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Giovanni Segantini

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Giovanni Segantini, um 1890

Der Maler Giovanni Segantini (* 15. Januar 1858 in Arco; † 28. September 1899 auf dem Munt da la Bês-cha (Schafberg) bei Pontresina) war ein bekannter Vertreter der Malerei-Epoche des Symbolismus und ein Meister der Hochgebirgslandschaft, der schon früh mit der Pleinairmalerei begann. Durch seine eigene Technik des Pointillismus konnte er das ungebrochene Licht der Hochgebirgswelt zur Darstellung bringen. Er profilierte sich über die Malerei hinaus als ein Vordenker seiner Zeit.

Leben

Frühe Jahre (1858−1875)

Geburtsurkunde Segantinis

Giovanni Battista Emmanuele Maria Segatini, so sein eigentlicher Name, den er später in Segantini umänderte [1], wurde 1858 im damaligen österreichischen Arco am Gardasee als Kind des Schreiners Agostino Segatini (* 1802; † 20. Februar 1866) und seiner dritten Frau, Margherita de Girardi (* 4. September 1828 in Castello; † 3. März 1865 in Trient) geboren. Ein um sechs Jahre älterer Bruder kam am 20. Juli 1858 bei einem Brand ums Leben.

Nach dem frühen Tod der Mutter (sie starb mit 37 Jahren) brachte ihn der Vater zu einer Tochter aus erster Ehe, Irene. Diese empfand den Kleinen als Belastung und Giovanni riss deshalb aus, wann immer es ging. Im Juli 1865 hatte sie nach Innsbruck ein Schreiben verfasst mit der Forderung, dass man ihrem Halbbruder die österreichische Staatsbürgerschaft entziehen möge, was auch geschah, weshalb Segantini sein ganzes Leben staatenlos blieb. 1870 wurde er ohne Papiere aufgegriffen und da sein Vater gestorben war, landete er in der Erziehungsanstalt Riformatorio Marchiondi. Dort erlernte er den Beruf des Schusters. Ein alter Anstaltsgeistlicher nahm sich seiner an. Da dieser seine Begabung für das Zeichnen erkannte, erzählte er ihm von Fra Angelico, dem Malermönch, und erlaubte ihm, zu zeichnen und zu modellieren. [2] 1873 kam er nach Mailand und arbeitete beim ehemaligen Garibaldi-Anhänger Luigi Tettamanzi, der ein Maler von Heiligenfahnen, Transparenten und Wirtshausschildern, Komödiant und Verfasser historischer Dramen war. Tettamanzini stellte ihn als Gehilfen an und erteilte ihm Zeichenunterricht. [3] Durch Interventionen seines Halbbruders Napoleone konnte er die Besserungsanstalt verlassen.

Mailand (1875−1880)

Segantini, um 1878

Im Jahre 1875 schrieb er sich an der Kunstakademie Brera in Mailand ein, belegte Tageskurse in Malerei und Abendkurse in Ornamentik. Bei einer nationalen Ausstellung der Brera erregte er bereits 1879 mit seinem ersten größeren Bild, dem Chorgestühl von St. Antonio, bei Lehrern und Schülern Aufsehen durch die neuartige Behandlung des Lichts. Das durch ein Seitenfenster belichtete Chorgestühl von „St. Antonio“ galt damals bei den Perspektive-Schülern als unlösbares Problem. Man wollte Segantini den mit 5.000 Lire dotierten „Principe-Umberto-Preis“ erteilen. Neider und Feinde wussten dies aber zu verhindern, indem sie die Jury darauf aufmerksam machten, dass Segantini ein Österreicher und kein Italiener sei. [4] Das Bild wurde von der Gesellschaft der Schönen Künste von Mailand erworben. Später bekam er den Auftrag, für die Studenten kolorierte anatomische Zeichnungen anzufertigen, wodurch er sich selbst gute anatomische Kenntnisse aneignete.

Wegen Meinungsverschiedenheiten mit den Professoren an der Brera verließ er diese nach zwei Jahren. Im gleichen Jahr lernte er in der „Galleria Vittore ed Alberto Grubicy“ in Mailand den Kunstkritiker und -händler Vittore Grubicy kennen. Die Galerie veranstaltete eine Gedächtnisausstellung für den früh verstorbenen Tranquillo Cremona (1837−1878), als Segantini diese mit ärmlicher Kleidung und groben Schuhen betrat. Von Grubicy zurechtgewiesen, die Gemälde aber weiterhin mit intensiver Aufmerksamkeit betrachtend, entschuldigte er sich und gab sich als Maler zu erkennen. So begann eine Beziehung und Freundschaft fürs Leben und die finanzielle Not Segantinis hatte vorerst ein Ende, denn Grubicy verschaffte ihm auch Aufträge für Stillleben. [5] und brachte die Bilder Segantinis in den Kunsthandel. Zudem brachte ihn der weit gereiste Grubciy mit Reproduktionen von Kunst seiner Zeit in Berührung, was für Segantini eine der wenigen Möglichkeiten war, andere Künstler wie beispielsweise Jean-François Millet und ihre Werke kennen zu lernen.

Brianza (1880−1886)

Bice Bugatti

Im Jahre 1880 eröffnete Segantini sein erstes Atelier in der Via San Marco am Naviglio in Mailand. Hier lernte er die siebzehnjährige Luigia Bugatti, genannt Bice, kennen, die Schwester seines Mitschülers und Freundes Carlo Bugatti, der später in Mailand und Paris ein hochgeschätzter und gesuchter Möbelschreiner wurde. Bice stand Modell für das Bild La Falconiera (Die Falknerin) aus dem Jahre 1881, ein romantisches Bild, das den verliebten Zustand des Malers widerspiegelt. Die Heldin des Bildes heißt „Bice del Balzo“, und nahm in den Augen des verliebten Malers „irdische Gestalt in den weiblichen Formen der geliebten Luigia Bugatti an, die von nun an seine Bice wurde.“ [6] Heiraten konnten sie nicht, da er nicht über die notwendigen Papiere verfügte.

1880 zog er mit Bice nach Pusiano in der Brianza, einer ländlichen, hügeligen Seenlandschaft zwischen Lecco und Mailand, wo das Paar zwei Söhne bekam. Gottardo, geboren 1882, später selbst Maler und Biograph seines Vaters, und Alberto (1885−1904). Sein dritter Sohn Mario (März 1885−1916) und die Tochter Bianca (Mai 1886−1980) wurden in Mailand geboren. Mario wurde ebenfalls Maler, und Bianca brachte 1909 in Leipzig die Schriften und Briefe ihres Vaters in deutscher Sprache heraus. Die Familie Segantini bezog im Jahre 1882 einen Herrschaftssitz in Carella. Hier stieß Segantini auf den lombardischen Maler Emilio Longoni (1859−1932).

