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Kuhblasen

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Das Kuhblasen (aus "Kuh" und "blasen" - im Sinne von Luft aus dem Mund ausstoßen); engl. cow blowing[1] oder Kuhblasen[2], in Indien anglisierend phooka (hindi: फ़ूंक/फूंक, funk/phunk, „blasen“) genannt[3]) ist ein in der ethnographischen Literatur aus vielen Ländern berichtetes Verfahren, bei dem durch kräftiges Einblasen von Luft in die Vagina - bisweilen auch in den After - der Kuh zu erreichen versucht wird, dass sie mehr Milch gibt.

Meist erfolgt dieses Einblasen direkt mit dem Mund aber auch mittels eines Röhre bzw. anderer Verfahren.[4] Solche Verfahren sind auch für andere Milchtiere bekannt: neben dem Rind auch bei Pferd, Yak, Kamel oder Ziege.[5] Wörter wie Stutenblasen, Yakkuhblasen, Kamelstutenblasen oder Zickenblasen sind dagegen nicht bekannt.

Es ist ein sehr altes Verfahren, das bereits im alten Ur bekannt gewesen ist, wo ein Tempelfries in El Obeid hinter den Kühen sitzende Melker erkennen läßt.[6] Das "cow blowing" wurde mindestens bis zum 17. Jahrhundert auch in Irland praktiziert.[7] Besonders zahlreiche Belege liefern afrikanische Hirtennomaden[8], es ist in Süd- und Ostafrika verbreitet, zum Beispiel bei den Dinka und Nuer, aber auch in anderen Hirtenkulturen wie z.B. bei den alten Skythen und in Tibet (siehe Übersicht).

Herodot: Historien IV.2

Im zweiten Kapitel des vierten Buches der Historien des griechischen Historikers Herodot (5. Jahrhundert v.Chr.) wird beschrieben, wie die Skythen Pferdestuten durch hohle Knochenröhren Luft in die Scheide blasen, während eine andere Person die Stute melkt.[9]

Indien

M. K. Gandhi

In Indien, wo das Rind in den hinduistischen Religionen als Heilige Kuh einen besondern Schutz genießt, wird das Kuhblasen "phooka" genannt[10], worüber unter anderem Gandhi in seiner Autobiographie[11] berichtet. Seit seiner Beobachtung des phooka hatte Gandhi einen starken Ekel vor Milch. Der Prozess des phooka hat Gandhis Einstellung zur Gewalt an Tieren beinflusst.[12]


Physiologische Apekte

Eine Dehnung der Cervix uteri führt über den Ferguson-Reflex zur Ausschüttung von Oxytocin, was physiologisch während der Geburt die Muskulatur der Gebärmutter anregt und auch die Milchejektion stimuliert.[13] Ob das „Kuhblasen“ einen Ferguson-Reflex auslöst ist aber fragwürdig. Die Ausschüttung von Oxytozin wird auch durch das Saugen des Jungtiers und durch das „Anrüsten“ (ein Art Eutermassage vor dem Melken) ausgelöst.[14]

Ferguson-Reflex (Zitat)

"Ferguson's reflex [...] was first described in 1942, although herdsmen had been aware of it for centuries and had used it as an aid to milking; in the second century ad, Galen, the Greek physician and prolific writer, described how herdsmen would blow into the vagina of mares to improve milk yield." (Quelle: http://www.answers.com/topic/oxytocin)

Verbreitung nach Plischke (1954)

Volk Gebiet Autor (Jahr) siehe (auch) sonstiges
mongol. Kalmücken südrussische Steppengebiete Peter Simon Pallas (1776)
Skythen Herodot (Pferde)
Jakuten an der Lena, Sibirien Gerhard Friedrich Müller (Bericht um 1736)
Abessinien I. M. Hildebrandt (1874)
Kaffa Friedrich J. Bieber (1920)
Nuer H. A. Bernatzik (1929)
Dinka H. A. Bernatzik (1930)
Baggara Kordofan McMichael (1924)
Somal C. Keller (1894)
Galla Ph. Paulischke (1893)
Wasiba H. Rehse (1910)
Wanyaturu E. Sick (1915)
Wagogo H. Clauss (1911)
Hottentotten Peter Kolb (1719)
Bana Logone-Gebiet südl. des Tschad A. Rühe (1938)
west- und zentralasiatische Hirtennomaden
China, Tung-Fluß I. H. Edgar (1924) Sichuan, Dadu He
Indien T. Murari (1937) "phooka"
Alpen (Unter-Gurgel im oberen Ötztal, Almen des Pfitscherjochs bei Gargellen) (1939)
Pyrenäen (1939)

