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Seelsorge

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Seelsorge ist ein aus theologischer Sicht motiviertes Bemühen um die Seele des Menschen und dessen Beziehung zu Gott.

Die Methoden der Seelsorge werden in der Poimenik reflektiert. Diese Lehre von der Seelsorge ist Teilgebiet der Praktischen Theologie.

Seelsorgliches Handeln ist nicht zu verwechseln mit psychotherapeutischem Handeln. Jedoch kommen in der Seelsorge auch psychotherapeutische Methoden zur Anwendung. Insbesondere die durch Carl Rogers und die holländische Seelsorgebewegung in Deutschland beeinflusste Pastoralpsychologie legt auf einen engen Austausch zwischen Seelsorge und Psychologie (hier meist Psychotherapie) Wert.

Seelsorgliches Handeln ist nicht an ein kirchliches Amt gebunden. Jeder Christ ist zur Seelsorge berufen und befähigt. Seelsorge versteht sich als ein Beziehungsgeschehen zwischen zwei oder mehreren Personen. Im speziellen Sinn gibt es jedoch auch amtlich bestellte Seelsorger.

Geschichtliche Entwicklung

In der alten Kirche ging es bei der Seelsorge primär um den Kampf des Christen gegen die Sünde, die sein endzeitliches Seelenheil gefährdete, und die Aufgabe des Seelsorgers war es, dem einzelnen Christen dabei zu helfen. Eine erste seelsorgerliche Bewegung entstand unter den Wüstenvätern, die Christen oft aufsuchten und um Rat fragten.[1] Ebenso waren die ersten klosterähnlichen Gemeinschaften solche Seelsorgezentren. In den Briefen von Basilius, Gregor von Nazianz und Johannes Chrysostomos finden sich zahlreiche Beispiele für seelsorgerlichen Rat. [2]

Am Übergang zum Mittelalter verfasste Gregor der Große das an Bischöfe gerichtete Liber regulae pastoris, eines der einflussreichsten Bücher über Seelsorge, das je geschrieben wurde.

Im Mittelalter war die Seelsorge eng an die Praxis des Bußsakraments gebunden, die Schuldbekenntnis, Wiedergutmachung und Lossprechung durch den Priester umfasste. Gegen die oft veräußerlichte Routine wurde insbesondere aus dem Mönchstum angegangen, beispielsweise von Bernhard von Clairvaux.

Bei den Reformatoren galt nicht mehr die Betonung der Sünde sondern die Betonung der Vergebung Gottes und des Trostes, insbesondere bei Martin Luther und Heinrich Bullinger, in vielen Fällen ersetzte die Kirchenzucht allerdings bald die Seelsorge.

Der Pietismus lehnte jede formelle Seelsorge ab; erstmals wurde das seelsorgerliche Gespräch ein Thema. Ziel der pietistischen Seelsorge war, die Früchte des Glaubens im persönlichen Leben, in Diakonie und Mission zu entfalten, während gleichzeitig in der Aufklärung der Sinn der Seelsorge in der Belehrung gesehen wurde, die die Gläubigen zur sittlichen Lebensführung befähigte.

Im 19. Jahrhundert begründete Friedrich Schleiermacher die Praktische Theologie. Er betonte, die Seelsorge solle die Freiheit und Mündigkeit des einzelnen Gemeindeglieds stärken.

In den USA entwickelte A.T. Boisen, einer der wichtigsten Repräsentanten der amerikanischen Seelsorgebewegung, in den 1920ern das Konzept des „Clinical Pastoral Training“, das Seelsorge, Psychologie und Pädagogik einschloss.

Eduard Thurneysen betonte die kerygmatische Seelsorge als „Ausrichtung der Botschaft und damit um die Erweckung geistlichen Lebens...“

Mitte der 1960er kam die Seelsorgebewegung über die Niederlande nach Deutschland und führte auch dort zur Entwicklung der Pastoralpsychologie. In der Theologie der Landeskirchen ist die pastoralpsychologisch orientierte Seelsorge bis heute Standard.

In den 1980ern entwickelte der katholische Priester und Universitätsdozent Eugen Drewermann an der Universität Paderborn seine tiefenpsychologische Auslegung der Bibel, insbesondere im dreibändigen Werk Psychoanalyse und Moraltheologie. Gleichzeitig entwickelte Michael Dieterich die Biblisch-Therapeutische Seelsorge, die besonders im pietistischen und freikirchlichen Umfeld rasche Verbreitung fand.