Segantini studierte ausführlich die „Natura morta“ und entwickelte in zahlreichen Stillleben eine naturnahe Malerei. In Blumenbildern hielt er erstmals die reine Schönheit der Natur fest. Hier, am Lago di Pusiano, entstand 1882 auch die erste Fassung von Ave Maria auf der Überfahrt, welche zwei Jahre später an einer Ausstellung in Amsterdam ausgezeichnet werden sollte.

Am 20. Januar 1883 unterzeichneten Segantini und Grubicy einen Vertrag, worin Segantini seinen Mäzen und Händler ermächtigte, Bilder mit dem Monogramm „G.S.“ zu signieren, ihn in allen öffentlichen und privaten Belangen zu vertreten sowie über sein Schaffen und seinen Besitz zu verfügen.

Ein halbes Jahr, von 1885 bis 1886, hielt er sich in Caglio auf. In einem seiner bedeutendsten Werke, An der Barre, einer grossflächigen, lichtvollen und weiträumiger Komposition, fasste er die Erfahrungen in der Brianza zusammen. Das Bild stellte die bisherige Summe seiner malerischen Entwicklung dar und nahm gleichsam etwas von seinem Triptychon Sein, Werden, Vergehen vorweg. [7]

Savognin (1886−1894)

Giovanni Segantini und Bice vor dem Bild Das Pflügen (um 1888)

Der Landschaft überdrüssig verließ er 1886 die Brianza und zog für sechs Monate mit seiner Familie nach Mailand und führte Auftragsarbeiten für das lombardische Großbürgertum aus. Nach einem langen Ausflug über Como, Livigno, Poschiavo, Pontresina und Silvaplana ließ sich Segantini in Savognin im Oberhalbstein nieder, wo er bis 1894 mit seiner Familie lebte. Zahlreiche seiner grossen Werke entstanden hier. So schuf er eine neue Fassung von Ave Maria bei der Überfahrt, bei der er zum ersten Mal mit der Technik des Divisionismus experimentierte, sowie eines seiner populärsten Bilder: Die beiden Mütter. Das Werk Die Scholle von 1890 befindet sich heute in der Neuen Pinakothek in München. Motive aus dem Dorf- und Alpleben verarbeitete Segantini zu Bildern, in denen die bäuerlichen Menschen in die weite Landschaft einbezogen waren.

In den Niederlanden, Belgien, Deutschland, später auch in Österreich, aber auch in Japan [8] hatte er schon Berühmtheit erlangt. Er wurde von Max Liebermann und Ludwig Fulda besucht. Giovanni Giacometti und der junge Cuno Amiet erfuhren seine wohlwollende Förderung. [9] Im Rahmen der Weltausstellung 1888 in London war Segantini bei der Italian Exhibition einer der bestvertretenen Künstler, wodurch seine internationale Präsenz bestätigt wurde. 1889 war er mit Werken in der italienischen Abteilung auf der Weltausstellung in Paris vertreten und das Bild Kühe an der Tränke von 1888 wurde mit der Goldmedaille ausgezeichnet. In seinen Bildern begann er sich dem Symbolismus anzunähern. Die erste „Segantini-Retrospektive“ fand im Dezember 1891 in der Galerie Grubicy in Mailand statt. Segantini nahm Beziehungen zu den Händlern Ernst Arnold in Dresden, Edkard Schulte in Berlin und anderen auf, wodurch Alberto Grubicy das Exklusivrecht an seinen Werken verlor.

Barbara Uffer

In vielen von Segantinis Werken ist Barbara Uffer (1873−1935), Segantinis bevorzugtes Modell, dargestellt: unter anderem als trinkendes Mädchen am Brunnen in Bündnerin am Brunnen von 1887; als strickendes Mädchen auf einer Wiese in Strickendes Mädchen von 1888; als Schafhirtin unter strahlend blauem Himmel in Mittag in den Alpen von 1891 oder als Schlafende neben einem Zaun in Ruhe im Schatten aus dem Jahre 1892. Nachdem sich Segantini mit seiner Familie 1886 in Savognin niedergelassen hatte, trat die damals 13-jährige Barbara, genannt Baba, als Kinder- und Hausmädchen in den Dienst der Familie. Sie kümmerte sich um die vier Kinder Gottardo, Alberto, Mario und Bianca und besorgte die Zimmer. Zudem musste sie Segantini mit Malutensilien und Proviant begleiten, wenn er in der Landschaft arbeitete.

Als die Segantinis 1894 nach Maloja zogen, kam Baba mit ihnen. 1899 begleitete sie Segantini auf den Schafberg, wo er am Mittelteil des Triptychons arbeitete. Nach Segantinis Tod blieb sie noch fünf Jahre bei Bice und den Kindern, bis sie nach insgesamt 19 Jahren die Familie verließ. [10]

Maloja (1894−1899)

Segantinis Haus mit Atelier in Maloja

Im August 1894 verließ die Familie Segantini Savognin und beschloss, sich in Maloja im Engadin niederzulassen. Sie bezog das Chalet Kuoni, das von einem Ingenieut der Gotthardbahn erbaut worden war; ein geräumiges Haus unweit des Silser Sees. Segantini trat mit den Kunsthändlern Bruno und Paul Cassirer sowie Felix Königs aus Berlin in Kontakt, von denen er vertreten wurde. Ab 1896 arbeitete Segantini im Sommer in Maloja im Engadin und im Winter in Soglio im Bergell. Hier entstanden unter anderem Hochgebirgslandschaften in einer dem Neoimpressionismus verwandten Maltechnik. Bekannt ist vor allem das grandiose Alpentriptychon Werden - Sein - Vergehen, (La vita - La natura - La morte) bestehend aus den Teilen Das Leben, Die Natur und Der Tod. Das Leben entstand 1896-1899 in der Nähe von Soglio, Die Natur 1897-1899 auf dem Schafberg oberhalb von Pontresina im Engadin und Der Tod 1896-1899 beim Malojapass in Richtung Bergell. Das Triptychon hängt im Segantini Museum in St. Moritz.

