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Tamilische Schrift

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Tamil
Die Silbe ka in Tamil
ka in Tamil
Verbreitungsgebiet von Tamil
Schrifttyp Abugida
Sprachen Tamil
Verwendet in Tamil Nadu, Sri Lanka, Singapur
Abstammung Protosinaitische Schrift
 → Phönizische Schrift
  → Aramäische Schrift
   → Brahmischrift
    → Tamil
Besonderheiten Gehört zur indischen Schriftenfamilie.
Datei:Tamilalphabet.jpg
Werbeplakat in Tamil-Schrift

Die Tamil-Schrift, auch tamilische Schrift, gehört zu den indischen Schriften. Man schreibt mit ihr Tamil, eine dravidische Sprache, die im indischen Bundesstaat Tamil Nadu, auf Sri Lanka sowie in Malaysia und Singapur gesprochen wird.

Geschichte

Die Tamil-Schrift leitet sich über die Grantha-Schrift von einem südlichen Zweig der Brahmi-Schrift her. Da die Tamil-Schrift ursprünglich auf Palmblättern geschrieben wurde entwickelte sie sich von eckigen zu runden Zeichen, da eckige Schriftzüge die Palmblätter gespalten hätten.

Funktionsprinzip

Wie bei allen indischen Schriften handelt es sich bei der Tamil-Schrift um eine Zwischenform aus Alphabet und Silbenschrift, eine sogenannte Abugida. Die kleinste Einheit der Schrift bildet die Silbe: So besteht das Wort வீடு vīṭu aus den beiden Zeichen வீ டு und ṭu. Das Grundelement bildet dabei ein Konsonantenzeichen mit dem inhärenten Vokal a ist (z. B. க ka, ம ma). Folgt dem Konsonanten ein anderer Vokal, wird dieser mithilfe eines diakritischen Zeichens ausgedrückt (z. B. கா , மா ). Dieses sogenannte Sekundärvokalzeichen ist unselbstständig und bildet mit dem Konsonantenzeichen eine feste Einheit. Nur am Wortanfang werden Vokale durch selbstständige Schriftzeichen dargestellt (z. B: அ a, ஆ ā). Ein stummer Konsonant, d. h. ein Konsonant, dem kein Vokal folgt, wird durch einen übergesetzten Punkt (tamilisch புள்ளி puḷḷi) bezeichnet (z. B. க் k). Wie alle indischen Schriften ist auch die Tamil-Schrift rechtsläufig, d. h. sie wird von links nach rechts geschrieben, und kennt keinen Unterschied zwischen Groß- und Kleinbuchstaben.

Von den anderen indischen Schriften unterscheidet sie sich in zwei Punkten wesentlich: Aufgrund der Phonologie des Tamil, in der die Stimmhaftigkeit und Aspiration nicht bedeutungsunterscheidend sind, verfügt sie über eine wesentlich geringere Anzahl an Zeichen. Zudem kennt die tamilische Schrift keine Ligaturen und verwendet konsequent den puḷḷi, um Konsonantenverbindungen darzustellen.

Zeichen

Das Zeicheninventar der Tamil-Schrift umfasst zwölf selbstständige Vokalzeichen, 18 Konsonantenzeichen und je nach Zählung vier bis sechs weitere Konsonantenzeichen, die sogenannten Granthazeichen, die nur bei Lehnwörtern aus dem Sanskrit oder dem Englischen verwendet werden. Dazu kommt das spezielle Konsonantenzeichen āytam. Durch Kombination der 18 Konsonanten mit den 12 unselbstständigen Vokalzeichen können 216 Konsonant-Vokal-Verbindungszeichen gebildet werden.

Selbstständige Vokalzeichen

Die selbstständigen Vokalzeichen kommen nur am Wortanfang vor. In nachkonsonantischer Stellung werden hingegen die Konsonanten-Vokal-Verbindungszeichen (siehe unten) verwendet. Nur in der Dichtung können die selbstständigen Vokalzeichen selten auch im Wortinneren vorkommen, um die Dehnung eines Vokals anzuzeigen.

Die Vokalzeichen bezeichnen die zwölf Vokale (fünf Kurzvokale, fünf Langvokale und zwei Diphthonge) des Tamil. Ihre Aussprache hängt teils von ihrer Position im Wort und den umgebenden Konsonanten ab. Eine genaue Beschreibung der verschiedenen Aussprachevarianten findet sich im Artikel Aussprache des Tamil.

Zeichen Transliteration Lautwert
a [a], [ʌ], [ə]
ā [ɑː]
i [i], [ɨ]
ī [], [ɨː]
u [u], [ɯ]
ū []
e [e], [je], [ɘ]
ē [], [j], [ɘː]
ai [a], [ɛ]
o [ɔ], [ʋɔ]
ō []
au [ɑ]

Konsonantenzeichen

Die 18 Konsonantenzeichen entsprechen weitgehend den konsonantischen Phonemen des Tamil. Da diese Phoneme aber eine große Zahl von positionsgebundenen Allophonen haben, d. h. abhängig von ihrer Stellung im Wort als unterschiedliche Laute realisiert werden, können auch die Konsonantenzeichen mehrere verschiedene Lautwerte haben. Eine genaue Beschreibung der verschiedenen Aussprachevarianten findet sich im Artikel Aussprache des Tamil.

