Charles de Valois, duc d’Orléans

Karl, Herzog von Orléans (* 24. November 1394 in Paris; † 4. Januar 1465 in Amboise) war Herzog von Orléans und ein bedeutender Lyriker. Er war Vater des späteren Königs Ludwig XII..
Charles d'Orléans, wie er in der französischen (Literatur-)Geschichtsschreibung heißt, war ältester Sohn von Herzog Ludwig von Orléans und Valentina Visconti, Tochter von Herzog Gian Galeazzo Visconti von Mailand. Sein Vater Ludwig war ein großer Mäzen und jüngerer Bruder von König Karl VI.. So kam Karl früh mit Kunst und Literatur in Berührung, allerdings ebenso früh und schmerzhaft auch mit der Politik.
1406 wurde er, knapp 12-jährig, im Sinne dynastischer Interessen mit seiner sieben Jahre (einige Quellen berichten von zwei Jahren Alterunterschied, was jedoch nicht möglich ist, da Sie 1387 geboren wurde) älteren Cousine Isabella verheiratet, die ihrerseits schon Witwe des abgesetzten und 1400 ermordeten Königs Richard II. von England war. Sie brachte die erhebliche Mitgift von 500.000 Franken in die Ehe ein, starb aber drei Jahre später nach der Geburt einer Tochter.
1407 wurde Karls Vater Ludwig von Anhängern des Herzogs Johann Ohnefurcht von Burgund ermordet, der mit ihm um die Regentschaft für den geistesgestörten Karl VI. kämpfte. Seine Mutter Valentina Visconti forderte Rache für ihren Gatten, doch Karl war zu jung und von seinem Temperament her ungeeignet für die Rolle des Rächers, auch wenn er erstmals sein literarisches Talent bewies, indem er in einem Rundbrief an die Städte Frankreichs beredt für seine Sache warb. Die Rächerrolle übernahm vielmehr der energische Graf Bernard VII. von Armagnac, der Karl zudem mit seiner elfjährigen Tochter Bonne verheiratete (1410). Über fünf Jahre zogen sich verworrene Verhandlungen, Komplotte und bürgerkriegsartige Kämpfe hin, bis die Partei der "Armagnacs" vorläufig siegte (siehe auch: Bürgerkrieg der Armagnacs und Bourguignons).
Als Dichter begann Karl, nachdem er am Pariser Hof Einzug gehalten hatte, um 1414 mit Liebesballaden im Stil der höfischen Lyrik, die an seine junge Frau Bonne gerichtet waren, in die er sich ganz offenbar verliebt hatte. Ihr auch widmete er die ebenfalls seine Verliebtheit spiegelnde Traumerzählung La Retenue d'Amours (= Die Aufnahme in den Lehnsdienst Amors).
1415 landete ein englisches Heer in Frankreich. Auf dem herbstlichen Rückzug Richtung Boulogne und England wurde es bei Azincourt von einem überlegenen französischen Ritterheer gestellt, besiegte dieses aber dank seiner Bogenschützen. Karl, der einer der französischen Anführer war, wurde gefangen genommen und nach England gebracht, wo er 25 Jahre lang festgehalten wurde. Eine wichtige Rolle spielte hierbei, dass er in der Liste der französischen Thronanwärter weit oben stand und man ihn als Faustpfand in Verhandlungen mit Frankreich einzusetzen gedachte oder wenigstens ein hohes Lösegeld für ihn zu erpressen hoffte.
Während dieser Zeit, die er unter passablen Bedingungen auf verschiedenen Burgen bei wechselnden Gastgebern-Bewachern verwartete, dichtete Karl zunächst weiter Balladen, die überwiegend um das Thema Liebe und naturgemäß das Thema Trennung kreisen. Später, nachdem er (1432?) erneut Witwer geworden war, verfasste er auch Chansons (teilweise in englischer Sprache) an eine englische Dame. Nachdem man diese aus seiner Umgebung entfernt hatte und 1437 auch ein Eheprojekt mit der verwitweten Margarete von Savoyen gescheitert war, schrieb Karl frustriert die Traumerzählung Songe en complainte (=Traum in Form einer Klage), die eine Art Gegenstück zur Retenue von einst darstellt und in der er, Amor um Entlassung bittend, Verzicht gelobt auf "alles, was mit Liebe zu tun hat".