Segantini hatte in der Zeit in Maloja einen regen Schriftwechsel mit den Dichtern Angelo Orvieto (1869−1967) und Domenico Tumiati (1847−1933); der Romanschriftstellerin Neera (eigentlich Anna Radius Zuccari, 1846−1918), die zu seinen ersten Biographen zählte, sowie dem Mailänder Spätromantiker Gerolamo Rovetta. Ferner mit der Librettisten Luigi Ilica (1857−1919) und dem divisionistischen Maler Giuseppe Pellizza da Volpedo (1868−1907) sowie mit dem neapolitanischen Dichter Vittorio Pica (1866−1930). Letzterer machte, von Paris aus, dem italienischen Publikum den Impressionismus und den Symbolismus bekannt. Schließlich begann ein Austausch mit den Wiener Secessionisten, die in Segantini einen Wegbereiter sahen. Die Staatenlosigkeit Segantinis bereitete ihm große Schwierigkeiten. In Österreich hingegen, wo Kaiser Franz Joseph seine Werke bewunderte, wurde ihm ein gewisser Schutz gewährt.

Familie Segantini in Maloja, 1898: von links Gottardo, Giovanni, Bice, Mario, Baba Uffer, Alberto, Bianca

Im Jahre 1897 kündigte Segantini vor einer Versammlung in Samadan ein Projekt an, welches von Engadiner Hoteliers finanziert werden sollte, das aber nie zustande kam. Für die Weltausstellung in Paris im Frühjahr 1900 hatte er ein Panorama des Engadins vorgesehen. Es sollte ein Pavillon entstehen, der „ganz in der besten Tradition des Panoramas des 19. Jahrhunderts die Wiederherstellung der natürlichen Schönheiten des Engadins mittels einem bildnerischen und plastischen Illusionismus gezeigt hätte.“ [11] Das Projekt sah eine kreisförmigen Eisenarchitektur mit einer Gesamtfläche von 3.850 Quadratmetern vor, welche die Landschaft und die Atmosphäre des schweizerischen Alpenlebens darstellen sollte. Das Triptychon der Natur sollte darin integriert werden. Die hohen Kosten von einer Millionen Franc, die schon für die Miete hätte aufgebracht werden müssen, und die daraus resultierenden langen Verhandlungen, die bis ins Jahr 1900 geführt wurden, haben das Projekt scheitern lassen.

Für die Illustrierung einer Bibel, für die der Verlag „Geillustreerde Bijbel Uitgaven“ in Amsterdam ein Unternehmen gegründet hatte, das sich zum Ziel setzte, die Bibel in mehreren Sprachen zu geringen Kosten herauszugeben, wurde bei allen europäisch anerkannten Künstlern um Beteiligung ersucht. Segantini lieferte im Jahre 1898 drei Zeichnungen ab. Das Unternehmen dauerte von 1896 bis 1903.

Notizen, hier zum Thema 'Seele'.

Seine Gedanken und künstlerschen Auffassungen legte er in zahlreichen Texten dar. Im November 1898 wurden Segantinis „Betrachtungen über die Kunst“ − seine Antwort auf eine Umfrage von Leo Tolstoj in einem Artikel im „Le Figaro“, in dem dieser an die Künstler die Frage richtete: „Was ist Kunst?“ − von der Zeitschrift der Wiener Secession „Ver Sacrum“ veröffentlicht.

Auf Tolstojs Frage „Qu'est-ce que l'art?“ antwortete Segantini zu Beginn in Was ist Kunst?: „Als ich den Schmerz der Eltern eines toten Kindes lindern wollte, malte ich den ‚Schmerz vom Glauben getröstet‘; um das Band zweier Liebenden zu weihen, malte ich die ‚Liebe am Lebensborn‘; um die volle Innigkeit der Mutterliebe fühlen zu lassen, malte ich ‚die Liebesfrucht‘, den ‚Lebensengel‘; als ich die schlechten Mütter strafen wollte und die eitlen und unfruchtbaren Wollüstigen, malte ich die ‚Strafe im Fegefeuer‘, und als ich endlich die Quelle aller Übel andeuten wollte, da malte ich die ‚Eitelkeit‘.“

Zum Ende antwortete er: Leo Tolstoi stellt sich, als ob er nicht wüßte, was man unter Schönheit verstehe und was ihre Bedeutung sei. Er braucht ja nur eine Blume zu betrachten; sie würde ihm besser als irgendeine Begriffsbestimmung sagen, was die Schönheit ist. Er stellt sich auch, als ob er nicht wüßte, wo die Kunst abhebt. Sie beginnt, wo das Brutale, das gekünstelte und Banale aufhören. Wenn ihr an einem Bauernhause vorbeigeht, an dessen Fenster liebevoll gehaltene Blumen prangen, da könnt ihr sicher sein, im Innern jenes Häuschens werden Ordnung und Reinlichkeit herrschen, und die Leute, die es bewohnen, werden nicht schlecht sein. Hier beginnt die Kunst mit ihren Wohltaten. [12]

Tod

Der Schafberg (Bildmitte)

Mitte September 1899 stieg Segantini mit seinem Sohn Mario auf den Schafberg, um an dem schon fast fertiggestellten Sein zu arbeiten. Während des Sommers hatte er an Werden und Vergehen gearbeitet. Das große Triptychon der Natur sollte für die Weltausstellung in Paris fertig sein.

Giovanni Giacometti: Segantini auf dem Totenbett

Schon bald nach seiner Ankunft erkrankte er an einer Bauchfellentzündung, arbeitete jedoch unermüdlich weiter. Sein Sohn eilte hinab nach St. Moritz zu Dr. Oskar Bernhard, einem ärztlichen Freund des Malers. Zusammen mit Segantinis Lebensgefährtin Bice, die aus Mailand herbeigeeilt war, stieg er auf den Berg, konnte jedoch nichts mehr für den Kranken tun. Giovanni Segantini starb am 28. September im Alter von 41 Jahren auf dem Schafberg, an einem Sonntag, vierzig Minuten vor Mitternacht. Anwesend waren sein Sohn Mario, Dr. Oskar Bernhard und Bice. [13] In Vorahnung seines kommenden Endes, aber auch in Vorausahnung seiner Anerkennung sagte er noch zu seiner niedergeschlagenen Frau: „Ich habe da unten eine große Menschenmenge gesehen, diese Menschen waren so klein, und ich, ich war so groß.“ Seine letzten Worte sollen gewesen sein: „Voglio vedere le mie montagne.“ (Ich möchte meine Berge sehen.) − ein letztes Bekenntnis zu seinen geliebten Bergen. Nach seinem Tod kam sein junger Freund Giovanni Giacometti ans Totenbett und malte den verehrten Künstler.