Literatur

  • Hans Plischke: "Das Kuhblasen. Eine völkerkundliche Miszelle zu Herodot,' Zeitschrift für Ethnologie, Berlin: Reimer, Bd. 79, 1954, S. 1-7.
  • H. A. Bernatzik: Zwischen Weißem Nil und Belgisch-Kongo. Wien 1929
  • Isaac Schapera: The Khoisan Peoples of South Africa, London 1930
  • Tadeusz Margul: "Present-Day Worship of the Cow in India." In: Numen, Vol. 15, No. 1 (Feb., 1968), pp. 63-80
  • Florence Burgat: "Non-Violence Towards Animals in the Thinking of Gandhi: the Problem of Animal Husbandry." In: Journal of Agricultural and Environmental Ethics, Volume 17, Number 3 / Mai 2004, Seiten 223-248
  • Hubert Kroll: "Die Haustiere der Bantu" (1929) & "Das Zurückhalten der Milch bei Rindern und ihre Behandlung bei afrikanischen Hirtenstämmen" (1928)

Fußnoten

  1. http://www.applewarrior.com/celticwell/ejournal/beltane/cattle_early_ireland.htm
  2. http://links.jstor.org/sici?sici=0018-2710(196324)2%3A2%3C227%3ASCIPC%3E2.0.CO%3B2-6
  3. http://faolex.fao.org/docs/texts/ind39976.doc (Artikel 12)
  4. Ein weiteres Verfahren ist die Überlistung der Kuh zu besserer Milchleistung durch die Verwendung einer sogenannten Kalbspuppe (engl. dummy-calf).
  5. Plischke (1954:6)
  6. Abb. 1 bei Plischke zeigt das "Kuhblasen im alten Ur. Tempelfries in El Obeid. Aus: C. J. (sic!) Wooley (sic!), Vor 5000 Jahren, Stuttgart 1930. Taf. 1" (s. Charles Leonard Woolley) - Plischke zitiert den Bildzusatz zu dieser Abbildung aus der neuen erweiterten Auflage der Großen Völkerkunde (1954) von Hugo Adolf Bernatzik (Frankfurt/Main 1954): "Diese Sitte ist auch heute noch in abgelegenen Tälern der europäischen Alpen erhalten, ihre Darstellung findet sich bereits auf Tongefäßen im alten Ur."
  7. http://www.applewarrior.com/celticwell/ejournal/beltane/cattle_early_ireland.htm. Der Artikel zitiert aus: The Journal of Thomas Dineley (1681); vgl. http://www.clarelibrary.ie/eolas/coclare/history/dineley_1681/dineley_index.htm. Dem irischen Satiriker Jonathan Swift (1667–1745)) scheint diese "Quelle des Witzes" (fonde of wit) lediglich aus Herodot bekannt gewesen zu sein (s. A Tale of a Tub (Ein Tonnenmärchen), VII. Abschnitt (Project Gutenberg EBook).
  8. Hubert Kroll (1928) zufolge ist diese Erscheinung in Afrika bei den hamitischen Hirtennomaden und den davon beeinflußten Negerstämmen vom Nil über Ostafrika südwärts bis zu den Hottentotten verbreitet. (Angabe nach Plischke, 1954)
  9. Herodot: Historien. 4. A. Stuttgart 1971, S.253 (Übersetzung von A. Horneffer); vgl. http://www.perseus.tufts.edu/cgi-bin/ptext?doc=Perseus%3Atext%3A1999.01.0126&layout=&loc=4.2 und den Kommentar dazu.
  10. http://faolex.fao.org/docs/texts/ind39976.doc (Artikel 12)
  11. http://en.wikisource.org/wiki/The_Story_of_My_Experiments_with_Truth/Part_V/The_Rowlatt_Bills_and_my_Dilemma
  12. http://www.springerlink.com/content/g3wh74632t87657x/
  13. Siehe z.B. Esther Hierholzer: Endokrinologische Veränderungen unter Belastung beim Pferd. Eine Literaturstudie. Hannover 2004, S.35.
  14. http://old.landwirtschaft.ch/deutsch/tiere/rind/rind5_1.htm Die Milch (Die Melkmaschine ersetzt den Melker und das Kalb)