Du musst steigen oder sinken, Du musst herrschen und gewinnen Oder dienen und verlieren, Leiden oder triumphieren, Amboss oder Hammer sein!"

Aus diesem Dichterwort zog Dimitrow die Schlussfolgerung: "Ja, wer nicht Amboss sein will, der muss Hammer sein!..." (Georgi Dimitrow: Schlussrede vor Gericht, aus: Georgi Dimitrow – Ausgewählte Werke in 2 Bänden, Band 1, Seite 91)

Dreißigmal unterbrach der Vorsitzende Dimitrows Schlussrede. Am 23. Dezember 1933 endet der Leipziger Prozess mit dem Freispruch der angeklagten Kommunisten. Zunächst erfolgte der Freispruch "wegen Mangels an Beweisen", Dann wurde in der Urteilsbegründung hervorgehoben, dass sich Dimitrow insgeheim politisch betätige. Die Freigesprochenen wurden aber weiterhin im Gefängnis festgehalten. Anfang Februar 1934 wurde Dimitrow von Leipzig nach Berlin überführt. Dort wurde er in einem Gestapogefängnis weiterhin festgehalten. Seine Proteste verhallten wirkungslos.

Diese Behandlung entfachte eine weltweite antifaschistische Solidaritätsbewegung für die Befreiung von Georgi Dimitrow. Dennoch zeigte erst eine Intervention der Sowjetregierung Wirkung. Durch Beschluss der Sowjetregierung wurde dem bulgarischen Antifaschisten zu Beginn 1934 die sowjetische Staatsbürgerschaft verliehen. Am 27. Februar 1934, nahezu ein Jahr nach seiner Verhaftung, wurde Dimitrow ohne vorherige Ankündigung aus dem Gefängnis entlassen, auf den Flughafen gebracht und in die Sowjetunion abgeschoben. In Moskau wurde Georgi Dimitrow als „Held von Leipzig“ ein triumphaler Empfang bereitet.

Der VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale

Als Georgi Dimitrow am 2. August 1935 auf dem VII. Weltkongress der Komintern sein Referat „Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale im Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus“ hielt, war er im 53 Jahre alt. Während seine Kerkerzeit im faschistischen Deutschland war seine Frau, mit der er seit 1906 verbunden war, gestorben; Krankheiten zeichneten ihn. (Rolf Richter: Biographisches Nachwort in: Georgi Dimitrow – Ausgewählte Reden und Schriften, Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig, 1982, Seite 232)

Georgi Dimitrow hatte großen persönlichen Anteil an den Debatten in Vorbereitung auf den VII. Weltkongress. Nicht zuletzt gestützt auf seine unmittelbaren Erfahrungen und seine Argumentationen während des Reichstagsbrandprozesses, aber auch auf seine damit gewonnene Autorität, warf er viele Fragen in den Leitungsgremien der Komintern auf. Dimitrow wurde auf dem VII. Weltkongress einstimmig zum neuen Generalsekretär der Komintern gewählt. (Rolf Richter: Biographisches Nachwort in: Georgi Dimitrow – Ausgewählte Reden und Schriften, Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig, 1982, Seite 232)

In vier aufeinander abgestimmten Hauptreferaten, von Wilhelm Pieck (Deutschland), Georgi Dimitrow, Palmiro Togliatti („Ercoli“, Italien) und D. S. Manuilski (UdSSR) gehalten, zogen die Leitungsorgane der Komintern nach intensiver Vorbereitung und breiter Diskussion das Fazit aus der bisherigen Geschichte und Politik der Komintern. Sie analysierten umfassend die konkreten Kampfbedingungen. „Man kann ruhig sagen, dass auf keinen einzigen der vorangegangenen Kongresse der Kommunistischen Internationale eine solche ideologische und politische Geschlossenheit geherrscht hat wie auf diesem“, stellte Georgi Dimitrow im Schlusswort zu seinem Referat fest. (Georgi Dimitrow: Schlusswort auf dem VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale (13. August 1935), aus: Georgi Dimitrow, Ausgewählte Werke, Fremdsprachenverlag Sofia 1960, Seite 184) Und einige Tage später, als neugewählter Generalsekretär der Komintern bezeichnete er in seiner Schlussansprache den VII. Weltkongress als „Kongress des vollen Triumphes der Einheit zwischen der Arbeiterklasse des Landes des siegreichen Sozialismus – der Sowjetunion – und dem für seine Befreiung kämpfenden Proletariat der kapitalistischen Welt“. (Horst Schumacher: Die Kommunistische Internationale (1919-1943), Dietz Verlag Berlin, 1989, Seite 156)