Arten der Seelsorge

Kirchliche Seelsorge geschieht heute in den verschiedensten Handlungsfeldern (Gemeinde, Krankenhausseelsorge, Notfallseelsorge, Psychiatrie, Telefonseelsorge, Schule, Polizeiseelsorge, Beratungsstellen, Altenarbeit, Alten- und Seniorenheimseelsorge, Behindertenarbeit, Hospiz und Sterbendenbegleitung, Trauerarbeit, Briefseelsorge, Internetseelsorge etc.). Auch Kasualien haben durch das dabei vorauslaufende persönliche Gespräch einen seelsorgerlichen Charakter: beim Taufgespräch begleitet man junge Ehepaare und Familien in einer neuen Lebensphase, im Vorgespräch zu Hochzeiten kommt es über die Klärung organisatorischer Fragen zu seelsorgerlichen Momenten, ganz stark auch im Vorfeld von Aussegnungsgottesdiensten.

Gemeinsam ist allen Handlungsfeldern der Anspruch, Menschen in Lebens- und Glaubensfragen zu begleiten. Dies geschieht im persönlichen Gespräch, je nach Situation aber auch durch Gebet, durch tröstende und aufmunternde Worte aus der Bibel, durch Segensgesten (z.B. Handauflegung) aber auch durch soziale Unterstützung. Zu Seelsorge fehlt ein gleichbedeutend anderer Begriff; Telefonseelsorge etwa bietet aufmunternde Worte, ganz ohne die Bibel zu zitieren.

Auch das Internet bietet inzwischen die Möglichkeit, seelsorgliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Zahlreiche Kirchen und andere Einrichtungen bieten E-Mail-Kontakte an. Hier können Hilfesuchende mit einem festen Gesprächspartner ihre Anliegen besprechen.

Seelsorge ist immer wieder neu an den konkreten Menschen auszurichten. So geschieht in der Seelsorgepraxis seit dem Beginn der Christenheit auch ein kontinuierlicher Wandel. In früheren Zeiten waren die Menschen sehr stark an ihren Wohnort gebunden. Die territoriale Ausrichtung der Kirche hat dieser Gegebenheit entsprochen. In einer modernen Gesellschaft herrscht jedoch große Mobilität, so dass Menschen sich Angebote auswählen und sich nicht mehr selbstverständlich ihrer Gemeinde vor Ort verbunden fühlen. Die Lebenswelt der Menschen erweitert sich weit über ihren Wohnort hinaus. Mit diesen Herausforderungen beschäftigt sich seit Ende der 90er Jahre ein neuer Ansatz, die Lebensraumorientierte Seelsorge. Dabei soll auf theologischer Grundlage und mit Hilfe der Soziologie ein Seelsorgeansatz entwickelt werden, der den Gegebenheiten der Seelsorge im 3. Jahrtausend gerecht werden kann.

Erlebnisorientierten Seelsorge verbindet Seelsorge mit Ansätzen aus der Erlebnispädagogik und Bewegungstherapie. Das Erlebnis (in der Natur) ist Raum, Ansatzpunkt und Metaphernträger für das seelsorgerliche Gespräch. Gerade das gemeinsame Gehen wurde zur Grundsituation für Gespräche. Dabei spielen nicht allein die Themen des Gesprächs eine Rolle, sondern auch Bewegungsmuster, Atemrhythmus oder Geschwindigkeit und Verlangsamung. Entstanden sind erlebnisorientierte Ansätze zur Seelsorge aus der Klinikseelsorge und mit der Pilgerbewegung der letzten Jahre.

Freikirchliche Seelsorge

In der freikirchlich orientierten Seelsorge herrscht oft ein Bezug zur Bibel vor, der sich darum bemüht, ein wörtliches Bibelverständnis zu bewahren, während der historisch-kritische Standpunkt, wie er in der universitären deutschen Pfarrerausbildung vorherrscht, in der freikirchlichen Praxis sehr misstrauisch betrachtet wird. Entsprechend hat die psychoanalytische Seelsorge eine geringe Verbreitung im freikirchlichen Bereich. Dennoch gibt es Versuche, beides miteinander zu vereinen, so z.B. in der Biblisch-Therapeutischen Seelsorge oder in der Therapeutischen Seelsorge.

Seit 2005 erscheint die Zeitschrift „Psychotherapie und Seelsorge“ im Oncken Verlag Kassel.

