Geschichte Südtirols
Die Geschichte Südtirols ist geprägt durch die österreichischen Wurzeln, dem an Südtirol statuiertem Exempel der Faschisten und in der Nachkriegszeit durch Widerstand und Aufstieg zum Wohlstand.
1918 - 1939
Anschluss an Italien und die faschistische Diktatur Nach dem für das Kaiserreich Österreich-Ungarn verlorenen Ersten Weltkrieg wurde 1920 das zu 97% deutschsprachige Südtirol von Italien annektiert. Dies kam durch den Umstand zustande, dass die österreichischen Truppen den vereinbarten Waffenstillstand 24 Stunden zu früh antraten (am 3. November) und die italienischen Truppen dadurch die Österreichischen Stellungen überwinden und dadurch innerhalb weniger Tage von der Front im Trentino bis nach Innsbruck vorstossen konnten. Obwohl Österreich ganz Deutschtirol für sich beanspruchte, wurde im Friedensvertrag von Saint Germain die Angliederung des südlich des Brenners liegenden Teils Tirols an Italien besiegelt. England und Frankreich hatten bereits im Londoner Vertrag von 1915 Italien die Brennergrenze u.a. Gebiete zugesichert, um dessen Kriegseintritt an der Seite der westlichen Alliierten zu erkaufen. Als Verlierer des Krieges hatte Österreich wenig Möglichkeiten, eigene Ansprüche geltend zu machen, zumal Österreich damals noch nicht einmal ein souveräner Staat war. Die Besatzung Südtirols ging relativ reibungslos von sich. Das Land war führungslos und so war man über die Besetzung durch italienische Soldaten nicht beunruhigt. Vielmehr wurden die Soldaten freudig empfangen zumal sich niemand erwartet hatte, dass die Soldaten länger bleiben würden.
Im Jahre 1921 waren die Faschisten italienweit operierende Schlägertrupps, die zunehmend auch nach Südtirol drangen und da vornehlich Überbleibsel der Doppelmonarchie (etwa Donauadler) zerstörten. Vorläufiger Höhepunkt war ein Übergriff auf einen Trachtenumzug in Bozen. Im Oktober 1922 zogen 700 Faschisten schließlich auf Bozen und besetzten das Rathaus unter den Augen der Polizeikräfte, die nicht einschritten. Der Marsch auf Bozen war für die Faschisten Probe auf den folgenden Marsch auf Rom. Mit der Machtergreifung des Benito Mussolini, begann für die Südtiroler eine Phase der Unterdrückung und der Versuch der Italienisierung des Landes. Die Italianisierung trägt vor allem die Handschrift von Ettore Tolomei, einem extremen Faschisten aus dem Trentino. Dieser hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Südtirol zu italianisieren. Bis heute findet sich in Südtirol sein Vermächtnis (etwa bei den italianisierten Ortsnamen deutscher Ortschaften). Ab 1923 wurden sämtliche Orts- und Flurnamen italianisiert und der Name Tirol verboten. 1916 hatte Tolemei eine Liste herausgegeben, in der sämtliche Namen übersetzt wurden, teilweise schlichte Übersetzungen der gebräuchlichen deutschen Namen. Weiterhin wurden auch die Nachnamen der Bevölkerung übersetzt (Details zur Ideologie Tolomeis). Aus Solidarität wurden daraufhin in Österreich, vor allem in Innsbruck Straßen und Plätze nach Südtiroler Orten benannt.
Zwischen 1923 und 1925 wurde Italienisch zur einzig legitimen Amts- und Gerichtssprache, deutsche Zeitungen wurden verboten (mit Ausnahme von religiösen Schriften, was auf die Lateran Vertäge zurückging). Ab 1924 stand Südtirol außerdem unter Militärprotektorat, Gebäude durften nur nach Zustimmung des Militärs errichtet werden.
Bis 1928, im Zuge der Schulreform, war Italienisch einzige Unterrichtssprache in den Schulen. Aus diesem Grund bildeten sich Verbot der deutschen Unterrichtssprache, wo Deutsch unterrichtet wurde. In diese Zeit fällt auch der Bau des bis heute umstrittenen Siegesdenkmals und Zerstörung alter österreichischer Denkmäler.