Die Dimitrow’sche Faschismustheorie

Gestützt auf die 13. Tagung des Exekutivkomitees der Komintern vom Dezember 1933, umriss Georgi Dimitrow die Klassennatur des Faschismus mit den Worten: „Der Faschismus an der Macht, Genossen, ist, wie ihn das 13. Plenum des EKKI (Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale) richtig charakterisiert hat, die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.“ (Georgi Dimitrow: Bericht auf dem VII. Weltkongress der Komintern, 2. August 1935, aus: Georgi Dimitrow – Ausgewählte Werke, Fremdsprachenverlag Sofia, 1960, Seite 94)

In dieser knappen Kennzeichnung des Klassencharakters der faschistischen Diktatur lag die Erkenntnis, dass der Faschismus, in welcher Form auch immer, eine der möglichen Antworten der herrschenden Klasse auf die neuen Klassenkampfbedingungen nach 1917 darstellte, dass er die Antwort der brutalsten, der reaktionärsten, abenteuerlichsten, aggressivsten Teile der herrschenden Klasse verkörperte. (J. W. Stalin: Rechenschaftsbericht an den 17. Parteitag über die Arbeit des ZK der KPdSU(B), 26. Januar 1934, in SW, Dietz Verlag Berlin, 1955, Band 13, Seite 261/262) Die Erfahrung mit den verschiedenartigen faschistischen Regimes, besonders natürlich die mit der nazifaschistischen Diktatur, verarbeitete Dimitrow in all ihrer Differenziertheit. Er verwies darauf, dass die Gesetze des Kapitalismus, insbesondere die Klassengegensätze, unter den neuartigen Bedingungen der faschistischen Diktatur weiterwirken. Dimitrow warnte davor, alle reaktionären Maßnahmen der Bourgeoisie „als Faschismus und sogar das gesamte nichtkommunistische Lager als faschistisch zu betrachten“. (Georgi Dimitrow: Schlusswort auf dem VII. Weltkongress der Komintern, 13. August 1935, aus: Georgi Dimitrow – Ausgewählte Werke, Fremdsprachenverlag Sofia, 1960, Seite 190) Die Frage nach dem Verhältnis von bürgerlich-parlamentarischer Demokratie und Faschismus hat die Komintern über Jahre hinweg beschäftigt.

Auf dem VII. Weltkongress konnte Dimitrow die Erkenntnis formulieren: „ Der Machtantritt des Faschismus ist nicht die einfache Ersetzung einer bürgerlichen Regierung durch eine andere, sondern die Ablösung einer Staatsform der Klassenherrschaft der Bourgeoisie, der bürgerlichen Demokratie, durch eine andere, durch die offene faschistische Diktatur. Die Ignorierung dieses Unterschiedes wäre ein ernster Fehler.“ (Georgi Dimitrow: Bericht auf dem VII. Weltkongress der Komintern, 2. August 1935, aus: Georgi Dimitrow – Ausgewählte Werke, Fremdsprachenverlag Sofia, 1960, Seite 95)

Dimitrows Arbeiten enthielten wichtige Erkenntnisse zur Massenbasis und zum Masseneinfluss des Faschismus, zu dessen Ideologie, zur nationalen und sozialen Demagogie. Dabei hob er die Anpassungsfähigkeit der faschistischen Ideologie an die nationalen Besonderheiten jedes Landes und an den Eigenarten der verschiedenen sozialen Schichten hervor. „Und die Massen des Kleinbürgertums, selbst ein Teil der Arbeiter, durch die Not, die Arbeitslosigkeit und die Ungewissheit ihrer Existenz zur Verzweiflung getrieben, werden Opfern der sozialen und chauvinistischen Demagogie des Faschismus. (Georgi Dimitrow: Bericht auf dem VII. Weltkongress, Seite 98)