Die Gräber von Giovanni Segantini, Bice und ihren Söhnen

Am 1. Oktober 1899 wurde Segantini auf dem kleinen Friedhof von Maloja, den er von 1895 bis 1896 im Glaubenstrost gemalt hatte, begraben. Bice starb am 13. September 1938 in St. Moritz, 39 Jahre später. Sie wurde neben Giovanni beigesetzt. Eine Tafel trägt die Aufschrift Da presso e da lunge in terra e in cielo uniti in vita e in morte ora e sempre (In der Nähe und der Ferne, auf der Erde und im Himmel, vereint im Leben und im Tod, jetzt und immer). Über ihren Gräbern steht die Inschrift Arte ed amore vincono il tempo (Kunst und Liebe besiegen die Zeit).

Neben Giovanni und Bice liegen die Gräber ihrer Söhne Mario, Gottardo und Alberto Segantini. Die Tochter Bianca wurde in Arco begraben, wohin sie nach ihrem Aufenthalt in Leipzig zurückgekehrt war.

Der Künstler

„Es ist meine Überzeugung, dass das Lehren der Malerei absurd ist. Wohlverstanden meine ich mit diesem Lehren nicht das Zeichnerische ... Wer nicht als Künstler geboren ist, wird nie Künstler.“ [14]

Jean-François Millet: Ährenleserinnen (1857)

Mit der Übersiedlung nach der Brianza begann die eigentliche Laufbahn des Künstlers. Hier berührte er sich in seiner künstlerischen Ausdrucksform mit Jean-François Millet, der mit seinen Bildern wie das von 1868 bis 1873 entstandene Le printemps (Frühling) bereits Stilelemente des Impressionismus vorweggenommen hatte und erst in seinen späteren, ab 1865, entstandenen Landschaftsgemälden und Zeichnungen mit ihrem mystischen Licht in die Nähe des Symbolismus rückte. Segantini hatte nie unter seinem Einfluss gestanden. Er kannte das Werk des Franzosen nur aus Photographien. Beider Schöpfungen können als direkte Naturübertragungen angesehen werden. Der eine seine Landschaft düster, der andere hell, und in einem schonungsloses Licht zeigend. In einem Brief an den Dichter Tumiati vom 29. Mai 1898 schreibt er:

„Um meine Gefühlsbewegungen zu stärkerem Ausdruck zu bringen und auch das ganze Milieu meines Werkes durch die poetisch-malerischen Empfindungen meines Geistes beleben zu können, emanzipierte ich mich in der ersten Zeit von den kalten Modellen, ging abends in den Stunden des Sonnenuntergangs aus und nahm die Stimmung in mich auf, die ich am Tage der Leinwand mitteilte.“ [15]

Diese poetisch-verträumte Epoche fiel zeitlich zusammen mit seiner Befreiung aus dem seelisch einengenden Leben der Großstadt. Die bäuerliche Harmonie seiner Umgebung und sein eigener verliebter Zustand der Umgebung und seinem eigenen jungen Haushalt gegenüber, trugen zu dieser künstlerischen Phase bei und förderten ein Schaffen von innen heraus. [16] [17]

Giovanni Segantini: Die Heuernte (1890–98)

Der Mensch war bei Segantini von Anfang an in die Landschaft eingebettet, er verschmolz in ihr sozusagen. Millet hatte den Bauern poetisiert, ihn romantisch-literarisch erhöht. Bei Segantini bleiben die Hirten und Bauern einfach und ohne jedes Pathos. Millet entdeckte, mit Gustave Courbet, den Bauern als künstlerisches Thema und seine Wahl dieses Motivs ist Ausdruck eines sozialethischen Programms gewesen. Millet erlebte den Bauern als Intellektueller, als Städter, von außen gesehen und als Kritiker am Städtedasein. Trotz der äußeren Ähnlichkeit der Motive beider Künstler, haben die von Segantini ein ganz anderes Wesen und er hatte dies selbst deutlich gespürt und ausgedrückt. Er wolle einfach seine Modelle „... malen, ganz anders als Millet, glücklich, schön und zufrieden, kein Mitleid erweckend, sicher eher Neid, wenn man sie und ihr Leben kennen lernt, wie ich es getan.“ [18]

Ferdinand Avenarius hatte 1908 im Kunstwart den Unterschied in der Feststellung zusammengefasst: „Segantini erreicht an Wucht der Menschengestaltung Millet nicht annähernd, strebt aber auch gar nicht, ihn zu erreichen. Er gibt seinem Menschen mit Millet Größe, aber zum Alleinherrscher macht er ihn nicht. Das Große ist ihm in noch anderem Maße als Millet das Ganze, das Land, das mütterliche Land, oder, mit einem Abwandeln der Gefühlsbetonung, das ‚Leben‘.“ [19]

„Ihm ist der Künstler ein Priester der hehren Schönheit des Erschaffenen, der im Dienste dieser erleuchteten Göttin sein Leben zu stellen und, wenn nötig, zu opfern hat.“ [20]

Segantini lebte in einer Zeit, in der der wissenschaftliche Materialismus eine Art Gesetz war und sein Anspruch war zu sagen: „Ein Ideal außerhalb des Natürlichen hat keine Lebenskraft von Dauer; aber eine Wirklichkeit ohne Ideal ist eine Wirklichkeit ohne Leben.“ [21]

In der Biographie über Segantini fragte sein Sohn Gottardo, ob Segantini Naturalist oder Idealist war und kam zum Schluss, dass er weder das eine noch das andere war. „Das ist kein Naturalist mehr, der sein Können im Wetteifer mit den Größten seiner Zeit durch ernstes ständiges Bemühen immer mehr vervollständigt hat, das ist ein großer Idealist.“ Die Natur belauschend wiedergeben und nicht ein „Sich-Vertiefen in Groteske und interessante Sonderheiten, sondern das Festlegen der allgemeinen erkannten Schönheiten.“

Hier lag der Kern seines Bemühens und das Menschliche seiner Kunst. Nicht den Kritikern nachlaufen, nicht Volkskunst anstreben, dies war sein Bemühen. Die Bilder Segantinis waren keine Publikumsbilder, sie erregten bei den schaffenden Malern Aufsehen, wurden nur dort anerkannt, wo sie in die Kunstströmung hineinpassten und sie hatten insofern eine Sonderstellung, als sie auch hier und da dazu benutzt wurden, der althergebrachten malerischen Einstellung den Kampf anzusagen. Wenn nach dem Tod des Künstlers seine Werke und sein Name rasch Weltruhm erlangten und das Publikum seine Bilder zu den „Lieblingen ihrer Wahl“ machte, so kann man nicht den Schluss daraus ziehen, sie seien auch als Publikumsbilder gemalt worden. [22]

