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Basisdemokratie

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Die Basisdemokratie ist eine Form der direkten Demokratie. Sie kommt in ihrer Konzeption im Gegensatz zur repräsentativen Demokratie ohne Repräsentanten aus, da alle relevanten Entscheidungen von den Betroffenen selbst abgestimmt werden. Die Basisdemokratie kommt meist nur bei trivialen Problemen zur Anwendung, die ohne Fachwissen oder Kompetenzkonflikte als einfach zu entscheiden gelten und für Fragen, die erheblichen Einfluss auf das Leben der Mehrheit haben, wie die Struktur des Gesundheitswesens, Kriegseinsätze, neue Verfassungen, Eigentumsfragen, Löhne, Arbeitszeitregelungen, Streikentscheidungen, Grundrechte und Menschenrechte.

Merkmale

Sie wird sehr häufig in kleineren Gruppen angewandt, so zum Beispiel, wenn die Mitglieder einer Familie darüber beratschlagen, ob sie lieber ins Schwimmbad gehen oder die Burg besichtigen wollen.

Aber auch bei der Gestaltung eines staatlichen Gemeinwesens soll Basisdemokratie möglich sein: Sie würde bedeuten, dass jedes wahlberechtigte Mitglied der Gesellschaft das gleiche Mitspracherecht hat wie die Mitglieder der Regierung. Dazu müsste das Prinzip der Herrschaft aufgegeben werden, was allerdings oft in den Bereich der Utopie verwiesen wird. Derzeit gibt es basisdemokratische Organisationen, aber auch Staaten, bei denen ein Teil der Machtbefugnisse direkt an der Basis der Gesellschaft liegt.

Bestehende Formen

International

Eine Gruppe, die nach Meinung ihrer Anhänger in den von ihr beherrschten Landesteilen Mexikos die Basisdemokratie durchgesetzt hat, sind beispielsweise die Zapatistas. Ein europäischer Staat, bei dem direkt das Volk durch Volksentscheid und Volksbegehren an der Macht beteiligt ist, ist die Schweiz (siehe Direkte Demokratie). Noch weitergehende basisdemokratische Elemente gibt es in Brasilien, wo die Einwohner verschiedener Städte und Dörfer, ja sogar eines ganzen Bundesstaates (Rio Grande do Sul), über den Finanzhaushalt entscheiden.

Deutschland

Eine Partei Deutschlands, die sich in ihrer Gründerzeit explizit zur Basisdemokratie bekannte, sind die Grünen. Nach und nach wurden jedoch die Grundsätze, die einer Hierarchisierung entgegenstanden, zum Teil aufgegeben, da eine feste Führungsspitze aufgrund der Konstanz von der breiten Bevölkerung eher angenommen wird als ständig wechselnde Personen. Weitere Gründe für eine Abkehr vom basisdemokratischen Modell waren Probleme mit dem politischen System der BRD und mangelnde Mobilisierung von freiwilligen Parteimitgliedern. Näheres zu der basisdemokratischen Struktur der Partei ist in ihrem Artikel zu finden.

In Bayern wurde 1999 per Volksentscheid nach einer Initiative der (ödp) "Schlanker Staat ohne Senat" der Bayerische Senat abgeschafft. Dieser galt vielen Bürger als Pöstchen-Bahnhof für altgediente Parteileute der ansonsten aber keine Arbeit verrichtet hat.

Möglichkeiten

Das Internet bietet die Möglichkeit einer basisdemokratischen Abstimmung. Entscheidungen können auch dann schnell getroffen werden, wenn alle Mitglieder beteiligt werden.

Eine gültige Online-Wahl fand so bereits in Spanien 2003 statt. Die 15.000 Bewohner einer kleinen Stadt im Norden Madrids konnten online darüber abstimmen, wann in diesem Jahr das Wallfahrtsfest zu Ehren der heiligen Jungfrau stattfinden sollte. Die Authentifizierung der Wahl-Stimme erfolgte über die Personalausweisnummer und einen speziellen Code, der jedem Bürger einzeln ausgehändigt wurde. Um Bewohner ohne PC nicht aus zu schließen, wurden insgesamt 15 öffentliche Terminals in der Stadt aufgestellt.

Die Wikipedia ist ebenfalls in Teilen basisdemokratisch in ihrer Struktur, da alle Nutzer zu einem Meinungsbild ihre Meinung hinzufügen können. Auch das Medienprojekt Indymedia entscheidet teils basisdemokratisch per Diskussion auf der Mailingliste.

Vereinsrecht

Die erste gültige Online-Wahl in Deutschland realisierte die Initiative D21 e. V.. Es ist auch möglich, dass alle Mitglieder eines Vereins Vorstandsmitglieder sind. In der Praxis dürfte dies aber meist problematisch sein, da auch Willenserklärungen gegenüber nicht aktiven Mitgliedern Gültigkeit hätten (§ 28 II BGB).[1]

Kritik

Weil das Konzept der Basisdemokratie sich gegen die konstitutionelle Verlagerung der Macht von der Masse des Volkes hin zu abstrakten Regeln folgenden Institutionen richtet, bleibt nach kritischer Meinung fraglich, wie in einer reinen Basisdemokratie Rechte des Einzelnen vor dem Zugriff der jeweiligen Mehrheit geschützt werden könnten, die als Mehrheit den erreichten institutionellen Konsens der die Individualrechte schützenden Gesetze im Prinzip ja jederzeit allgemein oder im Einzelfall durch einfache und zeitnahe Abstimmung verschieben oder abschaffen könnte − während beispielsweise in der jetzigen bundesdeutschen repräsentativen Demokratie ein „Verfassungskern“ von Grundrechten und rechtsstaatlichen Prinzipien wie dem der Gewaltenteilung als vor Veränderung oder gar Aufhebung geschützt festgelegt ist und nur durch Totalersetzung der Verfassung oder einen Umsturz angetastet werden könnte (s. Ewigkeitsklausel).

So verbietet Art. 102 Grundgesetz beispielsweise die Todesstrafe, aber nähme man das Konzept der Basisdemokratie wörtlich, dürfte jede – auch spontane – Mehrheit in einem konkreten Kriminalfall aus Empörung die Hinrichtung des vermuteten Täters beschließen, ohne dass Gerichte dagegen wirksam vorgehen könnten.

Könnte sie es aber nicht, wäre sie strenggenommen keine reine Basisdemokratie, sondern wäre als Mischsystem anzusehen – mit möglicherweise starken basisdemokratischen Elementen neben einer deutlichen repräsentativen Vertretung durch Parlament und Regierung (s. a. Schweizerische Bundesverfassung).

Dem Gedanken der Basisdemokratie in seiner Reinform wird aufgrund seiner theoretisch unbegrenzten Zugriffsmacht gegenüber dem Einzelnen deshalb teilweise auch ein potentiell totalitäres Politikverständnis vorgeworfen (s. Carl Joachim Friedrich).

Siehe auch

Quellen

  1. § 28 BGB