Mahnverfahren
Das Mahnverfahren dient in Deutschland der vereinfachten Durchsetzung von Geldforderungen, ist in § 688 ff ZPO geregelt und nicht zu verwechseln mit Mahnungen durch Unternehmen, Rechtsanwälten oder Inkassobüros.
Zweck
Das Mahnverfahren ermöglicht die Vollstreckung einer Geldforderung ohne Klageerhebung, also ohne Urteil. Das Verfahren wird von einem Rechtspfleger oder sogar voll automatisiert durchgeführt, ohne dass geprüft wird, ob dem Antragsteller der Zahlungsanspruch tatsächlich zusteht. Das Mahnverfahren ist damit eine schnelle und kostensparende Alternative, die sich besonders für Ansprüche eignet, über die kein Streit besteht. Mit einem Mahnverfahren kann auch eine in einigen Ländern (Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein) erforderliche außergerichtliche Streitschlichtung umgangen werden (§ 15a Abs. 2 Nr. 5 EGZPO). Praktisch finden Mahnverfahren aus diesen Gründen sehr häufig statt: Vier von fünf Anspruchsdurchsetzungen werden mit einem Mahnverfahren eingeleitet.
Auf Antrag des Gläubigers erlässt das Gericht nach lediglich formeller Prüfung einen Mahnbescheid. Legt der Schuldner keinen Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein, kann der Gläubiger Erlass eines Vollstreckungsbescheides beantragen. Verteidigt sich der Schuldner während des Mahnverfahrens, gelangt das Verfahren vor das Prozessgericht, wo dann ein normales Erkenntnisverfahren abläuft.
Beim Widerspruch gegen den Mahnbescheid geschieht dies nur auf einen Antrag des Gläubigers oder Schuldners, beim Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid wird die Sache von Amts wegen an das Prozessgericht abgegeben.
Ziel des Verfahrens ist zunächst, den Schuldner zur Zahlung zu bewegen. Am Ende des Mahnverfahrens steht jedoch der Vollstreckungsbescheid. Das ist ein Vollstreckungstitel, mit dem der Gläubiger seine Geldforderung vollstrecken kann (§ 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO).
Zulässigkeit
Das Mahnverfahren ist nur für Ansprüche auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme zulässig. Der Anspruch darf auch nicht von einer Gegenleistung abhängig sein, die noch nicht erbracht wurde (§ 688 II Nr. 2 ZPO). Für Forderungen aus Verbraucherdarlehensverträgen gelten weitere Einschränkungen (§ 688 II Nr. 1, § 690 I Nr. 3 ZPO).
Verfahren
Das Mahnverfahren wird bei dem zuständigen Amtsgericht als Mahngericht, das im automatisierten Verfahren immer ein Zentrales Mahngericht ist, unter der Verantwortung eines Rechtspflegers durchgeführt. In Angelegenheiten des Arbeitsrechts ist das Arbeitsgericht zuständig.
In Deutschland sind zwei Verfahrensarten eingeführt: Das automatisierte, zentrale Mahnverfahren bei zentralen Mahngerichten und das manuelle, dezentrale Verfahren bei den örtlichen Amtsgerichten (nur noch in Thüringen, Übersicht). Die Verfahren unterscheiden sich in erster Linie durch den verwendeten Antragsvordruck.
Die örtliche Zuständigkeit ist, wenn (noch) kein zentrales Mahngericht eingeführt wurde, ausschließlich beim Amtsgericht am Wohnort des Antragstellers gegeben, soweit das Arbeitsgericht allerdings sachlich zuständig ist, ist dasjenige Arbeitsgericht (auch) örtlich zuständig, bei dem das streitige Verfahren durchzuführen wäre.
Bei dem zuständigen zentralen Mahngericht kann im automatisierten Verfahren eine Kennziffer schriftlich beantragt werden. Bei der Verwendung einer Kennziffer muss nicht mehr der gesamte Antragsteller / Prozessbevollmächtigte eingetragen werden, vielmehr genügt die Angabe der Kennziffer in dem entsprechenden Bereich. Die in der Kennziffer hinterlegten Daten sind beim Mahngericht gespeichert und werden automatisch in den Mahnbescheid sowie den Vollstreckungsbescheid übernommen. Das Mahnverfahren ist sehr formalisiert und weitgehend automatisiert. Der Antrag zur Erteilung einer Kennziffer kann bei dem zuständigen Mahngericht formlos eingereicht werden. Bei den Mahngerichten sind zur Vereinfachung Antragsvordrucke erhältlich.