Die Beurteilung seiner Kunst war lange Zeit von der Tatsache bestimmt, dass er seine Alpenmotive in pointillistischer Technik malte, was seinem Wesen aber im Wege stand. Er war vor allem Maler von landschaftlichen Träumen und er hatte sich durch das Hochgebirge dazu inspirieren lassen, diese Träume auf die Leinwand zu bringen. In seiner Grundhaltung war er ein Expressionist, sich realistischer Ausdrucksformen bedienend. So steht er, „bei aller Verschiedenheit der Mittel, Caspar David Friedrich nahe, den er freilich im Malerischen wie in der Urwüchsigkeit des Naturerlebnisses überragt.“ [23]

Selbstbildnis (1878)
Selbstbildnis (1893)
Selbstbildnis (1893)
Ciao, ich umarme dich, dein immer treuer Begleiter und Freund G. Segantini
(Adressat unbekannt)


Das Alpentriptychon

Das für die Weltausstellung in Paris 1900 vorgesehene Panorama des Engadins konnte aus finanziellen Gründen nicht verwirklicht werden. Die für das Panorama vorgesehene Alpensymphonie mußte Segantini schon auf sieben Teile reduzieren, wobei er die drei Mittelstücke zuerst in Angriff nahm. Nach Skizzen arbeitete er an den weiträumigen Bildern, auf denen Licht, Luft, Entfernung und Hintergrund den wahren Geist des Gebirges sichtbar machen sollten. Wegen Segantinis Tod wurden die vorgesehenen vier weiteren Bilder Eigenliebe, Nächstenliebe, Die Arbeit und Die Lawine für die Alpensymphonie nicht fertiggestellt. So ist das Alpentriptychon als ein Fragment dessen zu sehen, was Segantini vorhatte: Ein Panorama des Engadins. [24] Die beiden Zeichnungen Alpenrose und Edelweiß sollten in Lebensgröße ausgeführt werden und rechts und links von La natura angebracht werden.

Panorama des Engadins
Nach den Studien von Segantini aus den Jahren 1898−1899


Ursprünglich hießen die drei Gemälde Armonie della vita, La natura und Armonie della morte. Die deutsche Übersetzung Werden, Sein, Vergehen ist dem Werk erst später gegeben worden. Armonia della morte ist das erste, das angefangen, aber immer wieder zurückgestellt wurde. Armonie della vita entstand als zweites der drei Bilder und wurde im Herbst 1896 in Soglio begonnen. Beide Bilder wurden erst nach Segantinis Tod zu seinem Alpentriptychon. La natura, das Sein − und damit meinte Segantini die Natur der Bergwelt − sollte „propagantistisch für St. Moritz als Auftraggeber des großen Werkes, eine gewaltige, damals sagte man ‚grandiose‘ Verherrlichung finden.“ [25] Segantini fertigte eine große Zeichnung unter dem Titel Sein an, die als Vorführobjekt diente und die Auftraggeber von der Schönheit des Projekts überzeugen sollte. Sie waren überzeugt und Segantini konnte zu arbeiten beginnen, indem er die beiden Bilder Armonie della vita und Armonie della morte als Seitenstücke zu La natura verwertete.

Segantini fertigte 1899 drei Studien zum Triptychon an und ließ diese dem Präsidenten der Kunstkommission für die Weltausstellung zukommen. Ein von Segantini verfaßter, von Vittore Grubicy ins Französische übersetzter Brief, der die Eingabe begleitete, besagt, daß das Triptychon mitsamt den Lünetten eine Ausdehnung von zwölfeinhalb Metern Breite und fünfeinhalb Metern Höhe hätte einnehmen sollen. [26] Die Studie zum Werden zeigt die Landschaft bei Soglio in der untergehenden Sonne, oben in einer Lünette ist eine Allegorie der Kräfte der Zerstörung angebracht. Vom Wind geblasen ziehen mit dem Tod Wasser und Feuer, denn das ewige Werden entsteht aus der Zerstörung. Rechts und links davon Eigenliebe und Nächstenliebe. Die Studie zum Sein zeigt ein vom letzten Sonnenlicht der untergegangenen Sonne beleuchtetes Engadiner Tal. Die Lünette zeigt St. Moritzer Häuser in einer Winterlandschaft, vom Mondlicht hell erstrahlt. Rechts und links Alpenrose und Edelweiß. Die Studie Vergehen zeigt eine winterliche Morgenlandschaft, in der eine Tote aus einer Hütte gebracht wird. In der Lünette tragen zwei Engel die Seelen der Toten in den christlichen Himmel, denn alles Vergehen findet eine Wiedergeburt im gläubigen Herzen. Rechts und links davon Die Arbeit und Die Lawine.

La vita - Werden
La vita - Werden
La natura - Sein
La natura - Sein
La morte - Vergehen
La morte - Vergehen

Il trittico della natura - Das Alpentriptychon
La vita, 190 x 320 cm − La natura, 235 x 400 cm − La morte, 190 x 320 cm; Werden − Sein - Vergehen, 1898-1899, Öl auf Leinwand, Segantini Museum, St. Moritz.


„Der Aufbau des ganzen Triptychons läßt an die Meisterwerke der Renaissance denken, in denen die Künstler nie müde werden, die verschiedenartigsten Gestaltungen zusammenzuzwingen, um einen religiösen Gedankengang vollständig zur Vergegenwärtigung zu bringen. Die Schönheit der drei großen Bilder ... läßt den Gedanken aufkommen, daß es diesem gottbegnadetem Künstler möglich gewesen wäre, auch gegen den damaligen und heutigen Geschmack im vollendeten Werk ein solches malerisches, künstlerisches, gedankliches Wunder zu schaffen, daß von diesem ‚Tryptychon der Natur‘ eine neue Ära der Malerei ihren Anfang hätte nehmen können.“ [27]

Rezeption

Für das Ottocento, die Kunst des 19. Jahrhunderts in Italien, war Segantini wohl dessen universellster Maler. In Frankreich stellte die Pariser Avantgarde für die Künstler keinen Ausgangspunkt dar. Eine Ausnahme bildete hier nur der Florentiner Kreis, da dieser sich dem französischen Impressionismus bereits in den Jahren von 1875 bis 1880 geöffnet hatte. Das Ottocento wurde außerhalb der Landesgrenzen weitgehend ignoriert und angelsächsische und französische Historiker beharrten hartnäckig darauf, die italienische Kunst des 19. Jahrhunderts als, wie Alphonse de Lamartine es sagte, „terre des morts“ zu sehen. Zudem bescherte 1900 die verpasste Weltausstellung in Paris Segantini einen Popularitätsverlust. Die Ausstellung seines Panoramas des Engadins hätte seinen Erfolg in Paris bestätigen können.