1440 kam er gegen ein enormes Lösegeld endlich frei. Vorgeschossen wurde es von seinem entfernten Cousin Herzog Philipp dem Guten von Burgund, der Karl, um ihn politisch auf seine Seite zu ziehen, mit einer Nichte verheiratete, der 14-jährigen Maria von Kleve (die 16 Jahre lang, bis zu Karls endlichem Bruch seines Verzichtgelöbnisses, kinderlos blieb, dann allerdings in rascher Folge noch zwei Töchter und einen Sohn bekam).
Seine nach der Heimkehr unternommenen Versuche, als Friedensstifter zwischen den Kronen Englands und Frankreichs aufzutreten, sowie in der französischen Innenpolitik eine seinem Rang entsprechende Rolle zu spielen oder gar seine von der Mutter geerbten Ansprüche auf das Herzogtum Mailand militärisch durchzusetzen, scheiterten am Widerstand von König Karl VII. Hiernach verbrachte Karl seine letzten 20 Jahre hauptsächlich auf Schloss Blois. Dort verarbeitete er seine wechselnden Stimmungen und Gedanken in zahlreichen Balladen und, mehr und mehr, in Rondeaus, die oft wie Mosaiksteine eines poetischen Tagebuchs wirken, dabei aber virtuos alle Möglichkeiten der Gattung ausschöpfen. Zugleich versuchte er, seinen Hof zu einem literarischen Zentrum zu machen, indem er Höflinge und Freunde sowie seine Frau zum Versemachen anhielt und Dichter aus ganz Frankreich zu kürzeren und längeren Besuchen beherbergte, darunter Olivier de la Marche, George Chastelain, Jean Meschinot und, Ende 1457, auch François Villon, von dem er sich allerdings im Unfrieden getrennt zu haben scheint.
Er starb Anfang 1465 auf der winterlichen Heimreise von einem Fürstentreffen, auf dem ihn Ludwig XI. öffentlich gedemütigt hatte.
Ca. 1445 hatte er seine bis dahin verfassten Gedichte von einem Kalligraphen in ein Sammelmanuskript kopieren lassen, in das er anschließend auch seine neuen Gedichte oder die Gedichte von Höflingen und Gästen eintragen ließ oder auch selber eintrug. Das Manuskript ist erhalten.
Wenngleich sein heutiges Image als des ersten französischen Dichters von Naturlyrik nur sehr teilweise zutrifft, ist Charles d'Orléans doch einer der originellsten und produktivsten französischen Lyriker des ausgehenden Mittelalters.
Sein 1462 geborener Sohn Herzog Ludwig von Orléans übernahm 1498 als Ludwig XII. die französische Krone von seinem erbenlos verstorbenen Neffen zweiten Grades Karl VIII., wobei er dessen Witwe Anna von Bretagne heiratete.
Ehen und Nachkommen
1406 heiratete Karl seine Cousine Isabella von Valois (1389-1409), Tochter des Königs Karl VI. und Witwe von König Richard II. von England. Ihre gemeinsame Tochter Johanna (1409-1432), die Karl nach 1415 nicht mehr wiedersah, wurde ohne seine Zustimmung von König Karl VII verheiratet mit Herzog Johann II. von Alençon.
1410 heiratete Karl in zweiter Ehe Bona (Bonne) von Armagnac (1395-1430/35), Tochter des Grafen Bernhard VII. Die Ehe blieb kinderlos.
1440 heiratete Karl in dritter Ehe Marie von Kleve (1426-1486), Tochter des Herzogs Adolf I. Nach 16 Jahren Kinderlosigkeit wurde Marie schließlich noch Mutter von:
- Marie (1457-1493) ∞ Johann von Foix, Graf von Étampes
- Ludwig XII. (1462-1515) ∞ 1. Anna von Bretagne | ∞ 2. Maria Tudor
- Anna (1464-1491), Äbtissin von Fontevrault (1477-1491)
Siehe auch
Weblinks
- www.valois.org - Das Königliche Haus Valois
- Lexikon des Mittelalters
- Artikel in "Namen, Titel und Daten der franz. Literatur" (Hauptquelle)
Personendaten | |
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NAME | Karl von Orléans |
ALTERNATIVNAMEN | Charles d'Orléans |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Dichter |
GEBURTSDATUM | 24. November 1394 |
GEBURTSORT | Paris |
STERBEDATUM | 5. Januar 1465 |
STERBEORT | Amboise |