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Fundamentalismus

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Fundamentalismus bezeichnet religiöse Strömungen, deren Ziel eine Rückbesinnung auf die Wurzeln der Religion ist. Der Begriff wurde 1920 von C.L. Laws für die im 19. Jahrhundert entstandenen evangelikalen Bewegungen in den USA geprägt. Fundamentalistische Bewegungen existieren in allen großen Weltreligionen. Charakteristisch für den Fundamentalismus sind die wortgetreue Interpretation heiliger Texte und die Ablehnung kritischer und wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit religiösen Texten (siehe Verbalinspiration). Fundamentalistische Bewegungen lehnen die Errungenschaften der Moderne wie politischen Pluralismus und Säkularismus radikal ab und propagieren ein Modell der Rückkehr zu traditionellen Werten und des strikten Festhaltens an Glaubensdogmen. Für manche fundamentalistische Gruppen sind darüberhinaus eine starke Betonung religiöser Missionsgedanken typisch.

Die Hinwendung vieler Menschen zu fundamentalistischen Bewegungen läßt sich als Flucht vor der Komplexität der Moderne interpretieren. Der deutsche Politologe Thomas Meyer beschreibt beispielsweise die Gemeinsamkeiten der einzelnen Fundamentalismen als Umkehrung des Aufklärungsbegriffs, wie Immanuel Kant ihn definierte: "Fundamentalismus ist der selbstverschuldete Ausgang aus den Zumutungen des Selberdenkens, der Eigenverantwortung, der Begründungspflicht, der Unsicherheit und der Offenheit aller Geltungsansprüche, Herrschaftslegitimationen und Lebensformen, denen Denken und Leben durch Aufklärung und Moderne unumkehrbar ausgesetzt sind, in die Sicherheit und Geschlossenheit selbsterkorener Fundamente. Vor ihnen soll alles Fragen haltmachen, damit sie absoluten Halt geben können..."

Anders läßt sich Fundamentalismus auch als Protestbewegung sehen. Vor allem der islamische Fundamentalismus war in seinen Ursprüngen eine sozialkritische Bewegung, die für Korruption und andere politische Übel der islamischen Länder ihre "Verwestlichung" verantwortlich machte. Sayyid Qutb, einer der Vordenker der Muslimbruderschaft, propagierte einen islamischen Staat als Garant sozialer Gerechtigkeit.

Viele christliche Fundamentalisten lehnen die Darwinsche Evolutionstheorie ab und suchen die biblischen Aussagen über die Schöpfungsgeschichte gegen eine naturwissenschaftliche Betrachtung und Erforschung der Herkunft von Mensch und Kosmos auszuspielen. In den USA erreichte diese Kreationismus-Debatte in den 1930er Jahren ihren Höhepunkt im sogenannten Affenprozess, in dessen Folge die Lehre der Evolutionstheorie an den Schulen in einigen amerikanischen Staaten gesetzlich verboten wurde. Im Protestantismus existieren heute zahlreiche fundamentalistische Gruppen, die häufig auch als biblizistisch, evangelikal oder pietistisch bezeichnet werden. Auch in der katholischen Kirche gibt es fundamentalistische Tendenzen (siehe auch Ultramontanismus, Integralismus), vertreten u.a. von Organisationen wie dem Opus Dei oder dem Engelwerk.

Im Islam bildeten sich fundamentalistische Bewegungen im engeren Sinne in den 1930er Jahren, gleichwohl hatte es in der Geschichte des Islam immer wieder radikale religiöse Bewegungen gegeben, so z.B. die Wahhabiten im 18. Jahrhundert, die später den heutigen Staat Saudi Arabien prägten. Bis heute maßgeblich ist vor allem die 1928 in Ägypten gegründete Muslimbruderschaft (Al-Ikhwan al-muslimun). Die islamischen Fundamentalisten opponieren dem säkularen Staatsmodell und fordern die Einführung des islamischen Rechts, das politische, wirtschaftliche und soziale Probleme beseitigen solle.

Im Judentum manifestiert sich der Gegensatz fundamentalistischer und liberaler Haltungen besonders in der Frage der engeren oder weiteren Auslegung des Religionsgesetzes, des sogenannten "Zauns um die Tora". Politisch bedeutsam ist der von jüdischen Fundamentalisten, z.B. der Bewegung Gush-Emmunim (Block der Gläubigen), vertretene göttliche Anspruch der Juden auf Eretz Israel, das heilige Land.

Im 20. Jahrhundert fand der Begriff Fundamentalismus auch Eingang in die Sprache der Politik, insbesondere in der Auseinandersetzung innerhalb der Grünen Partei zwischen den Fundis und den Realos; neuerdings auch in Auseinandersetzungen innerhalb der PDS.