Nach dem Tod Segantinis reihte man ihn sofort dem Bekennertum von Edvard Munch, Vincent van Gogh und James Ensor zu. Wassily Kandinsky reihte ihn unter die Wegbereiter des Geistigen in der Kunst ein, Franz Marc malte 1913 seine Tierschicksale, in dem dieser die ruhige Existenz der Tiere in Segantinis Bildern übersteigerte und sentimentalisierte.

Segantinis Erfolg in Japan erklärt sich aus der Bindung dieses Landes an die eigene Meiji-Kultur. Die Japaner hatten sich schon zu Lebzeiten Segantinis mit seinem Werk vertraut gemacht und sind ihm bis heute treu geblieben. Antonio Fontanesi (1818−1882), der vom japanischen Kaiser 1876 nach Tokyo gerufen wurde, um die erste abendländische Akademie in Japan einzurichten, verdankt „Japan die geistige Verarbeitung der europäischen Sichtweise und die Teilnahme an den bedeutenden internationalen Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts.“ [28]

Giovanni Segantini, 1898

Das Phänomen Segantini war ein nördliches Phänomen. Südlich der Alpen verstand man ihn künstlerisch als Helden der Moderne für die in das 20. Jahrhundert aufbrechende italienische Malerei; im Norden verstand man ihn als Lebensform, die sich später in eine regressive Heimatkunst einengte. 1932 drehte Leni Riefenstahl den Bergfilm Das blaue Licht und schrieb in ihren Memoiren: „Nun fehlten mir noch die Bauern, sie waren am schwierigsten zu finden. Ich wollte besondere Gesichter haben, herbe und strenge Typen, wie sie auf den Bildern von Segantini verewigt sind.“ [29] Riefenstahl hatte diese Typen nicht gefunden, denn die „‚Wirklichkeit‘ Segantinis ist immer durch die künstlerische Herkunft, hier von Millet und Anton Mauve, gefiltert“ [30]

Den Musiker Anton Webern inspirierte 1905 das Alpentriptychon zu einem ersten Streichquartett. Webern hatte während seines musikwissenschaftlichen Studiums an der Universität Wien als Nebenfach Kunstgeschichte belegt und bei einem Aufenthalt in München im August 1902 das Gemälde Das Pflügen von 1890 in der „Neuen Pinakothek“ gesehen. So schrieb er in sein Tagebuch: „Ich sehne mich nach einem Künstler in der Musik, wie's Segantini in der Malerei war, das müsste eine Musik sein, die der Mann einsam fern alles Weltgetriebes, im Anblick der Gletscher, des ewigen Eises und Schnees, der finsteren Bergriesen schreibt, so müsste sie sein wie Segantinis Bilder.“ [31] Im Sommer 1905 hatte er die Komposition für ein Streichquartett fertiggestellt, welches erst aus dem Nachlass des Komponisten bekannt wurde. Die Uraufführung fand am 26. Mai 1962 in Seattle durch „The University of Washington String Quartet“ statt. Werden, Sein und Vergehen waren der Komposition als Motto vorangestellt.

Die letzten Worte Segantinis „Voglio vedere le mie montagne“ machte 72 Jahre später der Bildhauer Joseph Beuys zum Titel einer Rauminstallation. Sie trägt den Titel Voglio vedere i mie montagne [sic], 1971. [32] Einem großen Schrank mit ovalem Spiegel auf der linken Seite steht rechts ein Bettgestell gegenüber. Zwischen Bett und Schrank stehen eine hohe, an einer Seite offene Transportkiste sowie eine niedrige Holztruhe, auf der ein morsches Holzstück liegt. Auf einem mit Schwefel überzogenen Schemel ist ein mit Fett eingeschmierter Spiegel aufgestellt. Im Bett liegt eine Fotografie, die Beuys angezogen und mit Wanderstab in der Hand in eben diesem Bett liegend zeigt. Neben dem Schrank, in Kopfhöhe, hängt ein Porträt von Beuys. „Hier neben diesem Schrank bin ich geboren worden: Da an der Seite. Von Zeit zu Zeit hat mich der Schrank unheimlich verfolgt. Ich hatte die ersten Träume neben diesem Schrank ...“ [33] Jeder dieser Gegenstände ist mit Kreide bezeichnet. Auf dem Schrank steht „Vadrec [t]“ (Gletscher); auf Kiste, Truhe und Schemel „Sciora“ (Felsen, Bergkette) und „Cime“ (Gipfel) und auf dem Bett „Walun“ (Tal). Alle Gegenstände, Schrank, Transportkiste, Holztruhe, Schemel und Bett sind am Boden mit einer Kupferkonstruktion verbunden. Von der Decke, in der Mitte des triptychonartigen Halbrunds der Installation, hängt eine bis knapp auf den Boden hinabreichende runde Lampe, die ein rundes Filzstück hell beleuchtet.

Wie die Berge Segantini des Kreislaufs von Werden und Vergehen versichern, so wird in der Installation [von Beuys] das zufällige Leben eine Notwendigkeit.“ Beuys durchbricht Segantinis schicksalhafte symbolische Vision. Für Beuys ist der Fluss des Kreislaufs form- und beeinflussbar.