Dimitrow verwirklichte mit dieser Studie ein weiteres Mal jene Aufforderung zur schöpferischen Faschismusanalyse, die er in seinem Schlusswort auf dem VII. Weltkongress ausgesprochen hatte: „Keinerlei allgemeine Charakteristik des Faschismus, mag sie an sich noch so richtig sein, erlässt uns die Notwendigkeit, die Eigenart der Entwicklung des Faschismus und der verschiedenen Formen der faschistischen Diktatur in einzelnen Ländern und in verschiedenen Etappen konkret zu studieren und zu berücksichtigen.“ Dimitrow lehnte es ab, „irgendein allgemeines Entwicklungsschema für alle Länder und alle Völker aufstellen zu wollen“. (Georgi Dimitrow: Schlußwort auf dem VII. Weltkongress, Seite 187/188)

Georgi Dimitrows Schöpfertum vermochte der marxistischen Faschismusanalyse bis in die Gegenwart nachhaltige Impulse zu verleihen, um den Erkenntnisprozess über den Faschismus weiterzuführen. (Rolf Richter: Biographisches Nachwort in: Georgi Dimitrow – Ausgewählte Reden und Schriften, Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig, 1982, Seite 241)

Abschließendes

Georgi Dimitrow blieb bis zur Auflösung der Kommunistischen Internationale 1943 deren Generalsekretär. Danach richtete er sein Hauptaugenmerk wieder auf die Entwicklungen in seinem Heimatland Bulgarien. 1941, also schon während des zweiten Weltkrieges, nahm die Bulgarische Kommunistische Partei unter seiner Führung Kurs auf einen bewaffneten Aufstand und organisierte den Partisanenkampf. Die BKP stellte sich unter seiner Leitung zugleich an die Spitze des Kampfes gegen die faschistischen Truppen in seiner Heimat und initiierte eine bulgarische „Vaterländische Volksfront“. Nach dem Sieg über den Faschismus kehrte Dimitrow in seine bulgarische Heimat zurück. 1946 wurde er Nachfolger von Kimon Georgiev bulgarischer Ministerpräsident. Georgi Dimitrow starb am 2. Juli 1949. Die internationale kommunistische und Arbeiterbewegung verlor damals einen ihrer klügsten Köpfe. Dimitrow war ein leidenschaftlicher Kämpfers gegen Faschismus, Imperialismus und Krieg, für die soziale und politische Befreiung der Menschheit.

Literaturverzeichnis

  • Georgi Dimitroff – Ausgewählte Werke, Fremdsprachenverlag Sofia, 1960
  • Georgi Dimitroff – Ausgewählte Werke in 2 Bänden, Verlag Marxistische Blätter Frankfurt/Main, 1972
  • Stella Blagojewa: Georgi Dimitrow – Kurze Lebensbeschreibung, Dietz Verlag Berlin, 1954
  • Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung in Daten, Globus Verlag Wien, 1986
  • Horst Schumacher: Die Kommunistische Internationale (1919-1943), Dietz Verlag Berlin, 1989
  • Rolf Richter: Biographisches Nachwort in: Georgi Dimitroff – Ausgewählte Reden und Schriften, Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig, 1982
  • Historische Kommission beim ZK der KPÖ: Die Kommunistische Partei Österreichs – Beiträge zu ihrer Geschichte und Politik, Globus Verlag Wien, 2. Auflage 1989
  • Georgi Dimitroff: Reichstagsbrandprozess, Dietz Verlag Berlin, 6. Auflage, 1978
  • Walter Bartel: Deutschland in der Zeit der faschistischen Diktatur, Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin, 1955
  • Stalin-Werke, Dietz Verlag Berlin, 1955