Neben der Antragstellung per Post besteht auch die Möglichkeit des elektronische Datenträgeraustausch mit Diskette oder der Antragstellung über das Internet. Hierzu müssen die Antragsformulare nicht mehr im Schreibwarenhandel gekauft werden, sondern können auf dem eigenen Drucker erstellt werden.
Übertragungsmöglichkeiten des Antrags
Übertragung des Antrages im Barcode-Verfahren
Im Barcode-Verfahren ist es möglich, den Antrag für den Mahnbescheid auf der Website des zentralen Mahngerichtes auszufüllen. Es erfolgt eine automatische Kontrolle von Eingabefehlern bzw. der Schlüssigkeit der Eingaben. Der Antrag kann nach der Dateneingabe auf normalem, weißem Druckerpapier zu Hause ausgedruckt werden. Auf der letzten Seite werden die Daten in einem Barcode verschlüsselt ausgedruckt. Der Antrag ist zu unterschreiben. Danach werden alle ausgedruckten Seiten per Post an das Mahngericht versendet. Es empfiehlt sich, einen Zweitausdruck für die eigenen Unterlagen zu behalten. Auf diesem Wege spart man sich die Anforderung oder Beschaffung von Formularen.
Übertragung mit Diskette
Hierzu ist eine geeignete Mahnsoftware und eine Kennziffer Voraussetzung. Eine Kennziffer ist kostenlos und kann beim zuständigen Mahngericht beantragt werden. Für Anträge, die per Diskette übermittelt werden, ist eine Einzugsermächtigung für die Mahngebühr Pflicht. Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass mehrere Anträge in einer Datei übertragen werden können und die Verarbeitung am Tag des Eingangs erfolgt. Entsprechend dem Ausbaugrad der verwendeten Software erhält der Antragsteller die Nachrichten des Gerichts im Datenträgeraustausch zurück. Die Folgeanträge können dann ebenfalls auf diesem Wege gestellt werden.
Übertragung per Internet
Als weitere Voraussetzungen hierfür werden ein geeignetes Kartenlesegerät sowie eine signaturgesetzkonforme Signaturkarte benötigt. Die Softwaremodule Profimahn und Java-WebStart stehen im Internet kostenlos zur Verfügung. Bei der Antragstellung via Internet ist die Übertragung gleich Eingang bei Gericht. Nach der Übertragung erhält der Antragsteller ein Sende- und Empfangsprotokoll. Letzteres ist aussagekräftig und zeigt den Eingang bei Gericht an. Nach der Verarbeitung erhält der Antragsteller online die Quittung hierüber.
Schriftlicher Antrag
Der Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Mahnbescheids erfolgt auf einem Formblatt mit folgenden Angaben:
- Datum des Antrags
- Antragsteller
- Antragsgegner
- seine Geldforderungen
- vor welchem Gericht im Falle eines Widerspruchs/Einspruchs ein streitiges Verfahren stattfinden soll
- er adressiert das Schreiben an die Mahnabteilung des zuständigen Amtsgerichts
- der Antrag ist zu unterschreiben
Das Amtsgericht prüft den Antrag auf formelle Richtigkeit und ob die Geltendmachung der Forderung im Mahnverfahren statthaft ist. Der Antrag selbst enthält keinerlei Begründung. Etwaige mitgesandte Beweisstücke wird das Gericht ungeprüft zurücksenden. Nach der formellen Prüfung wird das Gericht den Mahnbescheid erlassen.
In Schreibwarenläden sind amtliche Formulare (Vordrucke) erhältlich. Den Formularen sind Hinweise zum Ausfüllen des Antrags beigefügt. Für die Antragstellung kann ein von der Justiz angebotenes Webformular unter der Internetadresse www.online-mahnantrag.de genutzt werden.
In Angelegenheiten des Arbeitsrechts wird ein gesondertes Formular für den Mahnantrag verwendet. Dieses ist bei jedem Arbeitsgericht erhältlich.