Im selben Jahr begann auch die 2. Phase der Italianisierung. Da die bisherigen Bemühungen nicht von großem Erfolg gekrönt waren, wurde in Bozen eine große Industriezone angelegt. Firmen erhielten großzügige Subventionen und Steuerbegünstigungen, wenn sie Niederlassungen in Bozen errichtet haben. So wurde innerhalb weniger Jahre die Einwohnerzahl Bozens durch italienische Zuwanderer vervielfacht. Diese Politik war von sehr viel größerem Erfolg gekrönt, als die bisherigen Anstrenungen der Faschisten (Die Bevölkerung wuchs von 30.000 Einwohnern zur Jahrhundertwende auf zwischenzeitlich bis zu 120.000).
1939 - 1945
Als 1938 Hitler Österreich annektierte, schöpften viele Südtiroler neue Hoffnung. Am Brenner wehte damals das Hakenkreuz, was in vielen Südtirolern die Hoffnung weckte, Hitler würde sich bald auch für Südtirol interessieren und Südtirol heim ins Reich holen. Die Ernüchterung folgte bald, als Details über das im Jahre 1939 geschlossene Hiter-Mussolini Abkommen bekannt wurden. Demnach sollten die Einwohner Südtirols optieren, also zwischen reichsdeutscher Staatsbürgerschaft und verlassen der Heimat, oder italienischer Staatbürgerschaft und eine mögliche Deportation unterhalb des Pos wählen. Letztes war jedoch erwiesenermaßen einen Lüge seitens des deutschen Propagandaministers Himmlers. Im Ergebnis der Option entschieden sich 86% für Reichsdeutschland, damit hatten selbst die Faschisten nicht gerechnet. Tatsächlich ausgewandert sind bis zum Sturz des Diktators Mussoline jedoch nur wenige Tausend.
Nach dem Sturz Mussolinis, dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht und der Errichtung der Operationszone Alpenvorland im Jahre 1943, wurde sowohl die Auswanderung der Optanten als auch Zuwanderung von Italienern beendet. Der Einzug der deutschen Soldaten wurde zumindest in Südtirol zunächst gefeiert. Obwohl die NSDAP in Südtirol nie zugelassen war (sehr wohl aber der NSDAP nahestehende Verbände, etwa der VKS, der Völkische Kampfring Südtirols), waren doch einige Südtiroler in Kriegsverbrechen verwickelt, auch ist es immer wieder zu Ausschreitungen zwischen Dableibern und Optanten gekommen. Bezeichnend ist die Tatsache, dass in den drei Jahren zwischen 1943 und 1945 während der Herrschaft der Nationalsozialisten mehr Todesopfer zu beklagen waren, als während der gesamten Zeit des faschistischen Regimes von [1922]] bis 1942. In diese Zeit fällt auch die Errichtung eines Durchgangslagers in Bozen, unter Mischa Seifert. Widerstand gab es gegen den Nationalsozialismus kaum, zumal dieser den Südtirolern in erster Linie Grundrechte zurückbrachte (und die NSDAP wie erwähnt verboten war). Kurz vor Kriegsende, am 3. Mai 1945 war Südtirol wieder frei und die italienische Widerstandsbewegung CLN (Comitato di Liberazione Nazionale, d.h. Komitee zur nationalen Befreiung) hisste am Brenner wieder die italienische Fahne.
1945 - 1972
Wiederaufbau und Kampf um Autonomie Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte kurzfristig die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung Tirols auf, da Österreich auch als Opfer des Krieges galt. Erneut stand Österreich allerdings ohne souveränen Staat dar. Der Staatsvertrag von Österreich datiert auf 1955, die Verhandlungen über Südtirol waren jedoch bereits 1945 auf der Tagesordnung der Siegermächte in Paris. So stand Österreich gegenüber Italien in der deutlich schlechteren Position für Verhandlungen. Weiterhin war Südtirol auch erstes Opfer im beginnenden Kalten Krieg. Genau wie Deutschland, war nach dem Krieg auch Österreich von den Besatzungsmächten besetzt und auch dort ging die Angst um, die Sowjetunion könnte sich aus dem Besatzungsgebiet nicht zurückziehen. Sollte Südtirol also an Südtirol fallen, hätte die Sowjetunion ergiebige Energiequellen. Das wollte man nicht riskieren, zumal man die italienische Regierung stärken wollte, die vor einem Linksruck stand.
So hatte der österreichische Vertreter Gruber, als Außenminister ohne Staat, wenig Hoffnung auf eine erfolgreiche Einigung. Um so überraschender war das Entgegenkommen des italienischen Gesandten Alcide de Gasperi, der Österreich ein Autonomie für die Region Trentino-Südtirol anbot. Dies war freilich nicht ganz uneigennützig, de Gasperi war schließlich Trentiner und wusste um die Instabilität der italienischen Regierungen, die er durch die so erreichte Selbstverwaltung bequem umschiffen konnte. Gruber war vom vorliegenden Entwurf nicht begeistert, wurde aber durch Zuspruch aus dem britischen Foreign Office zur Unterzeichnung gedrängt. Dieses, am 5. September1946 unterzeichnete Abkommen ging als Gruber-De Gasperi Abkommen von Paris in die Geschichte ein. Grund für die Zurückhaltung Grubers war einerseits die nicht bindende Wirkung des Abkommens (es ist kein Vertrag, lediglich ein Gentlemens agreement, siehe auch: Pariser Abkommen) und der endgültige Verlust Südtirols. Sehr umstritten war die territoriale Abgrenzung des Abkommens, das bis zum 2. Autonomiestatur 1972 für heftige Proteste sorgte. Entscheidender Passus war nämlich der Autonomieanspruch für die Region Trentino-Südtirol, in der die italienische Bevölkerung eine unumrückbare Mehrheit hatte (200.000 Deutsche gegenüber 500.000 Italienern). Dennoch blieb es dabei und das Abkommen wurde durch Aufnahme der Autonomie im Jahr 1948 in der Verfassung der Republik Italien endgültig ratifiziert. Immerhin wurde Österreich aber eine Schutzmachtstellung zuerkannt.
Da Italien aber schon die Halbinsel Istrien an Jugoslavien abtreten musste 1946, wurde im Pariser Abkommen, auch als Gruber-De Gasperi-Abkommen bekannt, den Südtirolern nur autonome Rechte im Rahmen der Reginon Trentino- Südtirol zuerkannt. Österreich wurde als Schutzmacht anerkannt.
In Italien verzögerte man die Umsetzung der weiteren Punkte des Pariser Abkommens absichtlich und legte andere Punkte äußerst streng aus. In Südtirol war man über diese Lösung alles andere als glücklich, so formierte sich langsam der Widerstand gegenüber diesem ersten Autonomiestatut. Besonders strittig, war die italienische Wohnbaupolitik, die schließlich 1957 esalierte. Damals sollten 5000 Wohnungen in Südtirol, natürlich vornehmlich für italienische Zuwanderer, errichtet werden. Die Südtiroler wollten dies nicht hinnehmen und versammelten sich zur bisher größten Kundgebung in der Geschichte Südtirols, als sich 35.000 Südtiroler auf den Aufruf der neuen Südtiroler Volkspartei Führung unter Silvius Magnago auf Schloss Sigmundskron versammelten, und "Los von Trient" skandierten. Unmittelbaren Folge war ein großes, auch internationales Interesse, an der Südtirolproblematik. Seit dem Staatsvertrag [[1955] war Südtirol außerdem zentrales Thema der Außenpolitik Österreichs, sodass das Südtirol Problem nach diversen erfolglosen Sondierungsgesprächen zwischen Rom und Wien erstmals auf der Tagesordnung der UN-Vollversammlung kam. Mit der UN-Resolution 1497/XV vom 31. Oktober 1960 wurde das Pariser Abkommen bindend sei und dessen Punkte einzuhalten seien. Italien erklärte sich zwar zur besseren Durchführung des bestehenden Autononomiestatutes bereit, blockte sonst jedoch alle weiteren Punkte kategorisch ab.