Beuys hatte bei Segantini der „Ganzheitsanspruch angezogen, das Aufgehen von Mensch und Tier im Naturgeschehen, der zyklische Rhythmus von Leben und Vergehen. ‚Macht die Kunst zum Gottesdienst‘, hatte der Pantheist Segantini erklärt und gefordert, der neue Kult solle in der Natur, der Mutter des Lebens wurzeln, soll mit dem unsichtbaren Leben der Erde und des Weltalls in Verbindung stehen.“ [34]

Auszeichnungen

  • 1883: Goldmedaille für Ave Maria bei der Überfahrt, 1882 (1. Fassung); Weltausstellung Amsterdam.
  • 1886: Goldmedaille für Ave Maria bei der Überfahrt, 1886 (2. Fassung); Weltausstellung in Amsterdam.
  • 1886: Goldmedaille für An der Stange, 1886; Weltausstellung in Amsterdam.
  • 1889: Goldmedaille für Kühe an der Tränke, 1888; Weltausstellung in Paris.
  • 1892: Goldmedaille für Mittag in den Alpen, 1891; München.
  • 1892: Goldmedaille für Das Pflügen, 1890; Nationale Ausstellung in Turin.
  • 1895: Preis des italienischen Staates für Il Ritorno al paese natio, 1895; Internationale Kunstausstellung in Venedig (erworben 1901 von den Staatlichen Museen Berlin).
  • 1896: Goldene Staatsmedaille für Die zwei Mütter, 1889; Vereinigung Bildender Künstler Österreichs.
  • 1897: Grosse Goldplakette für Liebe am Brunnen des Lebens, 1896; Internationale Ausstellung in Dresden.

Retrospektiven

Werkliste (Auswahl)

Insgesamt sind rund 450 Werke von Segantini bekannt. [35]

Bild Titel Jahr Größe/Material Eigentümer/Sammlung
Il coro di Sant'Antonio
Der Chor von Sant'Antonio
1879 119,5 × 84 cm
Öl auf Leinwand
Privatsammlung
Paesaggio con donna su un albero
Landschaft mit Frau im Baum
um 1881, unvollendet 68.5 x 104.5 cm
Öl auf Leinwand
Sturzenegger-Stiftung

Museum Allerheiligen, Schaffhausen

Autoritratto
Selbstbildnis
um 1882 52 x 38.5 cm, Öl auf Leinwand Gottfried-Keller Stiftung

Segantini Museum

Il Zampognari in Brianza
Die Dudelsackpfeifer von Brianza
1883–1885 107,2 × 192,2 cm
Öl auf Leinwand
National Museum of Western Art, Tokyo
Pantura sull’imbrunire
Ebene beim Eindunkeln
1883–1885 80 × 100 cm
Öl auf Leinwand
Sammlung Beat Curti
L’ultima fatica del giorno
Die letzte Mühe des Tages
1884 117 x 82 cm
Öl auf Leinwand
Szépmüvészeti Museum, Budapest

Segnung der Schafe
1884 Öl auf Leinwand Segantini Museum
A messa prima
Frühmesse
1884–1885 108 × 211 cm
Öl auf Leinwand
Giovanni Segantini Stiftung, St. Gallen
Pastorello con agnellino Hirtenknabe mit Lamm um 1885 42 x 27.5cm
Pastell und Farbkreide auf Aquarellpapier
Privatbesitz

Segantini Museum

Ritratto della Signora Torelli
Porträt der Signora Torelli
1885–1886 101 × 74.5 cm
Öl auf Leinwand
Privatsammlung, New York
Ave Maria a trasbordo
Ave Maria bei der Überfahrt
2. Fassung
1886 120 × 93 cm
Öl auf Leinwand
Giovanni Segantini Stiftung, St. Gallen

Segantini Museum

Costume Grigionese
Bündnerin am Brunnen
1887 54 × 79 cm
Öl auf Leinwand
Giovanni Segantini Stiftung, St. Gallen

Segantini Museum

Ritratto di Vittore Grubicy
Porträt von Vittore Grubicy; Ausschnitt
1887 151 × 91 cm
Öl auf Leinwand
Museum der Bildenden Künste Leipzig
I miei modelli
Meine Modelle
1888 65,5 × 92,5 cm
Öl auf Leinwand
Kunsthaus Zürich
Ragazza che fa la calza
Strickendes Mädchen
1888 53 × 91,5 cm
Öl auf Leinwand
Kunsthaus Zürich
Vacche aggiogate
Kühe an der Tränke
1888 83 × 139,5 cm
Öl auf Leinwand
Gottfried Keller-Stiftung

Kunstmuseum Basel

Il trittico della natura
La vita

Das Leben; Studie
1898–1899 137 × 108 cm
Kohle und Conté-Stift auf Papier
Segantini Museum
Il trittico della natura
La natura

Die Natur; Studie
1898–1899 137 × 127 cm
Kohle und Conté-Stift auf Papier
Segantini Museum
Il trittico della natura
La morte

Der Tod; Studie
1898–1899 137 × 108 cm
Kohle und Conté-Stift auf Papier
Segantini Museum
Il frutto dell'amore
Die Frucht der Liebe
1889 88,2 × 52,2 cm
Öl auf Leinwand
Museum der bildenden Künste, Leipzig
Le due madri
Die beiden Mütter
um 1889,
Öl auf Leinwand
Galleria d’arte moderna Mailand
L’aratura
Das Pflügen
1890 116 × 227 cm
Öl auf Leinwand
Neue Pinakothek, München
Ritorno dal bosco
Rückkehr vom Wald
1890 64 × 95 cm
Öl auf Leinwand
Giovanni Segantini Stiftung St. Gallen

Segantini Museum

Sul balcone
Auf dem Balkon (Ausschnitt)
1892 64,5 × 41 cm
Öl auf Leinwand
Gottfried-Keller Stiftung

Bündner Kunstmuseum, Chur

Mezzogiorno sulle alpi
Mittag in den Alpen
1891 77.5 × 71.5 cm
Öl auf Leinwand
Kunstmuseum St. Gallen
Riposo all’ombra
Ruhe im Schatten
1892 44 × 68 cm
Öl auf Leinwand
Privatsammlung Zürich
Donna alla fonte
Frau an der Quelle
1893–1894 71,5 × 121 cm
Öl auf Leinwand
Museum Stiftung

Oskar Reinhart, Winterthur

Alpenweiden
Alpenweiden
Pascoli alpini
Alpweiden
1893–1894 169 × 278 cm
Öl auf Leinwand
Kunsthaus Zürich
L’angelo della vita
Engel des Lebens
1894 216 × 217 cm
Öl auf Leinwand
Galleria d’Arte Moderna, Mailand
L’angelo della vita
Lebensengel
1894 275,5 × 212 cm
Öl auf Leinwand
Segantini Museum
Le cattive madri
Die bösen Mütter
1894 120 × 225 cm
Öl auf Leinwand
Österreichische Galerie, Wien
Il ritorno al paese natio
Rückkehr in die Heimat
1895
Öl auf Leinwand
Neue Nationalgalerie, Berlin
Il dolore confortato dalla fede
Glaubenstrost
1895–1896 151 × 131 cm
Öl auf Leinwand
Hamburger Kunsthalle
L’amore alla fonte della vita
Liebe an der Quelle des Lebens
1896 70 × 98 cm
Öl auf Leinwand
Galleria d’Arte Moderna, Mailand
Pascoli di primavera
Frühlingsweide
1896 95 × 155 cm
Öl auf Leinwand
Pinacoteca di Brera, Mailand
La vanità
Die Eitelkeit
1897 78 × 126 cm
Öl auf Leinwand
Kunsthaus Zürich