Ist der Mahnbescheid erlassen, stellt die Landesjustizkasse eine Kostenrechnung aus, die dem Antragsteller auf dem normalen Postweg übermittelt wird. Parallel wird der Mahnbescheid dem Antragsgegner zugestellt. Dieser hat dann zwei Wochen Zeit, Widerspruch einzulegen.
Vollstreckungsbescheid
Hat der Antragsgegner nicht oder nicht rechtzeitig gegen den gesamten Anspruch Widerspruch eingelegt, so erlässt das Amtsgericht (§ 699 I ZPO) auf Antrag des Gläubigers einen Vollstreckungsbescheid auf Grundlage des nicht angefochtenen Mahnbescheids (oder dessen nicht angefochtenen Teils). Der Antrag darf frühestens zwei Wochen nach Zustellung des Mahnbescheids gestellt werden und muss spätestens sechs Monate nach dieser Zustellung beim zuständigen Gericht eingehen. Er muss die Erklärung enthalten, ob und welche Zahlungen inzwischen auf den per Mahnbescheid geltend gemachten Anspruch geleistet worden sind.
Der vom Amtsgericht erlassene Vollstreckungsbescheid dient als eigenständiger und vorläufig vollstreckbarer Vollstreckungstitel. Mit ihm kann die Zwangsvollstreckung betrieben werden.
Der Vollstreckungsbescheid wird wahlweise vom Gericht automatisch („von Amts wegen“) dem Antragsgegner zugestellt, oder durch einen vom Gläubiger beauftragten Gerichtsvollzieher. Letzteres kann Zeit sparen, da der Gerichtsvollzieher zeitgleich schon die Zwangsvollstreckung betreiben kann. Die Zustellung erfolgt, sofern nichts anderes angegeben wird, an die Adresse, die im Mahnbescheid angegeben wurde.
Gegen den Vollstreckungsbescheid kann der Antragsgegner binnen zwei Wochen Einspruch einlegen. Geschieht dies nicht, wird der Vollstreckungsbescheid rechtskräftig. Von diesem Punkt an kann sich der Antragsgegner nur noch in Ausnahmefällen (etwa bei Arglist des Antragstellers) gegen die Forderung wehren, selbst wenn diese eigentlich unberechtigt ist.
Streitiges Verfahren
Wird gegen den Vollstreckungsbescheid Einspruch eingelegt, so wird von Amts wegen ein streitiges Verfahren zur Überprüfung des Vollstreckungsbescheids durchgeführt.
Gegenstand des Verfahrens ist zunächst die Überprüfung der Zulässigkeit des Einspruchs. Ist der Einspruch zulässig, untersucht das Gericht ob der mit dem Vollstreckungsbescheid geltend gemachte Anspruch begründet ist.
Das streitige Verfahren findet auch dann statt, wenn der Antragsgegner gegen den Mahnbescheid Widerspruch eingelegt hatte und eine der Parteien die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt.
Hemmung der Verjährung
Bereits der Eingang des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheides bei Gericht hemmt gem. § 167 ZPO die Verjährung, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Demnächst ist in diesem Zusammenhang nach der Rechtsprechung nicht rein zeitlich zu verstehen, maßgeblich ist vielmehr nach Ablauf von etwa einem Monat die Frage, ob die Verzögerung im gerichtlichen Geschäftsbetrieb oder in dem Verhalten des Antragstellers (falsche Adressangabe, verspätete Zahlung von Gebührenvorschüssen usw.) begründet ist.
Österreich
In Österreich gibt es ein obligatorisches Mahnverfahren.
Literatur
- Rainer Oberheim: Zivilprozessrecht für Referendare. 6. Auflage. Düsseldorf, 2004. ISBN 3-8041-2841-6
- Hans Joachim Musielak: Grundkurs ZPO. 7. Auflage. München, 2004. ISBN 3-406-51623-8
- Salten/Gräve: Gerichtliches Mahnverfahren und Zwangsvollstreckung. 2. Auflage. Köln, 2004. ISBN 3-504-47942-6
- Sujecki: Das Mahnverfahren. Heidelberg, 2006. ISBN 978-3-8114-3410-3
Weblinks
- Mahnbescheid - Vorlage:Gesetz-D
- Vollstreckungsbescheid - Vorlage:Gesetz-D
- Offizielle Internetseite der deutschen Mahngerichte
- Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides