Lisp-Maschine

Eine Lisp-Maschine (kurz oft LispM) ist ein spezieller Computer zum Ausführen und Entwickeln von LISP-Programmen. Sie wurden in den 1970er und 1980er Jahren entworfen, um Aufgaben im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) besser erledigen zu können. Auch für Animation wurden einige Maschinen benutzt. Die Anzahl der eingesetzten Lisp-Maschinen war sehr gering. Es gibt Schätzungen zwischen 5000 und 7000 Stück.[1]
Trotz dieser geringen Stückzahl wurden einige Konzepte heutiger Computersysteme auf Lisp-Maschinen erprobt und erstmals produktiv eingesetzt, wie farbige Grafik, Fenstersystem und Computermaus.
Wegen der großen Fortschritte in der Prozessor-Technologie in den 1990er Jahren, die auch ausreichend schnelle allgemeine Mikroprozessoren ermöglichten, und dem KI Winter stürzten die Lisp-Maschinen-Hersteller in eine Krise und die Produktion von Lisp-Maschinen endete.
Technische Idee hinter den Lisp-Maschinen
Das Ausführen von Lisp-Programmen war auf Computern der 1970er Jahre wegen der hohen Dynamik der Programmiersprache nur sehr langsam möglich oder nur unter Verzicht auf Garbage Collection und Typ-Überprüfung.
In Lisp-Maschinen wurde die Typ-Überprüfung daher in Hardware realisiert. Dazu wurden die Datenwörter mit Typ-Informationen versehen (getagt). Deshalb arbeiteten Lisp-Maschinen auch mit krummen Bitzahlen für Maschinen-Wörter, wie 36 oder 40 Bit. So konnte die Typ-Überprüfung parallel erfolgen und war wesentlich schneller als eine Software-Implementierung.[2]
Außerdem wurde virtueller Speicher eingeführt und die Garbage Collection in die Hardware verlegt. In kommerziellen Lisp-Maschinen wurden auch ganze Lisp-Funktionen in Hardware umgesetzt.[3]
Geschichte
Anfänge am MIT AI Lab und bei Xerox
1973 begannen Richard Greenblatt und Thomas Knight mit der Entwicklung eines Prototypen für eine Maschine, die Lisp-Code optimiert ausführen sollte. Die erste Maschine, über die Knight seine Masterarbeit schrieb, wurde CONS machine (nach der Lisp-Funktion cons
) genannt und 1976 fertig gestellt. Die CONS machine hatte eine 24 Bit Architektur und benötigte noch eine PDP-10 zum Betrieb. Nach einer Vorstellung der Maschine 1978 bei einer Konferenz über AI begann die DARPA damit, das Projekt zu finanzieren, und Firmen äußerten ihr Interesse am Erwerb einer Lisp-Maschine. Dies führte zur Entwicklung der CADR machine (nach der Lisp-Funktion cadr
), von der 25 Stück produziert wurden. Das große Interesse an Lisp-Maschinen führte dazu, dass die Gründung einer Firma für die Vermarktung geplant wurde.[4]
Parallel zur Entwicklung am MIT entwickelte BBN Technologies eine eigene Lisp-Maschine, die jedoch nie vermarktet wurde. Das enttäuschte Team wurde dann von Xerox abgeworben und entwickelte am Xerox PARC 1979 eine Lisp-Maschine mit dem Namen Dolphin. Die Xerox-Lisp-Maschinen basierten auf InterLisp, im Gegensatz zu den MIT-Maschinen, die auf MacLisp basierten.[5]
Kommerzialisierung: Symbolics Inc., Lisp Machines Inc.
1979 kam es zum Streit zwischen Russell Noftsker und Greenblatt über das Geschäftsmodell der Firma. Noftsker wollte eine traditionelle Firma aufbauen, während Greenblatt vor allem ein mit der Hacker-Ethik des MIT AI Labs vereinbares Geschäftsmodell anstrebte, das auf Risikokapital verzichten sollte. Da Noftsker, der das AI Lab 1973 verlassen hatte, um in der freien Wirtschaft zu arbeiten, bereits Erfahrungen in der kommerziellen Welt hatte und es auch aus anderen Gründen zu Streit zwischen Greenblatt und einigen Mitarbeitern am AI Lab kam, gelang es Noftsker einen großen Teil der Mitarbeiter für seine Pläne zu gewinnen und er gründete Symbolics Inc. Greenblatt blieb zunächst passiv und war sehr verärgert über Noftsker. Control Data Corporation (kurz CDC) zeigte jedoch großes Interesse, eine MIT CADR Maschine zu erwerben, und Alexander Jacobson, ein Consultant von CDC, trieb daher Greenblatt dazu, endlich eine eigene Firma zu gründen. Greenblatt gründete daraufhin Lisp Machines Inc. (kurz LMI). 1980/1981 brachte Symbolics die LM-2 auf den Markt, die eine neuverpackte MIT CADR Maschine war. LMI brachte ebenfalls eine MIT CADR Maschine heraus, die LMI CADR Maschine.[4][2]
Der Konkurrenzkampf zwischen LMI und Symbolics führte dazu, dass die Mitarbeiter beider Firmen das AI Lab verlassen mussten. Nur Richard Stallman und Marvin Minsky blieben zurück. Außerdem hatten LMI und Symbolics ihre Technik und Software zwar vom MIT lizenziert und räumten dafür dem MIT ein Nutzungsrecht ihrer Veränderungen ein, aber Symbolics verweigerte dem MIT die Änderungen in den ursprünglichen Prototyp und die Software zu integrieren, damit LMI diese nicht nutzen konnte. Dies verärgerte Stallman, der dadurch zum Advokaten freier Software wurde. Stallman nutzte den Zugang am MIT zu den Lisp-Maschinen, um die Änderungen zu rekonstruieren und LMI zur Verfügung zu stellen.[4][2]
LMI lizenzierte ihre Lisp-Maschinen an die Firma Texas Instruments, die mit Explorer I/II auf der LMI Lambda basierende Maschinen produzierte.