Landeskirchliche Seelsorge

Viele landeskirchliche Seelsorger sind in eigenen landeskirchlichen Seelsorgeinstituten ausgebildet, von denen das „modernste“ von Winkelmann in der Theologischen Schule Bethel b. Bielefeld entwickelt worden ist: [1]. Die Gründung eines Seelsorgeinstituts in der Kirchlichen Hochschule Bethel mit ausgesprochen moderner Grundlegung kommt einer Wende in der theologischen Ausrichtung der Kirchlichen Hochschule Bethel gleich. Denn, so kann der Autor aus eigener Erfahrung sagen, diese Hochschule hatte noch 1961 eine ausgesprochene pietistische Grundausrichtung entsprechend der Theologie ihres Gründers v. Bodelschwingh.

Zunächst Dietrich Stollberg und dann sein Nachfolger Klaus Winkler, die beiden ersten langjährigen Leiter des Seelsorgeinstituts, haben diesem eine psychoanalytische Prägung gegeben, die dazu berechtigt, der psychoanalytischen Seelsorge einen breiteren Raum in der evangelischen Kirche einzuräumen.

Eine große Unterstützung findet diese Richtung von psychotherapeutischer Seelsorge seit einigen Jahren durch Professoren der Praktischen Theologie, die an vielen Universitäten durch Lehrveranstaltungen Einführungen in psychotherapeutische Seelsorge geben. Zu ihnen gehörte auch Eugen Drewermann, bevor er seine Lehrerlaubnis entzogen bekommen hat. Darstellungen der universitären Lehrer mit ausführlichen Literaturverzeichnissen findet man immer häufiger im Internet.

Viele landeskirchliche Seelsorger haben in der Deutschen Gesellschaft für Pastoralpsychologie (DGfP) ihren organisatorischen Rahmen gefunden [2]. Dort finden sich sehr viele nützliche Links. Die DGfP gliedert sich in 6 Sektionen:

  1. Gruppen, Organisationen (GOS)
  2. Klinische Seelsorgeausbildung (KSA)
  3. Tiefenpsychologie (T)
  4. Personenzentrierte Psychotherapie und Seelsorge (PPS)
  5. Gestaltseelsorge und Psychodrama in der Pastoralarbeit (GPP)

Zusätzlich etabliert sich die systemisch integrative Seelsorge (SIS) (www.cfk-freiburg.de)in den Sparten

  1. systemisch integrative Einzelseelsorge
  2. systemisch integrative Paarseelsorge
  3. systemisch integrative Familienseelsorge

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Daniel Hell: Die Sprache der Seele verstehen. Die Wüstenväter als Therapeuten, 2002, ISBN 3-4510-5191-5
  2. Basilius der Große: Brief an einen gefallenen Mönch (englisch)

Literatur

  • Harmjan Dam; Matthias Spenn (Hg.): Evangelische Schulseelsorge. Hintergründe, Erfahrungen, Konzeptionen, Münster: Comenius-Institut 2007, ISBN 978-3-924804-80-0
  • Karl Federschmidt u.a. (Hg.): Handbuch interkulturelle Seelsorge, Neukirchen-Vluyn 2002
  • Ralf Koerrenz; Michael Wermke (Hg.): Handbuch Schulseelsorge, Göttingen:; Vandenhoeck & Ruprecht 2007
  • Anja Kramer; Freimut Schirrmacher (Hg.): Seelsorgliche Kirche im 21. Jahrhundert. Modelle - Konzepte - Perspektiven, Neukirchen-Vluyn 2005, ISBN 3-7975-0072-6
  • Jürgen Ziemer: Seelsorgelehre, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2004 (2. durchgesehene und aktualisierte Aufl.), ISBN 3-8252-2147-4
  • Peter Zimmerling (Hg.): Evangelische Seelsorgerinnen. Biografische Skizzen, Texte und Programme, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005
  • Peter Zimmerling: Nikolaus Ludwig von Zinzendorf als Herausforderung für heutige Seelsorge, in: International Journal of Practical Theology 6 (2002), S. 104-120

Zeitschriften

  • Praktische Theologie. Zeitschrift für Religion, Gesellschaft und Kirche, Gütersloh 1966ff.
  • Wege zum Menschen. Monatsschrift für Seelsorge und Beratung, heilendes und soziales Handeln, Göttingen 1948ff.