Literatur

  • Beat Stutzer: Blicke ins Licht. Neue Betrachtungen zum Werk von Giovanni Segantini, Scheidegger & Spiess, 2004; ISBN 978-3858811592
  • Gian Casper Bott: Giovanni Segantini, Lehrmittelverlag Kanton Graubünden, 1999
  • Reto Bonifazi, Daniela Hardmeier, Medea Hoch: Segantini. Ein Leben in Bildern, Werd Verlag, 1998; ISBN 978-3859322806
  • Beat Stutzer , Gioconda Leykauf-Segantini: Segantini. Bildband, Montabella Verlag AG, 1999; ISBN 978-3907067024 (mehrsprachig)
  • Annie-Paule Quinsac: Segantini: Catologo Generale, Mondadori Electa, 1982; ISBN 978-8843507313 (italienisch)
  • Hans Zbinden: Giovanni Segantini. Leben und Werk, Bern 1964, Verlag Paul Haupt
  • Gottardo Segantini: Giovanni Segantini. Mit 16 mehrfarbigen und 48 einfarbigen Tafeln und 99 Bildern im Text, Zürich 1949, Rascher & Cie. AG., Zürich.
  • Bianca Zehder-Segantini (Hrsg. u. Bearb.): Giovanni Segantinis Schriften und Briefe, Leipzig o.J. (1912), Verlag von Klinkhardt & Biermann.
  • L. Villari: Giovanni Segantini. The story of his life together with seventy five reproductions of his pictures in half tone and photogravure, T. Fisher Unwin, London 1901
Ausstellungskataloge
  • Giovanni Segantini. 1858-1899, Wien 1981 (Museum Moderner Kunst. Museum des 20. Jahrhunderts, Wien 10. Juli bis 23 August 1981 und Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck 3. September bis 4. Oktober 1981).
  • Giovanni Segantini. 1858–1899, Kunsthaus Zürich 1990.
Commons: Kategorie:Giovanni Segantini – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen und Einzelnachweise

Soweit nicht anders vermerkt, basiert der Hauptartikel auf der biographischen Zusammenstellung von Annie-Paule Quinsac zum Leben Segantinis in: Giovanni Segantini. 1858-1899, Kunsthaus Zürich 1990, S. 225 ff.

  1. Annie-Paule Quinsac (Zusammenstellung): Biographie, in: Giovanni Segantini. 1858-1899, Kunsthaus Zürich 1990, S. 225
  2. Hans Zbinden: Giovanni Segantini. Leben und Werk, Bern 1964, Verlag Paul Haupt, S. 11
  3. Hans Zbinden, Bern 1964, S. 11
  4. Gottardo Segantini: Giovanni Segantini, Zürich 1949, Rascher & Cie. AG., S. 24
  5. Hans Zbinden, Bern 1964, S. 12 f.
  6. Gottardo Segantini, Zürich 1949, S. 26
  7. Comitatio Segantini St. Moritz (Hrsg.): Giovanni Segantini und das Segantini-Museum in St. Moritz, Engadin Press AG, Samedan 1968, unpag.
  8. Über Hermann Hesses Peter Camenzind, der in das Japanische übersetzt wurde und in dem Segantinis Werk eine Rolle spielt, war das Interesse für Segantini erwacht.
  9. Hans Zbinden, Bern 1964, S. 39
  10. Barbara Uffer wird im Mittelpunkt einer Ausstellung stehen, die im Sommer 2008 zum 150. Todestag von Giovanni Segantini im Segantini Museum gezeigt wird.
  11. Annie-Paule Quinsac: Der Fall Segantini: Schwankungen in der Rezeptionsgeschichte und die Bedeutung seines Werkes heute, in: Giovanni Segantini. 1858-1899, Kunsthaus Zürich 1990, S. 21
  12. Was ist Kunst?, in: Schriften und Briefe, S. 42 ff.; Gottardo Segantini zitiert in seiner Biographie auf Seite 58: „... als ich die schlechten Mütter strafen wollte und die eitlen und unfruchtbaren Wollüstigen, malte ich ‚Die bösen Mütter‘ ...“
  13. Hans Zbinden, Bern 1964, S. 58
  14. Hans Zbinden, Bern 1964, S. 12
  15. Gottardo Segantini, Zürich 1949, S. 52
  16. Gottardo Segantini, Zürich 1949, S. 52
  17. Hans Zbinden, Bern 1964, S. 16
  18. Hans Zbinden, Bern 1964, S. 18
  19. Hans Zbinden, Bern 1964, S. 18
  20. Gottardo Segantini, Zürich 1949, S. 39
  21. Gottardo Segantini, Zürich 1949, S. 39
  22. Gottardo Segantini, Zürich 1949, S. 40 ff.
  23. Hans Zbinden, Bern 1964, S. 7 ff.
  24. Comitatio Segantini St. Moritz (Hrsg.), Samedan 1968, unpag.
  25. Gottardo Segantini, Zürich 1949, S. 86
  26. Kunsthaus Zürich 1990, S. 198
  27. Gottardo Segantini, Zürich 1949, S. 87
  28. Anni Paule Qinsac in: Kunsthaus Zürich, 1990, S. 19
  29. Günter Metken: Von Montesquiou bis Beuys, in: Kunsthaus Zürich, 1990, S. 33
  30. Günter Metken in: Kunsthaus Zürich, 1990, S. 33
  31. Hans und Rosaleen Moldenhauer: Anton von Webern. Chronik seines Lebens und Werkes, Zürich 1979, S. 65 f.
  32. Götz Adriani, Winfried Konnertz, Karin Thomas: Joseph Beuys, Köln 1994, S. 121
  33. Theodora Vischer: Joseph Beuys. Die Einheit des Werkes, Köln 1991 (Verlag der Buchhandlung Walter König), S. 211
  34. Günter Metken in: Kunsthaus Zürich, 1990, S. 42
  35. Giovanni Segantini. 1858-1899, Wien 1981 (Museum Moderner Kunst. Museum des 20. Jahrhunderts, Wien 10. Juli bis 23 August 1981 und Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck 3. September bis 4. Oktober 1981), S. 8