Ende der Lisp-Maschinen
Gegen Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre brach der ohnehin kleine Markt der Lisp-Maschinen zusammen. LMI war bereits 1986 insolvent und ein Versuch, die Firma als GigaMos Systems wiederzubeleben scheiterte an juristischen Problemen des Investors[6]. Xerox hatte schon relativ früh die Entwicklung weiterer Lisp-Maschinen gestoppt.
Gründe für den Zusammenbruch gibt es viele. Zum einen war der Markt sehr klein. Spekulationen gehen von zwischen 5000 und 7000 Maschinen aus. Dies sorgte dafür, dass die Hersteller weniger Geld in die technische Weiterentwicklung der Lisp-Maschinen investieren konnten, während die Hersteller herkömmlicher Computer immer bessere Verfahren entwickelten und Lisp-Maschinen bald an Geschwindigkeit einholten und sogar überholten. Die Portierung der Symbolics Betriebssystemsoftware Genera von 1992 auf ein DEC Tru64 UNIX/Alpha-System war dreimal so schnell wie die schnellste Lisp-Maschine[7].
Außerdem erfüllten sich die überzogenen Erwartungen an die Künstliche Intelligenz nicht, weshalb die Gelder für viele KI-Forschungsprojekte gekürzt wurden. Damit brach der wichtigste Markt für Lisp-Maschinen ein.[8]
Hersteller von Lisp-Maschinen
- Symbolics
- Lisp Machines Inc. (kurz LMI)
- Integrated Inference Machines (kurz IIM)
- Texas Instruments
- Xerox
Lisp-Maschinen
Erscheinungsjahr | Name | Besonderheit |
---|---|---|
1975/1976 | MIT CONS | Erste Lisp-Maschine; 24 Bit Architektur |
1977/1978 | MIT CADR | |
1979 | Xerox Dolhpin | Basierend auf dem Xerox Alto |
1980/1981 | Symbolics LM-2 | umverpackte MIT CADR |
1980/1981 | LMI CADR | umverpackte MIT CADR |
1981 | Xerox Dandelion | Basierend auf dem Xerox Star |
1982 | Symbolics 3600 | Mit 36 Bit Datenwort und 28 Bit Adressraum; Inklusive Macsyma und Prolog |
1982 | Xerox Dandetiger | |
1983 | LMI Lambda | |
1983 | Texas Instruments Explorer I | LMI Lambda in Lizenz produziert |
1983 | Xerox Dorado | |
1984 | Symbolics 3650 | |
1986 | LMI K-Machine | Komplett neuer Hardware entwurf; Integrierter Mikroprozessor; Konnte wegen Insolvenz LMIs nicht fertig gestellt werden |
1986 | IIM | IIM produzierte einige Prototypen |
1987 | Symbolics Ivory | Integrierter Mikroprozessor; Basis für mehrere Lisp-Maschinen |
1987 | Texas Instruments Explorer II | |
1989 | Symbolics Macivory III | Und weitere neue auf Ivory basierende Lisp-Maschinen |
1992 | Symbolics Open Genera | Virtuelle Lisp-Maschine für Tru64 UNIX auf DEC Alpha |
Literatur
- Paul Graham, Anatomy of a Lisp Machine, AI Expert, Dezember 1988.
- Pleszkun and Thazhuthaveetil, The Architecture of Lisp Machines, IEEE Computer, März 1987.
- Ditzel, Schuler and Thomas, A Lisp Machine Profile: Symbolics 3650, AI Expert, Januar 1987.
- Peter M. Kogge, The Architecture of Symbolic Computers, McGraw-Hill 1991. ISBN 0-07-035596-7
Weblinks
- Lisp Maschinen Handbuch (englisch)
- Lisp-Maschinen FAQ (englisch)
- Lisp-Maschinen Wiki (englisch)
- Lisp-Maschinen Emulatoren (MIT CADR, Symbolics, TI Explorer, ...) und Original Quellcode der MIT CADR (englisch)
- Linksammlung (englisch)
Quellen
- ↑ http://www.andromeda.com/people/ddyer/lisp/lispm-faq-and-history.html
- ↑ a b c http://www.gnu.org/gnu/rms-lisp.html
- ↑ Symbolics Inc: Symbolics Technical Summary, 1985
- ↑ a b c Steven Levy: Hackers: Heroes of the Computer Revolution 1984, New York, ISBN 0-385-19195-2
- ↑ http://www.andromeda.com/people/ddyer/lisp/
- ↑ http://fare.tunes.org/tmp/emergent/kmachine.htm
- ↑ http://www.b9.com/blog/archives/2003/12/opengenera_benc.html
- ↑ http://pt.withy.org/publications/LispM.html