Neben den 18 eigentlichen Konsonantenzeichen kennt die Tamil schrift das spezielle Konsonantenzeichen ஃ , genannt āytam (ஆய்தம்). Es kommt im Gegensatz zu den übrigen Konsonantenzeichen nie mit nachfolgendem Vokal vor. Das āytam stammt aus dem Alt-Tamil und kommt in der modernen Sprachen nur in einigen wenigen Wörtern vor (z.&nsbp;B. அஃறிணை aḵriṇai [ˈahrɨɳɛi̯] „(grammatikalische) Niederklasse, Neutrum“). Seltener findet sich in neueren Texten die Praxis, den in englischen Lehnwörtern vorkommenden [f]-Laut, für den es in der Tamil-Schrift kein eigenes Zeichen gibt, am Wortanfang durch eine Kombination aus āytam und ப் p darzustellen (z. B. ஃபோன் fōṉ „Telefon“, von englisch phone).

Die Reihenfolge der Konsonantenzeichen beginnt mit dem āytam. Darauf folgen nach dem üblichen Konzept der indischen Grammatik die Konsonantenzeichen jeweils in Paaren von Verschlusslaut und Nasal nach ihrer Artikulationsstelle (velar, palatal, zerebral, dental, labial) von hinten nach Vorne geordnet. Als letztes kommen die vier Halbvokale y, r, l und v gefolgt von den vier dem Tamil Zeichen ழ் , ள் , ற் und ன் , die keine Entsprechung in den Sprachen Nordindiens haben und daher ans Ende hinzugefügt wurden.

Zeichen Transliteration Lautwert
[h]
க் k [k], [ɡ], [x], [ɣ]
ங் [ŋ]
ச் c [ʧ], [s], [ʒ]
ஞ் ñ [ɲ]
ட் [ʈ], [ɖ]
ண் [ɳ]
த் t [], [], [ð]
ந் n []
ப் p [p], [b], [β]
ம் m [m]
ய் y [j]
ர் r [ɾ]
ல் l [l]
வ் v [ʋ]
ழ் [ɻ]
ள் [ɭ]
ற் [r], [r], [dr]
ன் [n]

Granthazeichen

Um im Tamil nicht vorkommende Laute in Sanskrit-Lehnwörtern schreiben zu können, hat die Tamil-Schrift zusätzliche Konsonantenzeichen aus der Grantha-Schrift, die traditionell in Südindien zur Schreibung des Sanskrit verwendet wurde, entlehnt. Heute treten sie auch in Lehnwörtern aus dem Englischen oder anderen Sprachen auf. Es handelt sich bei den Grantha-Zeichen um die vier einfachen Zeichen ஜ் j, ஷ் , ஸ் s und ஹ் h sowie die Ligatur க்ஷ் kṣ, die meist als eigenständiges Zeichen aufgeführt wird, obwohl es aus zwei Graphemen zusammengesetzt ist. Eine zweite Ligatur, ஸ்ரீ srī, wird seltener als sechstes Grantha-Zeichen gewertet.

Manche Autoren widersetzen sich aus sprachpuristischen Gründen dem Gebrauch der Grantha-Zeichen und passen die Lehnwörter in ihrer Lautgestalt an die tamilische Phonologie an (z. B. விட்டுணு viṭṭuṇu statt விஷ்ணு viṣṇuVishnu“).

Zeichen Transliteration Lautwert
ஜ் j [ʤ]
ஷ் [ʂ]
ஸ் s [s]
ஹ் h [ɦ]
க்ஷ் kṣ []
ஸ்ரீ srī [sɾ]

Konsonanten-Vokal-Verbindungszeichen

Um nachkonsonantische Vokale auszudrücken, verwendet man in der Tamil-Schrift diakritische Zeichen, die sogenannten unselbstständigen Vokalzeichen. Sie bilden mit dem Konsonantenzeichen eine Einheit; grafisch können sie mit dem Konsonantenzeichen verschmelzen oder ihm nach- oder sogar vorangestellt sein. Die insgesamt 216 Konsonant-Vokal-Verbindungszeichen werden normalerweise regelmäßig gebildet und lassen sich problemlos in ihre einzelnen Komponenten auflösen. Einzig die Laute u und ū werden durch gebundene Vokalzeichen bezeichnet, die vier bzw. sechs verschiedene Varianten haben. In der folgenden Tabelle sind exemplarisch die zwölf Konsonanten-Vokal-Verbindungszeichen mit dem Konsonanten க் k angegeben

Konsonant-Vokal-Verbindungen
Zeichen Transliteration Lautwert
ka [ka], [kʌ], [kə]
கா [kɑː]
கி ki [ki], [kɨ]
கீ [k], [kɨː]
கு ku [ku], [kɯ]
கூ [k]
கெ ke [ke], [kɘ]
கே [k], [kɘː]
கை kai [ka], [kɛ]
கொ ko [kɔ]
கோ [k]
கௌ kau [kɑ]

Kodierung

Der Unicode-Bereich für die Tamil-Schrift ist U+0B80 ... U+0BFF.

    0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 A B C D E F
B80  
B90  
BA0  
BB0   ி
BC0  
BD0  
BE0  
BF0   ௿

Daneben werden die 8-Bit Zeichenkodierungen TSCII, TAB/TAM, Bamini und andere benutzt.

Literatur

  • Helga Anton: The Script and Pronunciation of Modern Tamil. Madras: Alamu Printing Works, 1976. S. 1-18.
  • A. H. Arden: A Progressive Grammar of Modern Tamil. Madras: Christian Literature Society, 1942 (Nachdruck 1969). S. 33-63.
  • William Bright: The Dravidian Scripts. In: Sanford B. Steever (Hrsg.): The Dravidian Languages. London: Routledge, 1998. S. 40-71.
  • Tamil writing. In: Florian Coulmas: The Blackwell Encyclopedia of Writing Systems. Oxford: Blackwell Publishers, 1996. S. 490 ff.