Zwischen 1956 und 1969 kam es daher aus Frustration über die Südtirol Politik Italiens zu einer Serie von Bombenattentaten Südtiroler Freiheitskämpfer (sogenannte Bumser). Die Anschläge der ersten Serie richteten sich nicht in erster Linie gegen Menschen, sondern sinnbildlich gegen Hochspannungsmasten (bis 1961). Die zweite Serie ab 1961 bis 1969 war hingegen sehr viel gewalttätiger und blutiger, dabei kamen auch viele Menschen ums Leben. Unter anderem wurde dabei auch die Grabstätte von Tolomei zerstört. 1963 erreichten die diplomatischen Beziehungen zwischen Italien und Österreich einen neuen Tiefpunkt, als 10 italienische Carabinieri wegen einer Generalamnestesie freigesprochen wurden, nachdem sie nachweislich Attentäter gefoltert hatten.
Große Beachtung fanden schließlich auch die Prozesse gegen insgesamt 94 Angeklagte der Anschläge im Dezember 1963. Die vergleichsweise milden Urteile (Anklagen wegen Hochverrats wurde fallengelassen) wurden sowohl seitens Österreichs, als auch der SVP anerkennend und als Entgegenkommen der Italiener betrachtet.
Die neuen Anschlagsserien (motiviert durch neonazistische Kreise und ausländische Geheimdienste) führten jedoch zu einer erneuten Eskalation, die mit einem Veto Italiens zum EWG Beitritt Österreichs einen Höhepunkt erreichte. Der Streit zwischen den beiden Nationen kam schließlich im Jahr November 1961 erneut vor die UNO. Diese bestätige die Resolution von 1960, zeitgleich nahm auch eine Neunzehnerkommission ihre Arbeit auf, die eine Lösung für die Südtirolproblematik finden sollte. Eigentlich sollte diese bloß eine weitere Verzögerungstaktik sein, präsentierte nach mehreren Jahren Arbeit 1964 jedoch überraschende und südtirolfreundliche Ergebnisse. Diese wurden als Paket bezeichnet und beinhalteten eine Reihe von Gesetzes- und Verfassungsänderungen, die später das 2. Autononmiestatut bilden sollten. Zuvor waren jedoch noch weitere Widerstände, national wie international aus dem Weg zu räumen. Fraglich war vor allem die internationale Verankerung des Pakets. Österreich bestand darauf, Italien wieß diese ab. Da noch immer das Veto bestand, willigte Österreich schließlich ein und der Weg für das Paket war frei, da Italien im Gegenzug das Veto zurückziehen würde. Die Verhandlungen darüber dauerten jedoch bis 1969, als die Annahme des Pakets in Südtirol empfohlen wurde.
Zuvor musste dieses Paket jedoch noch von den Regierungen Südtirols, Italiens und Österreichs ratifiziert werden. Während im italienischen Parlament die Zustimmung eindeutig und klar war, war sie in Österreich sehr viel geringer (Regierungsmehrheit, da die SPÖ kurz zuvor in die Opposition wechselte). In Südtirol gab es auf dem SVP Parteitag eine flammende Debatte über das Paket, bis es nach 18 Stunden mit 52,8% Mehrheit angenommen wurde. Im Jahr 1971 wurde das Paket schließlich endgültig ratifiziert
nach 1972
Heute gilt Südtirol als Modellregion für eine Autonomie von etnischen Minderheiten. Durch verschiendene Umstände wie den ethnischen Proporz und der Gebrauch des Dialekts durch die deutsprachigen Südtiroler und nicht zuletzt die Herkunft der Italiener in Südtirol aus verschiedensten Regionen Italiens ist das Unbehagen der Italiener in den letzten Jahren nicht zurückgegangen. Dies zeigt sich auch darin, dass viele Deutsch nur schlecht oder mangelhaft beherrschen. Derzeit kristallisiert sich immer stärker ein friedliches Nebeneinander der Bevölkerungsgruppen heraus; ein echtes Miteinander dagegen ist es nicht, dies wird auch durch das getrennte Schulsystem und die Konzentration der Italiener auf die größeren Ortschaften gefördert.
Zur Geschichte vor 1918, siehe Geschichte Tirols
Literatur
- Gottfried Solderer (Hrsg.) Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Bozen 1998 - 2003 (in 5 Bänden)
- Josef Fontana - Peter W. Haider - Walter Leitner - Georg Mühlberger - Rudolf Palme - Othmar Parteli - Josef Riedmann, Geschichte des Landes Tirol. Bozen/Innsbruck/Wien 1988 - 1990
- Rolf Steininger - Südtirol - Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart (ISBN 3-7065-1348-X)